München - Hauptbahnhof

  • Oh Gott... ich hatte ja schon gehofft, die Neubauideen werden beerdigt. Die Entwürfe sehen ja schon in ihren schönsten Visualisierungen schrecklicher aus als alle mir bekannten Nachkriegs-Großstadtbahnhöfe. Der jetzige Hauptbahnhof ist zwar etwas versifft, aber dennoch ein eher schöner Vertreter der Wirtschaftswunder-Architektur. Da eine Rekonstruktion des Bürklein-Bahnhofs nicht kommen wird, wäre es m.E. das beste, den jetzigen Bahnhof zu restaurieren und optisch in den Erbauungszustand (inkl. der Vorplatzgestaltung) zurückzuversetzen. Details wie z.B. die mit hochwertigen Naturstein ausgekleidete Empfangshalle werden wir beim Neubau nicht mehr bekommen. Ich hoffe, das Projekt wird nicht mehr durchgesetzt... München schafft sich architektonisch ja an vielen Punkten gerade ab (Hotel Königshof, Trikot-Tower, Gartenstadtverdichtungen...).

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Der Fahr-Entwurf, der meines Wissens seit den achtziger Jahren stückweise realisiert wurde, wurde in seinen Anfangsjahren sehr gerühmt. Ich begreife nicht, warum man die Bahnhofserneuerung nach diesem Konzept abgebrochen hat, bzw. so lange verschleppt hat, bis der Entwurf vielen nicht mehr zeitgemäß erschien. Es ist schwer zu glauben, dass, nachdem die sukzessive Bahnhofserneuerung nach Fahr im Sande verlaufen ist, jetzt auf einmal die Mittel reichen sollen, ein geradezu monströses Neubauprojekt aus dem Boden zu stampfen. Es scheint kein guter Stern über dem Münchner Hauptbahnhof zu stehen, denn schon der Bürcklein-Bahnhof hatte seine Mängel und wäre für die heutige Zeit erst recht unbrauchbar.

  • Wenn ich es richtig sehe, ist außerdem geplant, sowohl den Starnberger Flügelbahnhof als auch die beiden erhaltenen Seitenbauten der ersten gründerzeitlichen Bahnhofserweiterung abzureißen. Stehen die nicht unter Denkmalschutz? Ist es wirklich gewohlt, die kleinteilige Struktur zugunsten eines Stahl-/Glas-Monsters aufzugeben??

    Interessante Informationen aus dem Artikel der SZ (Link:(

    Zitat

    Inzwischen gilt der Bahnhof nach den Plänen von Auer + Weber wieder als Favorit. [...] Er lässt der Bahn auch mehr planerische Freiheit: Denn in der Zwischenzeit haben die Behörden den aus den 50er Jahren stammenden Starnberger Flügelbahnhof unter Denkmalschutz gestellt - er müsste eigentlich erhalten bleiben. "Auer + Weber ist dem Denkmalschutz aber zuvorgekommen", berichtete Ude. In einem solchen Fall gilt Vertrauensschutz - weshalb die Bahn nur bei der Realisierung dieses Entwurfs die Abrissbirne schwingen darf.

    Führt dies nicht den Sinn eines Baudenkmals ad absurdum? Wäre es nicht stattdessen sinnvoller, die Entscheidungen des Denkmalamtes zu akzeptieren und einen Neuentwurf zu machen? Wobei, gemäß der Denkmalliste aus Wikipedia steht auch das Hotel Königshof am Stachus unter Denkmalschutz... und da wurde der Erhalt m.W. überhaupt nicht in Frage gestellt.
    Denkmalliste Ludwigsvorstadt auf Wikipedia

    Die Seitenbauten aus der Gründerzeit stehen scheinbar nicht unter Denkmalschutz, ebensowenig die erhaltenen Reste des Bürklein-Bahnhofs in dem Quergang zur Schalterhalle...

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    2 Mal editiert, zuletzt von Booni (8. April 2015 um 21:35) aus folgendem Grund: Informationen bzgl. Denkmalschutz ergänzt

  • WTF??!! :schockiert:eye:)
    Dieses Rendite-Monstrum kann doch nicht deren Ernst sein?? Der nächste zur Shopping-Mall mit Büroanhang umfunktionierte Bahnhof. Wenn das die Stadt durchgehen lässt, ist München nicht mehr zu helfen... Pfui Deibel :daumenunten:

  • Ich habe den vorherigen Entwurf schon als Gipfel architektonischer Scheußlichkeit betrachtet....man wird doch immer wieder eines besseren belehrt. Die 50iger Jahre HB Kiste ist sicher alles andere als schön und ich sähe sie gern durch einen representativen Bahnhof ersetzt - aber bei dem was da so geplant wird, bliebe besser die häßliche 50iger Jahre Kiste stehen.
    Im übrigen ist der Starnberger Flügelbahnhof aus den 30iger Jahren sehr ansehnlich, ich würd es arg bedauern wenn dieser so einer seelenloser Glaskiste weichen müßte.

  • Eine interessante Seite über den Münchener Hauptbahnhof findet sich im übrigen hier.

    Interessant ist auch die Aufführung der erhaltenen Reste voriger Bauten. Nach meinem Verständnis sollen jetzt mit dem Neubau also nicht nur die letzten Reste des Bürklein-Bahnhofs (freigelegte Rundbögen in der Schalterhalle) sondern auch die in den Neubau integrierten Erweiterungsbauten des Bürklein-Bahnhofs von 1884 (Ostwand der Querhalle sowie die beiden Flügelbauten) verschwinden, da sie nicht unter Denkmalschutz stehen.

    Abgesehen davon... so scheußlich ist der aktuelle Bahnhof gar nicht. Allerdings jetzt auch schon 55 Jahre alt, ohne das irgendetwas daran getan wurde. Eine konsequente Sanierung würde auch die Eleganz der frühen 60er-Jahre wieder herstellen, die meiner Meinung nach besser dort hin passt, als alles, was später kommt oder kommen könnte. Eine Rekonstruktion des Bürklein-Bahnhofs ist allein aufgrund des hohen Bodenwerts von München utopisch. Abgesehen davon, ergibt sich so mit dem dahinterstehenden Hochhaus (Hotel Deutscher Kaiser) ein schönes Ensemble der Wirtschaftswunderzeit.


    Hauptbahnhof München um 1955“ von D. Fuchsberger - Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons

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  • Abgesehen davon... so scheußlich ist der aktuelle Bahnhof gar nicht. Allerdings jetzt auch schon 55 Jahre alt, ohne das irgendetwas daran getan wurde.

    Nun ja, im Grunde genommen bräucht man ja nur eine optisch ansprechende Fassade so im nachempfunden Stil des alten Büklein Bahnhof´s statt der momentan vorhandenen.

  • Wie könnte so etwas denn aussehen? Ich nehme mal an, dass bei dem Grundstückswert die Kubatur in jedem Fall mindestens gleich bleibt, evtl. das Gebäude sogar noch höher wird. Der Bürklein-Bahnhof bestand aus mehreren verbundenen kleinen Einzelgebäuden, so dass ich mir schwer tue, hier ein Zitat zu bringen.

    Interessant ist übrigens auch die Baugeschichte des Münchner Hauptbahnhof. Nach der Kriegszerstörung wurde zunächst der Starnberger Flügelbahnhof neugebaut und die Bahnhofshalle begonnen - nach damaligen Stand der Technik vierschiffig. Allerdings wurden nur die ersten vier Felder gebaut und danach (vmtl. wegen der Planung des kompletten Naubaus) alle Arbeiten ruhen gelassen. Fotos aus den 50er Jahren zeigen komplett unbedachte Bahnsteige außerhalb der Querhalle, die aufgrund ihrer großen Höhe vmtl. auch nur bedingten Wetterschutz bot - das war München in den 50ern. Später, zum Jahr 1960, wurde die Bahnsteighalle, jetzt nur noch mit zwei Schiffen, dann vollendet und auch das Empfangsgebäude neugebaut. Mit den erhaltenen Resten der Vorkriegszeiten bietet der Bahnhof jetzt also einen Mix aus 19. Jh, 50er und frühen 60ern.

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  • Schade für München. Ich bin gespannt, wie sich das mit dem Denkmalschutz regelt, allerdings vermute ich, dass das in München schon irgendwie klappt (das Hotel Königshof steht ja warum auch immer auch in der Denkmalliste und kommt weg).
    Ich werde wohl in den kommenden Monaten noch mal eine Fotodokumentation des alten Hauptbahnhofs machen, wenn der Abriss beginnt wohne ich hoffentlich nicht mehr in München. Irgendwie schon krass, dass über hundert Jahre alte Gebäude wie die Flügelbauten für einen Investorenklotz in Messehallen/Flughafenterminal-Architektur einfach weggefegt werden dürfen... Aber maybe, ich bin gespannt, ob ich München in 20 Jahren noch wiedererkenne. Vermutlich nur noch zwischen Isartor, Stachus und Odeonsplatz :(

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  • Leider gibt es in München keinen Herrn Boddien und keinen Bürgersinn für historisches Bauen. Hier jagt jeder nur dem Geld nach und ist ganz auf sich selbst fixiert. Man hätte die Sache schon seit Jahren mental vorbereiten müssen nach dem Motto:

    " Dresden seine Frauenkirche, Berlin sein Stadtschloß und München sein Hauptbahnhof. "

    Dazu Bilder der jeweiligen Bauwerke, das hätte vielleicht ein Zündfunke sein können in puncto Wiedergewinnung bedeutender Kulturdenkmäler den anderen deutschen Metropolen in nichts nachzustehen. Die Errichtung des Bürklein-Bahnhofes hätte auch den Druck auf die Umgebung erhöht und das Hochhaus des Hotels Deutscher Kaiser (aktuell Astor, glaube ich) wäre ebenso in die Debatte geraten wie das Mercure-Hotel in Potsdam. Und es hätte die Münchner an Rekonstruktionen großen Stils gewöhnt, sodaß eines Tages eventuell auch der einst dritte große Kuppelbau Münchens, das im Krieg zerstörte Verkehrsministerium, als Reko-Kandidat in Frage gekommen wäre.

    Aber hätte, hätte, Fahrradkette: Es kommt anders und so wird das Münchner Zentrum für eine weitere Generation mit einer modernistischen Bausünde verunstaltet. An der drittgrößten Stadt Deutschlands geht der aktuelle Trend zur Wiedergewinnung verlorener Vorkriegspracht völlig vorbei.

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • In die Sache um den Neubau des Münchner Hauptbahnhofes kommt wieder Bewegung:

    "Das Hochhaus, das nach den Plänen des Münchner Büros Auer Weber Architekten im Bereich des Starnberger Flügelbahnhofs entstehen soll, trifft besonders auf den Widerstand der Denkmalschützer. Zu ihnen gehören Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU), Bayerns Generalkonservator Mathias Pfeil und Stadtheimatpfleger Gert Goergens sowie der Landesdenkmalrat. Sie alle fürchten, dass der Turm massiv die Altstadt-Silhouette beeinträchtigen wird. Außerdem besteht die Sorge, dass ein Präzedenzfall geschaffen wird. Denn auch andere Investoren könnten Hochhäuser am Rand der Altstadt bauen wollen. Auch die Initiativen Denkmalnetz Bayern, die Altstadtfreunde und die Initiative Münchner Architektur und Kultur lehnen den Bahnhofs-Neubau ab. Sie fordern eine "behutsame Sanierung" des Hauptbahnhofs. Die architektonische und geschichtliche Bedeutung dieses Bauwerks aus den Fünfzigerjahren mit dem denkmalgeschützten Starnberger Flügelbahnhof dürfe nicht einfach ignoriert werden."

    http://www.sueddeutsche.de/muenchen/strei…etzer-1.2845046

    Denkmalnetz Bayern kann sich sogar einen Bürgerentscheid vorstellen

    http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.az-komm…399462255b.html

    Denkmalnetz Bayern hat auch einen Gegenentwurf zu den Plänen von Weber und Auer vorgestellt. Darüber berät heute die Stadtgestaltungskommission

    http://www.tz.de/muenchen/stadt…au-6085451.html

    http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.denkmal…0b89d3fb38.html

  • Wow, der Alternativvorschlag ist wirklich klasse - die Altbauten bleiben erhalten, sogar die 60er-Jahre-Fassade, die mir im sanierten Zustand und ohne kaputte Jalousien durchaus gefallen könnten. Ich bin auch dringend dafür, auf das Denkmalnetz Bayern zu hören.

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  • Da ja die Rekonstruktion der Bürkleinfassade* leider reine Utopie ist, ist für mich die Sanierung des jetzigen Gebäudes die zweitbeste Lösung. Wenn das dann wirklich den Esprit der Erbauungszeit wieder hat, denke ich kann man gut damit leben. Voraussetzung ist natürlich eine wirklich hochwertige Sanierung (ähnlich z.B. dem Haus Hardenberg in Berlin). Dazu eine Neugestaltung der Plätze rund um den Bahnhof und Ersatz der mittlerweile viel zu großen Bäume durch kleine. Anstrahlung der Fassade in der Nacht etc... Das könnte ich mir dann ganz gut Vorstellen.


    *obwohl man mit etwas Kreativität auch da etwas machen hätte können. Hauptfassade Bürklein, die zwei Droschkenhöfe mit Glas überdachen und somit zusätzlich Fläche schaffen. Die Büros (für die dann in den vorderen Gebäuden kein Platz mehr ist) in ein Hochhaus auslagern, das in die Schalterhalle des Starnberger Bahnhofs gebaut wird, ohne diese und das Gebäude drumherum zu zerstören. Das Hochhaus nicht zu hoch, ca 70-75 m, verklinkert und im Stile des Kollhoff'schen Hochhauses "Main Plaza". Somit würde die Silhouette Münchens aus meiner Sicht nicht gestört werden, sondern das Hochhaus würde hervorragend mit den Türmen der Frauenkirche korrespondieren, aber auch mit der Klinkerfassade Bürkleins ein schönes Ensemble aus alt und neu ergeben... Aber genug geträumt...

  • Man muss aber doch bedenken, dass der Denkmalnetz-Entwurf zur Frage der Innengestaltung der Empfangshalle anscheinend keine Aussagen macht (oder bin ich darüber nicht im Bilde?). Die Innengestaltung ist ja so übel aus verschiedenen Bauepochen zusammengestückelt, dass da doch ein großer Entwurf beigebracht werden müsste - es sei denn, man würde den in den achtziger Jahren begonnenen Fahr- Plan zu Ende führen, schließlich war dieser von überdurchschnittelicher architektonischen Qualität. Es gibt nur die Alternative Fahr oder totale Neukonzeption. Wenn man hört, dass der Auer/Weber-Entwurf noch gar nicht im Detail ausgearbeitet ist, solte man erst mal abwarten, wie dieser weiter optimiert wird.

  • Wie lautete denn der Fahrplan aus den 1980er-Jahren? Den Plan kenne ich nicht, empfinde aber die Stahl-Glas-Einbauten als sehr störend. Meines Erachtens wäre eine Wiederherstellung der ursprünglichen Schalterhalle mit den Natursteinverkleidungen und ihrer großzügigen Auslegung sehr wünschenswert. In den ehemaligen Schaltern könnten ja die wichtigsten Einrichtungen untergebracht werden, die restlichen Läden wären dann wie heute von der Haupthalle aus zugänglich.

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