• Die letzten Beiträge haben mich an einen Tagebucheintrag aus der Vertreibungszeit erinnert, über den ich vor einiger Zeit gestolpert bin. Nach kurzer Suche hab ich das Zitat wiedergefunden. Es stammt aus dem Tagebuch von Franz Scholz, einem aus Breslau stammenden katholischen Pfarrer der dort an der Heilig-Kreuz-Kirche tätig war. Seit 1940 wirkte er an der katholischen Bonifatiuskirche im heute polnischen Teil Görlitz'. Dort erlebte er die Vetreibungen mit und beschrieb das Empfinden der verbliebenen Deutschen Ende 1945/Anfang 1946. Er selbst verließ wenig später Ostgörlitz.

    Zitat von Franz Scholz

    Alle hier vegetierenden, verängstigten Deutschen haben nur eine einzige Sehnsucht: Hinweg aus dem Machtbereich dieses Terrors. Ganz gleich wohin. Nur weg von hier nach Westen! Das Leben in der russischen Zone, wo es keine Vetreibung gib, erscheint trotz der dort herrschenden Hungersnot als die große Hoffnung. Deutsch-Görlitz ist mit seinen so nahen Häusern und Türmen Symbol für Deutschland, für das Land, in dem man nicht zum Verkümmern verurteilt ist, nur weil man eine deutsche Mutter hatte und die deutsche Sprache spricht.

    Quelle: Franz Scholz: Görlitzer Tagebuch, Chronik einer Vertreibung 1945/46 Berlin 1990 (Neuausg.), hier zit. nach: Phillip Ther: Deutsche und polnische Vertriebene. Gesellschaft und Vertriebenenpolitik in der SBZ/DDR und in Polen 1945-1956, Göttingen 1998, S. 63-64.


    Beschreibt meines Erachtens ganz gut, welche Ausstrahlung dieser unzerstörte Stadt direkt an der Grenze seinerzeit nach Osten hatte. Sicher nicht das, was Ursus meint, aber es kam mit wie gesagt wieder in den Sinn.

    3 Mal editiert, zuletzt von Saxonia (6. April 2016 um 19:11)

  • erratisch ist wohl nicht ganz passend hier.
    Eigentlich hab ich nicht sosehr an Schlesien gedacht, denn dort gibt es keine vergleichbare Stadt (mehr, wie man anfügen muss. Früher war wohl auch nur Brassel vergleichbar, die anderen Städte verfügten wohl nicht über ein dermaßen weitreichendes Gassensystem bzw waren gründerzeitlich zu stark überformt). Ich hab wirklich mehr an Krakau und Lemberg gedacht - an alte, gerade gezogene, großstädtische, dunkle Gassen mit einer Mischung aus Flair des Alten und einer nach außen sehr klassizistischen Ausrichtung, eigentlich nicht besonders pittoresk, aber ernst und würdevoll.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Auf die Gefahr hin der größten Ohnverschämtheit geziehen zu werden, nachdem ja meine Wünsche so überreich erfüllt worden sind, aufdass ich Stunden gebraucht habe, um das alles abzuackern - aber gerade dieser Überreichtum ist's ja gerade, der Lust auf mehr macht, von dem man nie genug kriegen kann -, kurzum, sofern es mir noch zusteht, einen weiteren Wunsch zu äußern, würde ich dies in Betreff der Kraenzelstraße tun wollen, ich beschränke mich in erster Linie auf die Kraenzelstraße und nenne hier jetzt nicht Steinweg und Lunitz, nicht weil ich diese beiden letztgenannten Straßenzüge, deren Renovierung und Erhalt für mich eine veritable Sensation darstellten (nachdem ich sie unmittelbar bei der Wende erlebt habe), nicht ebenso schätzen würde, sondern weil ich, wie ich annehmen muss, die Kraenzelstraß (wie wohl auch Handwerk wahrscheinlich noch nie betreten habe.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Bin zufällig in 2 Wochen nochmals kurz in der Stadt, ob ich aber zum Bilder machen komme, weiß ich noch nicht. Ich setze die Kränzelstraße, Steinweg und Lunitz aber mal auf meine Liste. Vielleicht kommt mir aber auch jemand zuvor. :smile:

    PS: Falls es an den Mitforisten vorbei gegangen sein sollte, möchte ich noch auf meine Bildergalerie zum Jugendstil Kaufhaus in Görlitz aufmerksam machen, welche ich im Thread zu diesem, verlinkt habe - vom Keller bis unters Dach fast alles abgelichtet.

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.

    Einmal editiert, zuletzt von Fusajiro (7. April 2016 um 16:03)

  • Ein absoluter Wahnsinn, diese Stadt. Leider liegt sie soweit abseits, dass ich dort noch nie vorbeigekommen bin, aber das lässt sich sicherlich noch ändern. Schade, dass es von Großstädten dieses Kalibers nur noch ganz, ganz wenige gibt.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Es verhält sich ja durchaus nicht so, dass es im Web keine Bilder von der Kränzelstraße nicht gäbe. Aber deine Bilder sind halt schöner und auch informativer. Man kann sich den Straßenzug so richtig vorstellen. Auch deine Meinung, dass sich die Runinenmauer gut und romantisch einfügt, teile ich aufgrund deiner Bilder.
    Die Straße macht einen sehr schönen Eindruck. Ich hab eh vor, irgendann ein viertes Mal nach GÖ zu fahren.
    In diesem Sinne vielen Dank.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
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  • Die Lunitz hab ich grad jetzt entdeckt.


    Zitat von fusajiro

    Wir sind am Ende der mittelalterlichen Lunitz angekommen und das 19.Jahrhundert übernimmt das Straßenbild.

    Bemerkenswerterweise wird's erst hier richtig "schlesisch". Reine mittelalterliche Substanz ist halt in Schlesien ziemlich selten. Eine Straße wie den Steinweg gibts in ganz (Kern-)Schlesien nicht (mehr).

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Die Zeit war einfach mal reif: Der Postplatz wird z.Z. immer noch rekonstruiert, aber der Brunnen ist seit einiger Zeit fertig und der Platz sieht wieder aus, als wenn der "Wegestern" nie weg gewesen ist. Die Nachmittagssonne tauchte natürlich alles in ein wunderschönes Licht.
    In Wikipedia erhält man mehr Informationen zum Brunnen.

    Was für ein muskulöser Rücken. Kein Wunder bei der zu tragenden Last...

    Die Wasserspeier.

    Schaut man sich nun auch noch die anderen Skulpturen an, möchte man doch glatt die Originalmodelle kennenlernen.

    Ob der Künstler die alle aus dem Gedächtnis modelliert hat??

    Alles in allem: Hier hat man was Wunderschönes am originalen Standort wieder erlebbar gemacht.
    Fotos: Autor, 01.10.2016

  • Ich hab überlegt das unter "eigene Entwürfe" zu zeigen, aber der Herr MrPotsdamfan hat mir jetzt eine schöne Einleitung gegeben. Ich hab nähmlich aus beruflichen Gründen mir die Mühe gemacht, das ehemalige "Kaiserliche Post- und Telegrafenamt" aka "die Post" (Postbank Finanzcenter) einmal in AutoCAD darzustellen, bzw 4 Ansichten davon. Das Ergebnis möchte ich einfach mal zur Verfügung stellen: Postamt Görlitz.zipfloet:)baby2000:)

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.

    2 Mal editiert, zuletzt von Fusajiro (13. März 2019 um 10:34)

  • Herzlichen Dank. Das ist doch mal´ne Antwort mit Substanz. Die könnte auch andere Foristen mit architektonischem Ambitionen interessieren. :thumbup:

    Nein, es hat (leider) keinen architektonischen Hintergrund, denn ich bin kein Architekt o.ä., weshalb ich darauf auch nicht näher eingegangen bin. :) Mir geht es nur darum, dass ich meine mühsam erstellte Darstellung der Fassaden mit jedem Gesims, Gußeiserngitter u.s.w nicht vorenthalten wollte.

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.

  • Die Ingenieurschule wurde immer wieder um Arbeitskräfte bei Katastropheneinsätzen gebeten. Ob Straßenräumung, Grube Berzdorf, Reichsbahn, neue Schwimmhalle usw., überall waren wir dabei. Hier auf dem Foto von März 1970 versuchten wir den Obermarkt wieder befahrbar zu machen. Besen und Handfeger halfen da gar nichts mehr.
    Interessant ist aber die Häuserzeile im Hintergrund. Der Verfall ist hier schon sehr deutlich sichtbar.

    Vor der Hausnummer 7.

    Die Aufnahme von Oktober 2016. Die grüne Tür ist die Hausnummer 7.
    Fotos: Autor, 1970, 2016

  • Der Untermarkt noch mit den Pilzlauben:
    http://www.ebay.de/itm/AK-Seidenb…=p2047675.l2557

    gerade von mir erworben!
    Offenbar bewirkte die falsche Titulierung, dass die Görlitz-Sammler fernblieben.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Tauchritz ist inzwischen ein Teil der Stadt Görlitz. Das Wasserschloss Tauchritz steht am nördlichen Ortsrand nahe dem Berzdorfer See.
    Details sind bei Wikipedia zu finden.
    Und weitere Fotos kann man hier ansehen.

    Das Haus wurde gesichert, ab und an wird hier auch geheiratet, ansonsten wartet man wohl noch auf den Prinzen...

    Gleich hinter dem Schloss liegt der riesengroße Berzdorfer See, eine ehemalige Braunkohlegrube. Da durften wir Studenten auch mal schwer schuften... ^^

    Alte Gebäude gibt es genug.

    Und da sieht man, was man draus machen kann. http://gut-am-see.de/

    Handy-Fotos: Autor, 11.03.2017