• Exilwiener

    Görlitz ist sehr, sehr schön, und keiner wird diesen Umstand mehr würdigen als ich mit meiner Vorliebe für Schlesien (bzw die vorgelagerte Lausitz). Ich geb auch gern zu, dass mich der Görlitzer Gründerzeitgürtel sehr beeindruckt, und wahrscheinlich zum Besten seiner Art gehört. Dennoch muss man objektiv sein und nicht bei jeder sich halbwegs bietenden Gelegenheit stereotyp irgendwelche unsinnigen Stehsätze, die man wo aufgeschnappt hat, oder die man sich einbildet, von sich geben, was leider so 90% deiner Kommentare ausmacht.
    Görlitz, so sehenswert und liebenswürdig es auch ist, kann einfach schon rein substanziell nicht mit einer süd- oder mitteldeutschen Stadt mithalten. Richtig großartig ist außer dem Untermarkt und ein paar einmündenden Straßen eigentlich nichts. Schlesische Städte bestehen halt nicht aus viel mehr, Görlitz ist da eh schon relativ komplex entwickelt. Es fehlt sowohl die räumliche als auch historische Tiefe. Gotik (immerhin auch ein wenig Romanik) gibt es nur im sakralen Bereich (und auch da eher wenig), die Bürgerbauten werden beinahe ausschließlich von der Renaissance geprägt. Guter (sächsischer, leider nicht schlesisch-österreichischer, was besser passen würde) Barock ist selten.
    Da sind Regensburg, Erfurt, Bamberg, Rothenburg, Quedlinburg im Norden auch Lübeck, Lüneburg und Goslar einfach ganz andere Kaliber.
    Wären Augsburg und Landshut nicht so grauenvoll verunstaltet, müsste man auch hier sagen - kein Vergleich. Schau dir mal Ulm an, was da an geschlossener Substanz stehengeblieben ist! So etwas gibt es im Osten einfach nicht.
    Ich mein's dir wirklich gut, du solltest dir halt einmal was von der Welt anschauen, bevor du immer das Gleiche schreibst.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Wären Augsburg und Landshut nicht so grauenvoll verunstaltet, müsste man auch hier sagen - kein Vergleich.


    Naja, Landshut leidet wirklich unter der Unsitte, echte Bauten durch minderwertige historisierende Neubauten zu ersetzen, aber "grauenvoll verunstaltet" ist übertrieben.

    Schau dir mal Ulm an, was da an geschlossener Substanz stehengeblieben ist! So etwas gibt es im Osten einfach nicht.


    Diesen Satz verstehe ich nicht. Ich mag Ulm und die Stadt hat mehr historische Bausubstanz zu bieten, als mancher beim ersten Hinschauen vermuten würde, doch die Kriegsschäden waren katastrophal und auch die besser erhaltenen Ensemble weisen Löcher auf.

  • Ja, der Satz mit Landshut war hart, aber genau das macht die Meriten von Görlitz aus, dass es dort keine Abrisse und Substitutionen gibt, dass einfach alles perfekt erhalten ist.
    Was Ulm betrifft: natürlich hat Görlitz ein perfekteres Stadtbild, aber ich habe auf die Substanz von Ulm hingewiesen, mit der Görlitz einfach nicht mithalten kann. ICh hatte diese Substanz übrigens auch als erstaunlich geschlossen in Erinnerung. Auch Görlitz ist "dank" DDR-Verfall nicht immer so perfekt.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

    Einmal editiert, zuletzt von ursus carpaticus (14. Juni 2014 um 23:14)

  • Was Ulm betrifft: natürlich hat Görlitz ein perfekteres Stadtbild, aber ich habe auf die Substanz von Ulm hingewiesen, mit der Görlitz einfach nicht mithalten kann. ICh hatte diese Substanz übrigens auch als erstaunlich geschlossen in Erinnerung. Auch Görlitz ist "dank" DDR-Verfall nicht immer so perfekt.


    So verschieden kann man also eine Stadt erleben. "Erstaunlich geschlossen" - erstaunlich vielleicht, wenn man die furchtbaren Kriegsschäden bedenkt. Aber die unzerstörten schwäbischen Fachwerkstädte (z.B. Tübingen, Schwäbisch Hall, Esslingen, Wimpfen), die ich als Maßstab im Kopfe habe, sind sehr viel geschlossener erhalten und besitzen heute auch mehr alte Bürgerhäuser als Ulm (das Ulmer Münster ist natürlich eine Klasse für sich). Aber ich bestätige gerne, daß Ulm trotz aller Verluste immer noch eine sehr interessante, bedeutende und sehenswerte Altstadt besitzt.

    Einmal editiert, zuletzt von Tübinger (15. Juni 2014 um 10:01)

  • Die anderen kenn ich leider (oder gottseidank, da mir so noch viel Schönes bevorsteht) nicht. Aber mir hat Ulm "gereicht". Ich hab mir wirklich gedacht, so ist es gerade recht, wenn das Doppelte erhalten wäre, würde man mit einem Tag nicht auskommen. Ich habe Ulm einfach sehr gemocht, auch die Neue Mitte hat mich überhaupt nicht gestört.
    In Görlitz ist man, was die wirklich großartigen Teile betrifft, halt sehr schnell durch. Natürlich kann man sich den Untermarkt eine Stunde ansehen. Andererseits: perfekt ist er auch nicht, zumindest was den Nordteil mit dem erdrückende Rathausanbau betrifft (wobei - Ehre wem Ehre gebührt - auch die alten Pilzlauben so toll nicht waren).

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Zitat

    Was Ulm betrifft: natürlich hat Görlitz ein perfekteres Stadtbild, aber ich habe auf die Substanz von Ulm hingewiesen, mit der Görlitz einfach nicht mithalten kann. ICh hatte diese Substanz übrigens auch als erstaunlich geschlossen in Erinnerung.


    Ich hätte nicht gedacht, dass dir Ulm so gefällt, ursus, wo Kriegs- und Nachkriegszeit doch so gewütet haben sollen. Aber ich kann dich absolut verstehen. Görlitz ist halt eine perfekte kleine Stadt, wunderbar erhalten und so, als ob man die Zeit zurückgedreht hätte. Ulm, Landshut, Regensburg, etc... sind das nicht, dafür ist dort so viel alte Bausubstanz, dass man es sich eigentlich gar nicht vorstellen kann. In Regensburg kann man Wochen verbringen. Hinter jeden Ecke noch eine großartige Kirche, dort noch ein gotisches Bürgerhaus... Dafür sind die Altstädte halt nicht so perfekt erhalten, aber mich persönlich stört das gar nicht, im Gegenteil. Zu einer Großstadt gehört halt die eine oder andere Bausünde, und auch wenn man sie gerne weg hätte, das macht halt den urbanen Charakter aus.

    Görlitz ist sicher wunderschön, es ist halt einwandfrei erhalten. Aber es ist doch nur eine Kleinstadt, hat keine zehn gotischen Kirchen und keine spektakulären Palais. So schön es auch ist, die schönste Stadt muss m. E. doch mehr zu bieten haben, aber keineswegs in dieser Art "perfekt", sondern "bunt" sein. Sie darf schon ihre Schwächen haben, das macht eine solche Stadt doch so sympathisch.

  • Ja, aber letztendlich ist jede Beurteiling subjektiv und Schonheit muss auch nicht kunsthistorich bedeutsam sein. Fur mich persohnlich und ganz subjektiv finde ich Gorlitz die schonste Stadt weil es klein, harmonisch und trotzdem relative weitlaufig ist. Ich war in die meisten historische Stadtenvon Ursus genannt und trotzdem gefallt mir Gorlitz am besten - vielleicht auch weil mein Uropa eine grosse Auftrag dort hatten und in unsere Wohnzimmer hangt deswegen eine Gemalde von Obermarkt mit ein paar persohnliche Worter von der Burgermeister. Als Kind hat die Gemalde magisch angezogen.

    Wurde zehn gotische Kirchen, Palais und 1 millionen Touristen Gorlitz angenehmer fur mich machen?

    Ich bin nicht Deutsch und teile auch kein besondere Vorliebe fur Grosstadten. Ich finde persohnlich Kleinstadten schoner als Grosstadten - da gibt nicht endlose vororten und oft auch nicht endlose Industriegebieten. Fur mich ware immer Dinkelsbuhl schoner als ein vorkriegs Nurnburg weil Grosstadten haben immer etwas klobiges und unharmonisches uber sich, Schon ist wie Rothenburg ob der Tauber (leider nur auf eine seite) direkt in die Natur ubergeht. Man steht auf die Stadtmauer und man schaut auf die Flusstal. Das ist fur mich schoner als 10 gotische Kirchen or 10 romanische Wohnbauten.


    Fur mich ist schonheint nicht gleichzustellen mit Kunsthistorich bedeutsamkeit - was gefallt mich eher ganz subjektiv? Wo wurde ich am liebsten ein Glas Wein or ein mass Bier trinken. Die trinke ich eher am Untermarkt im Gorlitz oder am Zieroldsplatz in Regensburg als im Ulm oder Lubeck. Sicher ist Lubeck Kunsthistorich die erste Sahne in Deutschland aber darum geht es nicht immer.

  • @Johan
    Ich stimme dir hundertmal zu, nämlich, auch was deine subjektive Befindlichkeit betrifft. Auch mir gefällt Görlitz besser als die meisten von mir genannten Städte, auch gerade aus deinen Erwägungen heraus (nur das mit dem Vorkriegsnürnberg sehe ich anders). Aber daraus eine objektive Aussage abzuleiten und gebetsmühlenartig herunterzuleiern: Görlitz ist die schönste Stadt von... ist unsinnig, weil es einfach objektiv nicht stimmt. Die Stadtkrone von Erfurt, Dom und Kirchen von Regensburg etc sind halt ganz andere Stadtbildkategorien.

    Tobias:
    Täusch dich da nicht! Görlitz ist alles andere als eine Kleinstadt. nicht bloß, was den Gründerzeitgürtel, sondern auch was die Altstadt betrifft. Da ist absolut nichts KLeinstädtisches,weder von der Ausdehnung, noch von der Bebauung. Es ist halt eine Stadt des Ostens mit begrenzter Substanz und auch sehr eingeschränktem architektonischem Repertoire. Jenseits des Ringplatzes findet sich nicht mehr viel an bürgerlicher Prachtentfaltung, schon der weite Obermarkt ist eher dürftig.
    Die schlesischen Städte haben jenseits der malerischen Barockgiebel nur wenig an Originalität hervorgebracht, hin und wieder eine sehr manieristisch anmutende Renaissancefassade war das höchste der Gefühle. Görlitz ist da ohnehin viel wertvoller, weil hier die Renaissance die Basis bildet. Aber vieles fehlt halt - der wirklich große Dom, Barockkirchen (anders als in Schlesien üblich), stattliche Adelspalais, ein enges Gassengewirr, Fachwerkhäuser, gotische Backsteingiebelhäuser... Der schlesische Formencanon ist eben begrenzt.

    Aber kleinstädtisch ist es wahrlich nicht!

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ich persönlich finde ja die Patina der Waage wunderschön.
    Sie wirkt unheimlich authentisch, uralt, aber dennoch nicht in einem verwahrlosten Zustand der einen Sorgen und Kopfzerbrechen bereiten würde.
    Mir liegt es fern die Denkmalschutzpolitik der DDR gar pauschalisierend zu loben, aber ich habe im Wiki Artikel so eben gelesen, dass die Waage zwischen 1978 und 1980 saniert wurde. Es mag an den fast 35 Jahren liegen die die letzte Sanierung zurückliegt, aber irgendwie kommt mir der Gedanke auf, auch mit dem Beispiel der Leipziger Nikolaikirche im Hinterkopf, in ihrer würdevollen Patina ebenfalls eine DDR-Sanierung, dass aufgrund der wenigen Mittel die man damals hatte, sehr bodenständige und autentische Sanierungsergebnisse erzielt wurden. Keine glattgeleckten knallbunten Fassaden die in einer Altstadt fast schon stören könnten, durch deren hexenhausgleichen Dachlandschaften und engen verwinkelten modrigen Gassen der Atem der Jahrhunderte weht. Nein, statt Radikalsanierung erfolgte, wenn denn etwas erfolgte, vielmehr eine Instandsetzung des bestehenden, die konserverierung des Alten in dem Gemäuer und Gebälk. Es ist vielleicht eine gewagte Hypothese von mir und vielleicht ist es auch ein bisschen aus der Luft gegriffen, aber eventuell fielen manchen von euch noch weiterere Beispiele vergleichbarer DDR-Sanierungen ein, und können meine subjektiven, der Passion nach Morbiden und der romantischen Sehnsucht nach archaischer verwelkter Schönheit entsprungen Ansicht nachvollziehen.

  • Eine Frage:

    Weshalb werden hier Beiträge von Teilnehmern ohne Hinweis oder Vorwarnung entfernt?

    Die "feine englische Art" ist das nicht, noch dazu, weil mein Hinweis auf den falschen Strang (Galerie/Diskussion) doch wohl nicht verkehrt war!

    Sollte jemand die "Reinheit der Sache" durchsetzen wollen, dann wäre gewiß der Eingriff an anderer Stelle deutlich angebrachter. Ich gehe mal davon aus, daß auch dieser Beitrag zu gegebener Zeit gelöscht werden wird.

    Danke... :thumbdown:

  • Hallo,

    Spätsommer in Görlitz. Am 06.09.2014 so gegen 21.30 Uhr augenommen. Untermarkt. Erstaunlich viele Touristen, sicher auch ein paar Einheimische und viele junge Leute... Eigentlich fehlten nur noch einige Palmen, dann wäre das mediterrane Flair perfekt gewesen.


    Fotos: Autor, 06.09.2014

    Herzliche Grüße... :thumbup:

  • Wo bleiben eigentlich die Beiträge von den "Insidern" aus Görlitz. Da ich selbst nicht vor Ort sein kann, hätte ich gern viel mehr Informationen. "Weinberghaus" wäre so ein Thema.

  • http://www.ebay.de/itm/102760-AK-…cvip=true&rt=nc

    Temporär noch die Chance, diese schöne und offensichtlich höchst wertvolle alte AK zu bestaunen. Ich nehme an, dass die Fleischerstraße wie in G. üblich ihr historisches Antlitz bewahrt hat?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Was für eine wunderschöne Stadt!!

    So oder so ähnlich haben vorm 2. Weltkrieg offenbar ja alle Städte bei uns ausgesehen. Ein ungeheuerlicher Verlust, der zudem durch Architekten und Stadtplaner in den Nachkriegsjahrzehnten faktisch nochmals verdoppelt wurde.

  • So oder so ähnlich haben vorm 2. Weltkrieg offenbar ja alle Städte bei uns ausgesehen.


    Nun ja, wennman sich über viele Jahre hinweg mit verschiedenen Städten beschäftigt, ergeben sich immer wieder neue Details, mit denen man Stadt A von B unterscheiden kann; und diese Details mach(t)en jede Stadt einzigartig. Görlitz, Freiberg, Meissen, Dresden, Bautzen und Pirna sprechen auch architektonisch einen eigenen Dialekt. Bisweilen hat man das Gefühl, daß sich eine Stadt immer dann ein wenig weiter entfernt, wenn man gerade denkt, man habe sie ein Stück mehr eingeholt. Selbst wenn man sich die Gründerzeitler von Görlitz ansieht, hat man das Gefühl, daß bei manchen Straßenzügen der Anspruch des Sehens- und Gesehen-werdens bestanden haben mag, während andere Gründerzeitler in Teilbereichen der Stadt schon ein wenig funktionaler daherkommen. Ein besonderer Reiz besteht daher auch darin, ein wenig vom "Milljöh" eines bestimmten Stadtgebiets aufzunehmen.