Dresden, Neumarkt - Quartier VI

  • Zitat von Oktavian

    reparieren müssen, Ursus, oder besser: "müsste man reparieren".
    Aber wirklich können? Mir fehlen da Sachverstand und Vorstellungskraft, wie man dies bei den Rekos, ohne gleich den gesamten Bau niederzureißen, hinkriegen will.

    Ja, mir leider auch. Aber darüber hab ich mir schon Gedanken gemacht. Offenbar ist das Problem doch ernster, als ich mich vertröstet habe. Was wird aus den Fassaden, wenn die unmittelbar darunter liegende Wärmedämmschicht verfault und vergammelt ist? Muss man dann alles (bis auf die steineren Fensterbänke ua Fassadenteile) neu machen, bzw besteht genug Platz, die Dämmschichte durch eine vernünftige Ziegelschichte zu ersetzen?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Hallo Ursus,

    wir haben uns da schon sehr viele Gedanken drüber gemacht.
    Ja, im Prinzip ja. Die Dämmschicht ist ja nicht gerade dünn, hat aber sicherlich nicht Ziegelformat, so dass man diese mühevoll von Hand erst zuarbeiten muss (horrende Kosten!!!). Immerhin liegen die Sandsteinelemente wenigstens auf Metallankern bzw. Stützen, so dass diese bleiben könnten. Noch schwieriger sehe ich aber die Tatsache, dass wohl selbst die optimal gedämmten neuen Ziegel angesichts des zur Verfügung stehenden Platzes (die Steinwände dahinter bleiben ja) dann auch nicht die Dämmwerte ergeben würden. Ich halte es aus diesem Grunde für hochwahrscheinlich, dass man die Fassaden bei einer Restaurierung dann doch wieder mit Styropor/Glaswolle dämmen wird. Es gibt Fehler, aus denen kommt man wohl kaum mehr heraus.....

  • Vielleicht werden bis dahin andere, nachhaltigere Dämmverfahren erfunden. Oder es werden z.B. Lehmziegel/-Platten in der richtigen Größe als Ersatz in Massenproduktion hergestellt. Ich bin kein Fachmann. Es wird aber mit dem Styropor noch ein riesiges Entsorgungsproblem entstehen, das geradezu nach neuen Lösungen schreit.

  • Dort wurde tatsächlich mit Steinwolle gedämmt.

    Laut Baugesetzbuch gibt es Rekonstruktionen nicht. Da es sich um Neubauten handelt, kann die Stadt in dieser Hinsicht auch keine Vorschriften bezüglich des Fassadenaufbaus machen. Ist statisch bzw. bauphysikalisch alles in Ordnung und stimmt die von der Stadt geforderte Optik, sind alle sonstigen Eingriffsrechte erschöpft.

    Dann muss man halt das Baugesetzbuch ändern. Kein großes Ding.

  • Klar - das macht man einfach so - weil Rekonstruktiongrecht ist bestimmt erste prioritat

    Es reicht die Initiative zu ergreifen. Also konkret was wo wie geändert werden soll. Dazu kann man auch eine Eingabe formulieren oder die Blaupause (was wo wie) konkret zu entwickeln und politisch über die Opposition zu spielen. Ich halte es für richtig bei Rekonstruktionen Ausnahmen von Dämmvorschriften zu machen, sofern diese erforderlich sind um eine historische Stadtansicht/Stadtbild wiederherzustellen. Sobald solche Ausnahmen im Gesetz verankert sind, wird es als Nebeneffekt deutlich mehr Rekonstruktionen geben.

  • Gibt es nicht die Risiko dass es so ein Gesetzt, wenn es durch alle Gremien und Prozessen so rauskommst dass die Rekonstruktionen erschwert werden konnte?

  • Das Motto der Bremer Stadtmusikanten gilt auch hier.

    Grundsätzlich kann man mit einer Initiative für rekofreundliche Dämmung scheitern, man kann Erfolg haben oder einen Teilerfolg haben. Das Gesetz aber wie ein Schicksal anzunehmen, wie es der Bauherr tun muss, das ist einfach falsch. Wer unzufrieden ist mit der Rechtslage, sollte Änderungsvorschläge entwickeln und einbringen, möglichst konkrete, was-wo-wie. Eine Rekoausnahme für den Dämmwahn wirkt auf mich sehr sinnvoll. Übrigens auch für Fachwerk.

  • Ich finde die Diskussion aus baufachlicher Sicht ja durchaus interessant, verstehe aber den negativen Grundton mal wieder nicht.
    Ja, es gibt ein grundlegendes Problem mit den aktuell verwendeten Wärmeverbundsystemen, nicht nur bei der Alterung, auch beim Brandschutz, bei der Entsorgung, bei der Langlebigkeit etc. Ich weiß aus berufener Quelle, dass diese Themen mittlerweile auch in den politischen Ebenen angekommen sind und man sich der Probleme bewusst ist.
    Perspektivisch wird es also zu völlig neuen Lösungen kommen, daran besteht gar kein Zweifel, das gilt für die Energiewende ja auch wie für viele andere Aspekte, die in diesem Kontext gut gemeint, aber nicht gut umgesetzt wurden.
    Ich finde, dass Ziel, Energie einzusparen und Energie sauber zu gewinnen, zunächst ja sehr gut. Aber wie bei der Energiewende auch hat man hier leider das Kind mit dem Bade asgeschüttet, so dass jetzt Verwerfungen entstanden sind, die niemandem gefallen. Aufgrund der geforderten Normen stehen hier viele allerdings vor einem echten Dilemma, welches es nun schrittweise aufzulösen gilt.
    Denn dass die aktuell am meisten genutzen Dämmsysteme auf Styroporbasis allenfalls noch eine Übergangslösung sind, dass ist auch bei dem glühensten Verfechter des Klimaschutzes mittlerweile angekommen. Nur kann man Innovation eben zumeist nicht direkt verordnen. Es müssen eben Systeme her, die die Eigenschaften des heutigen Systems teilen, was die Dämmwirkung angeht, die gleichzeitig leicht zu montieren sind, von der Kostenstruktur vergleichbar sind und eben ökologisch abbaubar bzw. leicht zu entsorgen sind und nicht entflammbar. Dieser Herausforderung muss sich die Industrie aktuell stellen, aber da ich das Gefühl habe, dass man sich in den letzten Monaten dieses Problems bewusst geworden ist, wird sich hier absehbar etwas ändern.
    Aber wir müssen uns da eben etwas gedulden. Und wie es Lösungen für die Zukunft gibt, wird es auch Lösungen geben für die Vielzahl an Bauten, die heute mit diesem alten System ausgestattet sind. Denn spätestens in 25 Jahren müssen diese ganzen Platten wieder runter. Aber auch hierfür wird man eine Möglcihkeiten finden, wie man es immer getan hat, wenn ein Problem offenkundig wird.
    Also etwas Gelassenheit und etwas mehr Optimismus und dann ist das Leben gleich viel angenehmer :D

    APH - am Puls der Zeit

  • Geschäumtes Glas nicht zu vergessen. Wird beim Berliner Schloß verwendet, z.B. oben auf den Traufkanten des Betonbaus, um darauf dann Betonquader zu versetzen als Unterbau für die Balustrade!
    Agon, Dein link funktioniert bei mir nicht!?

  • Gibt es etwas, was ich im APH immer schon mal tun wollte? Jaaaa :lachentuerkis::lachentuerkis: Ein Baustellenupdate zum Dresdner Neumarkt. Und hier ist es. Die Bilder sind ganz frisch.

    Wir starten beim Quartier VI. Man ist doch merklich weit gekommen, die Raumwirkung ist schon heute erfahrbar.

    Front des Quartier VI mit Blick aus dem ehemaligen Hotel Stadt Berlin

    Man kann erkennen, dass die Fenster alle drin sind, das Dach im Mittelteil wird bereits gedeckt.
    Hier das Eckhaus von Blobel



    USD-Mittelbau



    Ecksituation und Bauschild

    APH - am Puls der Zeit

    Einmal editiert, zuletzt von Apollo (31. Dezember 2017 um 16:54)

  • Blick zum Jüdenhof, wieder aus dem Hotel Stadt Berlin


    Gesamtansicht vom Jüdenhof

    Regimentshaus

    Moderner Eckbau, der einzige direkt am Jüdenhof

    Erdgeschoss Regimentshaus

    Eckbau

    APH - am Puls der Zeit

  • Dann geht es in die Frauenstraße

    Am Blobelbau sind die ersten Schmuckelemente angebracht

    Erdgeschoss

    Die hinteren Bauten hinken etwas hinterher

    Erker des Chiapponisschen Hauses

    Blick zum Neumarkt


    Blick zur Seite des Kulturpalastes

    Und dann war ich etwas verdutzt über die eingebauten Fenster, die sehen sehr historisch aus obwohl es ja die moderne Seite sein soll, vielleicht weiß das ja wer Rat

    APH - am Puls der Zeit

  • Und als Zugabe noch ein paar Gesamtansichten des Quartiers

    Und weil man es im Forum eher seltener sieht, der Neumarkt von oben :D:D

    Man sieht sehr schön die Hofrekonstruktion des Dinglinger Hauses in der Frauenstraße

    APH - am Puls der Zeit

  • Sehr schöne Bilder, Wissen.de. cclap:)
    Mit der neuen Front wird auch immer deutlicher, dass auf lange Sicht das Hotel Stadt Rom als südlicher Abschluss rekonstruiert werden muss.

  • Ich möchte dann doch noch einige Gedanken zum Neumarkt und der Platzanlage selbst forumlieren, die mir hängen geblieben sind:

    1. Der Platz war viel größer, als ich es erwartet hatte, jetzt wo er geschlossen ist, dachte ich, er würde enger wirken, tut er aber nicht, er wirkt doch sehr weit und groß. Ob dies nun eher gut oder weniger gut ist, ist immer eine Geschmacksfrage, ich fand den Platz zunächst überwältigend, einfach weil es ein Wunder ist, dass er wieder da ist. Allerdings muss man sich schon fragen, ob es auf Dauer bei dieser reinen Steinfläche bleiben soll, es war hier und da dann doch etwas zu monumental und zu wenig heimelig.
    Daher muss ich ehrlich gestehen, dass ich nach wie vor gegen das Gewandhaus bin, aber die damalige Diskussion, durch eine Bebauung des Gewandhausgrundstückes den Platz besser zu fassen, verstehen kann und ich glaube, rein städtebaulich wäre es die richtige Entscheidung gewesen, weil der Platz deutlich mehr Struktur bekommen hätte. Vermutlich wäre es die beste Entscheidung gewesen, die historische Front, die jetzt kommt, einfach nach vorne zu schieben. Man hätte sich dann nur eine Lösung für den Jüdenhof überlegen müssen, in der Frauenstraße hätte man so sogar den historischen Eckbau wieder errichten können. Naja, ist jetzt Vergangenheit, ich glaube, die Bäume sind eine gute Kompromisslösung, denn dass am Platz vor allem auch Grün fehlt, da sind wir uns wohl alle einig.

    2. Das Fehlen des Hotel Stadt Rom fällt mit der Fertigstellung der Platzkante des Quartier VI noch eklatanter auf. Auch wenn alle es nunmehr seit Jahren vor sich herschieben, aber dem Problem wird man sich stellen müssen, auch hier muss eine Lösung her, weil es so nur schwerlich bleiben kann.

    3. Die modernen Füllbauten fallen deutlich weniger negativ auf, wie ich es erwartet hatte. Die Dichte an Reknstruktionen ist so dicht, dass die Bauten weitestgehend nicht als störend empfunden werden, zumindest war es bei mir so. Die Platzwirkung bleibt einfach phänomenal, die Frauenkirche ist zudem eine Wucht, viel massiger und monumentaler wie erwartet.

    4. Qualitativ sind zwischen den Projekten schon teils deutliche Unterschiede festzustellen. So wirken die Quartiere der Baywobau, insbesondere die Quartiere III und IV, in der Qualität doch deutlich weniger wertig wie die anderen. Fatal ist natürlich die Klopfprobe an Q IV, sowas darf bei Rekonstruktionen einfach nie wieder passieren. Sehr positiv empfand ich natürlich das Haus der GHND, aber auch An der Frauenkirche 13 und 14 sowie das Projekt der VVK (Q II). Die größte Enttäuschung noch hinter dem Hotel in der Rampischen Starße war für mich die Südseite des Kimmerle Projekts. Und da sag ich leider leider leider. Diese Seite ist völlig misslungen. Sie ist nicht nur komplett inspirationslos, langweilig und qualitiativ schlecht, es ist in der Massivität einfach völlig daneben gegangen. Ich finde das extrem bedauerlich.

    Das waren meine Gedanken beim Besuch des Platzes.

    APH - am Puls der Zeit

  • Ich glaube nicht, dass eine Bebauung des Gewandhausareals einen so großen Unterschied ausmachen würde. Die städtebaulichen Qualitäten mag ich so auch nicht wirklich sehen. Es würde sich halt einfach etwas weiter in den Platz reinschieben, den Platz noch mehr "gliedern" (oder aus meiner Sicht eher "zerfasern"). Andererseits aber auch den Blick von der Moritzstraße bzw. kleinen Kirchgasse kommend auf das Johanneum weitgehend verstellen. Ohne das Hotel Stadt Rom als Korrespondenz würde es m.E. überhaupt keinen Sinn machen. Aber über allem steht, dass ich die städtebauliche Frage nicht von der potentiellen Architektur trennen kann und da graust es mich immer noch vor den modernistischen Klötzen die man an so eine exponierte Stelle im Neumarkt stellen wollte. Nein, ich denke so ist es genau richtig.

    Wenn wir bei den größten Sünden sind, so möchte ich doch unbedingt den rückwärtigen Anbau des Coselpalais nennen. Das ist und bleibt inakzeptabel, ebenso das Pharaonengrab gegenüber der Frauenkirche in Q1. Das Hotel in der Rampischen wird seinen klopsigen Charakter mit Schließung der gegenüberliegenden Straßenseite weitgehend einbüßen. Der Kritik an den Stellwerkbauten zum Kulturpalast schließ ich mich an. Antonstädter hat die Örtlichkeit mit dem Eckbau im DAF mal treffend Furunkeleck genannt. Mit dem Rest der Füllbauten kann ich gut bis sehr gut leben.

  • Ich hatte mir auch schon ein paar mal Gedanken gemacht, ob die Bebauung des Gewandhausgrundstücks sinnvoll gewesen wäre, jetzt da die Platzfront fast fertig ist. Als das Quartier noch bis zum ersten Stockwerk gebaut war, hatte ich so meine Zweifel aber als der Bau dann weiter in die Höhe wuchs, sind diese gewichen. Ich denke es ist genau so richtig wie es ist. Außerdem ist so die Wirkung des Johanneums am Platz eine absolut bessere als mit bebautem Gewandhausgrundstück.

    Einmal editiert, zuletzt von Henry (1. Januar 2018 um 16:15)