• Von allen Kunstgattungen lässt sich die Architektur am besten und die Graphik am schlechtesten reproduzieren (obwohl es eine Reproduktionsgraphik gibt ;) . Am zweitschlechtesten lassen sich Fresken kopieren oder wiederherstellen. Ich kenne keinen Fall, wo das wirklich gelungen ist, auch nicht in der Semperoper. (...)

    Sehr gelungen finde ich manche Arbeiten von Karl Manninger, speziell die Fresken in der Klosterkirche St. Anna im Lehel in München aus den 70er Jahren.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Klosterki…._Anna_im_Lehel

    https://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…_Muenchen-1.jpg

  • Sehr gelungen finde ich manche Arbeiten von Karl Manninger, speziell die Fresken in der Klosterkirche St. Anna im Lehel in München aus den 70er Jahren.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Klosterki…._Anna_im_Lehel

    https://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…_Muenchen-1.jpg

    Von Karl Manninger kenne ich vor allem die Fresken im Bruchsaler Schloss. An Bruchsal dachte ich auch in meinem vorigen Post. Manninger war ein sehr guter Kunsthandwerker, aber man merkt seinen Bildern m. E. an, dass sie nach den Vorlagen abgemalt und nicht wie die Originale in freiem Schwung 'hingeworfen' sind. Sie haben nicht die Lebendigkeit und auch nicht die Plastizität und den Fluss der barocken Freskomalerei. Auch wirken die Bewegungen immer etwas erstarrt. Den Bruchsaler Marmorsaal und das Vestibül hat ja etwas später Wolfram Köberl ausgemalt. Im Vestibül wirken die Figuren auch recht platt und flächig, im Marmorsaal ist Köberl dagegegen viel mehr an Lebendigkeit gelungen. Aber dafür ist es dann eben ein Köberl geworden und keine Wiederherstellung von Zick. Die Arbeiten von Manninger und Köberl sind gut und höchst verdienstvoll. Aber man erkennt sie eben doch als solche. Die Stuckaturen dagegen sind in Bruchsal - wie meist auch andernorts - wieder sehr gut geworden. Aber da hatte man ja auch noch mehr erhaltene Substanz, an der man sich orientieren konnte.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Nein - halt, das stimmt so nicht:
    W. Köberl machte Fürstensaal und Marmorsaal um 1974 in aller-allerbester Qualität und soll das Fresko im Marmorsaal sogar 2x (!) ohne Wissen des Staatshochbauamtes wieder niedergerissen haben, da es ihm nicht zusagte - das nenne ich Einsatz. Neben den Farbdias, die man natürlich benutzte, mischte man aber die Farben auch an original erhaltenen Zick-Fresken ab.

    Die Intrada-Fresken machte erst in den 1990er Jahren Hermenegild Peiker (den ich insgesamt auch nicht so toll finde). Es ist aber eine Reko der im 18. Jh. auch früheren (und deshalb steiferen) Marchini-Fresken, die vor 1945 nur noch kaum vorhanden waren und von denen man so gut wie keine Unterlagen hatte (sie wurden erst kurz vorm Untergang in Resten freigelegt).
    Aber was Köberl machte, war einfach nur fantastisch und atmet 100%ig barocken Geist. Ich weiß gar nicht ob der überhaupt noch lebt....

  • Manninger war ein sehr guter Kunsthandwerker, aber man merkt seinen Bildern m. E. an, dass sie nach den Vorlagen abgemalt und nicht wie die Originale in freiem Schwung 'hingeworfen' sind. Sie haben nicht die Lebendigkeit und auch nicht die Plastizität und den Fluss der barocken Freskomalerei.

    Ich kenne das zwar jetzt nicht im Detail, aber bei Freskomalerei geht nichts, ohne dass der Künstler genau weiß, was er erreichen will, schon gar nicht im Barock mit seinen komplexen Bildkompositionen. Was dort wie im freien Schwung hingeworfen aussieht, ist vermutlich das Resultat jahrelanger Praxis (und entsprechender detailierter Entwürfe). Heutzutage werden barocke (und andere) Freskomalereien so selten gebraucht, dass auch die besten Künstler und/oder Handwerker eben keine so dauerhafte Praxis mehr erwerben können. Zudem ist es immer schwieriger, ein einmal bestehendes Werk genau nachzuahmen, als es zum ersten Mal zu erstellen - wenn der Kopist sich nicht zu 100% ans Vorbild hält, wird es als unbefriedigend empfunden. Und das raubt sicherlich die Freiheit bei der Ausführung, die für den Schwung erforderlich ist.

  • Ich kenne das zwar jetzt nicht im Detail, aber bei Freskomalerei geht nichts, ohne dass der Künstler genau weiß, was er erreichen will, schon gar nicht im Barock mit seinen komplexen Bildkompositionen. Was dort wie im freien Schwung hingeworfen aussieht, ist vermutlich das Resultat jahrelanger Praxis (und entsprechender detailierter Entwürfe). Heutzutage werden barocke (und andere) Freskomalereien so selten gebraucht, dass auch die besten Künstler und/oder Handwerker eben keine so dauerhafte Praxis mehr erwerben können. Zudem ist es immer schwieriger, ein einmal bestehendes Werk genau nachzuahmen, als es zum ersten Mal zu erstellen - wenn der Kopist sich nicht zu 100% ans Vorbild hält, wird es als unbefriedigend empfunden. Und das raubt sicherlich die Freiheit bei der Ausführung, die für den Schwung erforderlich ist.

    Ja, Hildesheimer, genauso sehe ich es auch. Hinzu kommt, dass Formensprache immer auch Ausdruck einer bestimmten Geisteshaltung und eines Lebensgefühls ist. Sich in die Welt des Barock hineinzuversetzen, ist unendlich schwierig. Ich bin froh, dass Manninger und Köberl so vielfach gewirkt haben, ihre Fresken sind besser als leere Flächen. Aber es sind eben Nachschöpfungen, die dem Verlorenen ferner stehen als z. B. eine rekonstruierte Fassade. Im Übrigen bin ich der Meinung: lieber keine Bildrekonstruktion als eine schlechte.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Im Übrigen bin ich der Meinung: lieber keine Bildrekonstruktion als eine schlechte.

    Ja, aber teilweise leider gehts gar nicht ohne. Die Semperoper lebt z. B. von den vielen themenbezogenen Gemälden.... Man muss es einfach akzeptieren, dass es ein wiederaufgebauter Bau ist.
    Man sieht z. B., dass die Semperoper in der DDR-Zeit der 80er Jahre wiederaufgebaut worden ist und da herrschte halt der "Sozialistische Realismus". Und das sieht man teilweise auch (oberes Rundfoyer und Vestibüle. Im Zuschauerraum wurde alles hingegen comme il faut!)

  • Ja, aber teilweise leider gehts gar nicht ohne. Die Semperoper lebt z. B. von den vielen themenbezogenen Gemälden.... Man muss es einfach akzeptieren, dass es ein wiederaufgebauter Bau ist.

    Ist das nicht ein bisschen Jammern auf hohem Niveau? Immerhin wurde weder die Semperoper noch das Schloss abgerissen. Zumindest beim Schloß war die Gefahr ja gegeben. Der frühere Stadtkonservator Dr. Hermann Krüger, der Anfang des Jahres verstorben ist, hat berichtet, dass er als junger Mann auf die Ruine des Hausmannturmes geklettert ist, um ein Notdach aufzubringen - das Material hatten sie, aber kein Gerüst, und ohne Gerüst wollte es kein Dachdecker machen. Also ist er selber mit ein paar anderen raufgeklettert. Lebensgefährlich! Wer sich zu DDR-Zeiten allzu vehement für den Erhalt solcher Bauten des "Klassenfeindes" einsetzte, war der Obrigkeit natürlich suspekt, und stand mindestens unter Beobachtung. Unter den Umständen kann man froh sein, dass überhaupt so viel noch übrig geblieben ist.

  • Also ich glaube nicht, dass ich hier zu denjenigen gehöre, die immer auf hohem Niveau jammern. Ich bin froh für alles, was erhalten und gerettet worden ist und für alles was rekonstruiert worden ist - auch wenn die Quali der Gemälde wie gesagt unterschiedlich ist...

    Ich gehöre auch nicht zu denjenigen, die im andern Thread den Wiederaufbau dieses Riiiiiiesen-Schlüter-Schlosses ex nihilo nach 60jähriger Abwesenheit nun einfach so abtun als sei es nichts, den Stella-Flügel verdammen und einfach mal so die Reko von 30-40 Schloss-Stilräumen herbeisehen, als wäre dies nichts....
    Wie gesagt: Diese Räume dort sind vergleichbar jeweils den drei großen Sälen in Bruchsal - und für die brauchte man dort insgesamt 30 (!) Jahre....

    Vielleicht kapiert man es, wenn man das hier mal sieht:

    Bruchsal, Marmorsaal
    Copyright: Oktavian

  • Seit kurzem sind 2 große Ausschreibungen veröffentlicht, und zwar für die Paraderäume im Westflügel 2. OG. Ausschreibung Nr. 1 beinhaltet die Restaurierung bzw. Rekonstruktion der historischen Beleuchtungsköper, in Ausschreibung Nr. 2 geht es um diverse Arbeiten für die textile Ausstattung. Ich möchte mich heute mit meinen Zitaten/Anmerkungen auf die Ausschreibung für die Beleuchtungskörper beschränken – das andere muss ich erst noch verarbeiten (sehr umfangreich und spannend).
    Beim Durchlesen des betreffenden Textes hat mich zunächst die doch für mich neue Erkenntnis überrascht, dass offensichtlich eine große Zahl der historischen Beleuchtungsköper als RESTAURIERUNG beauftragt wird (nicht als Rekonstruktion). Das heißt, entweder waren viele dieser Ausstattungselemente ausgelagert und/oder etliche konnten aus der Ruine geborgen werden.
    Eine zweite wichtige Information betrifft die – quasi offizielle – Aussage darüber, welche Räume denn nun im Einzelnen mit dem Terminus *Paradesuite* gemeint sind (im Sinne einer mehr oder weniger historischen Gestaltung). Gerade zu den beiden hofseitig gelegenen Retiraden und den beiden Bilderkabinetten hatte ich bislang sehr unterschiedliche Auslassungen gehört. Dazu hier der Einleitungspassus des Ausschreibungstextes:

    Bezeichnung des Auftrags:
    Dresdner Schloss, Westflügel 2. OGhistorischer Ausbau der Paraderäume Kronleuchter

    Kurze Beschreibung:
    Die Paraderäume befinden sich im zweiten Obergeschoß des Westflügels des Dresdner Residenzschlosses. In ihrer Ausstattung entstanden sie 1717/18 unter dem sächsischen Kurfürsten August dem Starken anlässlich der Feierlichkeiten zur Hochzeit seines Sohnes 1719. Die Räume des Paradeappartements August des Starken wurden von Matthäus Daniel Pöppelmann und Raymond Leplat als Repräsentations- und Festräume entworfen und mit entsprechende kostbarer Ausstattung versehen. Acht Räume werden als Raumkunstwerk und Ausstellungsbereich der Augusteischen Zeit wiederhergestellt. Es ist beabsichtigt über das Interessenbekundungsverfahren für die Restaurierung und Rekonstruktion von 24 Kronleuchtern und 27 Wandleuchter für das Dresdner Schlosses in 8 Losen zu vergeben.

    Dabei ist festzuhalten, dass diese 8 Lose nicht raumbezogen aufgeteilt sind, das heißt die Zahl der Auftragslose ist zufällig identisch mit der Zahl der Räume, die zur Paradesuite gehören. Es handelt sich um folgende Räume:
    Eckparadesaal (mit einem Erker an der Nordseite und dem kleinen Turmzimmer des nordwestlichen Eckturmes);
    1. und 2. Vorzimmer;
    2 Retiraden (hofseitig gelegen, dem Paradeschlafzimmer vorgelagert);
    Paradeschlafzimmer;
    Ausdienzgemach;
    das kleinere der beiden Bilderkabinette (mit dem kleinen Turmzimmer des südwestlichen Eckturmes).

    Der Bereich der beiden Bilderkabinette ist im obigen Lageplan blau umrandet. Die Trennmauer zwischen dem kleinen und dem großen Kabinett verläuft etwa in der Trennspur von Raum 28 und 30 (nach dem aktuellen Grundriss der Baubroschüre in der Mitte des Pfeilers zwischen den Fenstern).


    Nachfolgend nun die Lose des Gesamtauftrags.

    Los 1: Kronleuchter Eckparadesaal
    Restaurierungen historischer Leuchter:
    Anzahl: 5 Stück
    Material: Messingguß und Messingblech gedrückt und getrieben (Ornamente)
    Oberfläche: feuervergoldet.
    Realisierungszeitraum: 5 Monate
    Die zu restaurierenden Kronleuchter sieht man auf dem nachstehend verlinkten Foto. Dass es fünf waren, erschließt sich mit räumlicher Logik (auf dem Foto sind nicht alle fünf zu sehen): Klick

    Los 2: Kronleuchter Eckparadesaal-Erker und Kleines Bilderkabinett
    Restaurierungen historischer Leuchter mit Glasbehang:
    Anzahl: 2 Stück
    davon1 Stück Leuchter, Material: Messingprofil und Messingblech und
    1 Stück Leuchter, Material: vermutlich Eisenprofil, versilbert
    Realisierungszeitraum: 4 Monate

    Los 3: Kronleuchter Paradeschlafzimmer und Audienzgemach
    Rekonstruktion historischer Leuchter:
    Anzahl: 8 Stück: Leuchter Größe /Abmessung: ø 820 mm, Höhe: 840 mm
    zzgl. Abhängung, je 24 Lichter, Gewicht: ca. 52 kg
    Material: Messingguß und Messingblech, feuervergoldet
    Aufgaben: Leuchter fachgerecht rekonstruieren mit bereitgestellten Holzmodellen, abgießen, schleifen, ziselieren, polieren, elektrifizieren, liefern und einbauen; Elektrifizierung mit LED-Kerzen, Feuervergoldung, Konservierung, Einbau und Funktionstüchtigkeit herstellen
    Realisierungszeitraum: 8 Monate

    Los 4: Muschelblaker Eckparadesaal
    Restaurierungen mit Teil-Rekonstruktion historischer Wandleuchter:
    Anzahl: 8 Stück
    Material: Messingguß und Messingblech gedrückt und getrieben, Oberfläche: feuervergoldet
    Realisierungszeitraum: 6 Monate
    einer der Muschelblaker in einer Vorkriegsaufnahme: Klick

    Los 5: Trumeauxleuchter 1. + 2. Vorzimmer und Audienzgemach
    Restaurierungen mit Rekonstruktionen für Dochtkerzen:
    Anzahl: 10 St.:
    davon 4 St. Trumeauxleuchter restaurieren:
    Material: vermutlich Messingguß, feuervergoldet.
    weitere 6 Stück Trumeauxleuchter rekonstruieren:
    (Holzmodelle werden geliefert), Material: vermutlich Messingguß, feuervergoldet entsprechend dem Original
    Realisierungszeitraum: 7 Monate

    Trumeau: Pfeilerspiegel. Früher auch im deutschsprachigen Raum übliche Bezeichnung für schmale hohe Spiegel, die sich zwischen zwei Fenstern befinden, häufig in Verbindung mit einem Konsoltisch. Solche Spiegel waren vor allem im 18./19. Jh. beliebt.

    Los 6: Kronleuchter 1. + 2. Vorzimmer und Ecktürme
    Restaurierungen historischer Leuchter
    Anzahl: 5 Stück
    Material: vermutlich Messing
    Realisierungszeitraum: 6 Monate
    Hier sieht man einen Kronleuchter aus dem 2. Vorzimmer, Raum ist ausgestattet als „Saal der 100 Vasen“ – temporäre Ausstattung während der Ausstellung *August der Starke und seine Zeit* 1933/34: Klick

    Los 7: Wandleuchter Paradeschlafzimmer, Audienzgemach, Eckparadesaal-Eckturm
    Restaurierungen historischer Wandleuchter und Spiegelblaker:
    Anzahl: 9 Stück:
    4 Stück Trumeauxleuchter
    5 Stück Spiegelblaker
    Material: vermutlich Messingguss, vergoldet
    Realisierungszeitraum: 4 Monate

    Los 8: Kronleuchter 1. + 2. Retirade
    Restaurierungen historischer Leuchter,
    Anzahl: 4 Stück
    Material: vermutlich Messingguss, vergoldet
    Realisierungszeitraum: 5 Monate


    Abschließend noch einige Fotos, die belegen, wie der Bereich südlich des Audienzgemachs im unmittelbaren Vorkriegszustand aussah.

    ChinesischesZimmer (im Lageplan Nr. 28), Aufnahme um 1920
    Beschreibung:Wände mit blauer Seide bespannt, die mit chinesischer Goldstickerei(Drachenmuster) verziert und mit Bordüren aus golddurchwebtem schwarzem Samteingefasst ist: Klick

    LachsfarbenerSalon (im Lageplan Nr. 30), Aufnahme um 1930: Klick

    Gelber Salon (im Lageplan Nr. 31), Aufnahme um 1934: Klick

  • Hallo Bautzenfan,

    danke wie immer für die sehr wertvollen Angaben. Das Dresdner Schloss wird im Westflügel wirklich wieder ein prachtvolles Barockschloss werden - (das innenraumlose) Berlin wird neidisch sein. Alles hier nach dem motto: Klein, aber oho....
    Nur noch ein Hinweis zur Ergänzung: als Trumeaus bezeichnet man die Fensterpfeiler alleine - meist sind diese jedoch wie du richtig schreibst mit Spiegeln ausgestattet ("Trumeauspiegel")

  • (das innenraumlose) Berlin wird neidisch sein.

    Genau bei diesem Beitrag von BautzenFan ist mir dies auch durch den Kopf gegangen... und dabei waren in Dresden von diesen Prachträumen teilweise nur noch bröcklige, deformierte und einsturzgefährdete Rohbauten vorhanden. In Berlin konnte mit weniger Geld ein stabilerer Betonrohbau erstellt werden, und man hatte dann die bessere Ausgangslage als in Dresden.

    Für die Rekonstruktionen der Leuchter (Lose 3 und 5) werden den ausführenden Firmen Holzmodelle bereitgestellt. Dabei habe ich mich gleich gefragt, ob diese Holzmodelle aus früheren Vergaben an Dritte entstammen, oder ob es für Grundlagenerarbeitungen eine eigene "Forschungsstelle" für das Schloss gibt. Dabei bin ich auf diese Website der Firma Jacob gestossen, die solche Restaurierungs- und Rekonstruktionsplanungen erstellt, selber aber auch in der Ausführung tätig ist (vielleicht ist sie schon mal eingestellt worden, aber ihre allfällige Wiederholung ist hier sicher nicht fehl am Platz).

    edit.: von den Losen 3 und 4 findet man im Link Abbildungen, die den ganzen Planungsprozess erläutern, wenn man ungefähr einen Drittel hinunterscrollt.

  • Ich möchte mich auch bei BautzenFan bedanken, für die immer herausragende(n) Reportage(n) über den aktuellen Stand im Dresdner Residenzschloss! Ich freue mich riesig auf das neue/alte Schloss!

    Gruß F. :D

  • Zum gestrigen Thema *Restaurierung historischer Leuchter* habe ich noch einen eindrucksvollen Vorher-Nachher-Vergleich gefunden, und zwar für ein kürzlich aufgehängtes Exemplar im Georgenbau:
    Vorher
    Nachher

    Kommen wir nun aber wie angekündigt zur zweiten aktuellen Ausschreibung für die Paradesuite. Nachfolgend einige Zitate aus dem veröffentlichten Text.

    Zitat von SIB

    Bezeichnung des Auftrags:
    Dresdner Schloss, Westflügel 2.OG Paraderäume Restaurierung Goldtextilien
    Kurze Beschreibung:
    Audienzgemach, Restaurierung des Bestandes an Goldtextilien:
    Wiederherstellung des königlichen Paradeappartements des sächsischen Kurfürsten Friedrich August I. (1670/ 1694-1733), genannt August der Starke, und als König von Polen August II. Die Einrichtung dieser im Zweiten Weltkrieg zerstörten fünf Prunksäle ging auf die glanzvollen Feierlichkeiten zur Vermählung des sächsischen Kurprinzen Friedrich August mit der österreichischen Kaisertochter Maria Josepha im September 1719 zurück. Aus dem Audienzgemach sind ca. 80 % der schweren Goldstickereien in Kombination mit Posamenterie von der Wandbekleidung und dem Thronensemble erhalten, ein in dieser Vollständigkeit heute weltweit einmaliger Bestand seiner Art. Ein Teil davon wurde bereits 1708 bis 1711 in Paris, der andere Teil 1718 bis 1719 in einer sächsischen Manufaktur ergänzt. Die Leistungen sollen in 4 Losen für je zusammenhängende Objektgruppen vergeben werden.

    Los 1: Restaurierung von textilen Wandvorlagen in Säulenform

    Ziel der Leistung ist die konservierende Restaurierung und Montage am ursprünglichen Standort von 1719 der 47 Objekte (Gesamthöhe je 375 cm, Breite max. 64 cm, Tiefe max. 7,10 cm). Die Wandvorlagen in Säulenform bestehen jeweils aus einer Basis, einem Schaft und einem Kapitell. Die Grundkonstruktion der Objekte ist ein hölzernes Trägersystem. Das Grundgewebe der Stickerei ist ein Leinenstoff. Die Oberseite der Pilaster ist als goldene Reliefstickerei (Metallgespinste mit Seidenseele) auf einem goldenen Grundstoff gearbeitet. Das Restaurierungskonzept wird vorgegeben.


    Eine schöne Vorkriegsaufnahme dieser textilen Pilaster (wie oben genannt jeweils 3,75 m hoch) in ihrer gedachten und natürlich auch erreichten Wirkung zur Wandgliederung sieht man hier: Klick

    Im letzten Satz des obigen Ausschreibungs-Zitats heißt es: „Das Restaurierungskonzept wird vorgegeben“. Es wird natürlich jedem klar sein, dass der nunmehr anstehenden Gesamtbeauftragung zur Restaurierung der textilen Pilaster jahrelange aufwendige Untersuchungen und Testarbeiten bis hin zur Herstellung einer Musterachse voraus gingen, letzteres realisiert durch die österreichische Textilrestauratorin Hilde Neugebauer. Die folgende Seite aus ihrer HP enthält eine Fotoschau verschiedener Arbeitsschritte (mit kurzen Erläuterungen, das letzte Bild zeigt die Musterachse):
    Klick

    Zitat von SIB

    Los 2: Restaurierung textiler Kranzbehänge
    Ziel des Auftrages ist die konservierende Restaurierung und Montage der 10 Objekte am ursprünglichen Standort von 1719. Die Objekte bestehen aus Edelmetallfäden wie Goldgespinste und Goldlahne über Goldstoff und Goldtressen (Höhe ca. 30 und 50 cm, Breite 127 bis 151 cm). Das Restaurierungskonzept wird vorgegeben.

    Los 3: Restaurierung textiler Kranzbehang Thronbaldachin
    Ziel des Auftrages ist die konservierende Restaurierung und Montage der 4 Objekte am ursprünglichen Standort von 1719 nach einem vorgegebenen Restaurierungskonzept. Die Objekte sind Goldposamenten über Goldstoff und Goldtressen mit Fransen- und Quastenbehang (Höhe 59 cm, Breite von 214 cm bis 270 cm).

    Los 4: Restaurierung des textilen Besatzes der Thronrückwand und vom Baldachinhimmel
    Ziel des Auftrages ist die konservierende Restaurierung und Montage der 10 Objekte am ursprünglichen Standort von 1719 nach einem vorgegebenen Restaurierungskonzept. Bei den Objekten handelt es um Goldposamenten über Goldstoff und Goldtressen in verschiedenen Einzelgrößen.


    Diese*Goldposamente* an der Thronrückwand sieht man hier – zwischen den Kapitellen der beiden Pilaster (sehr gute Auflösung, Foto kann vergrößert werden): Klick

    In Detailansicht sind 2 der betreffenden Posamente auf einem Flyer der SKD (zweiseitiges pdf-Dokument) abgebildet, und zwar eines der Original-Stücke von1719 (Seite 1 rechts) und ein rekonstruiertes Stück (Seite 1 links). Auf Seite 2 ist außerdem einer der bereits restaurierten Pilaster zu bewundern. Das Dokument ist mit sehr guter Auflösung eingestellt und kann nach dem Öffnen mit dem pdf-Plus stark vergrößert werden: Klick

    Und hier noch im direkten Vergleich: Klick

    Der Thron-Baldachin scheint zu den 20% des Fehlbestands zu gehören. Jedenfalls ist mir keine Vorkriegs-Fotografie bekannt, wo er noch in situ vorhanden ist. Und noch etwas ist mir aufgefallen. In der Visualisierung ist der Thron beidseitig von doppelt angeordneten (sich quasi überlappenden) Pilastern umgeben: Klick
    Auch das vermisst man auf fotografischen Darstellungen (wie auf dem oben verlinkten Thron-Bild).


    Abschließend noch eine Frage an unsere DD-Reporter: Wie ist denn eigentlich der Realisierungsstand am südwestlichen Treppenturm (Stichwort Sgraffito)?

    Einmal editiert, zuletzt von BautzenFan (5. November 2016 um 07:46)

  • Zum gestrigen Thema *Restaurierung historischer Leuchter* habe ich noch einen eindrucksvollen Vorher-Nachher-Vergleich gefunden, und zwar für ein kürzlich aufgehängtes Exemplar im Georgenbau:
    Vorher
    Nachher

    Enorm! Auf dem Vorher-Bild ist man bei einem flüchtigen Blick geneigt, es für Schrott zu halten. Sehr spannend.

  • Hallo Bautzenfan,

    danke wie immer für die sehr wertvollen Angaben. Das Dresdner Schloss wird im Westflügel wirklich wieder ein prachtvolles Barockschloss werden - (das innenraumlose) Berlin wird neidisch sein.

    Erst heute Abend hat Neil MagGregor bekräftigt, dass es keine Innenrekonstruktionen geben wird. Aber wart wir's ab. Wenn das Schloss erst einmal steht, wird das Bedürfnis nach den historischen Innenräumen wachsen.
    Bruchsal ist übrigens auch grandios hinsichtlich der Rekonstruktion der Stuckaturen, nicht nur in den beiden Hauptsälen, sondern auch im Treppenhaus.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Bruchsal ist übrigens auch grandios hinsichtlich der Rekonstruktion der Stuckaturen, nicht nur in den beiden Hauptsälen, sondern auch im Treppenhaus.

    Ja, mit dem berühmten runden Kuppelsaal-Treppenhaus fing es in Bruchsal ja überhaupt auch erst an. Es war und ist so dermaßen berühmt, dass man darauf zu keinem Zeitpunkt verzichten wollte (Parallelen zu Berlin sind rein zufällig...) Im Grunde genommen wurden dann 5 Räume rekonstruiert: Intrada und Grottensaal (unter dem Kuppelsaal) im EG, der Gartensaal blieb mehr oder weniger erhalten und im OG dann eben Fürstensaal, Kuppelsaal (Treppenhaus) und Marmorsaal.
    Nun war es aber unglaublich spannend, was sich uns am 29. April '17 in der angrenzenden Beletage präsentieren wird. Es sind die Raumgrößen wieder authentisch und überall befinden sich historische Stuckprofile, es wird aber keine Komplettreko mit rauschenden freien Antragsstuck werden.

    Die ersten Bilder erscheinen derzeit im Netz:
    http://www.schloss-bruchsal.de/wissenswert-am…g-der-beletage/
    (v. a. Bild Nr. 11 gibt Einblicke in die zukünftige Wandstruktur)

    Ja ich weiß: Das ist eigentlich Offtopic - aber es tut gut, mal die Nase über den Tellerand zu heben und v. a. hier in Dresden sollte man bis zum Ende aller Tage dankbar sein, für das Großartige, was bisher geleistet wurde und noch werden wird (im Schloss, aber auch anderswo)

  • Ich staune einfach nur!
    Über diese wundersamen Gold- und Silberstickereien und die Fachleute, die deren Restaurierung noch beherrschen. Und über die Tatsache, daß sowohl in Dresden als auch in Bruchsal noch soviel von der Ausstattung der Räume erhalten ist!!!
    Wie ist das für Berlin? Gäbe es da auch Wandbehänge und Mobiliar (das schon!), was eine Rekonstruktion einiger Prunkräume rechtfertigen könnte!?

    Und danke für die Einsichten in das Wirken der Restauratoren!