Berlin - Hauptbahnhof, Humboldthafen, Europacity

  • campus solis:

    Eigentlich kann sich die Moderne meiner Ansicht nach ruhig in neuen Stadtvierteln austoben. Mir wäre es allerdings lieber, wenn diese Viertel weiter draussen liegen würden. Dort am Spreeufer wäre normalerweise auch noch die Altstadt von Berlin zu finden. Gegen ein Berliner "La Defense" weit draußen bzw. anstelle des heutigen Marzahn hätte ich nichts einzuwenden. Aber hier wird quasi ein neues Berliner Zentrum erschaffen (so wie am Potsdamer Platz, am Alex usw...), das engt die eigentliche Möglichkeit, wieder eine zusammenhängende Altstadt zu erschaffen, immer weiter ein. Ein Nikolaiviertel in Plattenoptik ist eben bei weitem nicht genug.

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • Eigentlich kann sich die Moderne meiner Ansicht nach ruhig in neuen Stadtvierteln austoben. Mir wäre es allerdings lieber, wenn diese Viertel weiter draussen liegen würden. (...) Gegen ein Berliner "La Defense" weit draußen bzw. anstelle des heutigen Marzahn hätte ich nichts einzuwenden.

    Warum eigentlich möchtest Du, dass sich die Moderne austobt? Ist es Dir egal, wie die Äcker und Felder am Stadtrand bebaut werden, wenn nur in der Stadtmitte einige Rekonstruktionen stehen? Willst Du noch mehr Viertel, die wie jenes am Berliner Hauptbahnhof aussehen? Was gefällt Dir daran? Und, wenn es Dir nicht gefällt, warum bist Du so großzügig gegenüber modernistischen Architekten? Die sind nämlich keinesfalls so großzügig, wenn es um größere Rekonstruktionsvorhaben oder gar traditionelle Architektur geht.

    Ich höre dieses "Austoben"-Argument leider immer wieder. Der folgende Vergleich ist nicht auf Dich persönlich gemünzt. Bitte also nicht missverstehen. Aber mich erinnert das Argument ein bisschen an die Leute, die von "Willkommenskultur" und "Flüchtlinge müssen aufgenommen werden" quatschen, allerdings sollen diese dann bitte nicht in die eigene Nachbarschaft ziehen, sondern halt irgendwo anders hin.

  • @Heimdall vielleicht war das so gemeint, dass wenn sich die sog. Moderne austobt, dass dann die hässlichen monoten Viertel wie hier am Hbf den Leuten das wahre Gesicht der Klötzchenarchitektur zeigen soll damit diese aufwachen (wie wenn einige wünschen dass noch eine Million nach Deutschland kommt damit das Volk aus dem Tiefschlaf aufwacht) !
    Übrigens finde ich es skandalös, dass noch 2002 der alte Lehrter Stadtbahnhof abgerissen wurde, obwolhl dieser noch erhaltenswert war. Man hätte den Altbau zumindest in den Hbf integrieren können...

  • "Fachwerkliebhaber", es ging mir sicher mitnichten darum, "Münchner" anzugreifen, dessen Beiträge ich sonst durchaus sehr schätze.
    Aber, es ist ja nicht das erste mal, dass ich hier im Forum dieses Argument von den "austobenden Modernisten" höre und dagegen Widerspruch einlege. Ich glaube nicht, dass dieses Argument deshalb gebracht wird, weil man der Bevölkerung Negativbeispiele für die geistige Umkehr servieren möchte. Die halbe Stadt ist voll mit solchen Negativbeispielen schlechten Bauens. Dazu braucht es nicht weiterer Klotz-Quartiere. Nein, es spielt eine gewisse Gedankenlosigkeit eine Rolle. Wenn nur die kleine Traditionsinsel als Idylle zum Schwelgen gewahrt bleibt, ist man bereit, die bestehenden Machtverhältnisse und das aktuelle architektonische Muster zu schlucken.
    Das bin ich aber nicht. Für mich ist die Reko-Bewegung nur eine Etappe auf dem Weg zu einer ganz anderen Baukultur. Und so etwas ahnen die Modernisten ja auch, weshalb sie aggressiv auf jede Rekonstruktionsbemühung reagieren. Ich sage, dass sich diese Leute nun bald 100 Jahre austoben durften. Damit reicht es jetzt nach meinem Geschmack. Zum Austoben dürfen sie auf den Kinderspielplatz gehen oder ans Klettergerüst. Aber keine weiteren Blöcke, Klötze, Kisten und krummen Würmer mehr in die Landschaft stellen... Auch wenn meine Forderung sich noch mit den realen Machtverhältnissen an den Lehranstalten stößt.

    Einmal editiert, zuletzt von Heimdall (18. November 2016 um 16:20)

  • Das Viertel am Hauptbahnhof wird ja wirklich ein Gruselkabinett der Moderne <X:gehtsnoch:


    Hauptbahnhofviertel genießen in der Regel nie den besten Ruf - nur den wenigsten sieht man es so deutlich an , wie dem Berliner Hauptbahnhof. Ich empfand ja schon die Tristesse rund um den Gleise durchlaufendem Einkaufzentrum vor der Bebauung als grauenhaft, ich hätt nicht geahnt daß noch Schlimmeres folgen könnte.

    Einmal editiert, zuletzt von OberstMadig (18. November 2016 um 21:06)

  • Für mich ist die Reko-Bewegung nur eine Etappe auf dem Weg zu einer ganz anderen Baukultur

    Da bin ich ganz bei Dir, denn das wäre auch mein Anliegen. Solange sich in der Baukultur nichts ändert. solange haben wir mit den Rekos nur Tropfen auf heisse Steine. Allerdings waren die Stilepochen von Gotik, Renaissance über Barock bis zur Moderne in der Architektur immer grenzüberschreitende Bewegungen und Ausdruck der gesellschaftlichen und politischen Prägung ihrer Zeit. Es kann also dauern, bis sich in der heutigen globalisierten Industriegesellschaft wieder die Liebe zum Detail in der Form von Gesimsen, Erkern, Giebeln und Dachlandschaften durchsetzt.
    Bis dahin wäre es schon ein großer Schrit, wenn man dem Wildwuchs der Moderne Einhalt gebieten und diese Kisten und Kuben in separate Stadtviertel verbannen könnte.
    Wir haben in Europa (ausser Deutschland und England) zumindest insofern Glück gehabt, daß die Moderne nicht die historischen Innenstädte überformen konnte (was ja bei früheren Stilepochen durchaus der Fall war). Es wurden also in Paris, Amsterdam, Lissabon, Rom oder Prag nicht die Fassaden der Gebäude durch Bauhaus oder Postmoderne ersetzt. So stark, wie sich dir Moderne immer gibt, war sie in Europa nie. Hier achteten die Menschen sehr wohl darauf, daß ihre Städte in ihrer typischen Ausprägung erhalten blieben. Anders war es ausserhalb Europas, denn da wurde allen Städten ein amerikanisches Aussehen gegeben, von Hongkong bis Sao Paulo. Wer mal den Hollywood-Klassiker "Alle Herrlichkeit auf Erden" von 1955 gesehen hat, der weiß wie Hongkong vor den Hochhäusern aussah.
    Also, daher möchte ich meine Anmerkungen auch nur als Zwischenschritt einer Trendwende - von nicht absehbarer Dauer - verstanden wissen. Daher verweise ich auch immer gerne auf la Defense, denn dieser Reservatsgedanke, der die Kuben und Kisten aus dem Stadtzentrum fernhält, gefällt mir. Erst wenn Leute wie Nöfer und Patzschke wieder als Stararchitekten gelten und Leute wie Chipperfield und Gehry als durchgeknallte Aussenseiter, dann ist die Trendwende vollzogen.

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

    Einmal editiert, zuletzt von Der Münchner (19. November 2016 um 14:28)

  • Nun ja, natürlich architektonisch mal wieder kein großer Wurf. Allerdings muss man sich ja heutzutage fast schon mit Kleinigkeiten zufrieden geben. Prinzipiell sollte man das nicht tun, aber solange kein großer Aufschrei in der Bevölkerung ob dieser riesen Klötze erfolgt, bleibt vorerst nichts anderes übrig.

    Die Ziegelfassade finde ich schon einmal positiv. Dass man in Blockrand baut ebenfalls. Und offenbar wird eine Nutzungsmischung angestrebt. Die Ausweisung von 1/4 der Wohnungen als Sozialwohnungen ist ebenfalls positiv zu sehen.

    Was mir mehr Sorgen macht ist der angesprochene 550 Meter lange "Riegel" mit Gewerbenutzung. Huiuiui, 550m langer Riegel... Das klingt nicht gut.

    Und wenn ich den Regulator sehe geht mir natürlich wieder das Messer in der Tasche auf. Was genau meint er denn mit "Landwehrkanal"??????? Man möge mich nun steinigen, falls ich falsch liege, aber hieß das Gewässer nicht immer Schiffahrtskanal? Wie wo was? Täusche ich mich? Was meint sie denn, die Regula. Sie ist doch Senatsbaudirektorin, also weiß sie doch alles und kann alles und ist eh die allerbeste! Ich versteh es nicht....

  • Das Interview mit Frau Lüscher hat mich auch irritiert. Die Schule packen sie in die Chausseestraße. Angeblich um die beiden Quartiere besser zu verbinden. Andersrum hätte es doch wohl mehr Sinn gemacht.

    Und abgesehen davon: überall ist jetzt schon wieder die Rede von "EINEM Nahversorgungszentrum". Der feuchte Traum eines jeden 60er Jahre Städteplaners. Hier arbeiten, dort wohnen und dann aber bitte auch ganz woanders einkaufen. Blooooß nichts vermischen. Es könnte ja aus versehen ein lebendiges, urbanes Viertel entstehen mit Aufenthaltsqualität und kleinteiligem Einzelhandel. Stattdessen pflanzt man in einen der Blöcke einfach nen riesigen Supermarkt und fertig is die Laube.

    Das wird noch katastrophaler als das Quartier am Gleisdreieck oder diese Retortensiedlung an der Storkower Straße.

    Am Ufer der Sonne wo die wesen vom sehen träumen ist in Echtzeit überall Nacht

  • Neubauten nach dem Geschmack der Senatsbaudirektorin und ihrer politschen Gefolgschaft.


    Abfahrt Hauptbahnhof - :foto: "To the left you see what is current state of the art in german city planning" :augenrollengruen:

    Aber es geht sogar noch erheblich schlimmer:

    'Bertha Berlin' nennt sich das. Ich weiß da gar nichts zu schreiben, so unfassbar schlecht wie das ist. :kotz:

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Wirkt auf mich wie ein Gefängnisneubau mit Hochsicherheitstrakt. Das Gute: irgendwann wird es auch mal wieder abgerissen ohne dass irgendwer ein Träne vergießen muss.

  • Neubauten nach dem Geschmack der Senatsbaudirektorin und ihrer politschen Gefolgschaft.


    Jetzt muß nur noch die Brücke da weg, die stört etwas das "innovative Abiente"
    Ich sollte auf Architekt umschulen, solche "Perlen" sind in 5 Minuten per sketchup konstruiert....

  • Aber es geht sogar noch erheblich schlimmer:
    'Bertha Berlin' nennt sich das. Ich weiß da gar nichts zu schreiben, so unfassbar schlecht wie das ist. :kotz:


    Dieser beschissene Bertha-Klotz sieht in seiner Fassadengestaltung fast genauso aus wie die DDR-Fachhochschule in Potsdam, nur mit ein paar Etagen mehr:

    Die Notdurftarchitekur der Gegenwart unterscheidet sich offensichtlich kaum von der Notdurftarchitektur aus der Zeit des real existierenden Sozialismus. :aufdenkopf:

  • Mich erinnert es eher an ein Parkhaus in Fulda aus den 90ern... architektonisch waren wir eben schon immer unserer Zeit voraus :thumbup:

    (Quelle: "osthessen-news")

  • Wobei das Parkhaus meiner Meinung nach besser aussieht und eben "nur" ein Parkhaus ist und kein Bürogebäude in bester Lage der Bundeshauptstadt.

  • Meine Güte ist das abgrundtief häßlich. Als ob in der Ausschreibung stand: " Die Architektur sollte in erster Linie Kälte, Monotonie und eine depressive Grundstimmung ausstrahlen..."
    Dass es noch Bauherren gibt, die soetwas haben wollen und bezahlen ist mir unbegreiflich. Bei so einer schlechten Architektur ist es wirklich besser blind zu sein.
    Mir tun die Angestellten leid, die dort täglich arbeiten müssen. Ich könnte das nicht. Ich würde mir, wenn ich da arbeiten müsste, einen anderen Arbeitsplatz suchen.
    Dort würde ich depressiv werden und nach wenigen Jahren so erkranken, dass ich arbeitsunfähig wäre.

  • "Kaiser Karl", auch wenn ich Dir im ästhetischen Urteil recht gebe, sollte man es nicht übertreiben. Gut, womöglich ginge es Dir oder mir so, dass wir in dieser Umgebung depressiv würden. Der Masse aber ist so etwas doch weitgehend egal. Die gehen in ihr Büro, um Geld zu verdienen, sehen ja die eigene Bürohausfassade nicht, wenn sie überhaupt mal aus dem Fenster gucken, und sind in der Regel damit beschäftigt, auf einen Bildschirm zu starren. Da bleibt für bauästhetische Überlegungen nicht so viel Sinn und Zeit. Oder meinst Du, dass es in zahlreichen Gewerbegebieten und Bürostädten irgendwie anders aussieht?...
    (Damit möchte ich, wie gesagt, nichts relativieren. Auch ich lehne solche Gebäude vollends ab.)