• Der Denkmalpfleger Hans Nadler, Retter vieler Dresdner Bauwerke, ist am Wochenende gestorben.

    Hans Nadler (1910-2005)

    Zitat

    Er war jahrzehntelang das Gewissen des kunstsinnigen Dresden, Landesdenkmalpfleger und Chefkonservator Sachsens, eines der an Kunstdenkmalen reichsten Bundesländer Deutschlands, dessen historisches Erbe er jahrzehntelang mit ungeheurer Zähigkeit verteidigt hat.

    Die Widerborstigkeit, mit der sich der studierte Architekt Nadler Seite an Seite mit seinem Team unerschrockener junger Denkmalpfleger und dem prominenten Dresdner Kunsthistoriker Fritz Löffler gegen zum Teil von Walter Ulbricht selbst angeordnete Gebäudeabrisse stemmte (Sophienkirche Dresden, [lexicon='Paulinerkirche Leipzig'][/lexicon]), hat manchem SED-Funktionär Respekt abgenötigt und Flächenabrisse wie in Zwickau eindämmen können.


    (aus der "Welt")

    In meinen Augen war er ein Held. Dresden sollte gleich mal überlegen, welche Straße man nach ihm benennen könnte.

    Ich habe mal gelesen, er hat damals mit Ulbricht regelrecht um die Sophienkirche gepokert und ihm diverse Vorschläge für eine Umnutzung (u.a. als Architekturmuseum) gemacht, um den Bau irgendwie noch zu retten - in diesem Fall bekanntlich leider umsonst.

    Schön, daß er zwar nicht mehr die Weihe, aber doch die Fertigstellung der Frauenkirche erleben konnte.

  • Zitat von "Schloßgespenst"

    Dresden sollte gleich mal überlegen, welche Straße man nach ihm benennen könnte.

    Das ging mir heute auch durch den Kopf, als ich die Fritz-Löffler-Straße langgefahren bin, welche Löffler in keinster Weise würdigt. Ich halte es für nötig und würdigend, wenn man so schnell wie möglich eine Straße oder einen Platz nach Hans Nadler benennt.

    Was muss es für diesen Mann, der fast 60 Jahre für den Wiederaufbau der Frauenkirche kämpfte und durch dessen Einsatzbereitschaft ein Abtragen der Ruine verhindert wurde, für ein Augenblick gewesen sein, letztes Jahr die Frauenkirche im Stadtbild wiederzusehen?

  • Anbei ein Artikel aus den DNN von gestern:

  • Böte sich da nicht etwas im Areal Neumarkt an?

    Da fällt mir ein, in Berlin gibt es tatsächlich eine Regelung, dass Neubennungen nur Frauennamen sein dürfen...

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • Man muß da sehr vorsichtig sein in Dresden.
    Da wird eine neue Straße nach Prof.Nadler benannt. Dann kommt ein Investor, baut da ein Center hin und nennt es Nadler-Center.

    So geschehen beispielsweise beim Otto-Dix-Center in Reick, das so heißt, weil es zufälligerweise am Otto-Dix-Ring errichtet wurde,
    aber mit Prof.Otto Dix, dem Maler und Grafiker, sonst nur sehr wenig gemein hat.

    Nein, ich würde da eher vorschlagen, einen nachdenklichen Nadler aus Bronze zu giessen und irgendwo in das Neumarktareal hinzusetzen, ganz bescheiden
    da, wo es schön ist.

  • Für mich war Nadler für Dresden genauso bedeutend als August der Starke. Ohne August wäre Elbflozenz nie gebaut worden, ohne Nadler wäre es nie wiederaufgebaut worden und wohl Geschichte. Ich bedauere seinen Tod zutiefst.

    Ich würde auch ein Standbild Nadlers bevorzugen, aber am liebsten sähe ich es auf dem Altmarkt. Denn dort steht noch gar nichts. Außerdem würde dann auf dem zentralen Platz Dresdens allen Menschen bewußt, welchen Leuten es zu verdanken ist, dass heute Dresden wieder zu einer der sehenswertesten Städte Europas werden kann.

  • Zitat von "Miwori"


    Nein, ich würde da eher vorschlagen, einen nachdenklichen Nadler aus Bronze zu giessen und irgendwo in das Neumarktareal hinzusetzen, ganz bescheiden da, wo es schön ist.

    Eine sehr schöne Idee, finde ich - das hätte was.

  • Zitat

    Man muß da sehr vorsichtig sein in Dresden.
    Da wird eine neue Straße nach Prof.Nadler benannt. Dann kommt ein Investor, baut da ein Center hin und nennt es Nadler-Center.

    So geschehen beispielsweise beim Otto-Dix-Center in Reick, das so heißt, weil es zufälligerweise am Otto-Dix-Ring errichtet wurde,
    aber mit Prof.Otto Dix, dem Maler und Grafiker, sonst nur sehr wenig gemein hat.

    Nicht nur in Dresden, sondern auch in Berlin.
    Am lustigsten in der Hinsicht finde ich das "Salvador-Allende-Einkaufszentrum" im ehem. Ostteil, das mit dem chilenischen Sozialisten auch nur soviel zu tun hat, am Salvador-Allende-Ring zu liegen. Freue mich schon auf die "Shopping-mall Che Guevara" :gg:

  • Zitat von "Antiquitus"

    Da fällt mir ein, in Berlin gibt es tatsächlich eine Regelung, dass Neubennungen nur Frauennamen sein dürfen...

    Bist Du sicher??? Gibt es nicht seit kurzem eine Rudi-Dutschke-Straße?

    Das erinnert mich an ein schönes Zitat von Ex-Bundespräsident Johannes Rau zu dem Vorschlag, Fußball-Stadien nach Frauen zu benennen: "Wie soll das denn dann heißen? Ernst-Kuzorra-seine-Frau-ihr-Stadion?" :grinsenlachen:

    Aber zurück zum Thema:

    Zitat

    Böte sich da nicht etwas im Areal Neumarkt an?

    Ich finde, die Straßen am Neumarkt sollten ihre Namen behalten, die ja zum Teil jetzt erst auf den Stadtplan zurückkehren. Und ein Tourist wird auch nicht fragen, nach wem die Hans-Nadler-Gasse, durch die er gerade seinen Fotoapparat spazierenträgt, benannt ist. Wenn hingegen auf dem Neumarkt (vielleicht neben dem liegengebliebenen Trümmerteil der Frauenkirche) ein nachdenklicher Bronze-Nadler herumsitzt, wird man, denke ich, eher stehenbleiben und gucken, was es damit auf sich hat.

  • Soweit ich weiß führt der Bezirk Mitte die Benennung nach Frauennamen durch, nicht jedoch ganz Berlin.
    Ausnahmen wie z.B. die Yitzak-Rabin-Straße gibt es allerdings auch unweit des Brandenburger Tores.

    Das angesprochene Einkaufszentrum heißt übrigens "Allende-Center" und verdankt dem Namen dem Plattenbauviertel drum herum, dass nach dem Sozialisten benannt ist. Der Begriff "Allende-Viertel" ist so stark eingebürgert, dass eine Benennung danach sogar Sinn macht, jedoch heute unfreiwillig komisch wirken kann.

  • Zitat

    Gedenken. Stadt und Stiftung Frauenkirche würdigen das Lebenswerk Hans Nadlers.

    Hans Nadler konnte die Weihe der Frauenkirche nicht mehr miterleben. Der Architekt und Denkmalpfleger war am 8. Oktober 2005 im Alter von 95 Jahren verstorben. Gestern nun hatten die Stadt und die Stiftung Frauenkirche des Dresdner Ehrenbürgers Hans Nadler gedacht und dazu 1 200 Dresdnerinnen und Dresdner eingeladen. Nur einige Plätze blieben leer, denn die Gedenkveranstaltung fand in der Frauenkirche statt. Ein würdiger Ort, um an jenen Mann zu erinnern, der sich Zeit seines Lebens als Anwalt der Denkmale in Sachsen verstand. Hans Nadler wurde 1910 in Dresden geboren und wirkte als Architekt seit 1949 als Landesdenkmalpfleger, später als Stadtkonservator und Leiter der Arbeitsstelle Dresden des Instituts für Denkmalpflege der DDR. In diesen Funktionen setzte er sich für den historischen Wiederaufbau des kriegszerstörten Dresdner Stadtzentrums ein. Er kämpfte dafür, dass die Ruine der Frauenkirche zunächst als Mahnmal erhalten blieb und war einer der Initiatoren des erfolgreichen Wiederaufbaus.
    [...]

    http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=1061228

  • Zitat von "Schloßgespenst"

    Es gibt ja auch noch die Möglichkeit unterhalb des Straßennamens ein weiters Schild anzubringen, das kurz auf die Lebensdaten und das Werk eingeht, so etwas findet man auch in anderen Städten.

  • Ist Euch eigentlich diese „Episode“ aus dem Leben Hans Nadlers bekannt? Und bitte das Datum beachten, das passierte nicht etwa in den „stürmischen“ Erstwochen nach dem Einzug der Russen, sondern ein ganzes Jahr nach Kriegsende.

    Zitat

    Ein Leben für die Denkmale – zur Erinnerung an Hans Nadler
    Von Winfried Werner
    Veröffentlicht in: Mitteilungen des Landesamtes für Denkmalpflege Sachsen, Jahrgangsheft 2005

    [Die Passage handelt von der unmittelbaren Nachkriegszeit]
    …Es dauerte allerdings nicht lange, bis es im Frühjahr 1946 zu einem tragischen Unglücksfall kam (*Unglücksfall* :augenrollen: ), der Nadler beinahe das Leben gekostet hätte. Ein sowjetischer Besatzungssoldat, dem er offenbar nicht schnell genug die geforderte Armbanduhr ausgehändigt hatte, schoss zweimal auf ihn – ein Schuss traf. Die dadurch verursachte lebensgefährliche Verletzung, die nicht nur den Verlust einer Niere zur Folge hatte, führte aufgrund der Quetschung eines Nervs auch zur Gefühllosigkeit des rechten Beines, was von da an dessen Beweglichkeit stark beeinträchtigte. Nach achtmonatigem Krankenhausaufenthalt kam es schließlich zur Reintegration Nadlers in das Berufsleben des Denkmalpflegers mit all seinen Herausforderungen, Erfolgen und Niederlagen….

  • Euphemismus nennt man sowas. Dann waren die Fälle, in denen Wehrmachts-Schergen auf wehrlose Zivilbevölkerung schossen, wohl auch alles nur "Unglücksfälle".... :augenrollen:

    (Ich hoffe, damit jetzt keine Diskussion losgetreten zu haben)

  • Also das ist doch nichts besonderes. Wir sprechen vom Fruehjahr '46. Jeder weiss doch, dass die bis zu Jahren nach dem 8. 5. '45 dt. Frauen und Maedchen vergewaltigten. Dann wundert so'n versuchter Raubmord auch nicht. Und solche Euphemismen sind fuer diese Sachen auch bis weit ueber Dtld. hinaus Brauch. :(

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Zitat von Florentinus

    Weidauer gehört - denke ich zumindest - zu jenen, die wirklich die Ehrenbürgerwürde zu verlieren haben, weil sie mit ihrem diktatorischen Amt dieser Stadt geschadet haben wie zuvor nur die braunen Verbrecher.
    Für mich sind eher Löffler und ebenso Hans Nadler ehrenhafte Personen der Zeitgeschichte, die solch einen Titel verdienten!
    Eventuell sind beide es ja mittlerweile, da bin ich überfragt.

    Seit der politischen Wende in der DDR wurde insgesamt 3 Personen die Ehrenbürgerschaft der Stadt Dresden verliehen. Es sind dies:
    1996: Prof. Dr.-Ing. Hans Nadler
    2003: Superintendent Christof Ziemer (für sein Wirken während der friedlichen Revolution)
    2006: Dr. Eberhard Burger, Baudirektor für den Wiederaufbau der Frauenkirche

    Hier die offizielle Begründung für die Verleihung an Hans Nadler:

    Zitat

    Aus der Pressemitteilung der Stadt Dresden vom 29. März 1996

    Der Nestor der sächsischen Denkmalpflege, Prof. Dr.-Ing. Hans Nadler, wird Ehrenbürger der Landeshauptstadt Dresden. Dafür sprach sich gestern Abend einstimmig der Stadtrat aus. Dem heute 85jährigen wird das Dresdner Ehrenbürgerrecht – die höchste Auszeichnung der Stadt – „in dankbarer Würdigung seiner Verdienste um die Bewahrung und die Wiedergewinnung der kulturhistorisch wertvollen Dresdner Architektur und Stadtlandschaft verliehen“, so der Text der Ehrenbürger-Urkunde. Professor Nadler wird sie am 21. April im Dresdner Rathaus aus den Händen von Oberbürgermeister Dr. Herbert Wagner entgegennehmen.
    Nadlers Leistungen für Elbflorenz sind unschätzbar. Die folgenschwere Bombardierung Dresdens zum Kriegsende war ihm Ausgangspunkt zu einem unermüdlichen bis heute andauernden Einsatz für die Erhaltung überlieferter Werte, für die Wiederherstellung Dresdner Identität. Nadlers Spuren offenbaren sich in Dresden überall: Zwinger, Schloss, Semperoper, Katholische Hofkirche, Taschenbergpalais, Johanneum, Japanisches Palais, Italienisches Dörfchen, Sekundogenitur ... Seinem engagierten, beharrlichen und mutigen Wirken verdankt Dresden die Wahrung der charakteristischen Stadtstruktur, den Wiederaufbau stadtbildprägender Kulturdenkmale und die Sicherung wertvoller Ruinen. In besonderer Weise setzt sich Professor Nadler auch für den Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche ein.

    Und hier noch die offizielle Liste aller Ehrenbürger der Stadt Dresden:
    https://www.dresden.de/media/pdf/info…erger_liste.pdf