Braunkohletagebau

  • Zitat von "Hansefan"

    Wie ist es eigentlich zu verstehen, dass der Steinkohleabbau als übersubvetioniert und kostenungünstig usw. diskutiert wird und der Ausstieg aus dem Tagebau so gut wie beschlossen ist, dagegen der Braunkohletagebau so immens gefördert wird. Hängt das tatsächlich mit wirtschaftlichen Faktoren zusammen (wie z.B. der großen Tiefe der Steinkohle) oder handelt es sich hierbei auch um eine Art Strukturförderung für Ostdeutschland?

    Soweit ich weiß wird der Braunkohletagebau in Deutschland nicht subventioniert, weder in Ost- noch in Westdeutschland. Die westdeutschen Braunkohletagebaue werden ja bspw. auch nicht geschlossen.
    Und wenn der Braunkohletagebau in Ostdeutschland strukturfördernd sein soll.... na dann danke. Nach der Wende flogen 90% der Beschäftigten im Lausitzer Revier raus, und außer Braunkohle gab es damals nicht viel und heute kaum noch etwas. Allein in den 3 Landkreisen in Sachsen und Brandenburg wanderten bisher über 100.000 Menschen ab.

  • Ich kann mich Karaseks Meinung nur anschließen. Von "Strukturförderung" zu sprechen, wenn ein paar Arbeitsplätze entstehen sollen, ist angesichts des Wegbrechens der Arbeitsplätze im Chemie- und Braunkohlensektor über Nacht (im Raum [lexicon='Leipzig'][/lexicon]-Halle waren es über 100000) ein Hohn, und steht in keinem Verhältnis zum ökonomischen Mininutzen sowie zur massiven Kulturlandschaftszerstörung. Das soll jetzt keine Kritik an Hansefan sein, sondern an die Lobbyisten und Medien, die dieses verheißungsvoll klingende "Zauberwort" der Bevölkerung um die Ohren hauen.

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    Flutungsstart: Zwenkauer See wird größtes Gewässer im Neuseenland

    Zitat

    „Mit einer Wasserfläche von 970 Hektar wird der See einmal größer sein als der Tegernsee“, sagt Zwenkaus Bürgermeister Herbert Ehme.

    Zwenkauer See im April 2005


    Interessant auch diese zwei PDF, einmal zum Projekt Zwenkauer See:
    http://www.oaz-online.de/download/content/zwenkauersee_2.pdf

    ...und einmal eine Übersichtskarte zur Planung von "Neuseenland".
    http://www.oaz-online.de/download/content/neuseenland.pdf

  • Zu dem großen, noch immer aktuellen Thema "Braunkohletagebau durch die Firma RWE in Nordrhein-Westfalen" habe ich heute im Internet einen relativ aktuellen Artikel aus der "Frankfurter Allgemeinen" gefunden. Er stammt von Juni diesen Jahres und ist, wie ich finde sehr lesenswert, denn er berichtet über Menschen, die vom Garzweiler II betroffenen Dorf Borschemich nach Borschemich-neu umsiedeln mussten und durch diesen Zwangsumzug "entwurzelt" wurden und ein großes Stück Heimat verloren haben.

    Hier der Link zu dem Artikel:
    http://www.faz.net/aktuell/gesell…t-14314810.html

    Durch den Abriss von Alt-Borschemich sind auch leider auch schöne alte Gebäude, die unter Denkmalschutz standen, wie "Haus Paland", eine beinahe eintausend Jahre alte Wasserburg, dem Erdboden gleich gemacht worden. Vielleicht wurde dieser Abbruch auch schon an anderer Stelle im Forum erwähnt.

  • Hier noch zwei weitere gute Artikel inkl. vielen Fotos zu obigem Thema.

    http://www.handelsblatt.com/politik/intern…h/14469774.html

    http://www.handelsblatt.com/politik/intern…14469774-2.html

    Mich beschäftigt das Thema, denn ich finde es so krass, wie mitten in Deutschland Menschen aus ihren fast 1000 Jahre alten Dörfern vertrieben werden und wie man flächendeckend alte und neuere Häuser abreißt, ja ganze Dorfgemeinden auslöscht - bloß für diesen Braunkohle-Abbau. Erschreckend, dass ein Energiekonzern wie RWE so viel Macht hat und die Betroffenen praktisch keine Chance haben sich dagegen zu wehren...

  • Ich stimme Dir hier vollkommen zu, finde es auch absolut erschreckend, dass in einem so dicht besiedelten Land wie Deutschland noch im großen Stil Tagebau betrieben wird (D ist größte Braunkohle-fördernde Nation). Interessant finde ich auch, dass hier im Forum die Beeinträchtigung durch Windräder ein größeres Thema ist als der Verlust von Kulturlandschaften und -denkmälern durch die völlige Entfernung der oberen Erdschichten. Aus meiner Sicht ist der Braunkohletagebau neben den Gefahren der Atomkraft das wichtigste Argument für eine nachhaltige Energieerzeugung.

    Besonders tragisch war m.E. vor einigen Jahren auch der Verlust von Horno in der Lausitz. Und warum die neuen Orte so klinisch und atmosphärenfrei gebaut werden verstehe ich auch nicht so wirklich.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Um die verlorenen Bauwerke ist es wahrlich sehr schade. Besonders um diese schöne Wasserburg in Borschemich. Eigentlich hätte RWE sie abtragen, und im neuen Ort originalgetreu wieder aufbauen müssen.

    Was die Bewohner angeht, bin ich mir sicher, daß viele von denen ein gutes Geschäft gemacht haben. Die haben jetzt bessere Häuser als zuvor (mein Bruder wohnt zufällig in Holzweiler, einem Teil von Erkelenz. Dieser Ort sollte ursprünglich ebenfalls weggebaggert werden). Und den Verlust des Wohnraums kennt jeder, der mal umgezogen ist. Das ist vielen Hausbesitzern natürlich fremd. Außerdem sind die neuen Ortschaften nicht weit von den ehemaligen Orten entfernt. Da kann man nicht wirklich von Heimatverlust sprechen. Mein Mitleid hält sich da sehr in Grenzen.


    Zitat von Booni

    (...) Und warum die neuen Orte so klinisch und atmosphärenfrei gebaut werden verstehe ich auch nicht so wirklich.


    Wie soll das denn auch anders gehen? Da ist eben alles brandneu. Natürlich sieht es dort aus wie geleckt. Ein Neubaugebiet eben. Bis die Straßen abgenutzt, der Lack an den Gartenzäunen abgeblättert und die gepflanzten Bäume endlich groß sind, wird noch viel Zeit vergehen.

  • Und den Verlust des Wohnraums kennt jeder, der mal umgezogen ist. Das ist vielen Hausbesitzern natürlich fremd. Außerdem sind die neuen Ortschaften nicht weit von den ehemaligen Orten entfernt. Da kann man nicht wirklich von Heimatverlust sprechen. Mein Mitleid hält sich da sehr in Grenzen.

    In der Gegend in der ich aufgewachsen bin, verbinde ich jede Ecke mit Erinnerungen. Nicht nur Häuser, auch Bäume, Waldstücke, Wege und Bachläufe. Ich stelle es mir schrecklich vor, wenn alles, an was man Kindheitserinnerungen hat, nicht mehr existiert. Abgerissen, weggebaggert und 30 Jahre späte vollkommen anders wieder aufgeschüttet. Manche Menschen sind in dieser Hinsicht vielleicht weniger emotional als ich, aber ich lehne mich mal aus dem Fenster und behaupte, dass der Großteil der Menschen gerne an den Ort zurückkommen, an dem sie aufgewachsen sind. Und diesen häufig auch als ihre Heimat ansehen.

    Bzgl. der geleckt aussehenden Ortskerne: Es wurde halt vollkommen funktional gebaut. Keine Reminiszenzen an den alten Ort, von dem man das Wegenetz, markante Bauwerke (wenn auch nur in der Kubatur rekonstruiert) o.ä. hätte übernehmen können. Die Orte entstehen doch oft auf der grünen Wiese. Stattdessen sind es Orte geworden, in denen die Menschen doch das einzige sind, das einen dort hält. Und Fremde gar nicht erst auf die Idee kommen lässt, dort heimisch werden zu wollen.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Ich stelle es mir schrecklich vor, wenn alles, an was man Kindheitserinnerungen hat, nicht mehr existiert.

    Booni, ganz genau so sehe ich das auch. In meiner eigenen Verwandtschaft und Familie gibt es Menschen, wie z. B. mein Vater, die im 2. Weltkrieg und dann auf der Flucht vor der russischen Besatzung ihre ursprüngliche Heimat komplett verloren haben und bis heute davon traumatische Schäden zurückbehalten haben - hierbei kann ich auf jeden Fall für meinen Vater sprechen. Es ist wirklich so, dass man nicht "nur" wg. dem Wohnhaus, dass man verlassen bzw. zurücklassen musste, die Heimat verloren hat, sondern man vermisst eben alles, was man mit dem Ort, an dem man aufgewachsen war und glücklich war, verbunden hat: Die prächtigen Alleen und das Rauschen des Windes in den Bäumen, den Bäckerladen um die Ecke, das Getrappel der Hufen der Wagenpferde, das Klingeln der Schulglocke von der Grundschule, die man besucht hat oder die Kirchenglocken, die man sonntags und an Weihnachten gehört hat, alle Stimmen, Geräusche und Düfte eben, die man wahrgenommen hat und die einem so vertraut waren, sind plötzlich nicht mehr da...
    Für viele damalige Heimatvertriebene wie mein Vater, der damals noch ein Kind war, sowie für seine Eltern und Geschwister war es ein sehr schweres traumatisches Erlebnis, die Heimat Greifenhagen (heute Polen) zu verlieren.
    Und ich glaube, dass heutzutage auch die ehemaligen Bewohner der Dörfer, die für den Tagebau platt gemacht wurden, sicher (mehr oder weniger) eine Art Trauma erlebt haben bzw. erleben. Auch wenn sie jetzt in schicken neuen Häusern leben - dieses kann ihnen die Heimat nicht ersetzen, zumal sie in Dörfern wohnten, die an die 1.000 Jahre alt waren. Da hat sich ja geschichtlich eine ganze Menge abgespielt und die Wurzeln dieser Geschichte wurden von Generation zu Generation weitergetragen. 1.000-jährige Dorfgeschichte wird einfach mal so zerstört - für mich ist das irgendwo auch ein Verbrechen...

    Nicht umsonst gibt es diese Sprichwörter:
    "Einen alten Baum verpflanzt man nicht." und "Heimat ist dort, wo du zu Hause bist und wo dein Herz ist."