Dresden - der Altmarkt

  • @ Philoikódomos: dann zeige uns doch bitte mal, wo nach dem zweiten Weltkrieg bei nicht-Repräsentationsbauten ähnliche Raumvolumen und Nutzungen besser verpackt wurden. Es handelt sich hierbei um ein Einkaufszentrum eines der zwei großen deutschen EKZ-Betreiber. Was denkst du, warum die meist ähnlich schlecht aussehen? Weil umbautes Volumen, gewollte fensterlose Nutzung sowie Investitionsvolumen in keinem Verhältnis zueinander stehen.

  • Ich gebe dir recht, Dase, dass das Einkaufszentrum nicht nur eine typische Bauaufgabe unserer Zeit ist, sondern eine der architektonisch am schwersten zu bewältigenden. Darum sehen diese Klötze fast alle mehr oder weniger widerwärtig aus, aber eben nur f a s t alle. Nehmen wir den Architekten nicht leichtfertig aus der Verantwortung! Ich bin überzeugt, dass wir, wenn wir alle Lösungen, die weltweit für diese Bauaufgabe ersonnen wurden, eine Menge phantastischer Entwürfe entdecken würden, von denen manche sogar kostengünstiger erstellt wurden als der Durchschnitt. Was könnte man sich nicht alles ausdenken an charmanten Gestaltungen, die die Dresdener Bautradition aufnehmen und sie spielerisch-virtuos ins Phantastische hinein steigern, und dies mit einer rhythmischen Gliederung, die das große Volumen vergessen lässt. Das könnte so überzeugend ausfallen, dass sogar der Investor noch einen Zuschlag genehmigt. Aber das ist von hiesigen Architekten nicht zu erwarten und von den Planungsämtern, die die andere Hälfte der Verantwortung tragen, erst recht nicht. Es ist eigentlich zum Heulen!

  • Schmerz lass nach:

    http://1.bp.blogspot.com/_hyMAHRDzt_I/T…I5g/s1600/3.JPG"

    Wie kann so etwas heute passieren? Bankrotterklärung der kapitalistischen Ästhetik? Oder Todeszuckungen des kapitalistischen "Städtebaus"?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ich kann mich nur anschliessen. Schlechter haette man an dieser Stelle wirklich kaum bauen koennen. Mir tut besonders diese Perspektive einfach nur weh:

    http://4.bp.blogspot.com/_hyMAHRDzt_I/T…IgE/s1600/1.JPG

    Wenn man wenigstens konsequent gewesen waere, dann haette man die komplette Wilsdruffer Fassade ohne Fenster gebaut und die entstehende Flaeche mit einem riesigen Bild versehen. Das haette dann den Kulturpalast aufgeriffen und anscheinend kommt ja eine bebilderte Fassade auch an einem Haus im neuen Quartier neben dem Schloss. Man haette alternativ auch digitale Kunst projizieren koennen um mal wirklich vorne mit dabei zu sein. Aber so... :weinen: Es tut so weh, keine 100m vom Zwinger entfernt...

  • Hier mal ein paar Beispiele, wie man alles etwas ansprechender verpacken kann:

    http://picasaweb.google.com/architekturphotographie/Einkaufszentren#

    Die ersten beiden Beispiele stammen aus Lissabon, die weiteren aus dem Ingolstadt Village. Seltsamerweise lassen sich ja solche Outlets häufig sehr phantasievoll gestalten... recht ordentlich finde ich in Dresden noch die Bauten am Schillerplatz mitsamt dem dortigen Einkaufszentrum. Nur im Zentrum dürfen wohl Scheußlichkeiten jeglicher Couleur realisiert werden.

  • Von mir aus hätte man dort Kleinteiligkeit ala Kö basteln können, zumindest eine vorgeblendete Fassade dieser Art. Aber diese Mauer sieht einfach nur schlecht aus. Warum denkt man sich sowas abstossendes eigentlich aus, wenn man doch Leute anlocken will?

  • ^ Die Leute sollen drinnen kaufen, nicht von außen gucken. So sehen Einkaufszentren halt aus, wenn Investorenwünsche - in Zentren anderer Städte inzwischen unmöglich - zu 100 Prozent berücksichtigt werden. Die Erweiterung der Altmarkt-Galerie stellt einen neuen Tiefpunkt des Dresdner Städtebaus dar.

    Die bemerkenswert unproportionierten und kitschigen Beispiele von ApparatBauske zeigen aber auch, dass eine gewisse architektonische Qualität nicht aufgrund einer historisch anmutenden Fassade entsteht. Was irgendwo im fränkischen Nirgendwo (Wertheim Village) seinen Zweck erfüllen mag, wäre im urbanen Zentrum einer Großstadt sicher völlig daneben.

  • Zustimmung! So abstossend ich den hier gezeigten Erweiterungsbau der Altbaugallerie auch finde, so wenig überzeugen die arg "angekitschten" Beispiele aus Outlet-Centern. Es ist offenbar doch nicht ganz so einfach.

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)

  • Ich finde die Negativ-Stimmung hier im Forum manchmal übertrieben, aber diesmal muss ich euch recht geben. Ich kann an diesem Bau nichts positives finden. Hätte man zumindest das Dach von der Strasse sehen können... Das Ungetüm sieht auch sehr niedrig aus - ist der Bau nich niedriger als der DDR-Riegel auf der Nordseite?

    Besonders katastrophal finde ich die "Ecke" am Postplatz. Hier prallen zwei Kisten zusammen - wie zwei Güterzüge. Stöhn. Das hat man anderswo eleganter gelöst. Das einzig positive ist, dass es keine weitere Flächen für solche Scheusslichkeiten in der Altstadt gibt. Seien wir froh, dass die DDR Bauten aus den 50er Jahren so viel Platz einnehmen. Übrigens sollten die Wohnriegel an der Nordseite erhalten bleiben. Besseres können wir im Moment in Dresden nich erwarten (in Berlin oder [lexicon='Leipzig'][/lexicon] wäre das anders).

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Wo ein Wille, da ein Weg - siehe Berlin:

    Dresden hätte ja auch architektonische Anleihen an einem KH Herzfeld oder Alsberg nehmen können. Kunst kommt von Können und das dürfte auch das Problem hier sein.

  • Etwas gestalterisch anspruchsvolles wie die Galerie Roter Turm in Chemnitz (von Kollhoff, wen wundert's) hätte auch Dresden sich mal leisten können.


    flickr


    flickr


    Aber dafür müsste man natürlich den Willen zu nachhaltiger Stadtplanung aufbringen...
    Kollhoff hat man mit dem vereitelten Kulturpalast-Umbau wohl eh erstmal vergrault. Banausen!

  • Chemnitz ist ein gutes Beispiel für den niveauvollen Wiederaufbau in den neuen Bundesländern, insb. Sachsen. Dresden hat hiezu abseits vom NM nichts (oder doch fast nichts) beigetragen. Die Altmarktgalerien sind zwar ein absoluter Tiefpunkt, setzen jedoch auch nur den bisher am Altmarkt begonnenen Weg des totalen Kommerzes fort. Dagegen sind ja Münchner oder Dortmunder Fußgeherzonen architektonisch anspruchsvoll.
    So gesehen war der Abriss der überkommenen Gebäude der Willsdruffer, insb. des Vorkriegskaufhauses samt Lindehaus direkt ein Kulturfrevel. So schlecht hatte das die alte DDR wieder auch nicht hingekriegt.
    Hat die Stadtverwaltung an Stadtbildfragen überhaupt kein Interesse? Besonders merkwürdig ist eben der Umstand, dass die Dresdner Verhältnisse wirklich aus dem Rahmen springen, überhaupt in der Nachbarschaft, wenn man sieht, wie [lexicon='Leipzig'][/lexicon] und Chmenitz mit ihren Zentren umgehen, was in Potsdam und Berlin alles entsteht (und entstehen soll), wenn man nach Erfurt schaut, wo durchaus modern und anspruchsvoll gebaut wird...
    Überall geschieht viel, nur in DD scheint sich alles auf den NM (und den Schloßbereich) zu fokussieren. Man kann sich ausrechnen, wie diese Stadt ohne GHND aussehen würde.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • @UC

    Ich habe von einem Freund aus Dresden gehört, dass in der Dresdner Stadtverwaltung für Stadtentwicklung relativ junge unerfahrene und an der Geschichte Dresdens absolut uninteressierte Leute sitzen, die ein paar Günstlinge (Architekten, die ansonsten nirgendwo anders Aufträge bekommen) favorisieren. Außerdem bekommen diese jedes Mal einen Orgasmus, wenn eine Reko nicht zustandekommt. Die Rache für den Neumarkt fällt leider im restlichen Dresden besonders Fatal aus...

  • Zitat von "Henry"

    Sollten nicht noch Glaserker die neue Fassade ein wenig auflockern? Bisher sehe ich keine.

    Das würde doch auch nichts mehr bringen.

    @ Exilant

    Rache für den Neumarkt?
    Hm, das klingt mehr nach einen Freund aus momentan westlicheren Gefilden. Außerdem ist die Aussage leicht widersprüchlich.
    Diese Galerie hat, wie schon vom SC ausgeführt, mit Ideologie oder Ästhetik oder Architektenklüngel nichts zu tun. Nur mit Krämertum und Kommerz (wer hat vor nicht allzu langer Zeit im Parlament die ÖVP als Krämer bezeichnet dh beschimpft? Das trifft wohl auf ihre bundesdt. Schwester nicht weniger zu), mit bedinungsloser Unterwerfung.
    Kommt da übrigens kein Protest aus DD? Kein Aufschrei der Empörung, nicht einmal ein höhnisches Auflachen?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • wenn ich mich recht erinnere, hat es für diesen erweiterungsbau keinen wettbewerb gegeben, sondern der investor kam seinerzeit mit den fertigen plänen seines hausarchitekten um die ecke. da muss es nicht weiter verwundern, dass diese nur sehr mangelhaft auf die stadträumliche einbindung eingehen. dafür jedoch um so mehr, dass diese pläne einfach durchgewunken wurden.
    es ist für alle seiten - investoren, städteplaner, bürgerschaft - bereichernd, über entwürfe von architekturwettbewerben (und deren ergebnisse) diskutieren zu müssen/können. dies ist ein sinnvoller weg, um die sensibilität für architektur - und damit auf lange sicht auch deren niveau - zu heben.
    wo dieser weg nicht beschritten wird, können die ergebnisse schlimmstenfalls indiskutabel ausfallen.

  • So eindeutig ich die nun umgesetzte Investoren-Wegwerfarchitektur mitsamt Abriß des letzten erhaltenen Vorkriegsbaus auch ablehne - ein kitschig-verschnörkeltes Phantasiegebilde ohne Bezug zur Historie des Ortes, wie es gerne für Outlet-Center verwendet wird, fände ich eigentlich noch schlimmer. Man hätte sich - in vereinfachter Form - an der Altmarkt-Bebauung aus den 50er Jahren orientieren sollen oder wenigstens an dem Nachwendebau neben der Kreuzkirche oder zur Not an der Fassade des Lego-Hauses. So ziemlich alles, was etwas mehr "nach Haus" aussieht, wäre eine bessere Lösung gewesen.

  • Die Wand kann ich ja nachvollziehen – nicht gutheissen – als wirklich simple Mall-Fassade. Nur das "Häuslein" mit seiner Optik unmittelbar am DDR-Bau passt ja auch so garnicht. Null "Übergang", total andere Farbgebung und so winzigklein ohne Dach … Wo ist denn die Ästhetik geblieben?

    Was jetzt passieren muss: Ausgewachsene(!) Bäume davor stellen. *wersglaubt*

  • Zwei Baukörper mit Mansarddach und normalen Fenstern, etwa so wie das Hotel de Saxe. Dazwischen die Gassen, die ins EKZ führen. Das wäre hier eine sehr gute lösung gewesen.
    Das, was heute dort gebaut worden ist, geht nur wenig über das ehem. Linde-Haus hinaus, und dazu ist mit dem Vorkriegs-Warenhaus noch ein Denkmal abgerissen worden. Wie so oft in Dresden wurde mit heutigen Mitteln die DDR-Stadtplanung umgesetzt. Man folgt deren Linien und Proportionen. Mit Kommerzarchitektur ohne ästhetischen Anspruch. Schwer verständlich das alles.

    VBI DOLOR IBI VIGILES