Die großen Berliner Warenhäuser vor der Zerstörung

  • Ich denke, die Berliner Großkaufhäuser gehören in einen Extrastrang, weil es einfach eine eigene Architekturkategorie ist.
    Anfangen möchte ich mit dem , neben Wertheim in der Leipziger Straße, größten und aus meiner Sicht auch schönsten Warenhaus der Welt. Das alte Tietz-Warenhaus (später Hertie) am Alexanderplatz. Errichtet wurde der Bau von 1904 bis 1911 und war nach Fertigstellung das größte Warenhaus der Welt, so Hermann Tietz bei der Eröffnung.
    Mit seinem geschwungenen Giebel am Kopfbau und der 250 m langen Fassade dominierte die Warenhauskathedrale den Alexanderplatz:

    Hier ein Foto vom geschmückten Hertie bei der Olympiade 1936. Acht Jahre später war die große Zeit dieses Warenhauses endgültig vorbei.

    Die gesamten Sandsteinfassaden strahlten trotz der gewaltigen Größe eine Eleganz und Leichtigkeit aus, ohne plump, schwer, überladen oder kitschig zu wirken:

    Das Innere war so beeindruckend, dass allein die Architektur heute viele Menschen anziehen würde:

    Obwohl nur ein vergleichsweise kleiner Teil der Fassade von Sprengbomben zerstört wurde, kam es zum Abriß des gesamten Komplexes:

    Bereits abgerissene Ecke:

  • Das Warenhaus Wertheim in der Leipziger Straße war nicht minder imposant.
    Vor allem das Innere übertraf vielleicht sogar den Konsumtempel am Alexanderplatz. Erbaut wurde das Warenhaus von 1896 - 1906 und im 2. Bauabschnitt von 1911 - 1912.
    Allein die Straßenfront an der Leipziger Straße hatte eine Länge von 240 m und die Grundstücksfläche betrug knapp 30.000 m² und die Nutzfläche 112.000 m²

    Der Kopfbau am Leipziger Platz:


    und die 240 m lange Front:




    Die Rückseite zur Voß Straße:


    und das imposante Innere:
















    Den Krieg überlebte das Warenhaus. Es war zwar beschädigt, doch wiederaufbaufähig.




    Der Abriß:


  • Das Warenhaus Wertheim in der Rosenthaler Straßr / Ecke Sophienstraße, erbaut 1903 von Alfred Messel:


    Blick vom Hackeschen Markt aus:






    Lichthof:



    Anblick 2008:



    Anblick nach 'Restaurierung':



    Details:



    Fassade an der Sophienstraße:


  • Nun zu Wertheim in der Königstraße, erbaut 1910-11 von Kayser & von Groszheim, 192 erweitert zur Grunerstraße:

    Blick vom Alexanderplatz:

    Außenansichten an der Königstraße:


    Von mir zusammen gebasteltes Panorama:



    aus Einzelbildern:

    Bilder aus der 'Deutschen Bauzeitung' von 1912:


  • Also ich finde das schönste Warenhaus Berlins fehlt noch. Ganz konkret meine ich das ehemalige Warenhaus Tietz am Dönhoffplatz Ecke Leipziger Straße. Habe jetzt natürlich kein Foto parat.

  • Vielen Dank für die Eröffnung dieses Strangs und das erste umfangreiche Bildmaterial! Es sind tief erschütternde Dokumente über die Dimension der Zerstörung, die unsere Hauptstadt heimgesucht hat, wobei die Bombardierungen eigentlich nur den kleineren Teil des Zerstörungswerks ausmachen. Erchütternd ist vor allem der unglaubliche Vernichtungsfuror, der nicht ruhte, bis alle diese Verkaufspaläste mit ihren kathedralenartigen Verkaufs-Prunkräumen ausnahmslos dem Erdboden gleich gemacht waren. Da wirkten viele Motive zusammen, vor allem aber eine unbegreifliche Verachtung für einen Aufbauwillen, der erst eine Generation zuvor das alles in unendlichen Pracht und Üppigkeit geschaffen hatte. Die Photos dokumentieren vor allem, in was für eine unermessliche Selbstachtungskrise dieses deutsche Volk und vorzüglich seine Hauptstadtbevölkerung gestürzt war.

  • Also ich muss sagen die Bilder losen bei mir eher zwiegespaltene Gefuhle aus - von Innen sieht die schon beeindruckend aus aber ihre Beitrag zu Stadtbild finde ich persohnlich in diese Einkaufsvierteln schon eher modern und gar nicht malerisch. Vielleicht redet die innere Zeno in mir aber ein Teil von mir kann auch ohne diese Warenhauser leben.

    Ich verstehe dass andere Leuten andere Meinungen haben werde und in unsere Forum gibt es ja verschiedene Vorlieben - aber zu meine Vorliebe gehoren diese grosse Konsumtempel nicht.

  • Fairer Weise muss man aber sagen, dass die Bauwerke in der überwiegende Anzahl nicht bis heute überdauert hätten, auch wenn sie den Krieg überstanden hätten. Das zeigt ja die Erfahrung in vielen deutschen Städten. Die großen Kaufhäuser errichten ihre Verkaufstempel immer wieder neu, um mit dem Konsumverhalten des Kunden Schritt zu halten.

    Und über die erlittenen Vernichtungen kann man sich leider nur insofern beklagen, als dass man genau diesem Ergebnis mit dem "totalen Krieg" und der Kriegsführung der verbrannten Erde im Osten den Weg geebnet hat. Ich denke man sollte nach so langer Zeit nicht nach Motiven oder der Schuldfrage für zerstörte Gebäude suchen, sondern schauen, ob ein Weidererstehen in dem einen oder andern Fall realistisch ist.

    Moderationshinweis (Aedificium): Dies ist hier der Faden über Berliner Warenhäuser, Schuldfragen oder sonstige Animationen zu politischen Debatten sind hier fehl am Platze!

    Edit: Aedificium, ich glaube du hast mein Post falsch verstanden. ich habe ja gerade geschrieben, dass es müßig ist, nach Schuldfragen zu suchen. Und Politisches habe ich schon gar nicht angesprochen. Und weil wir gerade beim Thema falsch verstehen sind: Ich glaube, ich habe das Post von Philoikódomos auch falsch verstanden, so dass meine Ausführungen zum Teil in der Luft hängen.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

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    Einmal editiert, zuletzt von tegula (23. Januar 2018 um 23:11)

  • Er hat aber doch Recht. Guck doch, was aus den meisten historischen Kaufhäusern geworden ist. Außer in Görlitz ist mit etwas Glück hier und da noch eine Fassade erhalten. Ansonsten haben Konzerne wie Karstadt bedenkenlos solchePrachtbauten abgerissen und durch solche Klötze ersetzt (nur ein Beispiel aus Wiesbaden). In Italien oder Frankreich mag es anders sein, aber in Deutschland mussten und müssen Kaufhäuser doch meistens immer wieder neu, modern und geräumig sein. Und über Parkdecks verfügen.

  • Übrigens, die Galeries Lafayette in Paris glänzen noch immer in ihrer alten Schönheit. Vielleicht muss den Franzosen mal jemand erklären, wie man mit dem "Konsumverhalten der Kunden Schritt hält". Und überhaupt wie man neu, modern und geräumig lebt.

    In dubio pro reko

  • Nun denn, Tietz an der Leipziger Straße / Jerusalemer Straße / Krausenstraße und Dönhoffplatz. Ein Komplex, er ebenso über mehrere Jahre entstand wie auch Wertheim am Leipziger Platz.

    Eigentlich sind diese Bilder schon vor geraumer Zeit im Rahmen des Strangs 'Berlin in alten Bildern' gezeigt worden, von Vulgow und anderen. Wenn aber der Wunsch besteht, sie mal gemeinsam unter der Überschrift "Die großen Berliner Warenhäuser vor der Zerstörung" zu sehen, soll dies denn auch geschehen.

    Der erste Bauabschnitt an der Leipziger Straße 46-49 von B. Sehring & L. Lachmann :

    An der Jerusalemer Straße / Dönhoffplatz, 1912 von Cremer & Wolffenstein erbaut:



    An der Krausenstraße, von Bernhard Sehring, Lachmann & Zauber :


    Von Friedrich Seidenstücker stammt dieses Foto mit einem kleinen Puttenkopf vor der Ruine des Warenhauses Tietz:


  • Philokoidomos hatte gesprochen von eigenes Vernichtungsfuror. Der Bombernkrieg hatte Zeifellos vieles vernichtet aber im Mai, sogar nach der roten Feuerorkan, war Berlin noch weitgehend da.

    Die üpiche Warenhäuser wurden Tabula Rasa gemacht, denn die, beschädigte, einstige Pracht, war in den Augen der Nachkriegsbevölkering zwierig zu herstellen und es fehte an Bewusstsein (und Wille) neben Mannkraft um historische und Städte prägende Architektur zu retten, weil damals noch zu viel historisches herum stand. Die Deutschen waren damals auch ziemlich Selbstzertörerisch......Vielen hatten schreckliches Erlebt und nur überlebt ....... Parchtbauten retten war kein erster Priorität. Wohnungen wieder bewohnbar und lebbar zu machen aber doch!.

    Nach 20 Jahren von zähen und fast verbissen Abbruch, Entstückung, Moderniseirung, Wiederaufbau mit andere mehr funktionellen Architektur, passten die verbliebene "Alten Kleider" immer weniger im Bild der "neuen Staddt".
    In die 60-er and 70-er Jahren wurden ganze alten Viertel platgemacht und noch verbliebene Altbauten in der Mitte Berlins abgebrochen, wie die typisch Berlinerische Bauten an die Marien Platz und Hedwigskathedrale oder im nähe der Bahnhof Alexanderplatz. Sogar die resten des schönsten Berliner Warenhaus, Tietz am Dönhoff Platz verschwanden von der Karte.
    In derselben Zeit wurde fast nichts rekonstruiert......Es verschwanden tausenden von Gebäuden und zehntausenden wurden vereinfacht "modernisiert. Standard war die Entfernung von tausenden von typisch Berliner Giebel und Ecktürmen, massiven Bakone und auch Erker. Turmspitzen und Kirchen wurden nur provisorisch repariert. Die Spitzen kehrten nicht mehr zurück......im Städtebild.

    In die ersten Jahren nach dem Krieg wurden aber die meisten Bauten provisorisch wieder aufgebaut, eine hervorragende Leistung, aber danach auch manchmal doch wieder aufgeräumt. Bilder und photos von Essen zeigen eine schwer bombardierte Stadt in 1945 aber ein Lebbare und scheinbar wieder betriebsfähige Stadt schon in 1948!!! Fast geheilte Stadt in 1952.

  • Fairer Weise muss man aber sagen, dass die Bauwerke in der überwiegende Anzahl nicht bis heute überdauert hätten, auch wenn sie den Krieg überstanden hätten. Das zeigt ja die Erfahrung in vielen deutschen Städten. Die großen Kaufhäuser errichten ihre Verkaufstempel immer wieder neu, um mit dem Konsumverhalten des Kunden Schritt zu halten.

    Das ist halt der Punkt - es haben ja auch Warenhäuser den Krieg relativ unbeschädigt überlebt, wie zum Beispiel das spätere "Bekleidungshaus" am Fuße des Berliner Fernsehturms - man hat auf der anderen Seite das wesentlich monumentalere "Centrum Warenhaus" gebaut und das etwas kleinere "Bekleidungshaus" 1972 gesprengt. Wozu man in der DDR Mangelwirtschaft allerdings ein großes Warenhaus brauchte, ist mir bis heut nicht klar.
    In westlichen Städten wurden vom Krieg verschonte Warenhäuser abgerissen um größere "Nutzflächen" zu schaffen....ich sag nur Karstadt in Essen: http://rtreutler.blogspot.de/2011/01/karsta…riss-altes.html

  • Es stellt sich halt die Frage, wieso bei Kaufhäusern ein Rekonstruktion angestrebt werden sollte. Mit kleinteiliger, organisch gewachsener Stadtstruktur haben diese Kolosse wenig zu tun. Ganz im Gegenteil, häufig mussten für Kaufhäuser halbe Stadtteile verschwinden, die zum Stadtbild viel mehr gehörten, als die nur wenige Jahrzehnte stehenden Konsumtempel.

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    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • häufig mussten für Kaufhäuser halbe Stadtteile verschwinden, die zum Stadtbild viel mehr gehörten, als die nur wenige Jahrzehnte stehenden Konsumtempel.

    Da müssen wir garnicht in der Vergangenheit reden, die Situation heute ist sehr viel ärger. In Köpenik würden reihenweise (zum Teil denkmalgeschützte) Gründerzeitbauten abgerissen, nur für ein 08/15 EKZ (Einkaufzenter). Da war die Ausdehnung alter Warenhäuser schon arg bescheiden dagegen. Die alten Warenhäuser aus der Gründer und Jugendstilzeit, waren schon eine bauliche Besonderheit, dies muß man den alten Architekten schon zugestehen.

  • An den Kaufhäusern lässt sich ein uraltes Dilemma, das auch die Denkmalpflege ständig beschäftigt, fassbar machen. Welchen Zustand soll man wieder herstellen bzw. sichtbar machen? Welche (Farb-)Schicht, welcher Umbau soll berücksichtigt werden bei einer Wiederherstellung? Darf und kann man bestimmten Bauphasen überhaupt einen höheren Rang zugestehen und dadurch andere historische Zustände beseitigen? Wo ziehen wir das die rote Linie?

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  • Es stellt sich halt dir Frage, wieso bei Kaufhäusern ein Rekonstruktion angestrebt werden sollte. Mit kleinteiliger, organisch gewachsener Stadtsruktur haben diese Kolosse wenig zu tun. Ganz im Gegenteil, häufig mussten für Kaufhäuser halbe Stadtteile verschwinden, die zum Stadtbild viel mehr gehörten, als die nur wenige Jahrzehnte stehenden Konsumtempel.

    Klar und leider ist oft so der Punkt dass viele Kaufhauser die Grunderzeit hat in viele Stadten auch einige Altstadthauser gekostet.

    Da muss mich wirklich uberlegen wo eine Rekonstruktion wirklich Sinn machen wurde.

  • An den Kaufhäusern lässt sich ein uraltes Dilemma, das auch die Denkmalpflege ständig beschäftigt, fassbar machen. Welchen Zustand soll man wieder herstellen bzw. sichtbar machen? Welche (Farb-)Schicht, welcher Umbau soll berücksichtigt werden bei einer Wiederherstellung? Darf und kann man bestimmten Bauphasen überhaupt einen höheren Rang zugestehen und dadurch andere historische Zustände beseitigen? Wo ziehen wir das die rote Linie?

    Schwierig. Der Originalzustand läßt sich entweder nicht mehr ermitteln, oder erfüllt nicht die heutigen Bestimmungen. In Düsseldorf hat man ein historisches Warenhaus mal zugunsten des U-Bahn Baus abgerissen und ein Stück versetzt wieder originalgetreu aufgebaut. Originalgetreu ist allerdings nur die Fassade.