Kaliningrad - Königsberg

  • Zitat von "Karasek"

    Vielleicht verstehe ich ja etwas falsch, aber in hänge mich trotzdem mal rein: allein in Schlesien gab es mehrere Dialekte. Das wären z.B. Gebirgsschlesisch, Glätzisch, Neiderländisch und eben der Breslauer Dialekt. Die alle wurden sicher nicht als das "Breslauische" zusammengefasst. Dazu waren sie zu unterschiedlich.
    Ein Tondokument des Gebirgsschlesischen findet man hier:

    http://www.staff.uni-marburg.de/~naeser/207nr48.mp3
    (würde mich mal interessieren ob das für Leute aus anderen Regionen einfach zu verstehen ist)

    Köstlich! Danke Karasek!

    Es war wohl eine verpasste Chance und sicher nicht gewollt, dass man die armen Vertriebenen nicht nur ihrere Heimat beraubt hat, sondern diese auch noch schön auf die ganze BRD, DDR und Ösiland verteilt hat, ohne diese möglichst beisammen zu lassen (außer vielleicht Neugablonz in Bayern), um Dialekt und Kulter weiterpflegen zu können. Unsere Länder sind heute leider sehr viel ärmer - leider. Das kann man gerne in die Geschichtsbücher schreiben :zwinkern:

  • Das war wohl rein aus Platzgründen bei 10 bis 12 Millionen Menschen nicht möglich - von den Unterbringungsmöglichkeiten in einem zerstörten Land ganz zu schweigen.

    Und selbst dort, wo sehr viele Vertriebene aus derselben Region angesiedelt wurden wie in Schleswig-Holstein (wo fast 40 % der Bevölkerung aus Pommern und Ostpreußen stammen), ist ja sprachlich und kulturell nichts geblieben.

    Nebenbei bemerkt: offiziell waren die entsprechenden Gebiete ja nur unter "Verwaltung" ihrer faktisch neuen Besitzer, dies steht auch so im Potsdamer Abkommen:

    "Die Häupter der drei Regierungen stimmen darin überein, daß bis zur endgültigen Festlegung der Westgrenze Polens, die früher deutschen Gebiete östlich (...) unter die Verwaltung des polnischen Staates kommen und in dieser Hinsicht nicht als Teil der sowjetischen Besatzungszone in Deutschland betrachtet werden sollen."

    Quelle:
    documentArchiv.de - Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin
    ["Potsdamer Abkommen"] (02.08.1945))

  • Zitat von "silesianospostato"

    Das war wohl rein aus Platzgründen bei 10 bis 12 Millionen Menschen nicht möglich - von den Unterbringungsmöglichkeiten in einem zerstörten Land ganz zu schweigen.

    Nicht nur die Platzgründe, der Wille war einfach nicht vorhanden. Wo kein Wille, da kein... . Bayern ging hier mit ein paar Ausnahmen glücklicherweise ein ganz wenig besser um.

    Bezüglich Verwaltung:

    Ich glaube Stettin wurde nicht einmal unter fremde Verwaltung gestellt und müsste defacto eigentlich völkerrechtlich noch zu D gehören?

  • Die Leute wurden halt da untergebracht, wo gerade Platz war - meine Großeltern und mein Vater in einer ehemaligen Kaserne, die übrigens heute noch als Wohnhaus genutzt wird. Auf dem Friedhof dieser Gemeinde mit 3000 Einwohnern ist ersichtlich, daß mindestens die Hälfte aus dem Sudetenland oder Schlesien stammte.

    Stettin wurde in einer Art Willkürakt der Sowjetunion nachträglich noch an Polen übergeben, nachdem sich schon eine kommunistische deutsche Verwaltung gebildet hatte. Das ganze wurde wohl nachträglich im 2+4 Vertrag legalisiert.

  • Zitat von "Brandmauer"

    Hinweis: bei "Rundgang" steht dort im Text:

    Danke für den Hinweis. In der Rubrik "Geschichte" heißt es zudem:

    Zitat

    Zum Lokator (Gründer und ersten Stadtvorsteher) wurde der Ehemann der Nichte des Bischofs - Johannes aus Köln (bei Brieg in Schlesien). In Ermland wurden sehr viele Niederschlesier ansässig und ihre Mundart blieb vor allem im Dominium lage Zeit erhalten - das "Breslauische".

    Fragt sich nur noch wann die Bezeichnung das "Breslauische" genau aufkam und warum die schlesische Hauptstadt namensgebend für den Dialekt wurde.


    Zitat von "RMA"

    Was machst du eigentlich beruflich, Georg Friedrich? Professor für Geschichte? Bin echt immer wieder immer beeindruckt von deinem Wissen...

    Angehender Pauker, u. a. für Geschichte... :lehrer: :neinnein:


    Zitat von "Exilwiener"

    Es war wohl eine verpasste Chance und sicher nicht gewollt, dass man die armen Vertriebenen nicht nur ihrere Heimat beraubt hat, sondern diese auch noch schön auf die ganze BRD, DDR und Ösiland verteilt hat, ohne diese möglichst beisammen zu lassen (außer vielleicht Neugablonz in Bayern), um Dialekt und Kulter weiterpflegen zu können.

    Wobei gerade für die Sudetendeutschen gilt, dass deren Dialekte meistens schon alleine deswegen weiterexistieren, da sie mit den deutschen Dialekten jenseits der Grenze übereinstimmten.

    "Meistens belehrt uns der Verlust über den Wert der Dinge."
    Arthur Schopenhauer

  • Ich habe das hier (Beitrag vom 13.11.2005) mal wieder hervorgeholt,

    Zitat von "thommystyle™"

    In Königsberg soll ein ganzes Viertel (wieder)erstehen das Projekt mit dem Titel "Ethnographic Trade and Handycraft center Fishig Village" wird einem ehemaligen Manager von YUKOS (Pavel Fjodorov) initiiert. Das Viertel entsteht am ehem. Weidendamm.[...]


    weil man inzwischen auf Wikipedia schon ein Foto sehen kann.

    Naja, das Fachwerk sieht aufgeklebt aus. Nichts hochwertiges - aber wenn man sieht, was im Hintergrund steht, dann ist das doch eindeutig eine Verbesserung.

  • Ja, es sieht unecht und recht billig aus. Aber wie gesagt: Neben den üblen Plattenbaukisten, mit denen diese Stadt übersäht ist, ist es das eindeutig kleinere Übel und ein (kleiner, etwas unbeholfener) Schritt von Kaliningrad in Richtung Königsberg (der Weg ist noch weit) - daher insgesamt eine Verbesserung, finde ich. 8)

    In Dresden oder Frankfurt würde ich gegen sowas Tomaten werfen... :zwinkern:

  • Zitat von "Schloßgespenst"

    In Dresden oder Frankfurt würde ich gegen sowas Tomaten werfen... :zwinkern:

    Na ja, in Frankfurt gibt es weit schlimmeres, gegen das man Tomaten werfen könnte. In Dresden auch. Ganz so übel finde ich die Häuser gar nicht mal in ihrer Grundgestalt, Grundform. Aber hat das irgendetwas mit dem alten Königsberg zu tun? Zitieren die Häuser und der Turm einst bestehende Bauten? Handelt sich sich um eine "kritische Rekonstruktion" oder eher um eine historisierende Kulisse?

  • Zitat

    Ich wette, dieses Bildwerk am Giebel sagt aus, daß es slawische Fischer gewesen sind...

    da steht in gross: ribnaja derevnja, was soviel heisst wie fischdorf.

    weiss gar nicht, wass ihr da so negativ schreibt? gefrustet, dass bei uns überall nur 100mal hässlicheres gebaut wird?
    Ja, erste Qualität schaut anders aus, aber wenn Frankfurt, Hannover oder Köln so wieder aufgebaut würden, wäre es vielleicht etwas kitschig, aber liber kitschig als abgrundtief hässlich, oder?

  • Nicht in solcherart kitschig wie in einer als Zombie "wiederbelebten" sowjetischen Stadtstruktur...oder sollte ich eher sagen "Siedlung städtischen Typs".
    In Deutschland, NL oder im Baltikum könnte sowas als postmodernes, retrospektives Formexperimente akzeptiert werden. Etwas primitiv, aber dennoch im Sinn gerechtferigt und aufrichtig.

    In Kaliningrad dient es bestenfalls als naiv-verspieltes Herumgealber mit Versatzstücken irgendeiner tollen Vergangenheit (wie eine gelangweilte Hausfrau ihr Haus mit allem möglichen Jahrmarkts- und Souvenirklimbim zumüllen würde) - schlimmstenfalls aber als Umdeutungsversuch hanseatischer Kulturgeschichte. Vielleicht schielt man im Kreml ja auch wieder gen Riga und Talinn...wundern täte es mich nicht.

    Daß dies im Ostblock nicht das erste Mal vorkommt, beweisen Danzig oder Breslau mit ihrer wundersamen rückwirkenden Geschichte nach 1945, in der die Deutschen allenfalls mal Statisten am Rande waren, wenn überhaupt.

    Nein, die werden gedünstet

  • Das mag schon sein. In anderen Fragen vertrete ich eine relativistische Haltung, hier bin ich Reaktionär. 8)

    Nein, die werden gedünstet

  • Mich erinnert das auch extrem an irgendwelche billigen Jahrmarktbuden. Allein dieses aufgeklebte Pseudofachwerk. Wenn man versuchen würde, das als echte Holzkonstruktion umzusetzen, würde das wahrscheinlich keine zehn Minuten stehen bleiben... und das wäre auch besser so.

  • Bitte nicht vergessen, daß es in Königsberg derzeit zwei Vorschläge gibt, um die noch gerungen wird:

    1.) Das Projekt des aktuellen Provinzgouverneurs, das die originalgetreue Rekonstruktion einiger bedeutender Bauten vorsieht und den Rest mit dem oben gezeigten historisierend-postmodernen Zuckerbäckerstil auffüllen will (also im wesentlichen eine Art "Leitbauten-Konzept")

    2.) Das Projekt des Architekturbüros Sarnitz, das die ganze Kern-Altstadt, soweit hinreichend dokumentiert orginalgetreu rekonstruieren will:
    http://www.altstadt.ru
    (Einer der Mitarbeiter von Sarnitz war übrigens auch führend in der Kampagne tätig, Kaliningrad anläßlich der 750-Jahr-Feier offziell in Königsberg rückzubenennen).

    Aber marc! war die Tage dort und wird darüber sicher näheres zu berichten wissen.