Dresden - Altmarkt, Kulturpalast, Prager Straße - Südliche Altstadt (Galerie)

  • Oder macht eine Reise von Luneburg bis Potsdam und da gibt es in Mecklenburg und Altmark eine alte Landschaft mit intakte Stadten wie Gustrow, Salzwedel oder Tangermunde

  • Ich vertrete die Meinung der größte Mist wurde nach der Wende gebaut , abgesehen von den " Weltklasserekonstruktionen " in der Altstadt !!! Und mit der Altmarktgalerie wurde der ganze Bereich um den Altmarkt und die Wilsdruffer Straße NACHHALTIG geschädigt !!!

  • Da hast du schon Recht, Johan, wie gesagt, es ist sehr vereinfacht. Aber Hamburg ist ja nicht um sonst die "Freie- und Abrissstadt". Ich mag die Stadt ja sehr, aber oft denken die Hanseaten schon ziemlich materialistisch. Wie gesagt, es ist eine Tendenz, die man beobachten kann. Diese Formel bezieht sich auch eher auf gesellschaftliche und politische Aspekte und eine progressive Lebenseinstellung kann, muss sich aber nicht auf die Architektur auswirken.

  • Dresdner, wenn etwas Kritik verdient, dann die "Wiederaufbauleistung" in Bayern, wo so gut wie alles verhaut worden ist. Wenn Augsburg heute halbwegs schön ist, dann aufgrund des geringeren Zerstörungsgrades und TROTZ des verfehlten Wiederaufbaus, der wichtige, stabile aufbaufähige Ruinen beseitigt hat und an Stelle der Lücken nichts Adäquates zu setzen gewusst hat. Das mit DD zu vergleichen, ist ein bisschen weithergeholt. Natürlich kann man in DD einzelnes kritisieren, wie das Wegräumen der Großen Meissner Straße und ev auch der Rampischen (wobei letzteres angesichts der fehlenden FK einigermaßen verständlich war). Gerade in der Altstadt hat man das Wichtigste stehengelassen, wie man anerkennen muss. Und südlich des ALtmarkts blieb bei realistischer Betrachtung nichts anderes übrig als tabula rasa und völliger Neubau im Stile der Zeit. Genau das ist mE das Einzige, was als langfristig halbwegs realistische Zukunftsoption in Betracht kommt.

    Gerade im DD südlich der Elbe, und darum geht es hier, hat man aus der Sicht eines Betrachtes von 2018 eigentlich so viel richtig gemacht wie nirgendwo sonst in D. Der Verlust von ca 90% des Innerstädtischen Stadtraums ist natürlich nicht zu beschönigen, war aber nicht gutzumachen. Es ist dabei ohne Belang, wie hoch man den Wiedergewinn der halben Altstadt in diesem Zusammenhang bewertet. Als bürgerlicher Organismus ist DD baulich 1945 (und nur damals, keinesfalls darf man von einer 2. Zerstörung sprechen) untergegangen und zwar wahrscheinlich für immer. Was immer kommen wird, wird keine bürgerliche Gesellschaft sein, die in Gründerzeit- (oder älteren) Vierteln sozialisiert wurde, und die es heute noch da und dort gibt (sie ist auch in unzerstörten Städten im Schwinden). Diesen Untergang kann man politisch beklagen, die Zerstörung geißeln, wenn einem das nicht irgendwann fad wird, aber keineswegs der DDR-Wiederaufbaupolitik anlasten. Die weltweit beste Option, die man sich städtebaulich erwünschen hätte können, wäre stalinistischer Zuckerbäckerstil gewesen. Aber dann bitte mit Hochbauten wie von Triforum verlinkt. Weiß nicht, ob man für diese unzweifelhafte Verbesserung des Straßenbildes gegen die Silhouette eintauschen will?
    Die sicher unschönen Wiederaufbauviertel wird man so schnell nicht loswerden. Ehrlich gesagt, warum auch? Sie verschandeln schließlich nichts. Man will ja auch keine Satellitenstädte am Stadtrand schleifen, nur weil sie nicht innenstädtischen Kriterien entsprechen. Und in der St. Petersburger Straße ist einfach keine Innenstadt mehr. Stadtbildreparatur setzt etwas zu reparierendes voraus. Die letzte Chance wurde mit der dem Kommerz geschuldeten Verdichtung der Prager Straße vertan. Zweifellos wäre es weitsichtiger (wenngleich unrealistisch- kostspielig) gewesen, dieses sozialistische Ensemble zu bewahren bzw durch ein paar (standortversetzte) Gründerzeit-Rekos aufzulockern. Hätte sich mE ästhetisch gut gemacht.
    Das ist jetzt vorbei. Die heutigen Stadtflächen sind so hässlich, dass einzelne Rekos kostspielige Perlen vor die Säue wären. Neubauprojekt in "Gründerzeit-light"-Manier, wie hier mitunter vorgeschlagen, bringen auch nichts, zumindest keinen ansprechenden Stadtraum, Wie soll so eine derartige Versatz-Architektur der Reputation bzw der Wertschätzung des historischen DDner Stadtraumes zuträglich sein? Straßenzüge, die weit unter dem ästhetischen Niveau der Ostrauer Innenstadt liegen?
    DD hat nach Vollendung des NM-Projektes noch große Potentiale offen, vor allem in der Inneren Neustadt, und auch, ganz und gar nicht zuletzt, am Altmarkt.
    Südlich des Altmarktes ist gar nichts mehr zu machen, und das sage ich ohne den Verlust dieses sicherlich einst sehr bedeutenden Stadtraumes kleinreden zu wollen.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ich sage ja nicht, dass protestantische Regionen nicht schön sein können, überhaupt nicht. Es existieren etliche schöne Städte, die protestantisch geprägt sind. Aber man muss schon sagen, dass protestantische Gegenden eher anfällig sind für eine wirtschaftliche Weltsicht, aufgrund jener Arbeitsethik, die schon Max Weber beschrieben hat. Und eine wirtschaftliche Weltsicht kollidiert oft mit dem Sinn für kulturelles Erbe. Natürlich gibt es in Norddeutschland viele wunderschöne, historische Städte, keine Frage. Aber es gibt in protestantischen Ländern eben auch Beispiele für Massenabrisse, die man so, abgesehen von Frankreich und Belgien (zwei Länder, die trotz ihres oberflächlichen Katholizismus kulturell und geistig sowieso eher dem protestantischen Nordeuropa angehören), in katholischen nicht finden würde. Generell zeichnet sich der protestantische Geist eher dadurch aus, dass man vorwärtsstrebt, sich nicht mit Altem zufrieden gibt, auf Fortschritt und Erneuerung pocht (nicht umsonst waren die protestantischen Völker Europas für einen Großteil der wissenschaftlichen, philosophischen und kulturellen Errungenschaften verantwortlich). Auch dies kann dazu führen, dass man sich in der Architektur vom Bisherigen abgrenzen möchte und historische Bausubstanz durch Manifestationen der eigenen Gegenwart ersetzt.

  • Totalitäre Ideologien konnten mit der traditionellen, kleinteiligen, heimeligen, menschlichen Architektur immerschon nichts anfangen. Sie präferierten die weiträumigen, geordneten, monumentalen Stadträume, in denen der Mensch unbedeutend und ausgefliefert ist. Die Stadt ist hier steingewordene Manifestation des übermächtigen Staates, der übermächtigen Ideologie und der Mensch muss sich beugen.

    Da stimme ich Ihnen durchaus zu, zumindest in den Innenstädten und bei repräsentativen Straßenzügen und Bauanlagen war das der Fall. Andererseits gab es aber auch im Nationalsozialismus und in der DDR relativ kleinteiligen und "menschlichen" Wohnungsbau. In Dresden wurde beispielsweise während des Dritten Reiches bis 1939 die Großsiedlung in Trachau zuendegebaut.

    Und auch die Neubebauung der DDR orientierte sich in den 50ern abseits der Innenstädte durchaus an menschlichen Maßen. Hier einige beispielhafte Aufnahmen von der neu errichteten Borsbergstraße und der Grundschule am Großen Garten (beides in Striesen) sowie einige Bilder von der DDR Neubebauung der Südvorstadt (es handelt sich hier um eine großflächige zusammenhängende Anlage, die Bilder sind vom Nürnberger Platz, der Liebigstraße und der Regensburger Straße). Alle Aufnahmen stammen aus den 50ern.


    Dem dritten Reich fehlten genauso wie der DDR schlicht die Mittel um überall erdrückende Machtarchitektur zu errichten, da musste abseits der repräsentativen Lagen dann halt tiefer gestapelt werden. Ansonsten stimme ich Ihren Bemerkungen zu.

  • Gut, Bremen in Teilen, das ist etwas zweifelhaft. ...

    Leipzig?? Da sind manche unzerstörte Städte in Frankreich oder England im Zentrum weniger intakt als Leipzig. Und der riesige Gürtel aus Gründerzeitvierteln ist auch noch erhalten.

    Aber hier soll es ja um Dresden gehen. Ich habe das nur erwähnt, weil man (auch ich) oft die deutschen Großstädte einfach abtut, dabei gibt es auch bei uns noch einige, die, stünden sie in Frankreich oder in Italien, von uns bestaunt werden und als Beweis dafür herangezogen werden würden, wie "hässlich" deutsche Städte doch im Vergleich seien.

    Bremen hat sich - und das ist für eine deutsche Stadt in dieser exponierten Lage und dieser Größe schon ziemlich einzigartig - ein sehr schönes und weitgehend geschlossenenes Ensemble um den Marktplatz bewahrt, das durchaus beeindruckend ist. Auch wurde hier anders als in vielen anderen Städten in Nord- und Westdeutschland doch noch einiges an Bürgerarchitektur wiedererrichtet bis etwa Ende der 50er Jahre, als die Modernisten dann auch hier ihr humorloses Zepter zu schwingen begannen.

    Trotzdem lässt sich die Altstadt auch durch die komplett erhaltene Wallanlage noch sehr gut erkennen - und mit dem nach Osten hinter erhaltenen Stadttorbauten ziemlich nahtlosen Übergang in die sehr gut erhaltene Östliche Vorstadt gibt es auch noch ein direkt an die Altstadt anschließendes gründerzeitlich geprägtes Wohnviertel - schon an so etwas scheitern in Deutschland viele Städte. Etwa vom Karstadt in der Obernstraße nach Osten gehend kommt man über eine Strecke von bestimmt 4 km (Endpunkt Kreuzung Stader/Hamburger Straße) nur an sehr wenig Nachkriegsarchitektur vorbei.

    Trotzdem sind die Verheerungen in der komplett ausgelöschten westlichen Altstadt und der Bahnhofsvorstadt so dermaßen dominant und "besucherstadtbildprägend", dass es auch mir schwerfällt, Bremen bei den ganz gut weggekommenen Städten einzuordnen.

    Zum Rest: Zustimmung! Gerade in unseren westlichen Nachbarländern ist es auch bei deutlich weniger Zerstörungen zu tlw. gruseligen Verhunzungen intakter Altstädte gekommen, man denke nur an Brüssel, dass den Titel "Abrissstadt" wirklich verdient hätte, auch Frankreich hat so eine seltsame Neigung zu freudloser moderner Architektur an stadtbildprägender Stelle. Das alles kann aber natürlich kein Trost sein und sollte im Gegenteil eher Ansporn sein, weiterzugehen auf dem Weg der Stadtreparatur, ob in Dresden oder in Frankfurt.

  • Da ist man mal einen Tag weg und hat prompt 4 Seiten Diskussion verpasst. Ich konnte es nur überfliegen, muss aber sagen, dass ich beiden Standpunkten recht gebe.
    Denn Dresden ist beides, unglaubliche Schönheit und unglaubliche Hässlichkeit. Ich denke, man muss auch unterscheiden, ob man in Dresden lebt oder als Tourist in die Stadt kommt. Weil eben die Perspektiven und Anforderungen an eine Stadt dadurch völlig anadere sind.
    Ich kann nach dem Besuch der Stadt sagen, dass der Organismus Stadt im Zentrum weitgehend verloren ist, das muss man ohne jede Beschönigung einfach festhalten. Jenseits des des Neumarkts ist die komplette südliche Altstast ein Totalverlust, wo es mit der Altmarktbebauung, der Kreuzkirche, dem Rathaus und dem Hbf einige wenige Relikte gibt, die als Ankerpunkte dienen, ansonsten kann man in weiten Teilen von einer Innenstadt im klassischen Sinne aber gar nicht sprechen, wennn man sich z.B. mal das Gebiet um die Annenkriche anschaut, das könnte auch irgendein Vorort sein.
    Aber dann gitb es, insbesondere als Besucher dieser Stadt, diese Elbfront und die 1-A Bauten, die in der Weltliga mitspielen. Semperoper, Frauenkirche, Zwinger und das meiner Meinung nach unterschätzte Residenzschloss, gepaart mit der Terrasse und dem Neumarkt, das ist Weltklasse. Wo gibt es auf so kleinem Raum eine solche Ansammlungen an absoluten Highlights der Weltarchitekturgeschichte? Ich kenne keinen Ort, nicht mal Rom oder London oder Wien. Es ist die Kumulation, diese Ansammlung des besten der europäischen Architekturgeschichte, die Dresden bei aller Zerstörung der Kerninnenstadt trotzdem so einmalig macht. Als ich dort stand, ich war so unglaublich fasziniert. Mein großes Fazit kommt am Ende der Galerie, aber ich will es vorweg schicken, dass Dresden nach wie vor einen unglaublichen Reiz versprüht und man die große Historie dieser Stadt hier nach wie vor atmen kann.
    Aber klar, man muss sagen, dass in kaum einer anderen Stadt in Deutschland die Widersprüche und Brüche derart groß sind wie in Dresden, und daran wird die Stadt noch lange tragen.
    Auch wenn es vielleicht jetzt blöd ist, wäre es trotzdem zu überlegen, die Diskussionen in einen eigenen Themanstrang zu überführen, weil ich durchaus noch Bilder habe und diese Grundsatzdiskussion in einem Galeriestrang nicht richtig aufgehoben ist.

    APH - am Puls der Zeit

  • Weiter geht es mit der Altmarktbebauung der 50-er Jahre
    Wir starten am Dr. Külz-Ring

    Blick zum Residenzschloss

    Wir nähern uns dem Altmarkt

    Ich finde die Details und die historischen Zitate schon sehr gelungen

    Westseite des Altmarkts

    Blick zum Rathaus

    APH - am Puls der Zeit

  • Blick in den Innenhof mit modernen Ergänzungen

    Wir erreichen den Altmarkt, der Striezelmarkt wurde gerade abgebaut, so dass es auf der einen Seite weihnachtliche Impressionen gibt, auf der anderen Seite waren Platzaufahmen dadurch natürlich schwierig


    Ich habe diese ganzen Details mal abgelichtet, um einfach zu zeigen, dass man durchaus einen erheblichen Aufwand betrieben hat, solche Details findet man heute schlicht nicht mehr.

    APH - am Puls der Zeit

  • Totalitäre Ideologien konnten mit der traditionellen, kleinteiligen, heimeligen, menschlichen Architektur immerschon nichts anfangen. Sie präferierten die weiträumigen, geordneten, monumentalen Stadträume, in denen der Mensch unbedeutend und ausgefliefert ist. Die Stadt ist hier steingewordene Manifestation des übermächtigen Staates, der übermächtigen Ideologie und der Mensch muss sich beugen.

    Diese Sätze könnte man aber auch auf Brasilia anwenden :biggrin: :

    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bras…tv1304_4713.jpg

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • Ostseite des Altmarkts

    Das wars vom Altmarkt und mit diesem Galerieteil und jetzt kommt das, worauf sich alle gefreut haben, die Kernaltstadt um den Neumarkt und das kulturhistorische Zentrum, wir starten später am Neumarkt und das bei strahlendem Sonnenschein :thumbup::thumbup:

    APH - am Puls der Zeit

  • Das ist ja erstaunlich, dass da an dem Bau Chinesen dargestellt wurden. Wohl um die kommunistische Brudernation zu würdigen?

    Diese Stalinbarock-Bauten sind echt gelungen und gehören, wie schon geschrieben, architektonisch zum Besten, was Deutschland nach dem 2. Weltkrieg hervorgebracht hat.

    Es ist wirklich grotesk, dass man sich im Sozialismus einerseits um eine totale Entwurzelung bemühte, den Neuen Menschen schaffen wollte, losgelöst vom "Balast" der Geschichte, andererseits sich zumindest in den frühen Bauten der DDR noch viel mehr Bezüge zur Vergangenheit erkennen lassen als bei westdeutschen Pendants dieser Zeit.

  • Völlige Zustimmung Stauffer, sehr gut zusammengefasst. Für das schnelle und günstige Bauen der direkten Nachkriegszeit habe ich noch Verständnis (siehe die von mir eingestellten Bilder der Borsbergstraße). Bei mutwilligem Abriss und dem völligem Umbau des gesamten Straßennetzes, da hört das Verständnis bei mir auf ... hier wurden viele deutsche Städte wirklich ein zweites Mal zerstört und hier wurden massive Eingriffe getätigt die die Lebenswirklichkeit, das Wohlbefinden und die Alltagskultur der Deutschen bis heute negativ belasten.

    Nachdem das Gröbste überstanden war, hätte spätestens in den 60ern oder 70ern dann aber ein großangelegtes Rekonstruktionsprogramm von Bund und Ländern gestartet werden müssen um die Städte wieder aufzubauen. Die Hilfe des Bundes wäre nötig gewesen, da die Städte auf sich allein gestellt mit dieser gigantischen Aufgabe finanziell überfordert gewesen wären. Die finanziellen Mittel dazu wären vorhanden gewesen, der Staat hätte auch günstige Kredite zu diesen Zwecken an private Investoren vergeben können. Stattdessen hat man die städtebaulichen Verluste in Deutschland schlichtweg verdrängt.

    Leider fehlt in der Politik und auch in der Bevölkerung ein Bewusstsein dafür, die Menschen haben sich auch schlicht an die Hässlichkeit gewöhnt, man kennt es halt nicht anders. Dies ist umso deprimierender, wenn man sich ins Gedächtnis ruft, dass Deutschland tatsächlich weltweit die höchste Dichte an schönen (großen) Städten hatte. Das Vorkriegsdresden und das Vorkriegsberlin konnten sich durchaus mit Paris messen!

    Deutschland geht es, wenn man den Nachrichten glauben schenkt, so gut wie nie zuvor, die Wirtschaft brummt und die Steuereinnahmen sprudeln nur so vor sich hin. Wann wenn nicht jetzt? Wenn es jetzt nicht geschieht, dann wird es nie geschehen; man sollte sich da keinen Illusionen hingeben. All das ist aber nur Symptom einer allgemeinen Krankheit. Deutschland scheint generell unter einer weitreichenden Kulturvergessenheit und Trägheit zu leiden, nicht nur in dieser Frage. Kein Politiker möchte sich aus dem Fenster lehnen. Ein nationales Wiederaufbauprogramm wäre ein so weitreichendes Projekt, da könnte man in Anbetracht der ganzen Bedenkenträger die dann ans Tageslicht kämen nur verlieren. Selbst für die gröbste Hässlichkeit und die menschenfeindlichste Umgebung würden sich doch dann Professoren und Studien finden, die das ganze in den höchsten Tönen loben.

    Einmal editiert, zuletzt von Dresdner (6. Januar 2018 um 23:50)

  • Ich denke, ein zentrales Dilemma ist der Verlust an Wertschätzung, der sich in Bezug auf die Architektur erkennen lässt. Ich habe mir gerade darüber Gedanken gemacht, wie dieser klassische Stil und der Fortschrittsanspruch des Sozialismus zusammenpassen konnte. An sich ist die Lösung ganz einfach: In der stalinistischen Zeit hatte Architektur noch Ausdruck, es war eine Art von Medium, mit dem Größe und Macht ausgedrückt werden sollte. Architektur sollte Gedanken, Ideen vermitteln, darin sollte Abstraktes Stein werden. Kurzum, Architektur war ein Mittel zur Repräsentation. Bis dies schließlich zu kostenaufwendig war und durch den Pragmatismus des Westens ersetzt wurde, womit die Moderne in der Architektur der Sovjetunion Einzug erhielt. Den Stalinisten war klar, dass beeindruckende Bauweise nur durch Rückgriff auf das Klassische möglich ist, so wie Hitler auch den Stil der Cäsaren imitierte. Die Antike, die Macht des römischen Reiches hat sich so sehr in das kollektive Bewusstsein der europäischen Völker eingeprägt, dass ihre Bauweise seit jeher sinnbildlich für die ultimative Macht steht.

    Im Westen jedoch wurde Architektur rein pragmatisch betrachtet, man brauchte eben Gebäude, es gab keinerlei Ideen, die ausgedrückt werden sollten. Damit wurde die Architektur, vorher eine Art von Kunst, dem Kapitalismus unterjocht, die Ästhetik musste sich dem Nutzen beugen. Es kam darauf an, Kosten zu sparen, größtmögliche Effizienz war die Devise.

    Einmal editiert, zuletzt von Suebicus (6. Januar 2018 um 15:56)

  • Völlige Zustimmung Stauffer, sehr gut zusammengefasst. Für das schnelle und günstige Bauen der direkten Nachkriegszeit habe ich noch Verständnis (siehe die von mir eingestellten Bilder der Borsbergstraße). Bei mutwilligem Abriss und dem völligem Umbau des gesamten Straßennetzes, da hört das Verständnis bei mir auf ... hier wurden viele deutsche Städte wirklich ein zweites Mal zerstört und hier wurden massive Eingriffe getätigt die die Lebenswirklichkeit, das Wohlbefinden und die Alltagskultur der Deutschen bis heute negativ belasten.

    Nachdem das Gröbste überstanden war, hätte spätestens in den 60ern oder 70ern dann aber ein großangelegtes Rekonstruktionsprogramm von Bund und Ländern gestartet werden müssen um die Städte wieder aufzubauen. Die Hilfe des Bundes wäre nötig gewesen, da die Städte auf sich allein gestellt mit dieser gigantischen Aufgabe finanziell überfordert gewesen wären. Die finanziellen Mittel dazu wären vorhanden gewesen, der Staat hätte auch günstige Kredite zu diesen Zwecken an private Investoren vergeben können. Stattdessen hat man die städtebaulichen Verluste in Deutschland schlichtweg verdrängt.

    Leider fehlt in der Politik und auch in der Bevölkerung ein Bewusstsein dafür, die Menschen haben sich auch schlicht an die Hässlichkeit gewöhnt, man kennt es halt nicht anders. Dies ist umso deprimierender, wenn man sich ins Gedächtnis ruft, dass Deutschland tatsächlich, wie Sie festgestellt haben, weltweit die höchste Dichte an schönen Städten hatte. Das Vorkriegsdresden und das Vorkriegsberlin konnten sich durchaus mit Paris messen!

    Deutschland geht es, wenn man den Nachrichten glauben schenkt, so gut wie nie zuvor, die Wirtschaft brummt und die Steuereinnahmen sprudeln nur so vor sich hin. Wann wenn nicht jetzt? Wenn es jetzt nicht geschieht, dann wird es nie geschehen; man sollte sich da keinen Illusionen hingeben. All das ist aber nur Symptom einer allgemeinen Krankheit. Deutschland scheint generell unter einer weitreichenden Kulturvergessenheit und Trägheit zu leiden, nicht nur in dieser Frage. Kein Politiker möchte sich aus dem Fenster lehnen. Ein nationales Wiederaufbauprogramm wäre ein so weitreichendes Projekt, da könnte man in Anbetracht der ganzen Bedenkenträger die dann ans Tageslicht kämen nur verlieren. Selbst für die gröbste Hässlichkeit und die menschenfeindlichste Umgebung würden sich doch dann Professoren und Studien finden, die das ganze in den höchsten Tönen loben.

    Ja aber gleichseitig muss man auch sagen dass wir reden hier sehr grob - wenn ich die Vorgänger Forum beitritt dann gab nicht die Frauenkirche, wiederaufbauplane von Potsdam oder die Neubebaung von Grundungsviertel in Lubeck.

    Uber Deutsche Altstadten werden es viel zu viel schwarz und weiss geredet.
    Schaut mal die liste von mittelalterliche Grosstadtens Deutschland und ihr wird sehen dass von diese steht immer noch ziemlich viel. Erfurt, Lubeck, Luneburg, Stralsund, Regensburg, Muhlhausen oder teilweiss auch in Augsburg, Soest, Trier, Rostock oder Ulm gibt es grossere Altstadte/Altstadtteilen Zerstorte mittelalterliche Grosstadten sind Koln, Bremen Nurnberg, Braunschweig, Munster, Magdeburg hat ihre Stadtbild verloren. Moderne grosstadten Stadten wie Hamburg oder Munchen hat grossenteil ihre mittelalterliche Erben verloren aber viel von ihre Grunderzeitliche Anlitz bewahrt. Also nicht so eine furchtbare Bilanz wenn man von diese Epoche redet.

    Die Zerstorungen trafen eher Stadten die in Neuzeit Grosstadten wurden - man sieht dass die Altstadten in Dresden und Leipzig relativ klein sind. Besonders schwer sind die Zerstorung im Stadten die heute uber 30000 Einwohner hat. Klar Hamburg/Munchen waren zu gross alles zu verlieren so wir haben halt viele Stadten uber 200000 bis 1000000 einwohner die sehr zerstort sind - wie Hannover, Bremen, Stuttgart, Koln und Nurnberg - gleichseitig gibt es auch viel Grosstadten die sich sehen lassen kann. Potsdam, Heidelberg, Erfurt, Regensburg, Wiesbaden, Lubeck sind ein paar beispiele.

    Also die Situation ist sehr heterogen in Deutschland

    Was macht hier die Eindruck - in kurze Zeit geht Neumarkt von Ruinenfeld zu eine hochwartige Stadtanlage. Die Altstadt selber in Dresden ist klein aber ziemlich intressant. Was Leuten vermissen ist doch die grunderzeitliche Umrahmung. Aber die Altstadt selbst kann mann heute wieder teilweiss erleben oder bald erleben.

    Einmal editiert, zuletzt von johan v2 (6. Januar 2018 um 16:42)

  • Das im 18. Jahrhundert entstandene und seitdem berühmte (aber nur sehr kleine!) Elbflorenz existiert jetzt wieder, was schon eine absolut einmalige Leistung heißen darf, denn wo in Europa hat man ähnliches geleistet (die warschauer Altstadt war schon immer nicht von immenser Bedeutung, und Danzig ist heute eher Kulisse statt Stadt)!? Nur hat es in der Tat seine Einbettung in einer klassisch-europäischen Großstadt der Belle Epoque fast völlig verloren. Und damit müssen wir uns leider abfinden, denn eine dichtbebaute und lebendige Gründerzeitgürtel kann man einfach nicht wiedererrichten.

    Wichtig wäre jetzt also vor allem eine Komplettreko des (im heutigen Zustand abgrundtief hässlichen) Neustädter Marktes, denn nur so kann man die rekonstruierte nördliche Altstadt mit den letzten erhaltenen Teilen des alten Dresdens in der Neustadt verbinden. Eine Altmarktreko ( @ursus carpaticus ) wäre dagegen nur kontraproduktiv: die dortigen Bestandsbauten sind zum Teil einfach zu wertvoll für die Abrissbirne, auch im Vergleich mit dem unmittelbaren Vorkriegszustand (bis auf das Alte Rathaus!). Nein, der Altmarkt gefällt mir so auch nicht so recht, aber ein Rückgriff auf Canaletto wäre nur Munition für Rekogegner in der Denkmalschutz und im Stadtplanungsamt.

  • Und damit müssen wir uns leider abfinden, denn eine dichtbebaute und lebendige Gründerzeitgürtel kann man einfach nicht wiedererrichten.

    Tja, vielleicht kein Gründerzeitviertel, aber eine Verdichtung und Blockrandbebauung wäre schon denkbar, wenn sie nach und nach erfolgt. Aber dazu bedürfte es eines "Masterplanes", der bisher für deutsche Städte noch nie vorgelegt wurde. Sowas hatten bisher nur die Polen beim Wiederaufbau ihrer Städte ausgefertigt. Bei uns ensteht nur Wildwuchs nach Bedarf und nach Investitionsbereitschaft.

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • Das im 18. Jahrhundert entstandene und seitdem berühmte (aber nur sehr kleine!) Elbflorenz existiert jetzt wieder, was schon eine absolut einmalige Leistung heißen darf, denn wo in Europa hat man ähnliches geleistet (die warschauer Altstadt war schon immer nicht von immenser Bedeutung, und Danzig ist heute eher Kulisse statt Stadt)!? Nur hat es in der Tat seine Einbettung in einer klassisch-europäischen Großstadt der Belle Epoque fast völlig verloren. Und damit müssen wir uns leider abfinden, denn eine dichtbebaute und lebendige Gründerzeitgürtel kann man einfach nicht wiedererrichten.

    Wichtig wäre jetzt also vor allem eine Komplettreko des (im heutigen Zustand abgrundtief hässlichen) Neustädter Marktes, denn nur so kann man die rekonstruierte nördliche Altstadt mit den letzten erhaltenen Teilen des alten Dresdens in der Neustadt verbinden. Eine Altmarktreko (@ Ursus) wäre dagegen nur kontraproduktiv: die dortigen Bestandsbauten sind zum Teil einfach zu wertvoll für die Abrissbirne, auch im Vergleich mit dem unmittelbaren Vorkriegszustand (bis auf das Alte Rathaus!). Nein, der Altmarkt gefällt mir so auch nicht so recht, aber ein Rückgriff auf Canaletto wäre nur Munition für Rekogegner in der Denkmalschutz und im Stadtplanungsamt.

    Ich stimme alles zu - die Neustadter Markt ist enorm wichtig - auf jedenfall langfristig.