Kempten (Allgäu) - Basilika St. Lorenz (Galerie)

  • Als ich letztes Jahr vom Oberallgäu her einen Tagesausflug nach Kempten unternahm, und mich mein Stadtrundgang erst einmal in den "Dom" führte, war ich über die farbenfrohe, vielmehr golden strahlende Erscheinung des Innenraums sehr überrascht und angetan. Ich kannte das Innere noch von 1990 in seiner damals weißgrauen, die Stukkierungen nicht betonenden patinierten, gealterten Fassung. Umso mehr war ich über das Ergebnis der letzten Restaurierung sehr erfreut.
    Das nehme ich zum Anlaß einen Strang zum Kemptner "Dom" anzulegen und Euch den schönen Innenraum zu präsentieren.
    Im Strang Kempten stelle ich zeitnah noch einen Stadtrundgang mit den Fotos von 2016 ein.
    Hier erst einmal die ehemalige Benediktinerkirche Sankt Lorenz. Wikipedia klärt uns über die korrekte Bezeichnung der Kirche auf, die ob ihrer würdigen Erscheinung über der Stadt schnell als Dom von mir tituliert wurde:
    "Die katholische Stadtpfarrkirche[1] und Basilika St. Lorenz ist eine ehemalige Benediktinerstiftskirche des aufgehobenen Fürststifts Kempten. Sie gehört heute zur Pfarrei St. Lorenz in Kempten (Allgäu) in der Diözese Augsburg. Die Kirche ist dem heiligen Laurentius von Rom geweiht, Nebenpatronate sind Mariä Himmelfahrt und die Schutzpatrone der Stadt Gordianus und Epimachus
    Noch während des Dreißigjährigen Krieges begann der damals 29-jährige Abt Roman Giel von Gielsberg die Vorbereitungen zum Kirchenbau. Die Kirche wurde einer der ersten großen Kirchenbauten nach dem Dreißigjährigen Krieg in Deutschland."
    https://de.wikipedia.org/wiki/Basilika_St._Lorenz"

    Einmal editiert, zuletzt von SchortschiBähr (26. November 2017 um 20:23)

  • Die Basilika St.Lorenz von Südwesten. Die Bebauung des Platzes im Rücken verhinderte mir aus dieser Perspektive mehr Abstand zu nehmen, also stürzen die Linien etwas!

    Weiter rechts fällt der Blick auf die ehemaligen Stiftsgebäude, deren Ecken im Stile eines Renaissanceschloßes mit Türmchen betont sind.

    Treten wir umgehend durch das Portal in die Kirche und staunen nicht schlecht über diesen zum einen monumentalen Raum des Frühbarock, der aber in den Details eine feine Gliederung zeigt, die mit den zarten Stukkierungen noch betont wird.
    3 Bilder gezoomt zum Hauptaltar hin:

    Zur barocken Baugeschichte bemühe ich die Wikipedia:
    "Die Grundsteinlegung der Stiftskirche St. Lorenz erfolgte am 13. April 1652. Als das Langhaus der Kirche stand, schied der Baumeister Michael Beer aus. Am 24. März 1654 wurde Johann Serro zu seinem Nachfolger bestimmt. 1659 entschloss sich Serro, das Langhaus um einen Meter und 70 Zentimeter zu erhöhen. Er veränderte die Form der Emporen; damit wurde der Druck der Mittelschiffwände auf die verbreiterten Seitenschiffe abgelenkt. Im Jahr 1660 wurde mit den Stuckierungen und Ausmalungen begonnen – dabei wird der Stuckator Johann Zucalli genannt. 1665 wurde die Dekoration im Chor vollendet. Von 1666 bis 1673 wurde noch an dem unvollendeten Turmpaar weitergearbeitet.[2]
    Im Jahr 1705 wurden die vier Rundkapellen an das Langhaus angebaut. 1745 bis 1748 wurden die ebenfalls an das Kirchenschiff angebundenen Flachkapellen ausgebaut und mit Altären ausgestattet, in der gleichen Zeit wurden die Seitenaltäre mit dem Chorgitter am Eingang zum Oktogon aufgestellt.[2] Am 12. Mai 1748 wurde die Kirche endgültig geweiht.[2]"
    https://de.wikipedia.org/wiki/Basilika_St._Lorenz

    Dazu wäre zu ergänzen, daß dieser Bau einen der ersten barocken Bauten in der italienischen Manier auf deutschen Boden darstellt!

    Nochmal das Langhaus in der Totalen

    Fotos sind eigene!

    Einmal editiert, zuletzt von SchortschiBähr (26. November 2017 um 20:25)

  • Im Folgenden möchte ich etwas die Details dieses feinen, im Dekor noch den Geist der italienischen Renaissance atmenden Raumes aufzeigen. Insbesondere in der Vierung unter der Kuppel schien es mir eher im Treppenhaus eines italienischen Palazzo oder Schloßes zu sein, als in einer Stiftskirche.
    Doch nähern wir uns diesem Raumteil erst langsam an.
    Blick in das südliche Seitenschiff

    Über den Seitenschiffen Emporennischen mit Befensterungen im italienischen Palladio-Motiv, was ua. mir diesen Eindruck eines feinen Hochrenaissancebauses vermittelte

    Der Blick ins Gewölbe läßt die klare Gliederung erkennen. Die Malereien beschränken sich auf ihre Rahmen. Noch kein bewegter Überschwang der das Gewölbe im spätbarocken Sinne nach oben in den Himmel "sprengt"

    Wagen wir also einen Blick gegen die Vierung und in Richtung Kuppel und ahnen schon den mehrdimensionalen Raum der sich hier auftut

    Und hier der Blick in die Kuppel hoch, goldweiß, ein heller heiterer Raum, trotz seiner rechtwinkligen Struktur, aber reizvoll mit Licht und Raumstaffelungen komponierend

    Unmittelbar vor der Vierung und der Kupppel zwei spiegelbildich angeordente Chororgeln für den Chorgesang der Mönche

    "Der Kuppelraum geschichtet in einem Emporenturm"

    Für den Gesamtzusammenhang nochmals der Blick in das Langhaus

    Oberteil des Hauptaltares, in monumentalem, hochbarocken Gepränge

    Blick zur Westseite und Orgelempore. Das Gehäuse neobarock, das Werk selbst in großen Teilen eine romantische Walkerorgel

    Fotos sind eigene!

    Einmal editiert, zuletzt von SchortschiBähr (26. November 2017 um 20:24)

  • Nun gibt es im Chorgestühl noch etwas sehr Kostbares zu entdecken. Steinschnittbilder mit Landschaftsmotiven, also Einlegearbeiten aus verschiedenen edlen Gesteinen, so könnte man meinen, auch in italienischer kunsthandwerklicher Tradition gefertigt. Aber bei genauerem Hinsehen fällt die ehemals bei der Anfertigung teigige Struktur der Oberflächen auf. Damit soll freilich Marmor in seinen verschiedenen Erscheinungen imitiert werden und es entpuppt sich das Material als Stuckmarmor!

    Ziehen wir die von Zeno gerade geschmähte wiki zu Rate, dann lesen wir folgendes dazu:
    "Das Chorgestühl steht auseinandergesetzt an den Chorwänden. Ursprünglich stand dieses Gestühl zwischen den Freipfeilern. Die Schnitzereien werden Johann Ludwig Ertinger zugeschrieben. Eine „Frau Stuckhatorin“ schuf ab 1672 die Scagliola-Tafeln als Intarsien. Sie gelten als Rarität mit „hohem künstlerischen Rang“. Die Abbildungen zeigen Architekturen und Landschaften, auf drei Platten sind das Stiftswappen sowie die Wappen der Fürstäbte Roman Giel von Gielsberg und Kardinal Bernhard Gustav von Baden-Durlach abgebildet.[4]"


    und weiter in einem anderen wiki-Artikel zur Scagliola-Technik:

    "Aufwendiger ist die Technik des Scagliola. Zur Herstellung wird Anhydrit mit Leimwasser (Glutinleime, z. B. Knochenleim oder Perlleim) versetzt, mit Pigmenten eingefärbt und durchgeknetet. Das Kneten kann längere Zeit erfolgen, da Anhydrit langsam abbindet und der Knochenleim das Abbinden zusätzlich verzögert. Die gefärbten Massen werden marmorartig ineinandergeknetet, verdreht und zum sogenannten Marmorbrot oder Marmorkuchen gepresst, die in etwa ein Zentimeter dicke Scheiben geschnitten und auf die Unterlage (in der Regel Mauerwerk) aufgetragen wird. Wenn der Anhydrit zu Gips ausgehärtet ist, wird er grob geschliffen, Fehlstellen ausgespachtelt und die Oberfläche mit immer feiner werdenden Schleifsteinen geschliffen. Anschließend erfolgt abermaliges Ausschlämmen mit etwas dünnflüssigem Gips mit Leimwasser. Nach abermaligem Feinstschliff wird mit einem Polierstein (z. B. Achat oder Hämatit) mechanisch unter Anwendung von geringem Druck verdichtend poliert.
    Stuckmarmor gab es schon in der Spätantike, jedoch fällt seine Blütezeit in den Barock. Die Herstellung von Stuckmarmor konnte teurer als echter Marmor werden. Dennoch bevorzugten manche Baumeister Stuckmarmor für ihre Projekte, da sich mit ihm Farb- und Musterspiele erzeugen lassen, die natürlicher Marmor nicht bietet (z. B. blauer Marmor mit ockergelben Äderungen). Zudem können beliebig große Marmorteile hergestellt werden.
    In Europa sind die ältesten Sacliogla-Platten aus der Zeit um 1600 überliefert. Zu einem Zentrum dieses Kunsthandwerks entwickelte sich München. Viele Objekte schmücken die Münchner Residenz und dort insbesondere die Reiche Kapelle, deren Vertäfelung (um 1632) von Blasius und Wilhelm Pistulator stammt. Herzog Maximilian I. beanspruchte das fürstliche Privileg über die Scaliogla-Technik. Die Marmoristen und Stuckateure durften ihr Wissen nicht unerlaubt weitergeben. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam Stuckmarmor aus der Mode."

    Also eine täuschend echte Einlegearbeit, doch in dieser "künstlichen" Form aufwendiger, als mit echtem Stein.
    Hier nun einige Kostproben!

    Zum Schluß noch zwei Außenansichten der Basilika

    Eigene Fotos