Orte, die erst nach dem 2. Weltkrieg zerstört wurden

  • Tübingen ist natürlich grandios. Die alte Bausubstanz ist in Württemberg grundsätzlich vorhanden, nur lässt der Umgang, den man hier seit dem 2. WK damit pflegt, teilweise zu wünschen übrig. Es muss einfach ein Umdenken stattfinden, weg von diesem "Fortschrittswahn", hin zu einer Wertschätzung des Alten. Württemberg hat ja zum Glück noch so viele hübsche Altstädte zu bieten und damit das Potential, wirklich zu einem architektonischen Musterland zu werden.

    Viel wäre schon getan, wenn wieder Fensterläden angebracht werden würden. Dann würden auch die als weniger ansehnlich geltenden Städte wie Aalen oder Reutlingen (die beide besser sind als ihr Ruf!), die ja grundsätzlich noch über eine - wenn auch teilweise verstümmelte - Altstadt verfügen, wieder um einiges schöner aussehen. Es ist erstaunlich, wieviel Fensterläden bewirken können. Dann muss man daran gehen, Stück für Stück die Betonklötze aus den Zentren zu entfernen und durch historisierende, wenigstens angepasste Architektur zu ersetzen.

    Mir fallen abgesehen von Friedrichshafen und Stuttgart, die jedoch durch ihre Lage und andere Reize punkten, keine komplett verloren gegangenen württembergischen Innenstädte ein. Selbst Orte wie Heidenheim an der Brenz weisen doch noch wenigstens einen gewissen "Altstadtcharakter" auf, der durch (vergleichsweise) geringfügige Eingriffe wieder zur Geltung kommen könnte.

    Die Sorgenkinder Württembergs wie Aalen oder Heidenheim sind keine hoffnungslosen Fälle, es gibt immerhin - im Gegensatz zu anderswo - ein Fundament, auf das man aufbauen kann, um wieder ein angenehmes Stadtbild zurückzuerlangen. Die Innenstädte wirken trist, weil sie aus verstümmelten Altbauten bestehen, die zwischendurch von Nachkriegsbeton unterbrochen werden. Immerhin gibt es aber noch Altbauten, deren Verstümmelung man rückgängig machen könnte. Den tristen Nachkriegsbeton, der hier im Gegensatz zu anderswo keineswegs die alleinige Innenstadtbebauung darstellt, sollte man nach und nach an den wichtigen Plätzen durch Angepasstes ersetzen. So könnte man Schritt für Schritt die Schönheit wieder zurückholen.

    An sich wäre das in Relation zu den in anderen Städten für ein ähnliches Resultat notwendigen Maßnahmen ein relativ geringer Aufwand. Aber wie schon geschrieben, die Durchsetzung solcher Aktionen setzt einen Wandel in den Köpfen voraus, die Mentalität in Bezug auf das bauliche Erbe muss sich ändern. Wäre dies erst einmal erreicht, könnte man das Potential ausschöpfen, das selbst den schlimmsten Stadtbildern Württembergs noch innewohnt. Wenn diese in altem Glanze erstrahlen, kann man dann gerne mit den Dörfern weitermachen. :D

    2 Mal editiert, zuletzt von Suebicus (5. Oktober 2017 um 22:05)

  • Ja, das stimmt natürlich. Aber es ist noch etwas zu retten. Es sind keine Städte, die im Zentrum zu 95 Prozent aus Flachdach-Beton-Nachkriegsmonstrositäten bestehen, sondern das Grundgefüge ist noch immer vorhanden. Würde man alleine den Zustand der Altbauten verbessern, würde es das Stadtbild schon extrem aufhellen.

    Ich glaube, dass irgendwann, vielleicht angesichts des vollendeten Dom-Römer-Projekts, nach und nach eine Renaissance des Altstadt-Gedankens eintreten wird. Zumindest setze ich meine Hoffnungen darauf.

  • Es ist ja richtig, Zeno, dass der Zustand vieler Altbauten gerade in Städten wie Aalen oder Reutlingen beklagenswert ist. Ich weiß auch nicht, was da noch passieren soll. Ich hoffe einfach auf ein Umdenken, bevor zu viele der Gebäude für immer verloren sind... Gerade die schon erwähnten tollen württembergischen Altstädte wie Herrenberg, Bad Urach, Tübingen, Kirchheim unter Teck, Schorndorf, Leonberg etc. sollten doch genug Anschauungsbeispiele für die positive Wirkung historischer Architektur bieten, um die Menschen von einer Pflege des baulichen Erbes zu überzeugen!

  • Das habe ich ja auch schon geschrieben, dass oft in der württembergischen Weltsicht nicht viel Platz für historische Architektur bleibt. Aber trotzdem geht es ja selbst hier auch anders, wie die genannten Positivbeispiele, die zahlreichen wunderschön hergerichteten Altstädte, zeigen.

    Einmal editiert, zuletzt von Suebicus (6. Oktober 2017 um 08:26)

  • Bei einer Autofahrt vorhin durch nahe bei Tübingen gelegene Ortschaften wurde mir wieder alles gestrig Geschriebene bestätigt. Da lässt sich meist einfach keinerlei Gespür für das historische Umfeld erkennen...

    Es hängt damit zusammen, dass man, wie ich schon einmal geschrieben habe, hier sehr auf den Zustand eines Hauses achtet und dies in der Wertschätzung über die immanente Ästhetik erhebt. Sprich: Ein Ortsbild ist dann schön, wenn es ordentlich ist. So wird dann eher der etwas in die Jahre gekommene Altbau zum Schandfleck des Dorfes erklärt als der obligatorische nachkriegszeitliche Bankenbunker. Hier manifestiert sich natürlich die Emsigkeit der Alt-Württemberger, für die eine "patina-behaftete" Fassade die Faulheit des Eigentümers offenbart. Da man Altbauten sowieso teilweise nicht auf den neusten Stand bringt, werden sie dann eben gleich abgerissen.

    Diese Tugenden des Fleißes und der Ordnung sind natürlich wichtig und begründen die enorme Wirtschaftsleistung Baden-Württembergs, aber sie sollten nicht Kreativität und Schönheitsempfinden verdrängen. Alles im richtigen Maß.

    Einmal editiert, zuletzt von Suebicus (6. Oktober 2017 um 16:22)

  • Meinem Eindruck nach werden diese alten Häuser als "hoffnungslose Fälle" betrachtet, weswegen man sie, vielleicht in dieser Hinsicht ähnlich wie die DDR verfahrend, einfach verfallen lässt, bis nichts mehr übrig bleibt als sie abzureißen und durch neue, "schöne", komfortablere, effizientere Bauten zu ersetzen.

  • Ich habe mir kürzlich den Archäologischen Stadtkataster Baden-Württemberg Band 31 Bopfingen zugelegt. Dort findet man einige Informationen zu abgegangen Gebäuden. Aber ich glaube, das mit dem Zweiten Weltkrieg und den Zerstörungen deswegen kann nicht so recht stimmen. Unzählige Gebäude wurden in Bopfingen laut dem Buch erst in den 60er/70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts abgerissen! Und zwar nicht wenige! Oft lies man dann in der Anmerkung zu dem abgegangen Objekt: "1971 abgebrochen" oder "wegen Baufälligkeit 1980 abgerissen". Erst im Jahr 2001 wurde beispielsweise ein Haus aus dem 16./17. Jahrhundert einfach abgebrochen, um einen Neubau hinzustellen. Im Krieg kann also gar nicht so viel kaputt gemacht worden sein - die meisten Gebäude aus reichsstädtischer Zeit gingen erst n a c h dem Krieg verloren.