Frankfurt a. M. - Kaiserdom St. Bartholomäus

  • Dann habe ich mich entschlossen, den Kaiserdom in Frankfurt etwas genauer zu dokumentieren, was nur teilweise geglückt ist, weil das Innere partiell wegen einer Hochzeit geschlossen war. Nach Möglichkeit werde ich die Fehlstellen bei Gelegenheit vervollständigen, trotzdem stelle ich mal das ein, was ich an Bildern habe, die weitere textliche Würdigung dieses geschichtsträchtigen Baus überlasse ich gerne den Mitforisten, die vermutlich hier wieder mehr Ahnung haben als ich selber, vielleicht nimmt es aber ja jemand zum Anlass, etwas zum Dom zu verfassen.

    Alt und Neu nebeneinander

    Leinwandhaus im direkten Domumfeld

    Es geht hinein

    Gewölbe

    Kirchenschiff

    APH - am Puls der Zeit

  • Heute wird oft vergessen, was für eine enorme Stellung Frankfurt in der deutschen Geschichte innehatte. Hier fanden die Kaiserwahlen und ab der Frühen Neuzeit auch die Krönungen statt. Damit war Frankfurt ab dem Spätmittelalter zumindest im zeremoniellen Sinne die wichtigste Stadt des Reiches.

    Im Jahre 936 ließ sich Otto I., der Große, in Aachen zum König des Ostfrankenreiches krönen, das sich in den folgenden Jahren zum Reich der Deutschen entwickelte. Hiermit nahm er natürlich bewusst Bezug auf das große Erbe Karls des Großen, an das er mit seiner Politik anknüpfte. Nach seiner Eroberung Italiens erhielt er bekanntlich in Rom im Peterskirche vom Papst die Kaiserkrone. Damit war eine Tradition etabliert, die über viele Generationen hinweg Bestand hatte. In Aachen wurde man zum König der Deutschen, wollte man die höchste Würde der Christenheit, so musste man nach Süden ziehen, wo man sie aus den Händen des Papstes empfing.

    Mit der Zeit setzte sich bekanntlich im Reich das Wahlkönigtum durch, es fiel den Herrschern immer schwerer, längerfristige Dynastien zu gründen. Vorallem nach dem Untergang des Staufergeschlechtes und dem großen Interregnum verkam das Imperium in dieser Hinsicht. Jene Entwicklung wurde mit der "Goldenen Bulle" 1356 festgeschrieben. Diese war von Karl IV., dem großen Gönner Prags, iniziiert und stellt soetwas wie die erste deutsche "Verfassung" dar, da in ihr die Königswahl geregelt wurde. Frankfurt wurde hierin zum Ort der Wahl bestimmt.

    Unter Maximilian von Habsburg, dem "letzten Ritter", änderte sich die bisherige Prozedur gewaltig: Nun galt ein deutscher König automatisch als "Erwählter Römischer Kaiser", ohne diese Würde noch extra vom Papst verliehen zu bekommen. Hiermit fiel die zuvor obligatorische Rom-Fahrt weg. Ferdinand I. war schließlich 1531 der letzte römisch-deutsche König, der in Aachen gekrönt wurde. Danach etablierte sich der Frankfurter Kaiserdom St. Bartholomäus als Krönungsstätte des Reiches.

    Wenn man bedenkt, dass der Frankfurter Dom einer der bedeutendsten Orte der deutschen Geschichte ist, so muss ich sagen, dass seine Erscheinung, zumindest im Inneren, dieser historischen Wucht nicht wirklich gerecht wird - im Gegensatz zu Aachen. Der Turm von St. Bartholomäus ist hingegen klasse.

    Danke für die Bilder!

    2 Mal editiert, zuletzt von Suebicus (23. September 2017 um 22:50)

  • Hier ist noch ein FAZ-Artikel zur renovierten Wahlkapelle:

    https://www.faz.net/aktuell/rhein-…m-16544959.html

    Erfreulicher Kommentar von Architekt Christoph Mäckler zu den Fenstern von 1993: "Die modernistische Glasmalerei muss weg, wenigstens hinter dem Altar."

    Nachtrag: Der nun leere Art déco-Bartholomäusschrein von 1929 wird wohl dauerhaft im Dommuseum im Kreuzgang bleiben? Dazu fand ich keine Informationen.

    Einmal editiert, zuletzt von Citoyen (26. Dezember 2019 um 12:47)

  • Erfreulicher Kommentar von Architekt Christoph Mäckler zu den Fenstern von 1993: "Die modernistische Glasmalerei muss weg, wenigstens hinter dem Altar."

    Das ist aber schon ziemlich frech. Das Werk eines angesehenen Künstlers einfach rausschmeißen wollen - mit der unsinnigen Begründung, dass es einer anderen Epoche angehört. Was möchte Herr Mäckler denn stattdessen haben? Klarglasfenster? Historische Farbfenster waren nicht erhalten. Mir ist kein Fall einer Rekonstruktion völlig verlorener mittelalterlicher Glasmalereien bekannt. Technisch dürfte das kaum möglich sein. Wenn Farbfenster gemacht werden, dann üblicherweise im Stil der eigenen Zeit. Im 19. Jahrhundert neugotische Fenster, im 20. Jahrhundert dann im modernen Stil, wobei es da figürliche, abstrakte und gemischte Gestaltungen gibt. Das Wort "modernistisch" ist in Bezug auf ein Werk der bildenden Kunst (außerhalb der Architektur) übrigens nicht üblich.

    Johannes Schreiter ist ein anerkannter Glaskünstler. Nach Fotos zu urteilen fügen sich die Glasmalereien sensibel in den Kapellenraum ein. Das Blau hat eine meditative Ausstrahlung. Vergleichbare Farbverglasungen habe ich in verschiedenen alten Kirchen gesehen und sie haben mir immer sehr gut gefallen. Ich finde es schön, dass die Glasmalerei in den letzten Jahrzehnten eine Renaissance erlebte. Vielfach liegt der Entscheidung, farbig gestaltete Fenster einzubauen, die Erkenntnis zugrunde, dass Klarglasfenster zu kalt wirken, zu grelles Licht hereinlassen und einem mittelalterlichen Kirchenbau nicht angemessen sind.

    Da Glasbilder mit dem Licht arbeiten, eignen sie sich in besonderem Maße zur Darstellung von Spiritualität. Die Wahlkapelle wurde durch die Restaurierung kaum verändert, und wenn Schreiter die Fenster für diesen Raum entworfen hat, dann sollte man keines davon entfernen, auch das hinter dem Altar nicht, denn der war 1993 auch schon da. Es ist normal, dass die Ausstattung alter Kirchen verschiedenen Kunstepochen entstammt.

    Es gab in den letzten Jahrzehnten immer mal wieder Umgestaltungen von Kirchenräumen, bei denen Kunstwerke, die noch nicht sehr alt waren, wieder entfernt wurden. Das sind immer schwierige Einzelfallentscheidungen. In Bezug auf den konkreten Raum der Wahlkapelle kann ich mir keine Fenstergestaltung vorstellen, die besser wäre als die jetzige. Sicherlich ließe sich die künstlerische Aufgabe auch anders lösen, aber besser?

  • Also ich schon. Klarglas. Oder Satiniert. Oder kleinteilig gemustert, oder Butzen, meinetwegen modern adaptiert.
    Auf jeden Fall dezent.
    Das blaue, moderne, und v.a. großflächige "Gemale" auf den Fenstern dominiert aus meiner Sicht den kompletten Raum und nimmt ihm viel von seiner historischen Gesamtwirkung.
    Geschmäcker sind offensichtlich verschieden...

  • Natürlich sind verschiedene Gestaltungen möglich. Ich mag generell Glasmalerei. Besonders stört mich Mäcklers Formulierung "modernistische Glasmalerei". Man betrachte mal den Hauptinhalt der jüngsten Restaurierung: Der Altartisch wurde von der Wand weggerückt, damit man ihn umschreiten kann. Der spätgotische Flügelaltar steht aber weiterhin vor der Wand, nun auf einem modernen Unterbau. Direkt unter den Altartafeln wurde die Bartholomäus-Reliquie angebracht, in einer modernen Gestaltung. Oder sollte ich zweimal sagen: "modernistischen"? Es wurden also bei der Restaurierung Elemente in den Raum gebracht, die nicht dem spätgotischen Stil der Kapelle entsprechen. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Flügelaltar. Könnte man auch kritisieren. Vorher passte der Unterbau besser zu dem alten Retabel. Für das Bistum waren liturgische und spirituelle Gründe für die Umgestaltung ausschlaggebend. Der Spiritualität dienen aber auch Farbfenster, wie Johannes Schreiter sie gestaltet hat. Eine weiße Verglasung bringt der Spiritualität gar nichts. Eine Ornamentverglasung im Stile des 19. Jahrhunderts wäre allenfalls ganz nett anzusehen. Für das Bistum steht die Inszenierung der Kapelle als sakraler Raum im Vordergrund. Daraus ergibt sich kein Motiv zur Entfernung der jetzigen Farbfenster.

  • Sehr geehrter Rastrelli,

    ich würde nicht jeden modernen Eingriff in den historischen Bestand verteufeln und vor allem das eine und das andere in keinster Weise gleich setzen.


    Ich unterscheide v.a., wie sich

    - modernISTISCHE Änderungen / Ergänzungen im Gesamtbild in den Vordergrund drängen (Fenster) oder

    - moderne NOTWENDIGE Anpassungen dezent im Hintergrund bleiben (Abhebung der Mensa vom Retabel wegen Änderungen der Liturgie entspr. II Vatikanischem Konzil von 1963 - wenn ich mich nicht irre) Mäckler wird also einerseits der Erneuerung in der Liturgie gerecht und behält trotzdem das Retabel dort, wo es seit einem halben Jahrtausend hingehört.

    Ein dezenter Kompromiss, der moderne Erfordernisse und Gewachsenes vereint.

    Ganz unabhängig davon, dass der Glaskünstler bedeutend und qualitativ in der obersten Liga spielt. Er erzeugt mit seinem Werk an dieser Stelle Brüche, die ich persönlich für unangemessen halte. Seine Kunstwerke sind Zutat zu einem historischen Raum. Doch sie dominieren und übertönen den gesamten historischen Bestand und marginalisieren ihn (in meiner Wahrnehmung.).

    Die blauen Fenster können noch so schön sein und in einer Betonkirche der 60-er sind die bestimmt Klasse. An dieser Stelle zerstören sie ohne Not einen historischen Gesamteindruck in ihrer Aufdringlichkeit. Aber das ist jetzt nur meine persönliche Meinung. Du magst das anders empfinden.

  • Rastrelli: Du verkennst, daß nachgotische Gestaltungen im gotischen Stil nicht nur auf das 19. Jh. beschränkt waren. Im Falle der Glasmalerei stimmt es zwar, dies liegt aber auch daran, daß man erst im späten 19. Jh. wieder die technischen Fertigkeiten der mittelalterlichen Meister erreicht hat. Zwei Beispiele für Neuschöpfungen des Freiburger Künstlers Fritz Geiges (1853–1935):

    Neuromanisches Christusfenster in der Pfarrkirche St. Arbogast in Haslach im Kinzigtal (1896)

    Himmelsbachfenster im Freiburger Münster (1924)

    Letzteres weist natürlich starke Jugendstilzüge auf, was Deine These von der Zeitgebundenheit scheinbar stützt. Der grundsätzliche Unterschied zwischen einem figürlichen und einem abstrakten Fenster besteht aber darin, daß jenes auf den ersten Blick auf eine höhere Idee verweist, dieses nicht. Deshalb halte ich den bewußt abwertenden Begriff: "modernistisch" für angebracht.

    Hier wirkten die Fenster mit Sicherheit erhebend, hier sind sie einfach nur langweilig.

    Daß Prof. Mäckler bei seiner eigenen Arbeit hinter den selbst formulierten Ansprüchen zurückbleibt, ist leider nicht zum erste Mal so. Das Grundproblem bei der Neugestaltung liegt aber bei den kirchlichen Bauämtern, die der Meinung sind, auch die kleinste Kapelle nach den vermeintlichen Vorgaben des II. Vatikanischen Konzils umbauen zu müssen. Aber das ist ein anderes Thema.

  • Also ich finde die Fenster wunderschön und sie täten jedes Gemeindezentrum schmücken, aber dort?

    Dort kommen die Fenster nicht zur Wirkung und die ganze Kapelle wirkt wie eine Abstellkammer einer protestantische Kirche die für Treffen der AA benutzt wird.

    Die einzige Neugestaltung einer Kirche in Deutschland die mir gefällt ist St. Moritz in Augsburg von John Pawson mit ihrem „Christus Salvator“ als zentralen Mittelpunkt.

  • (Abhebung der Mensa vom Retabel wegen Änderungen der Liturgie entspr. II Vatikanischem Konzil von 1963 - wenn ich mich nicht irre)

    Du irrst. Das Zweite Vatikanische Konzil hat sich mit keinem Wort zur Umschreitbarkeit der Altäre geäußert. Erst die Liturgiereform, die dem Konzil folgte und in vielen Dingen - auch in dieser Angelegenheit - eigenmächtig weit über das vom Konzil geforderte hinausging, hat die Bedingung der Umschreitbarkeit erfunden. In der dritten und neuesten "Editio typica" des Messbuchs ist die Bedingung allerdings bereits adaptiert worden zu "überall da, wo es sinnvoll ist" .

    Die Zelebration versus populum, das heisst mit dem Priester hinter statt vor dem Altar stehend, war eine liturgische Mode, die in den 1930er Jahren in Deutschland und Österreich aufkam. Liturgiewissenschaftler glaubten entdeckt zu haben, dass in der frühen Kirche die Altäre grundsätzlich im Raum standen und der Priester dahinter stand, und glaubten in Folge, zu einer ursprünglichen Form der Liturgie zurückzukehren. In der Fortschrittsbegeisterung der 1960er Jahre wurde diese neueste Erkenntnis sofort in die Liturgiereform implementiert. Inzwischen ist die Liturgiewissenschaft, ebenso wie die christliche Archäologie, weiter und weiss, dass die Liturgiker der 1930er Jahre sich geirrt haben. Das hindert aber die Zuständigen nicht daran, historische Altarsituationen zu modernisieren, immer mit dem Hinweis auf die "Forderungen des Zweiten Vatikanischen Konzils" , die es aber - siehe oben - nicht gegeben hat.

    Also tröste dich. Du irrst, aber du bist nicht alleine damit.

  • Eine kleine, aber feine Meldung: Am Nordportal des Frankfurter Doms wurde der Kopf des heiligen Bartholomäus rekonstruiert, welcher seit 2007 fehlte. Gerade so kleine Rekos sind immer wichtig und für die Gesamtwirkung nicht zu unterschätzen. :applaus:


    Zitat

    Die neugotische Skulptur des St. Bartholomäus wurde 1884 angefertigt und befindet sich ganz links am Nordportal, das ursprünglich aus der Zeit um 1350 stammt. Seit 2007 fehlte der Kopf der Figur. Vermutlich ist er abgestürzt; er wurde nie gefunden. Das Nordportal führt am nördlichen Ende des Querhauses zum Domplatz und ist das prächtigste Portal der Kirche. Im Zuge der Dach- und Fassadensanierung des Doms war es lange eingerüstet und ist erst seit kurzem wieder sichtbar. Die Rekonstruktion des Kopfes der Skulptur erfolgte in mehreren Arbeitsschritten. Zunächst wurde er in Anlehnung an Fotomaterial und die Originalfiguren in Ton modelliert. Anschließend fertigte der Steinmetzbetrieb Rycek aus Würzburg eine Kopie aus Weiberner Tuff, dem ursprünglich verwendeten Material.

    Figur am Nordportal des Frankfurter Doms ist wieder vollständig

    In der Altstadt die Macht, im Kneiphof die Pracht, im Löbenicht der Acker, auf dem Sackheim der Racker.

    Hätt' ich Venedigs Macht und Augsburgs Pracht, Nürnberger Witz und Straßburger G'schütz und Ulmer Geld, so wär ich der Reichste in der Welt.

  • Snork 26. Oktober 2023 um 17:30

    Hat den Titel des Themas von „Frankfurt a.M. - Kaiserdom St. Bartholomäus“ zu „Frankfurt a. M. - Kaiserdom St. Bartholomäus“ geändert.