Texte zum Thema Städtebau

  • Hier ein Auszug aus einer Publikation von Prof. Christoph Mäckler (Architekt der Neuen Marktgalerie in [lexicon='Leipzig'][/lexicon]), Ordentlicher Professor an der Universität Dortmund:


    "Heimat - Ort der Identität"

    "....
    In einer Zeit, in der wir jährlich 60 Mio. Tonnen Bauschutt produzieren und in der der Bauherr als verantwortlich handelnder Hausbesitzer eher zur Ausnahme geworden ist,
    in einer Zeit, in der unsere Städte noch immer an den Zerstörungen des Krieges, und schlimmer noch, an den Folgen des sogenannten "Wiederaufbaus", der nur scheinbar ein Wiederaufbau war, leiden,
    in einer Zeit, in der die Architektur mehr und mehr von anonymen Großbüros bestimmt wird, deren Qualität sich ausschließlich über die Qualität des angestellten Mitarbeiters bestimmt,
    in einer Zeit, in der dem Gestaltungsbedürfnis des freien Architekten darüber hinaus keine Grenzen gesetzt sind, in einer solchen Zeit muss der staatlichen Denkmalpflege eine andere Rolle zukommen, eine Rolle, die den baukulturellen Gesamtzusammenhang eines Ortes höher bewertet als den Einzelbau als Zeitdokument.
    Und es ist mir dabei bewusst, dass es sich bei der Erfüllung dieser neuen Aufgabe nur um ein Korrektiv handeln kann, ein Korrektiv für eine Übergangszeit, in der wir Architekten uns einer ortsgebundeneren Architektur zuwenden müssen,
    einer Architektur, die sich mehr dem städtischen Ensemble denn der Selbstdarstellung widmet,
    einer Architektur, die sich von scheinbar avantgardistischen Strömungen befreit und sich die Baugeschichte als Grundlage ihrer Ausformung zu eigen macht, ohne sich stilistisch anzubiedern.
    Es ist wichtig, zu erkennen, dass der Moderne eine gesellschaftspolitische Dimension innewohnt, die eine stilistische Übernahme vergangener Bauepochen grundsätzlich ausschließt. Auszuschließen aber sind nicht jene Bauelemente und Konstruktionen, die die Moderne als unzeitgemäß und damit unzulässig verwarf. Sie zu erforschen und in unsere Zeit der Nachmoderne zu übersetzen, empfinden wir als eine große Herausforderung.
    Und so beschäftigen wir uns seit einigen Jahren mit der Konstruktion unterschiedlicher Dachformen, mit Dachgauben, Fenstergewänden, Fensterläden und der Ausbildung von Erkern. Wir versuchen uns in der Anlage des Vollmauerwerkes mit der Erfahrung, dass komplizierte Fensteranschlüsse, Hinterlüftungen, Abfangen von Vormauerschalen das aufwändige Unsichtbarmachen von Dehnfugen entfallen können, wir erforschen die Anmutung des steinmetztechnisch bearbeiteten Natursteins und die Wirkung verschiedener Steinformate und der unterschiedlichen Verbände des Ziegelmauerwerkes, tauschen den Balkon gegen die Loggia, die Aufständerung des Bauwerkes gegen den Arkadenraum und ersetzen den Dreh-/ Kippbeschlag durch den Lüftungsflügel und vieles mehr.
    All dies gibt uns die Möglichkeit, differenzierter auf den jeweiligen Ort, an dem neue Architektur entsteht, einzugehen und in Selbstverständlichkeit zu reagieren.
    Von großer Wichtigkeit für die Tradition eines Ortes scheint uns auch die Wahl der Materialien und deren perfekte Verarbeitung in selbstverständliche Formen zu sein.
    Erst sie garantieren Beständigkeit über Generationen und damit eine örtliche Tradition, die öffentlich wahrgenommen werden kann. Viele unserer europäischen Plätze haben sich in ihrem Äußeren seit Generationen kaum geändert. Ihr Äußeres hat Tradition, der Ort hat Tradition und er hat eine eigene Identität, ein Wiedererkennungswert, der für das Wohlbefinden des Menschen von unmessbarem Wert ist.
    Man kann den Ort der örtlichen Tradition am besten am eigenen Wohnzimmer ablesen. Um sich wohl zu fühlen, um sich zu Hause zu fühlen, spielt die Beständigkeit der Anordnung des Mobiliars, die Beständigkeit seiner Farbe, seiner Form und seiner Materialität eine unbedingte Rolle. Kein Mensch ändert ununterbrochen das Aussehen seines Zuhauses, ohne dass dies eine Auswirkung auf sein persönliches Wohlbefinden hätte. Lässt sich diese örtliche Tradition über das Wohnzimmer hinaus auf das Haus, in dem sich das Wohnzimmer befindet, auf die Straße, den Platz oder gar den Ort hin ausdehnen, steigt das persönliche Wohlbefinden des Stadtbewohners um ein Vielfaches.
    Doch während wir auf die Beständigkeit unseres persönlichen Zuhauses selbstverständlich Einfluss nehmen, scheinen uns die politischen Werkzeuge für die Einflussnahme auf die Beständigkeit der örtlichen Tradition, der Straße, des Platzes oder gar eines gesamten Ortes zu fehlen.
    Sie sind uns abhanden gekommen, weil uns das Bewusstsein für den Wert der Beständigkeit des Ortes, für den Wert von Hegels Hausflur abhanden gekommen ist.
    Obwohl man ohne Mühe die Regeln für den Erhalt und die Alterungsfähigkeit von Bauwerken aufzuzählen vermag, scheint die Gesellschaft über diese Gesetzmäßigkeiten wenig informiert zu sein. Wie sonst ließen sich die vielen architektonischen Fehlgriffe in unseren Städten und der Abriss von nicht einmal 40 Jahre alten Gebäuden erklären?
    Während wir dem funktionalen Städtebau unsere ganze Aufmerksamkeit widmen, bleiben die Wahl und die Verarbeitung des Materials eines Bauwerkes und dessen architektonisches Erscheinungsbild völlig unberücksichtigt und dies obwohl ein jedes Haus im Zusammenspiel mit den Nachbarhäusern das städtebauliche Gesamtbild einer Straße oder eines Platzes prägt. Wir beachten die Höhe eines Hauses, ob eine Fassade aber aus Sandstein, rotem Ziegel, Putz oder aus Spiegelglas errichtet ist, entzieht sich dem öffentlichen Interesse.
    Man überlässt es vielmehr dem Architekten, seine Vorstellungen frei zu realisieren und überlässt die städtebauliche Qualität und die Chance, eine örtliche Tradition zu stärken, damit dem Zufall.
    Und eben hier kommt der Denkmalpflege eine besondere Rolle zu, denn zumindest an Orten von historischer Bedeutung sollten wir über Gestaltungssatzungen auf die Integration von Neubauten in das Ensemble einwirken. Nicht der architektonische Alleingang des Einzelhauses, sondern die architektonische Gestalt, die sich dem Wohle des Gesamtbauwerkes, des Platzes oder der Straße einfügt, schafft eine erkennbare Identität. Die Addition der sich einer Gestaltungssatzung unterordnenden Bauwerke gibt der Gesamtgestaltung dieser Plätze eine gestalterische Kraft, die weit über die Gestaltungsmöglichkeiten des Einzelbauwerkes hinausgehen.
    Das Einzelbauwerk profitiert damit also vom Gesamterscheinungsbild des Platzes.
    Und die Geschichte, die die Tradition dieses Platzes bis heute bestimmte, bildet die Grundlage der aufzustellenden Gestaltungskriterien.
    Die Gesaltungssatzung ist ein politisches Instrument, das die bisherigen Baugesetze ergänzt und erweitert und Stadtparlamente in die Lage versetzt, fachlich fundierte Entscheidungen im Bereich des Städtebaus zu treffen.
    In einer Zeit, in der die Tradition der Platzgestaltung, wie wir sie seit Jahrhunderten in Europa kennen, in Vergessenheit zu geraten droht, liegt es im Interesse des Gemeinwohls, die Idee der übergreifend einheitlichen Gestaltung in einer Stadt wieder aufzugreifen und die vorhandenen historischen Strukturen vor einer weiteren Zerstörung zu schützen.
    Die Gestaltungssatzung ist zunächst also ein Schutz der Interessen des Gemeinwesens Stadt und ein Instrument, das europäische Städte in ihrer Geschichte bis ins 19. Jahrhundert angewandt haben. Im Baustatut der Stadt [lexicon='Frankfurt am Main'][/lexicon] aus dem Jahre 1809 ist zu lesen, ich zitiere:
    "dass jemand, der aus Liebe zum Sonderbaren oder aus Eigensinn seinem Gebäude eine solche Fassade geben wollte, durch welche ein offenbarer Missstand entstehen und die gemeine Straße verunziert werden würde, zu der Ausführung die Erlaubnis versagt werden soll".
    Gestaltungssatzungen sind ein Regulativ, wie wir es aus anderen Lebensbereichen unserer demokratischen Gesellschaft kennen und gesetzlich verankert haben. Architekten, die sich einer Gestaltungssatzung wortreich verwehren, müssen sich die Frage stellen lassen, welchen Wert sie dem Gemeinwohl in unserer Gesellschaft zuordnen. Eine Architekturausbildung, die Architekten hervorbringt, die nur mit "ihrem Beton", "ihrem Klinker" oder "ihrer Glashaut" umzugehen verstehen, sollte man von Bauaufgaben innerhalb städtischer Ensembles fernhalten.
    Allerdings dürfen wir nicht verkennen, dass unsere eigene Ausbildung und die unserer Studenten fast ausschließlich dem Entwurf gewidmet war und ist, und es wird einige Zeit benötigen, bis wir die Tragweite dieser verfehlten Ausbildung erkannt und geändert haben werden. Ändern aber werden wir sie nur, wenn die Gesellschaft ihren bereits unüberhörbaren Unmut dazu nutzt, auf die Politik unseres Landes einzuwirken.
    Sind wir wirklich Nostalgiker, die wir unsere Zukunft mit Vergangenem verbinden wollen, um unsere eigene Kultur damit in selbstverständlicher Kontinuität fortschreiben zu können? Ich glaube nicht, aber wir könnten als Architekten zu nostalgischem Gehabe gezwungen werden, wenn wir die Unzufriedenheit in unserer Gesellschaft weiter ignorieren."

    Quelle und gesamter Text:http://www.bauwesen.uni-dortmund.de/lehrst/b1/est/fs_c_02.html

    In dubio pro reko

  • Danke, Dirk!

    Wie man sieht, müssen verschüttete Selbstverständlichkeiten von Grund auf neu gelehrt werden. :lehrer:

  • @dirk

    vielen dank auch für diesen interessanten artikel -
    immer wieder sehr gute beiträge und artikel, die einen bestätigen und auch zum nachdenken anregen.

  • Neue Stadtbaukunst

    Zitat

    Um aber zu lernen, wie das (die Stadtplanung) zu machen ist, müssen wir in das Altertum und das Mittelalter zurücktauchen, nicht um darin wieder zu versinken, sondern um die Perlen der Vergangenheit an das Tageslicht zu fördern zum Schmucke der Jetztzeit.
    Eine neue Stadt nach meinem Sinn wird nicht aussehen wie eine mittelalterliche Stadt, denn ich will nicht verzichten auf Eisenbahnen und Pferdebahnen, auf Gaslicht und elektrische Beleuchtung, auf Wasserleitung und Kanalisation...ich will auch mehr Platz - namentlich auf den Trottoirs- haben, vor allen Dingen mehr Licht und Luft.

    Aber in meiner Stadt soll sich wieder Bild an Bild reihen, geeignet, um vom Maler gemalt und vom Dichter besungen zu werden.

    Karl Henrici Professor für Städtebau TH Aachen 1877 - 1919 - Beiträge zur praktischen Ästhetik im Städtebau, München 1902

    Neue Stadtbaukunst

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • 1902 mag das noch Mainstream gewesen sein, heute leider nicht mehr... Interessant ist aber die Verteidigungshaltung, die Heinrici in diesem Textabschnitt einnimmt. Kritiker, die das Rad neu erfinden wollten, die die angeblich den Anforderungen der Zeit unter keinen Umständen mehr gerecht werdende mittelalterliche Stadt belächelten und die noch viel mehr Abrisse einforderten, als es sie eh schon damals gab, fanden sich nicht zu wenige.

    "Meistens belehrt uns der Verlust über den Wert der Dinge."
    Arthur Schopenhauer

  • Zitat

    ...Der ganze Wohnblock-Schornstein-Altstadtabriss-Industrieansiedlungs-Irrsinn, der heute sofort ganze Westviertel auf die Barrikaden brächte, war damals jedoch die unwidersprochene und allgemeine Überzeugung aller Parteien. Als guter Bürger, der auf den Datschi wartet, blättert man sich fassunslos durch die Seiten und Texte. Schandfleck reiht sich an Schandfleck, eine ökonomisch-technische Gigantomanie nach der anderen wird da als Heilserwartung ausgegeben, kein Gedanke wird an die Umwelt verschwendet, im Schlachthof drängeln sich die Schweine, und was neu ist, hat aus Beton zu sein. Es ist eine Zukunft, die irgendwann ausgelaufen ist und dann doch nicht mehr passierte, weil man umdachte, dazulernte und anders eingestellt ist.

    ...

    Zitat

    Die Krankheit unserer heutigen Städte und Siedlungen ist das traurige Resultat unseres Versagens, menschliche Grundbedürfnisse über wirtschaftliche und industrielle Forderungen zu stellen.

    Walter Gropius, Totale Architektur

    F.A.Z.-Community

  • Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) hat sich 26.04.2017 mit dem Thema Städtebau beschäftigt und ich finde das dieser Artikel sehr interessant und auch gelungen ist.

    "Der Hamburger Investor Georg Winter weiß das aus eigener Erfahrung: Der 72-Jährige errichtete ein neues Stadthaus im Altbauviertel Eimsbüttel. Der Neubau (im Passivhausstandard) ähnelt beinahe bis aufs Gesims den umliegenden Gründerzeitbauten. Dabei haben die Baukosten laut Winter bei nur 3000 Euro je Quadratmeter gelegen, also 10 Prozent über dem üblichen Passivhaus-Schnitt."

    http://www.faz.net/aktuell/wirtsc…4983318-p2.html

  • Wollt ihr mal wieder was zum Lachen (oder auch Weinen) lesen?

    Dann gebt euch das hier:

    Architektur: Betonharte Realität

    Das Schmankerl des Artikels ist folgendes Zitat: "Auch das Farbkonzept preist er (der Architekt) an: "Es ist der Versuch, der Neuen Mitte eine Identität zu geben mit warmen bayerischen Farben, die positive Energie ausstrahlen." So habe man zusammen mit einem Künstler das Gelb der Theatinerkirche ausgewählt."

    Sowas kann keine Satire vollbringen, nichtmal von Gerhard Polt.

    Bemitleidenswert sind all die Menschen, die mit dieser "Neuen Mitte" leben müssen. Das ist Deutschlands Städtebau im Jahr 2017. Man will flüchten.

    In dubio pro reko

  • Ja, der Stimmann, hätten sie den bloß behalten. Der hat dafür gesorgt, daß 90ff. viele kleinteilige Häuser entstanden, und eben nicht Blöcke. Darüber bin ich nach wie vor sehr froh, die Stadt wäre sonst schon 90-00 verödet.
    Mit der Aussage "parzellieren und viele Verträge abschließen ist aufwendiger" trifft er wohl einen Knackpunkt: Tonnenideologie ist halt was für Faule.

  • Lesenswertes Interview mit dem niederländischen Stadtentwickler Martin Aarts, der Rotterdam erträglicher gemacht hat und nun eine Weile in Berlin wohnt, über die seiner Meinung nach nötigen notwendigen Schwenks in der Berliner Stadtentwicklung: https://www.tagesspiegel.de/berlin/stadten…947304-all.html

    Zitate:

    - "Mein Motto ist: Jede Stadt muss ihre Innenstadt sexy und attraktiv
    machen. Sie ist die Visitenkarte einer Metropole, einer ganzen Region.
    Auch Berlins Innenstadt prägt das weltweite Bild der Stadt, nicht
    Grunewald oder Reinickendorf."(...)
    - "Eine lebenswerte Stadt muss sich immer wieder den Bedürfnissen der Menschen anpassen, nicht umgekehrt. Das ist nicht zuletzt eine ökonomische Notwendigkeit. Wenn die Wirtschaft sich ändert, muss sich auch die Stadt ändern. Die Menschen arbeiten heute nicht mehr von neun bis fünf, sondern den ganzen Tag und überall. Gerade Hochgebildete, die unternehmerisch tätig sind, brauchen die Stadt als Kommunikations- und Vernetzungsplattform, sie ist quasi ihr Büro und ihre Wohnung gleichzeitig. Die Zukunft einer Stadt hängt davon ab, wie gut sie sich auf solche Veränderungen einstellt. Wenn eine Stadt nichts für ihre Bewohner tut, werden sie aus der City abwandern oder verdrängt. Diese gefährliche Tendenz gibt es derzeit leider überall auf der Welt. Auch Berlin wird gerade für Familien immer weniger attraktiv."(...)
    - "In Rotterdam wurde immer gesagt, dass noch Platz für höchstens 2000 Häuser in der Innenstadt sei. Ich konnte aber anhand von Studien nachweisen, dass sogar Platz für 20.000 Häuser und 30.000 Menschen war. Ich vermute aufgrund meiner Beobachtungen, dass in Berlin viel mehr möglich ist, als es auf den ersten Blick erscheint. Allein innerhalb des S-Bahn-Rings ist noch viel Platz."(...)
    - "Nach meiner Erfahrung wollen die meisten Großstädter dieselben Dinge: sicher, grün und gesund leben. Sie wünschen sich bezahlbaren Wohnraum, Straßen mit Bäumen, Spielraum und Grünanlagen, gute Schulen, schnell erreichbare Infrastruktur, Kultur, gesunde Luft. Es geht nicht nur um Auto oder Fahrrad, es geht um Lebensqualität."
    (...)

    - "Wie erkennt man, dass eine Innenstadt ihre Identität durch Tourismus verliert?"

    - "Man sieht es nicht auf den ersten Blick. Das geht ganz langsam, wie bei einem Frosch, dem man das Wasser heiß dreht. Erst gibt es nur ein paar Ferienwohnungen, in denen ein paar Amerikaner und Holländer wohnen, am Ende wohnt kaum noch ein Berliner dort. Ein sichtbares Zeichen ist es, wenn die Supermärkte verschwinden. Das sind Stützpfeiler des urbanen Lebens, sie sagen: Hier wohnen Menschen."
    (...)
    - "Je attraktiver eine Stadt ist, desto gefährdeter ist sie. Das kann
    man nicht nur in Venedig und Barcelona sehen. Die Geschäfte sind alle
    gleich, überall kann man Donuts und schlechten Cappuccino kaufen.
    Schrecklich. Auch in Amsterdam verschwinden immer mehr Läden für
    Einheimische und es gibt immer mehr Starbucks-Filialen für Touristen.
    Deswegen geht man dort nun deutlich rigoroser gegen Ferienappartements
    vor. Man darf künftig nur noch an 30 Tagen pro Jahr untervermieten, die
    Prüfer gehen direkt in die Häuser. Davon kann auch Berlin lernen. Auch
    bei der Problematik Onlinehandel könnte man sich sicher besser
    untereinander austauschen."

    - "Was soll denn daran bedrohlich für eine Stadt sein?"

    - "Der steigende Lieferverkehr nimmt wertvollen Stadtraum ein und verschlechtert die Luft.(...)"

  • Bauhaus links? Uninteressant, auch wenn man uns das spätestens im kommenden Jahr ständig um die Ohren hauen wird. Viel wichtiger ist der Umstand, dass diese fatale Lehre bis heute als zutiefst human verklärt wird. Obwohl jeder mit Verstand begreifen müsste, dass damit die Büchse der Pandora geöffnet wurde und wir unter den Folgen bis heute leiden müssen, oft ohne uns dessen überhaupt bewusst zu sein. Viele beklagen die Einförmigkeit der Gegenwartsarchitektur und schwärmen gleichzeitig fürs Bauhaus, ohne die Kausalität zu erkennen.

    In dubio pro reko

  • Exakt.
    Der Text ist an sich in seiner differenzierten Sichtweise gut. Auch weil er die unterschiedlichen Facetten der Bauhaus-Mitarbeiter beleuchtet. Allerdings ist er etwas zu einseitig darin, das Bauhaus als eine insgesamt positive Institution zu interpretieren. Wohingegen die totalitären Systeme der Vergangenheit als Mühlsteine dargestellt werden, unter die das Bauhaus geriet. (Zitat: "Das Bauhaus ist ein Beispiel für Kultur, die das Gute will, aber angesichts verschiedener Formen des Totalitarismus unter die Räder kommt.") Das könnte man ebenso für viele Vertreter dieser Totalitarismen sagen. Sie wollten sicherlich auch etwas Gutes, sonst wäre ihr Idealismus nicht erklärbar. Aber sie taten dann aufgrund ihrer Verblendung etwas Schlechtes.
    Abgesehen davon gefallen mir sowohl Heimatschutzstil als auch Neoklassizismus nun einmal besser als das Bauhaus. Da kann man noch so sehr das Gute wollen. Wenn etwas hässliches dabei herauskommt, dann ist es nur gut gemeint gewesen.

  • Auch wenn der Autor schlüssig darlegt, dass das Bauhaus nicht zu politischer Vereinnahmung taugt, gibt es zumindest Parallelen. So verhält es sich mit dieser Lehre genauso wie mit linker Ideologie: Im Grunde immer von Humanität bestimmt, nur eben öfter mal missverstanden und schlecht umgesetzt. Diese Verklärung hält sich beständig, und man kommt damit nach wie vor durch in der Gesellschaft, obwohl die Vergangenheit anderes lehrt.

    Im nächsten Jahr haben wir jedenfalls Klarheit: Die Bauhaus-Moderne ist links, traditionelles Bauen und Rekonstruktionen sind rechts, womit auch die Etikettierungen Gut-Schlecht hergestellt wären. In Zeiten der Verkürzung argumentativer Auseinandersetzung auf Twitter-Zeichenlänge wird es wohl so kommen, Versuche der Differenzierung wie in obigem Artikel gehen darin leider unter. Dann wird es sich auch zeigen ob sich unsere Strategie, dieser Auseinandersetzung auszuweichen, bewährt hat oder wir verstärkt in die Defensive gedrängt werden und irgendwann um eine Stellungnahme nicht herumkommen.

    In dubio pro reko

    Einmal editiert, zuletzt von reklov2708 (25. Oktober 2018 um 08:36)

  • Ich habe es an anderer Stelle erwähnt, aber Tod und Leben Großer Amerikanischer Städte von Jane Jacobs ist ein Muss für jeden, der Stadtplanung studiert. Es zeigt im Grunde, dass die traditionelle Struktur der alten Städte nicht durch sterile modernistische Räume ersetzt werden kann. Mixed-Nutzung und Dichte der alten europäischen Städte ist viel lebenswerter, dann endlose Zersiedelung oder "Türme im Park".

  • Hallo zusammen,

    bin hier auf einen interessanten Artikel der Welt gestoßen. Einer der "bösen" Investoren übt Kritik an seiner Branche. Als mögliche Lösung schlägt Herr Schmitz vor:

    Schmitz:" Man kann den Teufelskreis eigentlich nur durchbrechen, indem die Städte und Gemeinden noch strengere Preisvorgaben machen. Bei der Vergabe von Grundstücken und bei der Vergabe von Baurecht könnte man Höchstpreise festlegen. Wenn dieser Preis erreicht ist, kann man darüber hinaus das beste Konzept auswählen: Wer baut das beste und auch nachhaltigste Stadtquartier auf diesem Preisniveau? Oder eine andere Idee: Wer alle Wohnungen günstig anbietet, bekommt eine reduzierte Mehrwertsteuer."

    Grüße aus dem verschneiten Münster

  • Ich glaube je schwieriger der Marktzutritt ist, je mehr Beschränkungen man macht, umso teurer wird es. Beispiel wären für mich da öffentliche Aufträge mit Ausschreibung. Durch die viele Bürokratie schrecken viele Unternehmen davor zurück sich überhaupt diesem potentiellen Markt zuzuwenden. Das Ergebnis sind relativ hohe Preise, weil wenige auf die Komplexitäten spezialisierte Unternehmen die Aufträge sich sichern. Eine andere Sorge, die ich hätte wäre, wie man bei fixierten Preisen die Qualität sicherstellen kann.

    Da halte ich den Vorschlag mit der Baupflicht für zielführender, genauso wie widerrufbares Baurecht.

    Ein wirklich guter Artikel!