Moderationshinweis (Riegel):
Dieser Beitrag von RMA ist auch der Erstbeitrag im Strang "Blockbau". Aus aktuellem Anlass habe ich heute (2.9.2017) diesen neuen Strang eröffnet und diverse Beiträge aus dem Blockbau-Strang, die das Thema der 700-jährigen Blockbauten im Kanton Schwyz betreffen, hierher verschoben. Als Erstbeitrag im Blockbau-Strang habe ich aber RMAs Beitrag hierher kopiert (und nicht nur verschoben), damit im andern Strang der Zusammenhang gewahrt wird.
[...] Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang die Ergebnisse der Dendrochronologie im Schweizer Urkanton Schwyz, wo in den vergangenen Jahrzehnten einige Blockbauten des 13. und 14. Jahrhunderts, und, besonders spektakulär, sogar einer des 12. Jahrhunderts aufgedeckt werden konnten. Dies ermöglichte, wie das Mitteilungsblatt des Arbeitskreises für Hausforschung im Juli 2009 ganz richtig schreibt, nicht nur erstmals die Holzbauprinzipien etwa einhundert Jahre weiter zurückzuverfolgen, als dies bisher beim Fachwerkbau der Fall war, sondern auch Rückschlüsse auf das Wohnen an sich im Hochmittelalter.
Insgesamt handelt(e) es sich dabei um acht Bauten, nach dem Alter sortiert:
- Haus Nideröst in Schwyz [die Gemeinde heißt so wie der Kanton] von 1176 (d)
- Haus Herrengasse 17 in Steinen von um 1303 (d) mit Hölzern um 1200 (d)
- Haus Bethlehem in Schwyz von 1289 (d)
- Haus Herrengasse 15 in Steinen von um 1307 (d)
- Haus Acher in Steinen von 1313–38 (d)
- Haus Mattli in Oberschönenbuch von um 1326 (d)
- Haus am Landsgemeindeplatz in Hinteribach von 1336 (d)
- Haus Tannen in Morschach von 1341 (d)
Leider muss man sich dem Mitteilungsblatt des Arbeitskreises für Hausforschung auch anschließen, wenn es konstatiert, es „ist sehr zu bedauern, dass die Bauten in einem der Schweizer Kantone liegen, in denen die Denkmalpflege offenbar nicht den sonst mit diesem Land verbundenen hohen Stellenwert besitzt“.
Haus Bethlehem, August 2006
Foto: Wikipedia / Urheber: Jungpionier / Lizenz: CC BY-SA 2.5
So ist bisher nur Haus Bethlehem restauriert und als Museum auf der Ital-Reding-Hofstatt einer angemessenen Nutzung zugeführt worden. Das Haus am Landsgemeindeplatz in Hinteribach wurde bereits 1995 ab- und im Freilichtmuseum Ballenberg wiederaufgebaut. Mehr Informationen zu diesem glücklichen Projekt siehe hier. Dies ist gar nicht mal so ungewöhnlich, denn archäologische Untersuchungen haben gezeigt, dass knapp 20 Prozent aller Blockbauten im Laufe ihres langen Lebens wenigstens ein Mal, oft aber sogar mehrfach „umgezogen“ sind – die Blockbauweise ist in dieser Hinsicht noch flexibler als die Fachwerkbauweise, wo dies ebenfalls Usus war.
Nun zu den wirklich schlechten bis haarsträubenden Nachrichten: Haus Mattli in Oberschönenbuch und Haus Tannen in Morschach stehen bereits seit längerem leer, die Häuser Herrengasse 15/17 in Steinen, also mit die ältesten, wurden bereits 1990 bzw. 1998 abgerissen. Am Schlimmsten ist aber das Schicksal des ältesten Hauses, Haus Nideroest, das ich schon seit mehreren Jahren verfolge. Dem Interessierten sei zunächst der umfassende Untersuchungsbericht der Jahre 1998–2001 ans Herz gelegt, der dankenswerterweise online verfügbar ist:
http://www.hvschwyz.ch/publikationen/Nideroest.pdf
2001 hat man diesen uralten Holzbau abgebrochen. Warum? Damit der ehemalige Besitzer des Hauses im Schwyzer Hinterdorf für seine Kinder bauen konnte! Man muss wohl Schweizer sein, um das zu verstehen. Vielleicht kann sich Riegel mal dazu äußern. Natürlich stand das Gebäude unter Denkmalschutz, in der Schweiz Inventar der geschützten und schützenswerten Bauten und Objekte (Kigbo), aus dem es aber für den vorgenannten Zweck entlassen wurde. Die Denkmalpflege lief natürlich Sturm, der man jedoch zusicherte, es wieder an anderer Stelle aufzubauen.
Haus Nideroest, vor 2001
Foto: Schweizer Heimatschutz
Erst sollte es neben Haus Bethlehem eine neue Heimat finde, was jedoch die Gemeinde ablehnte. Sogenannte Experten sorgten schließlich 2004 dafür, dass das Gebäude wegen seiner „gesamtschweizerischen Bedeutung“ (kein Widerspruch!) auch nicht an das bereits genannte Freilichtmuseum Ballenberg überstellt wurde. Doch das Landesmuseum wollte es ebenfalls nicht. Angeblich gab es danach allen Ernstes Pläne, das Teil auf eBay zu versteigern. Kaum viel besser als das, was schließlich kam: 2005 verschenkte man die Teile an den Natur- und Tierpark Goldau, einen privaten Zoo in der Zentralschweiz, damit dieser das Gebäude irgendwann mal in seinen Haustierpark integriert. Ende letzten Jahres konnte man dann das in der Zeitung lesen:
Haus Nideröst wird nie mehr stehen – Nachrichten – SchwyzKultur
Irgendwie hatte ich bis dahin, vielleicht etwas platt artikuliert, die Vorstellung, dass die Schweizer ziemlich beinharte Patrioten sind, gerade was das gebaute Erbe angeht. Wenn man jedoch die Tierparkdirektorin bei einer solchen Aussage in die Kamera Lachen sieht, verliert man irgendwie den Glauben daran. Andererseits, und damit komme ich auch erstmal zum Ende, kann man konstatieren, dass es historischen Bauwerken im 21. Jahrhundert auch in den Nachbarländern Deutschlands kaum besser geht als hier zu Lande.