• Zur Zeit ist in St. Gallen eine Villa in Bewegung...


    (1937 gelaufene Ansichtskarte, Verlag unbekannt)

    Seit heute Morgen um 10 Uhr wird die 1878 errichtete Villa Jacob am Rosenbergweg 6 (früher Rosenbergstr. 120) um zwanzig Meter verschoben. Dabei soll sie in innerhalb von sieben Stunden, also jetzt in eineinhalb Stunden, südlich ihres angestammten Platzes und einem Bahngefälle von 8% ca. 1,50 m tiefer ihren neuen Standort erhalten. Bilder kommen noch.

    http://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stg…t507728,5059007
    https://www.suedostschweiz.ch/politik/2017-0…eude-verschoben
    Bilderstrecke: https://www.srf.ch/news/regional/…wird-verschoben
    (edit.: zur Zeit ein Videobeitrag anstelle der Bilderstrecke)

  • Das Kannst du doch nicht so offen posten! Die Linken Spinner denken am ende noch "das haus abschieben" wehre ne Anspielung und melden uns hier alle als rasigsten. :wink::thumbup: Die Richen doch hinter jedem Wort furzt ne Verschwörung.

    Aber mal Spaß beiseite, finde sowas immer wieder faszinierend. hab mal eine Doku über haus Versetzungen in Amerika gesehen wobei, das dort einfacher ist, weil die Häuser aus holz sind und nicht aus stein, gut das unsere vorfahren so stabil gebaut haben.Ich erinnere mich dunkel das man in London mal ein 2 oder 3 stöckiges Fachwerkhaus versetzt hatte, wegen einem Strassen umbau verständlich da ist seit dem großen brand,Jahrhundert wende nicht mehr soviel von da.

    Es ist wirklich eine tolle alternative zum abriss, aber der schreckliche Neubau, wird um eine alternative für einen abriss nicht drumrum kommen, keilt die Villa nur unnötig ein,die mit soviel mühe gerettet wurde.

    2 Mal editiert, zuletzt von Maxitown (16. August 2017 um 16:13)

  • Riegel:
    Du hast uns offenbar noch unterschlagen, was auf dem alten Standort der Villa Jacob entstehen wird. Das ist im folgenden Artikel angedeutet:
    Neuer Raum für alte Menschen - Tagblatt

    Über diesen Artikel:
    Die eine lottert, die anderer rutscht - Tagblatt
    stieß ich dann auf die seit Jahren notleidende und in der Nähe befindliche Villa Wiesenthal, welche in diesem Meinungsbeitrag als entbehrlich eingeschätzt wird. Interessant immerhin die enthaltenen Visualisierungen früherer sowie noch bestehender(?) Neubauplanungen.

    Insgesamt ist das Nahumfeld doch wohl ein reichlich unwirtliches Stück Vorstadt, oder täusche ich mich? Deswegen meint man wohl, alte Menschen dort "ansiedeln" zu müssen. In der Schweiz sagt man dazu übrigens dezent 'Betagtenheim' statt 'Altersheim'.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Dass ein Gebäude- oder Strassenneubau am alten Ort eines verschobenen Hauses die Ursache für eine Verschiebung ist, muss man nicht explizit erwähnen. Dies hätte ich dann bei der Nachreichung einiger Fotos getan. ;)

    Unwirtlich ist diese Gegend nicht, wenn man sich die Vogelschauansichten ansieht:
    https://www.bing.com/maps?osid=4a49…V=2&form=S00027
    Das Gebiet ist eine Zwischenzone zwischen dem Stadtzentrum (Altstadt/Bahnhof) und St. Gallen West. Hier befand sich bis um 1980 die Kaserne, die dem Autobahnbau weichen musste. Die zugehörige Wiese ist heute eine beliebte Allmend. Der Autobahnanschluss "Kreuzbleiche" verläuft grösstenteils unterirdisch, zum Teil auch unter dem nachträglich angefügten und jetzt wieder entfernten Kapellenanbau der Villa Jacob. Die Wiese westlich/links von der Villa Jacob ist seit einigen Jahren mit dem Bundesverwaltungsgericht und Wohnhäusern überbaut.


    Die Villa Wiesental... ein Problemkind seit 15 Jahren. Sie steht 200 Meter östlich der Villa Jacob und hat die Adresse Rosenbergstr. 95. Dass die Villa überhaupt noch steht, ist zwei Frauen und mir zu verdanken. In der Schweiz haben staatlich anerkannte gemeinnützige Vereine die Möglichkeit, Einsprache (Widerspruch) gegen Bauvorhaben einzulegen. Allerdings ist dies kantonal geregelt (umgangssprachlich: Kantönligeist; offiziell: Föderalismus). Dies betrifft vor allem Natur- und Umweltschutzverbände und den Schweizerischen Heimatschutz, der national und in Kantonalsektionen organisiert ist. Weil wir im Kanton St. Gallen sehr erfolgreich mit unseren Einsprachen waren, gabe es von bürgerlicher Seite eine Initiative im Kanton St. Gallen, das Verbandsbeschwerderecht abzuschaffen, welche durch einen unglücklich verlaufenen Abstimmungskampf vor zehn Jahren leider erfolgreich war.

    Nun - die Villa ist vorerst gerettet, nachdem wir die Prozesse durch zwei GerichtsInstanzen samt Augenscheinen gewonnen hatten. Definitiv allerdings noch nicht. 2005 hatte das Verwaltungsgericht des Kantons entschieden, dass die Villa nicht aus dem Schutzinventar entlassen werden kann, solange keine Neubauplanung mit einer städtebaulichen Verbesserung eingereicht werde. Projektierungen, auch mit Wettbewerb, haben dies bis heute noch nicht geschafft. Ob das wohl an der Qualität aller Architekturschulen liegt...?
    http://www.gerichte.sg.ch/home/dienstlei…_2004_173_.html

    In der Zwischenzeit musste aber die Kantonale Denkmalpflege einschreiten und bei der Gebäudeeigentümerin die Ersatzvornahme androhen, falls der Gebäudeunterhalt nicht ordentlich durchgeführt würde. Eigentlich wäre dies Sache der Städtischen Denkmalpflege gewesen, aber nachdem die dort verantwortliche Person das Gegenteil von Pfeffer im A.... hat, war von dieser Seite nicht viel zu erwarten.

    Vor einem Jahr wurde nun der Vorschlag eingebracht, als Volumenausgleich für das nicht komplette Ausnützen der Liegenschaft einen angerenzenden, ca. 15 Jahre alten Neubau aufzustocken (1 Geschoss mehr als der gültige Zonen- und/oder Überbauungsplan) und dafür die Villa samt Garten definitiv zu schützen. Dies ist der derzeitige Stand.

    Die Villa Wiesental habe ich hier im Jahr 2011 bei einem winterlichen Rundgang bereits gestreift:
    St. Gallen (SG) (Galerie) (Bilder 7 und 8 )


    Schräg gegenüber (westlich) steht das Hotel und Restaurant Militärkantine (Kreuzbleicheweg 2, früher Militärstr. 9), das ich hier im Forum betreits ausführlich gezeigt habe:
    Allgemeines zum Thema Fachwerk

  • Nun steht sie also schon 48 Stunden unbeschadet an ihrem neuen Platz, die Villa Jacob! Ein eigenartiges Gefühl, wenn ein vertrautes Haus plötzlich verschoben dasteht. Meine Kurzvisite heute Nachmittag bei 30°C moutierte doch noch zu einem längeren Spaziergang und sogar zu einer unerwarteten Privatführung unter die Fundamente der Villa. So werde ich mehr Zeit benötigen, um über den Vorgang zu berichten, als ich heute habe.


    Von dieser Perspektive aus deutet nichts mehr auf die Verschiebung hin, und sogar die Fenster geben den Eindruck, als wäre das Haus immer noch belebt. Hier werden gerade die letzten, bereits wieder ausgebauten Hydraulikpressen verladen und abtransportiert. Links angeschnitten sieht man das neue Bundesverwaltungsgericht.

    https://www.bing.com/maps?osid=4a49…V=2&form=S00027
    [...] Der Autobahnanschluss "Kreuzbleiche" verläuft grösstenteils unterirdisch, zum Teil auch unter dem nachträglich angefügten und jetzt wieder entfernten Kapellenanbau der Villa Jacob. Die Wiese westlich/links von der Villa Jacob ist seit einigen Jahren mit dem Bundesverwaltungsgericht und Wohnhäusern überbaut.


    Das "schwebende Fundament" der südöstlichen Hausecke (im ersten Bild rechts des Baustellen-WCs). Die Betonfläche rechts, auf der die Kabel herumliegen, ist die Decke des unterirdischen Autobahnzubringers. Darüber wurde jetzt ein Betonkragarm erstellt, welcher die Last des Hauses aufnimmt und seitlich des Tunnels ableitet. Die beiden Eisenträger sind die Enden der Gleitschienen. Nach ihrer Entfernung wird das Haus noch um 20 cm abgesenkt und der Zwischenraum ausbetoniert.


    Die seit gut zehn Jahren vor sich hin dümpelnde Villa "Wiesental" (Rosenbergstr. 95) steht auch immer noch. Zwischen dem Garten und der Villa verläuft die Rosenbergstrasse.


    Und zum Abschluss der Tour noch ein Besuch bei meinem "Schätzchen" :) . In einigen Städten habe ich solche; in Frankfurt ist es Töngesgasse 37 und in Nürnberg Irrerstr. 5. Ihnen ist gemeinsam, das es historische Bauten in einem sehr erbarmungswürdigen Zustand sind, denen ich jeweils einen Besuch abstatte und ihnen zurufe "Ich komme euch irgendwann mal retten!"

    In St. Gallen ist es die 1889/90 errichtete Villa "Recife" an der Greifenstr. 13 - ein absoluter Geheimtipp! Entworfen wurde die Villa für zwei Familien von Architekt Julius Kunkler, dem Sohn des Architekten Johann Christoph Kunkler, der die Villa Jacob geplant hatte. 1950 wurde das Haus purifiziert und aufgestockt.... Leider wurden dazu vor wenigen Jahren die noch originalen, über 100-jährigen Kastenfenster durch neue ersetzt. Das Haus erschien noch in keinem offiziellen Baudenkmäler-Inventar, ausser im INSA 1850-1920 (Inventar der neueren Schweizer Architektur), das aber kein rechtlich bindendes Invertar ist!

  • Eigentlich wollte ich schon vor einem Jahr über den Versetzungsvorgang der Villa Jakob berichten. Nun kam aber zwei Monate nach meinem letzten Beitrag unerwartet ein Abbruchgesuch für meine Lieblingsvilla "Recife"!! Sie steht leider nicht unter Schutz. Zusammen mit drei Mehrfamilienhäusern von etwa 1960 soll sie vier grösseren Gebäuden Platz machen. Allerdings liegen die Parzellen in einem Baumschutzgebiet, und in der Schweiz haben wir ein Einspracherecht (Widerspruchsrecht) für gemeinnützige Institutionen.

    Der "Heimatschutz" ist eine solche Vereinigung, aber bei Häusern ohne Denkmalstatus sind uns die Hände gebunden. Hingegen konnten wir der Einsprache des WWF aufspringen, weil er dort Einsprache gegen den übermässigen Eingriff in den Baumbestand erhob.

    Getrennt von diesem Einspracheverfahren haben wir beim Stadtrat eine Prüfung des möglichen Denkmalstatus' beantragt. Es liegt in der Kompetenz des Stadtrates, über die Aufnahme oder Entlassung eines Gebäudes aus dem Gebäudeschutzinventar zu entscheiden. In den letzten 35 Jahren wurden aber nur immer Gebäude entlassen, dafür aber ein paar moderne Gebäude (die den Denkmalstatus wirklich verdienen!) aufgenommen. Nun haben wir also mit diesem Antrag den Stadtrat vor eine Prüfung gestellt, welcher sich bis heute vor einer Antwort gescheut hat. Aber wir sind weiter am Drücker und lassen nicht locker! Sollte sich dieser ducken oder eine negative resp. ungenügende Antwort geben, stehen weitere Rechtsmittel auf Kantonsebene zur Verfügung, und dann wird auch die kantonale Denkmalpflege involviert. In diese habe ich grösseres Vertrauen als in unseren däumchendrehenden städtischen Denkmalpfleger.

    Für die Einsprache und zuhanden des Stadtrates fertigte ich eine Arbeit über die Villa "Recife" an. Die Arbeit ist mein Eigentum, und ich darf sie deshalb hier veröffentlichen. Innenaufnahmen und Ansichten von der Gartenseite sind darin nicht enthalten; der Rest fällt alles unter Panoramafreiheit:

    http://www.sg-hausgeschichten.ch/st.gallen/greifenstr.13.pdf

    Einmal editiert, zuletzt von Riegel (27. November 2018 um 00:49)