Rothenburg ob der Tauber

  • ROTHENBURG OB DER TAUBER -

    Sinnbild der mittelalterlichen Stadt



    leider muß ich diese rubrik mit wenig erfreulichen nachrichten eröffnen:


    Verein Alt-Rothenburg hat Veto gegen die Plönlein-Gestaltung eingelegt

    „Außerordentlich problematisch“
    ROTHENBURG – Nach dem Künstlerbund-Vorsitzenden Peter Nedwal hat jetzt auch der Verein Alt-Rothenburg seine Bedenken gegen die „weitreichende“ Plönlein-Gestaltung angemeldet: „Ohne Not wird ein besonders markantes Ensemble Rothenburgs verändert, das durch seine Charakteristik zum meist dargestellten Wahrzeichen der Stadt geworden ist“, lautete die Kritik.

    ---> dem verein geht es in seiner kritik auch um die generelle problematik im umgang mit den brunnen in der altstadt. eine restaurierung des brunnens am plönlein wird sicher gutgeheißen, aber die höhersetzung im rahmen der maßnahmen muß tatsächlich hinterfragt werden.

    weitere infos /
    auch ein forum zur diskussion ist eingerichtet
    unter:


    http://www.alt-rothenburg.de/ und
    http://www.fraenkischer-anzeiger.de/ISY/index.php?…D=1475&kieCID=1

    ebenfalls sehr interessant:

    rödertorumgestaltung:

    >startseite alt-rothenburg
    >Brennpunkte
    >Sanierungsskandal Rödertor


    mir fällt bei durchsicht der texte auf, dass auf dem deutsche vorzeigeprodukt und juwel "altstadt rothenburg" der selbe druck der demografischen und ökonomischen veränderungen lastet, wie andernorts. nichts neues - dennoch:

    im gegensatz zu anderen bereits modernistisch überformten orten steht bei rothenburg mehr auf dem spiel. es scheint mir sogar so, dass das ausmaß der ganzen problematik an dieser stadt am deutlichsten hervortritt. deutschlands vorzeigealtstadt scheint eine schwere zukunft zu haben.
    einerseits möchte man weg vom massentourismus, andererseits fehlen konzepte zur wiederbelebung der altstadt. teilweise verfallen in den nebengassen häuserzeilen und kleindenkmale lösen sich regelrecht auf.
    (u.a. > startseite alt-rothenburg
    > literatur
    > Wohnwert der Altstadt verbessern - auch durch Entkernung?)
    müßte sich nicht gerade am beispiel rothenburg eine alternative zukunftsidee entwickeln lassen, ein langfristiges konzept, dass quasi für alle altstädte weitreichende auswirkungen im sinne einer bewahrenden und erhaltenden erneuerung vorsieht, statt mit modernistischen ideen und fragmenten aufzuwarten, die den bestand der historischen zentren weiter bedrohen und zerstören?

    dabei stellt sich auch die frage, was ist derzeit wichtiger:

    die rettung und sicherung des bestehenden oder die rekonstruktion
    des bereits verlorenen?

    eine diskussion, an der sich denkmalpfleger sicher auch im umgang mit rekonstruktionen reiben.

    ein wichtiges thema...


    >>>was mir beim verein alt-rothenburg auffällt, ist der sachliche und unverblümte umgang
    mit den realitäten und der zukunft von rothenburg - beispielhaft und seriös!<<<


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    bekannt ist sicher auch, dass rothenburg im 2.wk bombardiert wurde.
    das ausmaß der zerstörung dürfte aber den wenigsten bewußt sein:


    Gedenkveranstaltungen zur Kriegszerstörung Rothenburgs

    Die Erinnerung wachhalten
    ROTHENBURG – Mit verschiedenen Veranstaltungen gedenken Stadt, Kirchengemeinden, Freie Rothenburger Vereinigung und der CSU-Seniorenkreis der Zerstörung Rothenburgs vor sechzig Jahren. Über vierzig Prozent der Altstadt fielen damals in Schutt und Asche...
    http://www.fraenkischer-anzeiger.de/ISY/index.php?…D=1459&kieCID=1


    Rothenburgs Berühmtheit bewahrte nicht vor dem Luftangriff

    Das Unheil kam aus Bombenschächten

    ROTHENBURG – Die Bevölkerung hatte genug von den Durchhalteparolen und dem Endsieggefasel, die auch im März 1945 noch zu vernehmen waren. Trotzdem wären am Ostersamstagabend wohl pflichtgemäß wieder viele zur Kundgebung des NSDAP-Kreisleiters gekommen, wenn nicht vorher das Unglaubliche eingetreten wäre: die militärisch unwichtige, aber historisch bedeutende Stadt versinkt fast zur Hälfte im Bombenhagel. Dabei hatte der Karsamstag so friedlich und frühlingshaft begonnen.
    http://www.fraenkischer-anzeiger.de/ISY/index.php?…D=1&kieRID=1478


    solche hintergründe werden kaum beachtet. man muß sich einmal vorstellen: 40% der heute berühmtesten altstadt von deutschland - rothenburg - waren zerstört! und? man hat sie wiederaufgebaut und offensichtlich sehr vorbildlich. eine beachtliche leistung.

    es wird hier im forum zur zeit wieder über die authentizität von gebäuden diskutiert.rothenburg steht für die stadt des mittelalters schlechthin. dabei ist ein großer teil der altstadt nachkriegsbebauung und gerade nicht "authentisch". ist dies jedoch entscheidend für die wirkung und bedeutung von rothenburg? vielleicht sollte man den begriff der sog. "ehrlichkeit" von gebäuden einmal hinterfragen, den die modernisten so gerne aufstellen.

    ich zitiere hier einmal wieder gerne wolfgang schäche:

    "Nur aus der Konfrontation dessen, was wir unter Geschichte begreifen, mit der Gegenwart, so der deutsche Historiker Johannes Fried, lernt der Mensch: "Denn die Vergangenheit ist vergangen, Geschichte aber lebt. Sie ist als Gedächtnis immer Gegenwart, kann nichts anderes sein."
    Vor dieser Einsicht relativiert sich dann auch die Vorstellung von einem (authentischen) Bauwerk als historischer Quelle der Vergangenheit: "Quelle", schreibt Johannes Fried, "ist ohnehin eine in die Irre führende Metapher. Sie assoziiert sprudelndes Leben, Unmittelbarkeit, lautere Wahrheit. Die Gegenstände, die mit diesem Namen belegt werden, haben aber von sich aus kein Leben... Hunderte von Historikern haben sich mit ihnen befasst, jedes überlieferte Detail umgedreht und ausgepresst. So traktiert, müssen die 'Quellen' längst erschöpft sein. Warum sind sie es nicht? Die Antwort ist einfach: Weil Historiker sie immer wieder künstlich beleben oder genauer: weil es keine Quellen, sondern Artefakte sind, tote Dinge, die erst Wert gewinnen, wenn ihnen subjektive Aufmerksamkeit geschenkt wird." Das auf diese Weise Konstruierte aber muss mit der nicht mehr real nachvollziehbaren Vergangenheit nicht deckungsgleich sein."


    quellen:http://www.alt-rothenburg.de/

  • Was mir aufgefallen ist, als ich im Winter dort war, war die Leere.
    Am Abend ist die Stadt wie ausgestorben. Ich habe das allerdings
    überaus genossen ! :D Die Dunkelheit und hier und da mal eine
    Lampe: einfach schön ! Es fehlt eigentlich nur noch die mittelalterliche
    Bevölkerung - dann wäre es perfekt !
    Rothenburg ob der Tauber ist für mich die schönste mittelalterliche
    Stadt Deutschlands. :grosshuepfen:

  • Verfallen, würde ich nicht sagen. Aber es schaut bei manchen Häusern
    so aus, als wären sie ohne Eigentümer. Es sind aber nur sehr wenige
    und diese liegen dann auch mehr im verborgenen. :zwinkern:
    Im Frühling oder Sommer sieht es aber sicher ganz anders aus !
    ...wenn die Amerikaner und Japaner da sind. :gg:

  • :)

    ich finde das phänomen"rothenburg" einfach auch interessant, weil man bedenken muß, dass ein großteil der stadt vor 60jahren in schutt und asche lag. heute sieht man davon offensichtlich nicht mehr viel und die stadt gilt als innbegriff der mittelalterlichen "deutschen" stadt.

    das liegt sicher am selbstverständnis der rothenburger und ihrem bewußtsein für ihre alte stadt. schade nur, dass sich so wenig städte überhaupt ein vorbild an dieser stadt genommen haben. in anbetracht der tatsache, dass viele unzerstörte kleinstädte heute durch abbrüche und modernismus ziemlich entstellt sind, erhöht sich die leistung der rothenburger natürlich nochmal um einiges.

    modernisten wählen gerne die formulierung: "LEARNING FROM...", um einmal mehr ein aberwitziges konzept zu propagieren.

    vielleicht sollte man es einmal dort verwenden, wovon man wirklich lernen könnte:

    "LERNEN VON ROTHENBURG - LEARNING FROM ROTHENBURG"

  • Zitat von "Stefan"

    :)

    ich finde das phänomen"rothenburg" einfach auch interessant, weil man bedenken muß, dass ein großteil der stadt vor 60jahren in schutt und asche lag. ...

    Ist sie wirklich zerstört worden ? :schockiert:
    Wenn ja, dann war es wohl der beste Wiederaufbau überhaupt ! :D

  • Oliver

    war dir das nicht bewußt, als du durch rothenburgs gassen liefst?
    hast du die oberen artikel gelesen? da werden die zerstörungen beschrieben. 40% der altstadt wurden zerstört!!! und heute gilt diese stadt als deutschlands bekannteste, mittelalterliche (!) stadt. das muß man sich einmal vorstellen. der wiederaufbau ist sicher vorbildlich, sonst hätte rothenburg wohl nicht mehr dieses prädikat.

    man sollte diese tatsache viel mehr im zusammenhang von rekonstruktionen erwähnen. nicht nur in polen ist man diesen richtigen weg gegangen, auch rothenburg hat damals, entgegen aller modernistischen vorstellungen, aus dem bereits zuvor bestehenden verständnis für altrothenburg, weise entschieden - welch ein glücksfall!

    schade nur, dass sich kaum eine stadt diesem vorbild - bis heute - anschließt.

    beeindruckend finde ich darüberhinaus, welche ernsthaften anstrengungen man in dieser stadt unternimmt, um diese nicht nur dem tourismus zu überlassen, sondern auch nach konzepten einer bewohnten altstadt strebt, deren obersten ziel die erhaltung und bewahrung des stadtbildes ist und bleibt. wenn man sich die zunehmend miesen kompromissen bezüglich investitionen in bisher weitgehend verschonten altstädten im zeitalter des neoliberalismus anschaut, nimmt rothenburg also auch hier eine außerordentlich positive rolle ein. diese stadt beugt sich dem diktat nicht und strebt nach möglichkeiten wie man es anders machen kann und sollte.

    hervorragend!

    übrigens, "mc doof" ist anscheinend aus der rothenburger altstadt wieder draußen :huepfen:

  • Hallo @Rösch,
    Hallo Oliver!

    "Learning from Rothenburg" bringt es auf den Punkt...
    Anbei ein Artikel aus den Nürnberger Nachrichten anlässlich der Zerstörung der Stadt, den ich euch nicht vorenthalten will:
    Für alle, die denken, an Rothenburg gingen die Bombardierungen vorüber - festhalten....

    Immer die gleichen grauenhaften Bilder über Vernichtung von Kunst, Kultur und Menschenleben...
    ... nur die Wiederaufbaukonzepte gleichen sich nicht im entferntesten!

    Die Stadt war also genauso zerstört wie - sagen wir - 70% aller anderen Städte in Deutschland. Ich vermute sogar, das viele Städte weit weniger zerstört waren als Rothenburg, heute aber trotzdem im Vergleich zum Vorkriegszustand ein ganz anderes Gesicht haben...

    Allein die Vorstellung Nürnberg, Dresden, Köln oder Würzburg wären mit ähnlichem Anspruch an das historische Gedächtnis wieder aufgebaut worden, lässt mich fest dran glauben, das unsere Sache hier im Forum richtig ist...

    Grüße aus Nürnberg

  • Danke Jürgen für den Artikel ! Mit so einer großen Zerstörung hätte
    ich nun nicht gerechnet. Hat jemand Fotos vom aktuellen Bestand ?
    ...vielleicht ist ja doch wieder einiges einfacher rekonstruiert worden ?
    Wer weiß das schon ohne ganz genau hingesehen zu haben.

  • Jürgen

    vielen dank für den zeitungsartikel.
    er unterstreicht einmal mehr, was man in anderen zerstörten städte hätte erreichen können. so hätte und sollte rothenburg nicht nur vorbild für die kriegszerstörten städte sein (können), sondern auch immer eine schallende ohrfeige für alle modernistischen konzepte, bausünden und reduzierungen, nicht zuletzt auch in den kriegsverschonten altstädten.

    Oliver

    es wurde sicherlich an manchen stellen manches "schöner" oder auch vereinfacht rekonstruiert. ein blick von oben in die altstadtgärten läßt an den strassenabgewandten seiten untypische fensterformate und anbauten erkennen. dennoch, das schmälert die große leistung rothenburgs in keinster weise.


    ein aspekt, der mir bei meiner recherche auffiel, ist die tatsache, dass auch in rothenburg bei neu- und altbauten die fenstergestaltung in bezug auf versprossung und fensterläden leider vernachlässigt oder vereinfacht wurden. z.t. sind in den nebengassen auch pseudosprossen festzustellen. ein umstand, der sich mit änderung der altstadtsatzung verbessern ließe.
    dagegen wird mit den werbeschriften, den auslegern, der verwendung von naturstein bei fenstergewänden und teiweise bei sockeln, den noch vorhandenen treppen und staffeln sowie der harmonische farbgebung ein hoher maßstab erreicht. sie bringen in ihrer vielfalt eine hohe qualität, die dem anspruch, nicht nur an die denkmalpflege, sondern auch an ein vorbildlich gestaltetes, mittelalterliches stadtbild gerecht werden.

  • Ich empfinde diese Reaktion gar nicht einmal als so unverständlich. Wenn Metropolregionen nach einer jeweiligen Großstadt benannt werden, führt dies zu einer Dauerbewerbung dieser einen Stadt in der Fläche. Was soll für die übrigen Städte bei einer solchen Vorgehensweise herausspringen? Auf Konvergenzen bedachte Zusammenarbeit schön und gut, aber diese Repräsentation nach Außen muss zwangsläufig auf Widerstand stoßen, zumal in Franken. In Altbayern oder im erfolgreich bavarisierten Schwaben mag man ergeben die Vorrechte einer großen Stadt wie Augsburg oder München, die Landeshauptstadt für die man dort tatsächlich ehrliche Sympathien empfindet, hinnehmen, in Franken ist das anders. Dort wird man eine solche aus Gründen der bloßen Vernunft oder als Anerkennung der politischen Realitäten geforderte Unterordnung gegenüber einem Zentrum wenn nötig bekämpfen.

    "Meistens belehrt uns der Verlust über den Wert der Dinge."
    Arthur Schopenhauer

  • Danke Zeno für den Hinweis.

    Hier ein Artikel zur Oberen Waldmühle
    http://www.fraenkischer-anzeiger.de/ISY/index.php?PHPSESSID=94137830b2814ba2867b17a97e849b74&call=faPage&action=read&kieCID=1&kieRID=4566">http://www.fraenkischer-anzeiger.de</a>

    Besonders erschreckend ist die mangelnde Kompetenz der Stadt Rothenburg o. d. T. in Person des Stadtbaumeisters, der den Zustand der Mühle nicht einzuschätzen wusste. Hinzu kommt der Umstand, dass trotz fehlender finanzieller Mittel besagte Plane zum Schutz nicht angebracht wurde. Inwieweit der Besitzerin hier ein Vorwurf zu machen ist, lässt sich nicht abschließend sagen. Ich bin immer wieder entsetzt über die irrläufige Doktrin der modernistischen Denkmalpflege, welche einem Gebäude lieber beim Verrotten zusieht bis hin zum Abriss, statt Zugeständnisse vor allem hinsichtlich des Gebäudeinneren zu machen, um es als solches nach Außen wenigstens zu erhalten. :augenrollen:

    Jeder, der sich die Fähigkeit erhält Schönes zu erkennen, wird nie alt werden.
    http://www.archicultura.ch

    Einmal editiert, zuletzt von zeitlos (23. März 2011 um 02:25) aus folgendem Grund: Linkadresse

  • Die Eintragung in die Denkmalliste ist verdient. Das ist ein stimmiger Neubau. Solche traditionellen Häuser, die die lokale Bautradition aufgreifen, hätte das Land tausendfach nach dem Krieg gebraucht - und es braucht sie bis heute...

    "Meistens belehrt uns der Verlust über den Wert der Dinge."
    Arthur Schopenhauer

  • Ist es in der Tat! Vor allem hat es den wohl besten Wiederaufbau in Deutschland erfahren. Vollreko! :smile:
    Vielen Dank für den Link!
    Schade übrigens das Rothenburg im eigenen Land eher unbekannt ist.

  • Heute wird ein Abbruch doch gerne mit dem Mangel an Substanz im Innern eines Gebäudes begründet. ( Siehe Wengerthaus, Stuttgart ) In der Praxis wird aber doch häufig das Gebäude derart entkernt, sodass oft nicht viel mehr als die Fassade erhalten bleibt. Dass man einerseits übersteigert viel Wert auf Originalsubstanz legt und andererseits so umfangreich renovieren lässt, dass von derselben nur noch wenig erhalten bleibt ist, lässt mich am guten Willen der Behörde zweifeln.

    Gebäude ist in Originalzustand - Gebäude wird denkmalgerecht renoviert - Gebäude ist nicht mehr in Originalzustand - Gebäude kann abgerissen werden