• Alles richtige Kritikpunkte.

    Der Entwurf zur Neubebauung zeigt, dass die passende Körnung und Kubatur nur unzureichende Mittel in Fragen des Stadtbildes sind. Wenn sich in dieser Richtung allerdings wie bisher nichts Gravierendes bei der Gestaltung im Detail verändert, werden wir auch in Zukunft die exakt immer selben, nichtssagenden Austauschprodukte des Modernismus serviert bekommen und beklagen. Es sollte auch Kernaufgabe des Vereins sein, auf diese zentrale Problematik aufmerksam zu machen.

  • Seh ich absolut genauso. Diese "Beruhigungspillen" in Form von leidlich angepasster Architektur sind idR nur solange passabel, bis man sieht, was sie ersetzt haben. Das ist alles nix Halbes und nix Ganzes. Das Niveau muss massiv steigen. :!:

    Am besten wir diskutieren Lösungsansätze dafür mal auf der Stadtbild-Jahreshauptversammlung in Nürnberg im April.

  • Jemand hat hier neulich für diese pseudo-altstädtische 08/15-Bauweise den Begriff "Ulmisierung" verwendet, wahrscheinlich mit Bezug zum dortigen Münsterplatz. Aber solche trivialen Häuser entstehen in BW überall und regelmäßig als Ersatz für abgerissene Bausubstanz.

    Seit einigen Jahren ist zu beobachen, dass Neubauten in Ulm oft dieselbe Formensprache aufweisen.

    Ein Vertreter dieses Typs:

    Oder sowas hier:

    https://www.golocal.de/media/4fb1c14d6de35be92ae2df5ab257e510/1600/5f62779ede488a2d.jpg?utm_campaign=golocal_export&utm_medium=export_bpp&utm_source=alliance&_wxi=xi.1-yhbtf2-blfp58-4h6902.rpryf6

    Auch der Abt am Münsterplatz, der ja nun fertig ist, hat diese Formensprache bekommen:

    Umbau Kaufhaus Abt zu Hotel | Münsterplatz - Bauforum Ulm
    Abt zieht vom Münsterplatz weg – Sanierung oder Neubau des Gebäudes? [SWP](Zitat)Kommentar zum geplanten Abt-Umzug: Operation im Herzen der Stadt [SWP](Zitat)
    bauforum-ulm.de

    Alle diese Häuser haben keinen Charme, sie sind schrecklich anödend, vom Gefühl her eiskalt, das Gegenteil von heimelig. Man hat den Eindruck, dass die Altstadt von Ulm immer mehr von diesen Bauten überschwemmt wird. Vor diesem Hintergrund scheint mir der Begriff "Ulmisierung" zu verstehen zu sein. Der Münsterplatz spielt dabei aber keine besondere Rolle.

  • In historischen Altstädten sollten diese unsäglichen "bodentiefen" Fenster grundsätzlich verboten werden. ich frage mich ohnehin, welchen Mehrwert bodentiefe Fenster haben. In einer Wohnung mit solchen Fenstern würde ich gar nicht erst einziehen wollen. Der Neubau ist alles andere als gefunden und deutlich höher, als die Nachbarhäuser, die in ein paar Jahren vielleicht auch verschwunden sein werden. Hätte das Fachwerk frei gelegen, hätte man das alte Haus sicher nicht so leichtfertig abgerissen. Ich frage mich immer wieder, warum in Baden-Württemberg mit großem aufwand denkmalpflegerische Wertepläne (https://www.denkmalpflege-bw.de/fileadmin/medi…_Schorndorf.pdf) erstellt werden, wenn man dann nicht die entsprechenden Maßnahmen ergreift (siehe Marbach am Neckar). In den letzten Jahren wurden in Schorndorf zahlreiche unter Denkmalschutz stehende Häuser abgebrochen und und durch Neubauten ersetzt, die wie die Beispiele oben aussehen (z.B. Johann-Philipp-Palm-Straße 33 und 35, Olgastraße 3). Irgendwann ist die gesamte Altstadt mit solchen Neubauten durchsetzt, so dass es kein harmonisches Gesamtbild mehr gibt. Das Ganze wirkt dann wie ein lückiges Gebiss oder wie ein Schmuckstück, aus dem man einzelne Steine herausgebrochen hat.

    Gottlieb-Daimler-Straße 41 (kein Denkmalschutz, erhaltenswertes Gebäude):

    Zweigeschossiges Fachwerkgebäude über massivem Erdgeschoss, verputzt, Satteldach; über dem verändertem Erdgeschoss niedriges, dreiachsiges Obergeschoss, im Giebelspitz zu Fenstern umgebaute Ladeluken; im Kern 17./18. Jahrhundert mit nachträglichen Überformungen vor allem des 20. Jahrhunderts (u.a. 1985 Ladenneugestaltung und Fassadensanierung). Das vor dem Quartiersbrand von 1743 errichtete Gebäude hebt sich in Größe und Gestalt von der umliegenden Bebauung ab, auch der einstige Stubenteil ist durch die asymmetrische Anordnung der Fenster im Obergeschoss noch ablesbar. Als ein in Teilen gut überliefertes Beispiel eines einfacheHandwerker- oder Kleinbauernhauses und als Bestandteil der älteren Bebauung am einstigen westlichen Stadteingang ist das Gebäude erhaltenswert.

    Der Neubau:https://www.zvw.de/lokales/schorn…nen_arid-392804

    https://mapio.net/images-immo3-expose/22070124/immo-img-1.jpeg

    Johann-Philipp-Palm-Straße 22 (17. Jh., kein Denkmalschutz, erhaltenswertes Gebäude)

    Zweigeschossiges, verputztes Fachwerkhaus mit hohem Satteldach; stark vereinfachte Fassade mit regelmäßig angeordneten Fensteröffnungen, im Giebeldreieck Rundfenster, traufseitig klassizistisches Zwerchhaus; im Kern eventuell noch 18. Jahrhundert mit starken Veränderungen im 19. und 20. Jahrhundert, u.a. Ladeneinbau im Erdgeschoss, dabei Entfernung der Rundbogenöffnungen, Teilaufstockung, Fassadenvereinfachung, Fensterauswechslung, neue Dachdeckung. Als Kopfbau und damit wichtiger Bestandteil der giebelständigen, historischen Gebäudereihe ist das im Detail stark veränderte ehemalige Ackerbürgerhaus erhaltenswert für die Stadtstruktur der zentralen Achse der Stadt:https://www.zvw.de/lokales/schorn…rum_arid-147190

    Der Neubau:https://mapio.net/images-immo2-e…immo-img-0.jpeg

    Vorher (ganz links):https://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…_Schorndorf.jpg


    Johann-Philipp-Palm-Straße 35

    Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der…e_in_Schorndorf

    File:Johann-Philipp-Palm-Straße35 Schorndorf.jpg

    Und in der Archivstraße 13, in Sichtweite des Schlosses entstand dieser Klotz:

    Zitat:

    In enger Abstimmung mit der Stadtverwaltung und dem Gemeinderat Schorndorf wurde ein modernes, transparentes Gebäude entwickelt, welches mit der umgebenden, teilweise historischen Bebauung harmoniert. Das Gebäude in exklusiver Lage liegt direkt an der Altstadt von Schorndorf und grenzt an den Park des Burgschlosses an.

    Durch ein repräsentatives Treppenhaus werden 17 Wohnungen erschlossen. Die zweigeschossige Tiefgarage verfügt über 22 Stellplätze.

  • Steht dieses Haus denn noch (Ehem. Hotel zur Krone)?

    Gelungener Brückenschlag | Stadt Schorndorf

    Dreigeschossiges Fachwerkgebäude mit massivem Erdgeschoss und Satteldach bzw. Mansarddach im westlichen, rückwärtigen Teil; aus zwei Einzelgebäude zusammengefasster Komplex mit weitgehend ungegliederter Putzfassade, im nachträglich veränderten Erdgeschoss arkadengangartiger, zurückspringender Eckeingang; im Kern wohl 19. Jahrhundert, in der 2. Hälfte des 20. Jahrhundert überformt (u.a. 1919 innere Umbauten für Hotel, 1929 Teilaufstockung im rückwärtigem Bereich, 1980er Jahre teilweise Nutzungsänderung und Erdgeschossumbau, 1994 teilweise Erneuerung der Fenster). Der einstige, in prominenter Lage gegenüber dem Rathaus stehende Hotelbau ist als markantes Eckgebäude zur Neuen Straße und als Hinweis auf die historische Wirtschaftsstruktur erhaltenswert.

    Offenbar werden alle im Werteplan als "erhaltenswert" eingestuften Gebäude nach und nach durch Neubauten ersetzt.

  • Und in der Archivstraße 13, in Sichtweite des Schlosses entstand dieser Klotz

    Der Bau passt überhaupt nicht in das Straßengefüge. Es ist unfassbar, dass dort so etwas genehmigt wird. Anscheinend ist den Gemeindevertretern, abgesehen von irgendwelcher Investoren-Rendite, alles egal.

  • Anscheinend ist den Gemeindevertretern, abgesehen von irgendwelcher Investoren-Rendite, alles egal.

    In Württemberg scheint das zuzutreffen. Und alle haben die fixe Idee im Kopf, jeder Neubau müsse um jeden Preis modern sein.

  • Weil diese Leute denken, solche aufgeschwatzte Modernität wäre die Antwort auf ihre provinziellen Komplexe. Egal ob sie Anzug und Krawatte tragen und politische Entscheidungen treffen, im Grunde sind sie eben doch Bauern ohne kulturelle Bildung geblieben.

    In dubio pro reko

  • Den Lokal-Politikern gefällt´s offenbar, denn die haben ja offenbar zugestimmt (siehe oben). Ich vertrete nicht umsonst die Meinung, dass wir heute in einem Zeitalter der zunehmenden ästhetischen Verwahrlosung leben! Was gute Architektur ist, scheint kaum jemand mehr zu wissen. Nach dem berühmten Buch von Alexander Mitscherlichs Die Unwirtlichkeit unserer Städte. Anstiftung zum Unfrieden hat ja allmählich ein Umdenken stattgefunden und in den 1980er Jahren schien es dann endlich zu einem Durchbruch gekommen zu sein. Anstelle der Kahlschlagsanierungen der 50er und 60er Jahre war es zu liebevollen Einzelobjektsanierungen gekommen und an vielen Stellen hat man Stadtreparatur betrieben, neue Gebäude sensibel eingefügt. Die Zeiten sind lange vorbei, denn heute ist man wieder auf dem Stadt der 60er Jahre zurückgefallen. Überall entstehen dieselben hässlichen Schuhkartonbauten. Diese Entwicklung hätte ich nie für möglich gehalten.

    Ästhetik sollte ein Pflichtfach in der Schule werden. Gute Architektur ist eben keine Geschmacksache, dafür gibt es klare Kriterien. Das wussten schon die alten Griechen (und Römer).