Gelnhausen - Rekonstruktion der Kaiserpfalz

  • Ist es möglich, eine Kaiserpfalz komplett zu rekonstruieren? Falls ja, dürfte sich die Kaiserpfalz in Gelnhausen aufgrund ihrer gut erhaltenen historischen Bausubstanz, ihrer geringen Größe und der Häufigkeit an Kaiserpfalzen mit jeweils unterschiedlichem Erhaltungsgrad recht genau rekonstruieren lassen.


    Quelle: (GFreihalter - Eigenes Werk) https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:…serpfalz_46.JPG


    Bisherige Rekonstruktionen:
    -Hier wurde schon einmal eine Königspfalz teilrekonstruiert: https://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%B6nigspfalz_Werla
    -digital: http://www.architectura-virtualis.de/rekonstruktion…de&img=5&file=0
    -digital: http://www.kaiserpfalz-ingelheim.de/denkmaltourism…serpfalz_09.php
    -digital, besonders schön, Film einmal anschauen: https://isgwww.cs.uni-magdeburg.de/projects/pfalz/f_modell.html

    Erhaltungszustand:
    Heute sind nur noch Teile der Anlage erhalten, darunter die vollständige Ringmauer, die reich geschmückte Hoffassade des Palas und Reste der Burgkapelle. Diese Bauteile gehören zu den bedeutendsten Profanbauten der Romanik in Mitteleuropa.

    Infos:
    -Es handelt sich bei der Kaiserpfalz um die besterhaltene Pfalz der Stauferzeit. Ihre Steinmetzarbeiten sind herausragend für die damalige Zeit. Als Fundament für ihren Bau dienten etwa 12.000 Baumstämme.
    -Die Pfalz war zehn Jahre nach Stadtgründung Schauplatz eines wichtigen Reichstags. Heinrich dem Löwen wurde auf diesem Reichstag 1180 in Abwesenheit der Prozess gemacht, und seine Länder wurden neu aufgeteilt.

    Quelle und Fotos der beeindruckenden romanischen Bausubstanz:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Gelnhausen
    https://de.wikipedia.org/wiki/Kaiserpfalz_Gelnhausen

    Weshalb an diesem Ort:
    -kleine Pfalzgröße, vglw. geringer finanzieller Aufwand
    -viel erhaltene historische Bausubstanz, Rekonstruktion einfacher möglich
    -vollständiges, bedeutendes Profanbauwerk der Romanik
    -viele Pfalzen heute noch teils erhalten, genaue Rekonstruktion aufgrund hoher Vergleichsmöglichkeit sehr wahrscheinlich
    -Da mir keine Pfalz bekannt ist, die vollständig rekonstruiert wurde, böte sich dieses schöne Bauwerk an. Gerade im Hinblick auf den Erhaltungszustand Gelnhausens: Mit langgestrecktem Unter- und Obermarkt, fünf erhaltenen Tortürmen und Teilen der alten Stadtbefestigung hat sich die frühere Reichsstadt ihr mittelalterliches Gepräge erhalten. Zugleich könnte sich hier ein touristischer Schwerpunkt entwickeln, mit dem nahen Einzugsgebiet Frankfurts und Umgebung.

    Fazit:
    Sehr viele begünstigende Faktoren, nur Gewinner (Stadbildliebhaber, Stadt Gelnhausen, Aufwertung der kompletten Umgebung und Synergieeffekt durch geschlosseneres historisches Stadtbild, Tourismus, Denkmalpflege), freies Gelände (allenfalls ein Parkplatz nebenan müsste entfernt werden), schönes Beispiel für die Sinnhaftigkeit von Rekonstruktionen und gleichzeitig Werbung für weitere Rekonstruktionen

    Einmal editiert, zuletzt von Zeitreisender (21. April 2017 um 17:06)

  • Warum sollte man eine staufische Kaiserpafalz rekonstruieren, die schon seit Jahrhunderten in Ruinen liegt und von der kein Mensch mehr weiß, wie sie en détail ausgesehen hat...?

    Tschuldigung, aber das doch Quatsch.... Und das kannst du doch nicht ernthaft wollen oder mit den Rekonstruktionen von bis 1945 erhaltengebliebenen und bestens dokumentierter Bauten vergleichen, die darüber hinaus noch im kollektiven Bewusstsein als soclhe (via Fotografien nämlich) erhaltengeblieben sind.

    So langsam glaub ich wirklich, dass einige hier mit Riesenschritten am liebsten in den Historismus zurückwandern wollen.....

  • Warum sollte man eine staufische Kaiserpafalz rekonstruieren...?


    Aus demselben Grund, warum man z.B. am Bodensee Pfahlbauten der Stein- oder Bronzezeit rekonstruiert hat, in Groß Raden (Mecklenburg) ein slawisches Dorf, mit der Saalburg ein Römerkastell (und es gibt im In- und Ausland noch zahlreiche weitere römerzeitliche Teil- und Vollrekonstruktionen), im Wald von Guedelon eine mittelalterliche Burg nachbaut oder bei Meßkirch eine karolingische Klosteranlage plant.

    Es handelt sich bei derartigen Projekten – sei es, daß sie erhaltene Reste mit einbeziehen, sei es, daß sie auf unberührtem Grund gänzlich neu entstehen - um eine Mischung aus archäologischer Rekonstruktion und experimenteller Archäologie. Zum einen soll hierdurch eine vergangene Epoche und Kultur durch ihre Bauwerke sinnfällig erfahrbar werden (gerade auch für den Laien), zum anderen dient dies der wissenschaftlichen Erforschung des baulichen Procedere. Dies in einen Topf zu werfen mit den Rekonstruktionen von im zweiten Weltkrieg zerstörten, im Stadtbild schmerzlich vermißten Gebäuden, ist einfach zu kurz gedacht.

  • Hallo Oktavian,

    entschuldige bitte, aber das, was du da schreibst, klingt für mich doch schon sehr arrogant und von oben herab besserwisserisch. Noch dazu in diesem Ton des Oberlehrers.

    Was mich nun angeht, so darf ich darauf hinweisen, dass ich bereits mehrfach in Gelnhausen war und konnte mir ein persönliches Bild von Stadt Gelnhausen mit einer außergewöhnlich schönen, romanischen Kirche und einem romanischen Rathaus und der ebenfalls romanischen Kaiserpfalz machen, kenne also die Situation vor Ort. Deshalb habe ich auch Zeitreisender zugestimmt. Keine andere Kaiserpfalz dürfte noch soviel an originaler Bausubstanz aufweisen, wie eben Gelnhausen. Aus deinem Urteil meine ich zwischen den Zeilen heraus zulesen, dass du bisher anscheinend weder die Stadt Gelnhausen, noch die dortige Kaiserpfalz besucht hast.

    Ich gehe deshalb davon aus, dass du noch bisher nie in Gelnhausen warst und gleichzeitig meinst, diese Kaiserpfalz sei nicht "im kollektiven Bewusstsein". Dass in Dresden, so weit weg von Gelnhausen, vielleicht Viele nie etwas von der Kaiserpfalz Gelnhausen gehört haben, glaube ich gerne. In Süddeutschland oder gar in Hessen, ist das freilich anders. Und wer sich eingehender mit Romanik in ganz Deutschland beschäftigt hat, für den sind die Stadt Gelnhausen und die Ruine der Kaiserpfalz Gelnhausen durchaus ein Begriff.

    Gerne möchte ich dir ans Herz legen, Stadt und Kaiserpfalz Gelnhausen einen Besuch abzustatten, um dir mit eigenen Augen unvoreingenommen erst einmal ein persönliches Bild davon zu machen. Ich selbst war mehrfach dort und war begeistert und ich bin der Meinung, die Stadt Gelnhausen samt der dortigen Kaiserpfalz sind wirklich einen Besuch wert. Man entdeckt im Laufe des Lebens, viele, einem bislang unbekannte Perlen. Und noch etwas: man kann nur lieben, was man kennt.

    Zusammenfassend vertrete ich die Auffassung und stimme Zeitreisender darin zu, dass die Kaiserpfalz Gelnhausen tatsächlich ein hochkarätiger Kandidat für den Wiederaufbau wäre, gerade eben, weil so ungewöhnlich Vieles aus dieser doch sehr weit zurück liegenden Zeit noch vorhanden ist und das Gesamtensemble mit der gut erhaltenen Altstadt ein Übriges zum Gesamtbild beiträgt.

  • Lieber Villa1895,

    aber selbstverständlich ist mir die Gelnhausener Kaiserpfalz ein Begriff - ich bin Historiker.

    Aber die Pfalz ist eben als RUINE im kollektiven Bewusstsein - das rechtfertigt nicht eine Pseudo-Reko.
    Du wirst mir doch nicht allen Ernstes die Pfahlbauten-Rekos (die ich gut finde) - die aber nur einen rein didaktischen Zweck haben - mit einer wissenschaftlichen Reko in eins setzen wollen, d. h. eine Reko, die irgendwann quasi als identisch mit dem Altbau, als ihr würdiger Nachfolger, gehandelt würde.
    Oder kannst du mir eine wissenschaftlich fundierte Dokumentation en détail vorlegen? D. h. Grundriss, Aufriss mit aufgehendem Mauerwerk (originale Höhe?), Dächern, Innenräumen und ornamentalen Details.
    Junge, Junge, ein starker Tobak. Ich nehme an, du bist auch Wissenschaftler?

    Und: Wieviele Rekos hast du schon hochgezogen? Ich etliche.

    2 Mal editiert, zuletzt von Oktavian (21. April 2017 um 22:11)

  • Es handelt sich bei derartigen Projekten – sei es, daß sie erhaltene Reste mit einbeziehen, sei es, daß sie auf unberührtem Grund gänzlich neu entstehen - um eine Mischung aus archäologischer Rekonstruktion und experimenteller Archäologie. Zum einen soll hierdurch eine vergangene Epoche und Kultur durch ihre Bauwerke sinnfällig erfahrbar werden

    Eben. Sagte ich doch! So eine Reko für Lehrzwecke kann man sehr gerne machen - bin ich voll dafür. Aber doch nicht an Stelle der originalen Pfalz bzw. deren Reste, die man damit nur verhunzt.....

    OmG. Im Grunde genommen stehen wir jetzt wieder im Jahre 1900 bei Dehio. :kopfwand:

    Kann mir hier mal bitte jemand zur Seite stehen????

  • Im Prinzip hat Oktavian recht. Gerade die recht umfangreichen Baureste machen eine Rekonstruktion am Originalstandort technisch sehr schwierig und auch wenig wünschenswert, da die erhaltenen Baureste in ihrer Unvollständigkeit ein authentischeres Bild abgeben als eine phantastische Rekonstruktion. Aus diesen Gründen werden die Behörden ein solches Projekt ablehnen.

  • Zitat von Rosenkavalier

    Kann mir hier mal bitte jemand zur Seite stehen????

    Gerne!!!


    Was soll draus werden, Zeitreisender? Doch bloß ein steriler, pseudohistorischer Bau ohne Charakter. Wem hauen etwa die "rekonstruierten" römischen Villen und Befestigungsmauern vom Hocker? Was wird an der Kaiserpfalz schöner, wenn sie ein Dach rüber hat? Ein modernes Dach, das authentische Substanz verdeckt???
    Da geben doch die authentischen Mauern auf sich allein gestellt weit mehr her!
    An grenzwertigen Rekoprojekten fiele mir weit Besseres ein, zB der Dom zu Goslar.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Im Ernst?
    Das ist doch "Reko" zum Abgewöhnen.
    Oder hab ich eine Ironie nicht verstanden?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Dann schon lieber historistisch romantisiertes Mittelalter wie in Goslar!

    Aber bitte nicht solche postmodernen Sparkassendächer auf so wichtigem Kulturgut.

  • Ich fürchte, hier wird schon nach wenigen Beiträgen ordentlich aneinander vorbei geredet. Die einen nehmen alles bierernst, für andere ist das Thema bloß eine Gedankenspielerei. Da sogar der Threaderöffner das Thema mit einer Frage eingeleitet hat ("Ist es möglich, eine Kaiserpfalz komplett zu rekonstruieren?"), möchte ich vermuten, daß es auch ihm vorrangig um eine Gedankenspielerei geht und nicht darum, eine Bürgerinitiative zu gründen oder eine Onlinepetition zu starten, die eine Rekonstruktion der Gelnhauser Pfalz realiter erreichen will.

    Und nein: ich selbst wollte keine Rekonstruktion und Komplettwiederherstellung der Pfalz (oder, weil Dehio Erwähnung fand, des Heidelberger Schloßes, genauso wenig wie ich wollte, daß eine gotische Schnitzmadonna mit fragmentarischer Originalfassung neu angepinselt oder ein bruchstückhaft erhaltenes Fresko fertig gemalt wird). Mir genügen die originalen, überlieferten Reste. Dessen ungeachtet wird man aber doch wohl noch in einem Diskussionsforum Gründe sammeln und abwägen dürfen, die für eine Rekonstruktion eines als Ruine überlieferten Gebäudes sprechen könnten.
    Daß eine Rekonstruktion zu (wie von mir angeführt) Lehr- und Anschauungszwecken ohnehin eine Ausnahme sein sollte und nicht wie im Historismus angestrebte Regel, ist doch ohnehin klar.

  • Doch bloß ein steriler, pseudohistorischer Bau ohne Charakter. Wen hauen etwa die "rekonstruierten" römischen Villen und Befestigungsmauern vom Hocker?

    Mich durchaus. Ich finde das Eintauchen in das Raumgefühl einer historischen Epoche anregender als die Betrachtung von meist immer gleich aussehenden Steinresten. Auch viele Burgen wären heute ohne Rekonstruktionsbemühungen seit dem 19. Jahrhundert kaum noch erfahrbar bzw. allenfalls als Ort einiger bröckeliger Mauern.
    Hier hatte ich mal Bilder vom Pompejanum in Aschaffenburg eingestellt, das eine freie Rekonstruktion einer römischen Villa darstellt (die an dieser Stelle natürlich nie gestanden hat). Mich hat das schon beeindruckt.
    Aschaffenburg (Galerie)
    Auch die Saalburg hat mir seinerzeit gut gefallen, und ich hoffe, dass diese weitergebaut wird.

  • Tja, hätten wir noch unsern Willem zwo wäre das alles kein Thema und Gelnhausen schon aufgebaut. Leider war der Kaiser viel zu viel mit anderen Traumprojekten beschäfigt, wie Hochkönigsburg und Saalburg. :thumbup::koenig:
    Dem Argument nichts wäre authentischer als die konservierten Ruinenmauern könnte man entgegenhalten, daß sie weiterhin der Witterung ausgesetzt wären und damit dem weiteren Verfall. Ein modernes Schutzdach nur alles verunstalten würde und eine wissenschaftliche, kritisch archäologische Reko die einzig sinnvolle Erhaltungsmaßnahme unter gleichzeitiger Nutzungsmöglichkeit wäre. Wenn ich an die herrlichen Reliefplatten seitlich der Kaminkragsteine denke, tut's mir weh diese so offen Wind und Wetter ausgesetzt zu sehen. Ein Kompromiß wäre Teilrekos zu bauen, dort, wo die Reko unstrittig ist, also weitestgehend authentisch nachvollziehbar ist, z.B. diesen Kaminraum (und evt. darüber liegende, die freilich dann eher spekutaltiv wären, aber es braucht ja ein Dach), diesen museal zu nutzen und die anderen Bauteile so zu belassen. Das wäre dann Prinzip "Heidelberger Schloß" - Ruine plus Teilreko!
    Eine Vollreko würde viel von der mystischen Romantik solcher Orte nehmen und damit ein Wesensmerkmal, einen Identifikationsort der deutschen romantischen Seele. Sehnsucht nach einer heileren, vorgestellten mittelalterlichen Welt ... .

  • Aus demselben Grund, warum man z.B. am Bodensee Pfahlbauten der Stein- oder Bronzezeit rekonstruiert hat

    Rekonstruiert? Nein! Man weiß doch gar nicht, ob es hier überhaupt Pfahlbauten gegeben hat, und schon gleich gar nicht, wie sie ausgeschaut haben. Es sind Phantasieprodukte, die entstaden sind, als Pfahlbauten gerade Mode waren.