EU-Gesetze zum Erhalt historischer Häuser

  • Wie wäre es, wenn alle Europäer und EuropäerInnen sich zusammentun würden, um um für eine EU Richtlinie oder Verordnung zu kämpfen, die so lauten würde: Jedes Gebäude, das vor 1945 oder 1949 gebaut wurde, ist automatisch geschützt.

    Ob man da Erfolg hätte? Mit einer guten Kampagne und vielen Leuten dahinter könnte man womöglich etwas in die Richtung lenken? Alleine ist man bekanntlich immer schwach. Aber wenn man ein bisschen recherchiert, merkt man schnell, dass es auch in Schweden, Italien, Ungarn oder Irland jede Menge Vereine gibt, die sich für genau dasselbe einsetzen, wie Stadtbild Deutschland.

    Stadtbild Deutschland möchte Deutschland im europäischen Vergleich, was historische Städte betrifft, "pushen", wie wäre es aber, wenn wir versuchen, ganz Europa im weltweiten Vergleich zu "pushen"?

  • Ich denke, der Ansatz ist zu pauschal. Nicht alles von vor 1945/49 ist so bedeutend, dass es erhalten bleiben müsste.

    Meines Wissens ist ungefähr 3% der Bausubstanz in Deutschland denkmalgeschützt. Nach einer Statistik sind von den rund 19 Mio. Wohngebäuden in D etwa 5 Mio. bis 1949 entstanden, so dass dann plötzlich um die 26% geschützt wären. Das würde zur Akzeptanz des Schutzstatus nicht beitragen, das wäre eine Inflation.

    Was soll "geschützt" heißen? Darf nicht abgerissen werden, ok, ein Aspekt. Sind da dann die klassischen Denkmalschutzkriterien anzuwenden, wenn es saniert wird? Also Holzfenster, Ziegeldeckung (jedenfalls in den meisten Fällen) etc. Wer überwacht das? Wenn das überwacht werden soll, müssten die Behörden um ein vielfaches größer werden.

    Ich halte die Idee für wenig praktikabel und vermutlich auch nicht zielführend.

  • Also ich finde schon, dass praktisch alles vor diesem Datum geschützt werden sollte. Ich habe schon zahlreiche sehr "einfache" Bauten gesehen, die, wenn sie richtig restauriert wurden, also eben mit Kastenfenstern, etc., toll aussahen und eine Ortschaft aufwerteten. Das heißt: Ja, die Gebäude sollen stilgerecht wieder instandgesetzt werden. Nur "Prachtbauten" zu schützen ist meiner Meinung nach viel primitiver, es ist quasi ein Auslöschen aller Erinnerungen von großen Teilen der Gesellschaft, die es einst gegeben hatte. Das erinnert mich an Großmütter, die immer nur die gelungenen und schönen Fotos behalten, damit ja alles so in Erinnerung bleibt wie es in Realität genau nicht war.

    Des weiteren muss man in einem Dorf oder einem Stadtviertel die Gebäude wie Spieler betrachten, die sich gegenseitig ergänzen und aufeinander beziehen: So kann es neben einigen gehobeneren Stadthäusern oder Palais einfachere Bauten geben, wenn diese jedoch abgerissen werden, stört es möglicherweise das Stadtbild, und es geht ein Teil des "Flairs" kaputt, weil eben zu 3% (ich nenne gerade irgendeine Zahl) diese "nebensächlichen Bauten" dafür verantwortlich waren.

    Ich erwähne das, weil es ein bisschen ist, was in Wien passiert. Die nicht so teuren Gebäude die zwischen hochwertigeren Gebäuden stehen werden abgerissen, aber gerade diese nicht so teuren Gebäude sind genauso Teil des ganzen, wie die großen Prachtbauten.

    Außerdem geht es hier nicht wirklich um den architektonischen Wert dieser Gebäude, viel eher um ihre Rolle im stadtsoziologischen Aspekt. So gab es ja neulich eine Studie, wo Menschen meinten, sie würden sich in alten Städten wohler fühlen. Ich denke auch, dass alte Häuser dazu beitragen, dass es einen "Ortskern" gibt. Bei moderner Architektur ist das viel seltener der Fall. Ich denke so ein "Zentrum" zu haben ist aber sehr wichtig für das Wohlempfinden der Menschen.
    Nehmen wir jetzt als Beispiel ein kleines, verlorenes Dörfchen irgendwo in Europa. Angenommen es stehen dort alte Häuser, alle haben irgendwie ein bisschen einen Charme, aber architektonisch ist davon nichts wirklich wertvoll. Deiner Meinung nach wären die nun nicht schützenswert. Meiner Meinung nach sollte man, wenn es eine neue Bebauung in diesem kleinen Dorf gäbe, UM das Dorf herum bauen, und den Kern selbst sanieren und alles stilgerecht in Stand setzen. Ganz ehrlich, jeder und jede freut sich, wenn man einen schönen, zeigbaren, ja fast "glitzernden" Dorfkern hat (ohne es im kitschigen Sinn zu meinen). Und dass hier und da eine alte Scheune oder alte Fabrik steht, gehört nunmal dazu. Alles was neu ist, kann sich dann eben darauf beziehen, und rundherum, in diesem Kontext im Grunde, gebaut werden.

  • Wenn ich von den 3% Denkmalen ausgehe, sind da beileibe nicht nur die Prachtbauten geschützt. Von diesem Ansatz hat sich die Denkmalpflege schon lange entfernt. Das hielte ich auch für unsinnig, und das meinte ich auch nicht.

    Ich finde es trotzdem problematisch, alles vor Stichtag X pauschal schützen zu wollen. Es wird keine Akzeptanz finden, die Mehrkosten sowohl für die Sanierungen wie auch für die Überwachung wird niemand tragen wollen. Letztlich kann das den gegenteiligen Effekt haben, dass die derzeit praktizierte Denkmalpflege in Frage gestellt wird, wenn man das inflationär betreibt.
    Wenn es in Wien gerade so eine Abrisswelle gibt, muss man natürlich fragen, woher das kommt und warum die Mehrheit offenbar mit den Schultern zuckt. Daraus jetzt einen Impetus abzuleiten und alles, was alt genug ist, schützen zu wollen, erscheint mir aber dennoch zu viel. Unweigerlich wird die Frage kommen, was mit jüngeren Bauten ist, die aus den 50er/60er/70er Jahren stammen, und die heute auch schon zum Stadtbild gehören und die Stadt mit prägen. Und dann?

    Aber wenn es eigentlich um die Identität geht und das Gefühl in der Stadt, ist es dann der richtige Weg, auf "Heile Welt" zu machen und jeden alten Kasten mit hohem Aufwand wieder herzurichten?

  • Aber wenn es eigentlich um die Identität geht und das Gefühl in der Stadt, ist es dann der richtige Weg, auf "Heile Welt" zu machen und jeden alten Kasten mit hohem Aufwand wieder herzurichten?

    Was ist dein Problem mit einer heilen Welt in der Architektur?

    Schaue Dir die zahlreichen "alten Kästen" in der Galerie von Halle an der Saale an, die hier in Vergleichsbildern gezeigt werden. Der hohe Aufwand lohnt sich.

  • Wie wäre es, wenn alle Europäer und EuropäerInnen sich zusammentun würden, um um für eine EU Richtlinie oder Verordnung zu kämpfen, die so lauten würde: Jedes Gebäude, das vor 1945 oder 1949 gebaut wurde, ist automatisch geschützt.

    Mir leuchtet nicht ein, warum man hierfür eine EU Richtlinie oder Verordnung braucht. Bessere Denkmalschutzbestimmungen (bitte weniger pauschal als "vor 1949" o.ä.) kann man genausogut in den Gesetzen der jeweiligen Länder (also bei uns in die Landesbauordnungen usw.) verankern.

    Es gibt heute schon ein breites Unbehagen in vielen Ländern, dass die EU zuviel Zuständigkeiten hat.

  • Wenn ich von den 3% Denkmalen ausgehe, sind da beileibe nicht nur die Prachtbauten geschützt. Von diesem Ansatz hat sich die Denkmalpflege schon lange entfernt. Das hielte ich auch für unsinnig, und das meinte ich auch nicht.

    Ich finde es trotzdem problematisch, alles vor Stichtag X pauschal schützen zu wollen. Es wird keine Akzeptanz finden, die Mehrkosten sowohl für die Sanierungen wie auch für die Überwachung wird niemand tragen wollen. Letztlich kann das den gegenteiligen Effekt haben, dass die derzeit praktizierte Denkmalpflege in Frage gestellt wird, wenn man das inflationär betreibt.
    Wenn es in Wien gerade so eine Abrisswelle gibt, muss man natürlich fragen, woher das kommt und warum die Mehrheit offenbar mit den Schultern zuckt. Daraus jetzt einen Impetus abzuleiten und alles, was alt genug ist, schützen zu wollen, erscheint mir aber dennoch zu viel. Unweigerlich wird die Frage kommen, was mit jüngeren Bauten ist, die aus den 50er/60er/70er Jahren stammen, und die heute auch schon zum Stadtbild gehören und die Stadt mit prägen. Und dann?

    Aber wenn es eigentlich um die Identität geht und das Gefühl in der Stadt, ist es dann der richtige Weg, auf "Heile Welt" zu machen und jeden alten Kasten mit hohem Aufwand wieder herzurichten?


    Für mich gehören Bauten aus der Nachkriegszeit nicht zum Stadtbild weil sie nicht im Kontext dieses Stadtbildes gebaut wurden und somit nie ein Teil davon wurden. Oder sieht das hier für dich nach "Teil eines Stadtbildes" aus? Die Lücken gehören meiner Meinung nach wieder geschlossen, entweder mit Rekonstruktionen, oder Neubauten, die im selben Stil gebaut sind. Daran finde ich nichts falsches, denn ist auch eine Form der Weiterentwicklung, wenn ein Neubau in so einem Gebiet entsteht, der zwar denselben Stil wie die umliegenden Gebäude teilt, aber heute errichtet wurde. Im Grunde ist das dann nichts anderes als eben ein neues Haus, welches sich optisch an die Gegend anpasst. Hat man das nicht schon vor 150 Jahren auch zum Teil so gemacht? Demnach wäre ja die ganze Gründerzeit ein riesen-Fake. Heute sind wir froh diesen "Fake" zu haben. Am Ende werden sich die Leute sowieso freuen über was schön ist, und spätestens dann nach ein paar Jahrzehnten betrachten die Menschen eine Rekonstruktion oder einen neuen Altbau nicht mehr als "Fake".

    Mir leuchtet nicht ein, warum man hierfür eine EU Richtlinie oder Verordnung braucht. Bessere Denkmalschutzbestimmungen (bitte weniger pauschal als "vor 1949" o.ä.) kann man genausogut in den Gesetzen der jeweiligen Länder (also bei uns in die Landesbauordnungen usw.) verankern.
    Es gibt heute schon ein breites Unbehagen in vielen Ländern, dass die EU zuviel Zuständigkeiten hat.

    Wie würdest du das dann formulieren? Was müssen Bauten haben, damit sie bleiben dürfen? Ab dem Moment, wo es wieder eine Person ist (Sachverständige/r), die über so etwas entscheidet, und nicht ein Gesetz, welches hier radikal eine Trennung macht, kann man davon ausgehen, dass der Mensch wieder versagen wird, und zwar in der Form dass wieder Kuverts unter dem Tisch geschoben werden damit dieses oder jenes Haus nicht unter Schutz gestellt wird, damit dort was weiß ich welches Projekt wieder entstehen kann, etc. etc. Manches kann und sollte man auf jeden Fall Menschen überlassen, aber manches eben auch nicht, und ich bin der Meinung, dass man bei gewissen Dingen bessere Resultate erzielen kann und effizienter sein kann, wenn der Mensch hier nicht die entscheidende Rolle spielt, sondern der Staat als steriles und absolutes Wesen, welches nicht Denken kann und auch keine Emotionen empfinden kann, und zwar eben in Form von Gesetzen, die die Dinge klar voneinander trennen wie Schwarz und Weiß.
    Man muss sich ja nur einmal überlegen welche Faktoren bei einem Menschen alle eine Rolle spielen, die diesen als Sachverständiger durch die Erfahrungen in seinem Leben dabei deutlich beeinflussen könnten, welche Bauten er unter Schutz stellen würde. Vielleicht ist ein Haus gelb und unterbewusst erinnert ihn das an das Haus der alten Dame aus seiner Kindheit die immer aus dem Fenster geschaut hat und mit ihm geschimpft hat, diese Dame die ebenfalls in einem gelben Haus gelebt hat. Womöglich "punktet" dann ein gelbes, ähnlich ausschauendes Haus, bei diesem Sachverständigen weniger, nur ist sich dieser nicht bewusst weshalb das so ist. Das ganze dann andererseits in Gesetze "weniger pauschal" wie du sagst zu unterteilen wäre unendlich komplex, womit wir zu meiner zweiten Frage zurückkommen, nämlich was genau müssen Bauten haben, damit sie unter Schutz gestellt werden können? Eine gewisse historische Bedeutung? Eine soziale Bedeutung? Muss eine Persönlichkeit drinnen gelebt haben? Müssen sie Teil eines Ensembles sein? Müssen sie gewisse Fassadenelemente aufweisen? Müssen sie sich bereits in einem guten Zustand befinden? Das ist dann wieder so dieser menschliche Teil wo man versagen wird, und wo letztendlich wieder Bauten abgerissen werden, weil die einen gemeint haben, dass dieses oder jenes Haus nicht schützenswert war, während es andere womöglich ganz anders sehen. Und das wird so sein, weil es momentan bereits genauso geschieht, siehe Bundesdenkmalamt, etc. – es funktioniert genauso, wie du es beschrieben hast. Funktioniert es? Nein.
    Das einzige, bei was ich zustimme, ist dass so ein ziemlich "absolutes" Gesetz wahrscheinlich auf relativ hohe Kritik stoßen wird. Die Kunst ist jetzt nur, wie bringt man das rüber ohne sich allzu Feinde zu machen. Am Besten indem man sich vielleicht noch mehr Freunde macht, was dieses Thema betrifft?

  • Ab dem Moment, wo es wieder eine Person ist (Sachverständige/r), die über so etwas entscheidet, und nicht ein Gesetz, welches hier radikal eine Trennung macht, kann man davon ausgehen, dass der Mensch wieder versagen wird, und zwar in der Form dass wieder Kuverts unter dem Tisch geschoben werden

    Heutzutage läuft das eher so, dass diese Herrschaften gleich zum Bürgermeister/Landrat/Ministerpräsidenten laufen und denen so lange die Ohren vollheulen, wie wichtig doch ihr Projekt ist, bis die Entscheidungsträger das durchwinken. Die Masche mit dem Kuvert ist zu plump, da wird eher der politische Einfluss genutzt. Ist kein bisschen weniger korrupt, aber eine andere Methode.

  • Was ist dein Problem mit einer heilen Welt in der Architektur?
    Schaue Dir die zahlreichen "alten Kästen" in der Galerie von Halle an der Saale an, die hier in Vergleichsbildern gezeigt werden. Der hohe Aufwand lohnt sich.

    Wenn es denn unbedingt ein Problem sein soll: Heile Welt gaukelt etwas vor, was nicht da ist. Was soll damit erreicht werden? Das Idealbild einer Stadt heraufbeschwören? Und dann? Sollen unsere Städte dann gigantische Freilichtmuseen werden? Davon halte ich nichts. Das Wesen einer Stadt ist es, dass sie sich permanent wandelt. Wenn wir jetzt verlangen, die Stadt auf einem Zeitpunkt x quasi einzufrieren, mumifizieren wir sie. Stadt funktioniert so nicht.

  • Hat man das nicht schon vor 150 Jahren auch zum Teil so gemacht? Demnach wäre ja die ganze Gründerzeit ein riesen-Fake. Heute sind wir froh diesen "Fake" zu haben. Am Ende werden sich die Leute sowieso freuen über was schön ist, und spätestens dann nach ein paar Jahrzehnten betrachten die Menschen eine Rekonstruktion oder einen neuen Altbau nicht mehr als "Fake".

    Diesen Vorwurf hat man den Gründerzeitarchitektur lange Zeit tatsächlich gemacht - unecht, kitschig etc. Aber die Gründerzeitbauten haben sich oftmals überhaupt nicht an den vormaligen Bestand angepasst. Das Foto von der Keßlerstraße hier zeigt, was ich meine:
    http://www.uni-hildesheim.de/koreaweb/index…-kesslerstrasse
    Der Gründerzeitler nimmt von der Geschossigkeit und den Geschoßhöhen keinerlei Rücksicht auf den älteren Bestand. Ende des 19. Jh. war man nicht zimperlich damit, historische Bauten abzureißen oder eben auch in einer Idealvorstellung des historischen Bauen darzustellen. Als Gegenreaktion bildeten sich Heimatvereine und der moderne Denkmalschutzgedanke. Heute sehen wir diese Bauten in der Tat anders.

  • Für mich gehören Bauten aus der Nachkriegszeit nicht zum Stadtbild weil sie nicht im Kontext dieses Stadtbildes gebaut wurden und somit nie ein Teil davon wurden.

    Das ist aber eine persönliche Auffassung, die nicht jeder teilen wird. Als Grundlage für ein allgemeines Gesetz zum Schutz historischer Bauten ist das nicht geeignet.

  • Wenn es denn unbedingt ein Problem sein soll: Heile Welt gaukelt etwas vor, was nicht da ist. Was soll damit erreicht werden? Das Idealbild einer Stadt heraufbeschwören? Und dann? Sollen unsere Städte dann gigantische Freilichtmuseen werden? Davon halte ich nichts. Das Wesen einer Stadt ist es, dass sie sich permanent wandelt. Wenn wir jetzt verlangen, die Stadt auf einem Zeitpunkt x quasi einzufrieren, mumifizieren wir sie. Stadt funktioniert so nicht.

    Dein Unbehagen hängt sich an einem Idealbild auf? Mit harmonischen Ort- und Stadtbilder wäre uns bereits mehr als geholfen - Fehlanzeige. Du vergisst
    in deiner Vorstellung von Stadt wesentliche Aspekte in deiner Argumentation: Neben den großflächigen Zerstörungen durch den Weltkrieg den Wandel um welchen Preis sowie den Faktor Zeit. In den beiden letzteren Fällen sind menschliche Maßstäbe augenscheinlich abhanden gekommen - architectura pro homine!

    Jeder, der sich die Fähigkeit erhält Schönes zu erkennen, wird nie alt werden.
    http://www.archicultura.ch

    Einmal editiert, zuletzt von zeitlos (10. April 2017 um 22:26)

  • Wenn es denn unbedingt ein Problem sein soll: Heile Welt gaukelt etwas vor, was nicht da ist. Was soll damit erreicht werden? Das Idealbild einer Stadt heraufbeschwören? Und dann? Sollen unsere Städte dann gigantische Freilichtmuseen werden? Davon halte ich nichts. Das Wesen einer Stadt ist es, dass sie sich permanent wandelt. Wenn wir jetzt verlangen, die Stadt auf einem Zeitpunkt x quasi einzufrieren, mumifizieren wir sie. Stadt funktioniert so nicht.


    Also ich verstehe das Argument des Freilichtmuseums nicht, Städte sollen schön und lebenswert sein. Als Haussmann Paris veränderte, versuchte er nicht, ein Freiluftmuseum draus zu machen, er versuchte, die Stadt aufzuwerten, was ihm auch gelang. Die Wandlung findet meiner Meinung nach eben nicht statt, wenn Nachkriegsbauten erhalten werden, weil sie Teil der Geschichte sind (Interessanter Artikel dazu). Die Städte sollen sich wandeln, und zwar in Form von klassischen Neubauten oder Rekonstruktionen.
    Natürlich lässt sich die Stadt dann ebenfalls als "Museum" verwenden, das schadet aber denke ich niemandem, ganz im Gegenteil, gerade in unstabilen Zeiten wäre es doch gut, mehr Touristen über unseren Kontinent zu verteilen, und somit Kapital aus dem Ausland zu importieren. Das könnte unsere größte Stärke sein, der Tourismus, aber wir nützen ihn nicht genug aus.

    Aber mein Grundgedanke war eigentlich, dass sich in Europa viel mehr Menschen für dieselbe Sache finden würden, als in den vereinzelten Mitgliedstaaten, und dass man bessere Chancen hätte, den (besseren?) Schutz historischer Bauten zu erreichen, als auf nationaler Ebene.

  • Ich habe ja im Rahmen wirklich Sympathie für die Nostalgie und die Sensiblität, die hinter deinem Vorschlag steckt, nur müssen wir doch realistisch bleiben.
    Und da stellst sich für mich zuerst die Frage der Finanzierung. Denn es reicht ja nicht aus, Gebäude einfach "unter Schutz" zu stellen, sondern sie sollen instandgesetzt und dann langfristig erhalten bleiben.

    Dabei ist es doch nun schon in unserem "reichen Deutschland" so, dass immer noch unzählige Bauten aus der Zeit vor 1945/49 verfallen, darunter unstreitig architektonische und kulturelle Kostbarkeiten, sowie auch stadtbildprägende (wie z.B. die Vielzahl heruntergekommener Bahnhofsgebäude).
    Ich wäre schon froh, wenn hierfür entsprechende Mittel bereitgestellt würden (u.a. auch durch mehr Steuererleichterungen, Zuschüsse, mehr Bundesmittel). Dies ist doch jetzt schon bereits nicht der Fall.

    Wenn du den Schutzbereich nun noch so exzessiv ausdehnen willst, pauschal jedes Gebäude vor 1949 zu erfassen (von jedem Bauernaus in der Prignitz bis zu Gewerbe/Industriegebäuden aus den 1930ern), wird eine Finanzierung erst recht nicht ausreichen und geschehen.

    Für deinen Vorschlag wäre eine gigantische Umverteilung aus anderen Bereichen erforderlich (vom sozialen Bereich über die innere Sicherheit bis zur Bundeswehr und der Schuldentilgung). Auch Geld für Rekonstruktionen würde fehlen. Und das alles für Gebäude, die teilweise real (aufgrund der Lage usw.) dann noch nicht einmal genutzt würden.

    Und wenn du zudem eine Zuständigkeit der EU begründest, wird dies auch dazu führen, dass zumindest eine Mit- Finanzierung über den EU-Haushalt erfolgt. Und da ärmere EU Länder (wie Rumänien, Bulgarien usw.) wohl kaum die Mittel dafür aufbringen können, ist klar, wer für solche Transfers letztlich aufkommen wird.

    Das könnte man (theoretisch) alles machen. Ich gebe nur die Reaktionen zu bedenken, die ein solches Vorhaben in Deutschland und den anderen Ländern auslösen wird.
    Und das zudem in einer Zeit, wo Südeuropa, einschließlich Frankreich in großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt.

    Ich bin kein Denkmalpfleger und verstehe schon deinen Unmut über die Entscheidungen einzelner Sachbearbeiter. Nur ohne eine Eingrenzung (die von Fachleuten getroffen werden sollte) ist es utopisch, in Politik und Bevölkerung die notwendige Unterstützung für den Denkmalschutz zu erreichen.

  • Zitat von Strangautor

    wenn alle Europäer und EuropäerInnen

    Hauptsache, du hast es gegendert, damit muss der Aktion ja ein Erfolg beschieden sein.
    Allerdings ist diese Form der Genderung zutiefst frauenfeindlich.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Gesetze, Gesetze.
    Wenn so ein altes Bauernhaus irgendwo in der Pampa, wo alle schon weggezogen sind, verfällt, weil es dort keine Arbeit mehr gibt, dann helfen da keine Gesetze. Alte Häuser brauchen Nutzer, die sie liebhaben, und die kann man nicht herbeibefehlen.

  • Gesetze, Gesetze.
    Wenn so ein altes Bauernhaus irgendwo in der Pampa, wo alle schon weggezogen sind, verfällt, weil es dort keine Arbeit mehr gibt, dann helfen da keine Gesetze. Alte Häuser brauchen Nutzer, die sie liebhaben, und die kann man nicht herbeibefehlen.

    Tja, genau so kommt es ja schon. Vor ein paar Jahren gab es mal die Feststellung, dass aktuell mehr Menschen in Städten leben als auf dem Land - global gesehen. Das war wohl das erste Mal in der Menschheitsgeschichte. Die ländlichen Räume leiden nicht erst seit gestern unter dem Wegzug der Bevölkerung, die Menschen ziehen der Arbeit hinterher. Gerade im ländlichen Raum gibt es aber eine große Zahl historischer Bauten, von den Dorfkirchen angefangen über Schlösser und Herrenhäuser zu den Bauernhöfen mit ihren verschiedenen Bauten bis hin zu Backhäusern, Feldkreuzen und was sonst noch alles (neulich im "Holznagel" was zu Tanzlinden und deren Umbauung mit Tanzböden gelesen). All das ist durch die Anziehungskraft der Städte im höchsten Maße gefährdet und wird verloren gehen. Ich gehe davon aus, dass wir in nicht allzuferner Zukunft neue Wüstungen haben werden, gerade in den ohnehin dünn besiedelten Regionen, wie Meck-Pomm, Wendland, Weserbergland, aber auch andernorts - die Infrastruktur für ein 200-Seelen-Dorf aufrechtzuerhalten wird nicht mehr bezahlbar sein, wenn von den 200 immer mehr abwandern und noch 50 alte Menschen über bleiben.

    Da kann ich Loggia nur beipflichten: da hilf kein Gesetz.

  • Gesetze, Gesetze.
    Wenn so ein altes Bauernhaus irgendwo in der Pampa, wo alle schon weggezogen sind, verfällt, weil es dort keine Arbeit mehr gibt, dann helfen da keine Gesetze. Alte Häuser brauchen Nutzer, die sie liebhaben, und die kann man nicht herbeibefehlen.


    Ich finde das sehr kurzsichtig. Es geht darum, attraktive Ortskerne zu schaffen. Ich bin der Meinung, dass selbst ganz kleine Dörfer eine gewisse Attraktivität aufweisen können, wenn sie richtig saniert wurden. Ein Ort muss auch 'Lust' geben, damit man dort hinzieht. Es gibt nicht gerade wenige Menschen, die beschließen, an einen Ort zu ziehen, weil sie sich in ihn verliebt haben, auch wenn die Arbeit dann vielleicht 60 km entfernt ist, oder gar mehr.

    Außerdem richtete sich meine Idee eher daran, dass solche Häuser nicht abgerissen werden können. Wenn sie dann verfallen, weil niemand drinnen lebt, ist das ein anderes Thema. Gesetze, die die Erhaltung von Bauten regulieren, haben meiner Meinung nach große Einwirkungen auf die Sorte von Menschen, die an solch einen Ort dann hinziehen will. Man schaue sich mal bestimmte Dörfer in Frankreich an: Es muss ein bestimmter Stein für die Fassade verwendet werden, es muss bestimmte Formen aufweisen, das Dach muss eine bestimmte Farbe haben, etc. etc. Zuerst denkt man sich, dass das schon fast ein Eingreifen in die persönliche Freiheit wäre. Ist es aber nicht, denn gerade durch solche Gesetze wird dann bestimmt, wer wo hinziehen wird (unter anderem, es zählen natürlich auch noch anderen Faktoren). So wird zum Beispiel niemand, der auf ein modernes Haus aus Glas und Beton steht, in so eine Gegend hinziehen, weil die Gesetze es schon von Anfang an so machen, dass diese Person ihr Projekt dort nicht umsetzen können wird. Für diese Person gäbe es dann andere Gegenden, die von Häuser aus Glas und Beton charakterisiert sind.

    In meinen Augen ist das ein sehr unterschätztes Problem. Zu viele Menschen ziehen nicht tatsächlich da hin, wohin sie sich eigentlich angezogen fühlen. Heute spielt die Umgebung kaum eine Rolle mehr, weshalb sie letztendlich auch immer seltener respektiert wird. Nicht selten haben ich mit Menschen auf der Straße geredet, die meinten, die Gegend, in der wir gerade stehen würde, und die ganzen alten Häuser wären ihnen komplett gleichgültig. Das einzige was zählt, ist die Arbeit, und dann das sich zu Hause Einschließen in der eigenen Blase. Ich denke genug Menschen wären glücklicher, wenn sie an einem Ort leben würden, der ihnen tatsächlich entspricht, selbst, wenn sie dabei deutlich weniger verdienen würden. Aber die Menschen heute sind wie riesige Babies, man muss quasi für sie denken. Und sie entsprechend durch Gesetze relokalisieren. Von solchen "sozialen Durchmischungen" halte ich nichts: Am Ende ist niemand glücklich, und die Gegend wird noch dazu verhässlicht.

  • Es bleibt die Frage: wer soll das bezahlen?
    Häuser, die per Gesetz nicht abgerissen werden dürfen und verfallen, sind keine ernsthafte Alternative.

    2 Mal editiert, zuletzt von newly (20. April 2017 um 05:03)

  • Die Kostenfrage ist das eine, ein "geplanter Verfall" kann nicht wirklich das Ziel sein.

    Ich glaube, Du überschätzt auch die Wirksamkeit von solchen vermeintlichen Steuerungsinstrumenten, wie Gestaltungsvorgaben. Nur weil es hübsch aussieht, wird sich kaum jemand dazu hinreißen lassen, in irgendeine Einöde zu ziehen. Die Infrastruktur muss auch vorhanden sein, nicht nur grundlegende Dinge wie Strom, Wasser, Abwasser, Straßen, Telefon und Internet, sondern auch Einkaufsmöglichkeiten, Schulen, Ärzte etc. Wohnen alleine reicht nicht.

    Die Eingriffe in die Gestaltung des Eigentums sind sehr wohl grundrechtsrelevant. So weit ich weiß, ist die Rechtsprechung da eher auf Seiten der Eigentümer, so dass Gestaltungsvorgaben bei Neubauten regelmäßig hinten runter fallen, weil die Gerichte die Eigentumsrechte als höherrangig ansehen als den Gestaltungswillen der Kommunen.

    Die Denkrichtung, die Menschen durch Gesetze quasi erziehen zu wollen, halte ich für verfehlt und gefährlich. Verfehlt, weil das Verhalten sich durch Gesetze, die bestrafen, schon nur bedingt beeinflussen lässt (sonst wären die Richter arbeitslos). Aber viel mehr noch für gefährlich. Damit sagt man effektiv, dass der davon Betroffene selber nicht in der Lage ist, "richtig" zu denken. Das wirft auch die Frage auf, wer definiert, was "richtig" ist. Aber viel mehr noch raubt es dem Menschen die Mündigkeit, selber zu entscheiden, was für ihn richtig und falsch ist. Wenn jemand sagt, es ist mir egal, wie es da und dort aussieht, muss man das akzeptieren. Umerziehungsmaßnahmen sind ein brandgefährliches Thema für eine freiheitliche Gesellschaft, von solchen Ideen würde ich die Finger lassen. Das heißt, dass wir auch Dinge akzeptieren müssen, die wir nicht mögen oder unschön finden, so lange sie im Rahmen der Gesetze existieren.