Deutscher Fassadenpreis für vorgehängte hinterlüftete Fassaden (VHF)

  • Ich bin gerade auf die Website des Deutschen Fassadenpreises 2016 gestoßen. Dort wurden in mehreren Kategorien Fassadenpreise vergeben.
    Ein paar davon möchte ich Euch gerne präsentieren. Die Entwürfe und die begründenden Beschreibungstexte der Jury sind an banalität und dumm- dreister Plumpheit kaum zu toppen. Besser hätte es nichtmal ein BDA-Mitglied formulieren können. Besonders interessante Stellen habe ich mal unterstrichen. (Kann gerne ungefragt auf Facebook gepostet werden)

    Aber seht selbst, hier ein paar Auszüge:

    Wohnhaus, 1. Platz Wohn- und Geschäftshäuser
    Gabelsbergerstraße 26-30, 92637 Weiden

    Auszug aus der Jurybegründung:
    Wie eine Partitur wird die gleichtönige Reihung der Fenster durch graue Felder wie mit Fensterläden in verschiedene Richtungen geklappt. Karminrote Rahmen, die Farbe von Schinkels Frühstückszimmer in Schloss Charlottenhof, bilden die Wellenform der verspringenden sechs Flächen im roten Hauptton. Es entsteht ein Klangbild, das behutsam durch graue Lisenen an den Ecken und einen ebensolchen Sockel gefasst wird. Die ehemaligen Faschen werden in den hellen Grundton einbezogen, im Grau neu interpretiert und im Rot erweitert.
    Eine solche Farbpartitur wird von den Werkzeugen des Computers unterstützt und könnte als Vorbild für viele Wohnbauten in Farbvariationen dienen. So kann in der Provinz doch ein wenig der Klang der Welt vernommen werden und von hier aus weiter klingen.


    Kindertagesstätte, 2. Platz Öffentliche Gebäude
    Elbestraße 21, 51373 Leverkusen

    Auszug aus der Jurybegründung:
    Der Neubau einer Kindertagesstätte in Leverkusen-Rheindorf besticht zunächst durch klare Architektur in mitten einer diffusen Bausituation aus den 50er Jahren
    Was sich zunächst im Entwurf und auch bei Tageslicht noch als zurückhaltend licht-gelbe, am Architekturraster orientierte, Gliederung ohne nennenswerte Farbperspektive auf dem genauen Verputz darstellt, erweckt bei Dunkelheit den Anschein einer Fassade mit zurückliegenden, hell erleuchteten Loggien.


    Robert-Bosch-Stiftung, 1. Platz. WDVS-Fassaden
    Karthäuserstraße 119, 79104 Freiburg



    Auszug aus der Jurybegründung:
    Wie frisch gewürfelt purzeln die Kuben in Freiburg den Hang entlang.
    Damit die Schüler des United-Word-Colleges der Robert-Bosch-Stiftung ihre internationale Verständigung auch architektonisch unterstützt erleben, wurde eine dorfähnliche Struktur oberhalb der Dreisam gebaut. Das Dorf am Mühlkanal bildet in Maßstäblichkeit und Anordnung ein Ensemble von Alt und Neu in freier offener Anordnung. Für die Schüler- und Tutorenwohnungen wurden Typologien entwickelt, die auch differenzierte Wohnbedürfnisse zulassen. Öffnungen und Ausnehmungen sind klassisch und gekonnt subtraktiv entworfen.
    So bleiben die Häuser als Körper klar und stellen das städtebauliche Motiv in den Vordergrund.
    Dafür gut geeignet ist das ausgeführte Wärmedämm-Verbundsystem. Stark plastischer, vertikaler Besenstrich-Auftrag mit einem abgestimmten Farbkanon erzählt zugleich von Einheitlichkeit und Abwechslung, „Die Regel macht das Spiel."


    usw... :kotz:

  • Ich glaube, wir sind einfach viel zu blöd. Einfach zu blöd, um die wahre Schönheit und den wahren Wert dieser Bauten zu erkennen! In Wahrheit ist das jetzt schon denkmalschutz-, nein welterbewürdige Gebäude. Sagen vielleicht die, welche den Studiengang „Hässlicher unsere Städte und Gemeinden“ besucht haben...

    Herzliche Grüße

    Bilder von mir finden sich auch bei Wikimedia.

    Einmal editiert, zuletzt von Wangener (21. März 2017 um 15:14)

  • Beim der Wahl zum "Fassadenpreis" ist augenscheinlich nicht die Fassade (als Ganzes) eines Gebäudes Gegenstand der Betrachtungen, sondern allein die (Verwendung von) Farben (im Sinne des verwendeten Materials).

    Dies legt jedenfalls ein Blick auf den den Preis Auslobenden nahe.

    Die Begründungen für die Preisverleihungen sind jedenfalls Realsatire vom Feinsten und unter deisem Blickwinkel sehr lesenswert.

    Einmal editiert, zuletzt von Andreas (17. August 2017 um 14:09)

  • Habt Ihr etwa nicht sofort an die "Farbe von Schinkels Frückstückszimmer" gedacht? Aber es geht natürlich noch gruseliger:

    Architekturpreis Beton :)

    Ein echter Höhepunkt: http://www.hot-architekten.de/html/g_arn/g_arn.html

    Die hiesige Niederlassung des InformationsZentrums Beton wurde übrigens auch mit einem "Architekturpreis" ausgezeichnet, obwohl es nur ein schiefer Betonklotz ist. Aber natürlich nicht mit dem Architekturpreis Beton selbst, das wäre ja zu auffällig :D

  • Auch wenn ich meine Vorschreiber wiederhole - das ist ja reinste Realsatire! :lachentuerkis::lachentuerkis::lachentuerkis:

    Interessant ist aber immer ein Blick "hinter" die Website. Hinter der Seite steht lediglich ein einzelnes Unternehmen - ein einzelnes Unternehmen unter Tausenden, das vorgibt, so wichtig und führend zu sein, dass es sich erdreisten kann, eine national wirkende Seite zu betreiben und an die Öffentlichkeit zu treten. Speziell interessieren mich in solchen Fällen immer die Preisrichter:

    3 Architektur-Ausbildner
    4 Architektur-Autoren
    5 Malerspezialisten

    Diese 12 Kobolde haben also einer Nation von 82 Millionen Einwohnern vorzuschreiben ans Herz zu legen, was gute, auszuzeichnende Fassaden sind.

  • Der Betonpreis macht seinem Namen auch alle Ehre.

    Preisbegründungen wie:

    "Durch die Jury besonders gewürdigt wird die auf faszinierende Weise gelungene Einfügung in den Bestand bei einem gleichzeitig radikal modernen äußeren Erscheinungsbild. Obwohl das Haus bis auf punktuelle Anknüpfungspunkte weder die Proportionen noch die Höhe der angrenzenden Gebäude aufnimmt, gelingt es ihm über seine zurückhaltenden Farbigkeit, seine gut proportionierte Gliederung und die kraftvolle Gestik seiner Fassade, die Nachbargebäude wie eine Klammer zusammenzuhalten."

    bedeuten in unsere Sprache übersetzt:

    Passt zwar nicht - egal Beton drüber - der hält´s schon zusammen.

    O.K. die Farbenindustrie will Farben, die Betonindustrie Beton verkaufen, das ist ja alles legitim. Aber kann man es nicht einfach dabei belassen die Produkte mit dem zu bewerben, was sie einfach sind ohne allem einen vermeintlich höheren Sinn zu geben?

    Was der Fassadenpreis aber gut zeigt ist: Die Verwendung von ein bisschen Farbe nach Schinkelscher Art macht aus einem langweiligen 60iger Jahre Bau noch lange keinen Charlottenhof. Da kann man noch so lange durch die rosarote äh kaminrote Brill(ux)e schauen.

    Einmal editiert, zuletzt von Andreas (21. März 2017 um 15:48)

  • Ich erinnere mich gerne an einen Ausspruch meines Architekturprofessors im 1. Semester. Für die Semesterarbeiten im Fach Entwurf gab es immer Zwischenpräsentationen vor versammelter Klasse. Ihr könnt euch vorstellen, nicht jeder hatte schon mit 20 Jahren eine gewandte Aussprache (zudem noch in Hochdeutschn, nicht in Schweizerdeutsch!). Bei einer der vielen Präsentationen mit "äähmmmms" und "hier sehen Sie..." würdigte der Professor den Mitstudenten mit:

    "Sie sind im Begriff, ein sehr guter Architekt zu werden. Sie können nämlich nicht sprechen."

  • Diese unmotiviert irgendwie auf die Fassade hingewürfelten Farbflächen sind scheints derzeit Mode.
    Bin heute durch die Charlottenburger Pestalozzistraße gegangen und habe ein wenig auf die Fassaden geguckt.
    Auch da ein vor vielleicht 1-2 Jahren neugestrichenes Haus (es ist ein entstuckter Gründerzeitler) mit so einer widersinnig draufgeklatschten Farbfläche.
    Demnächst will mein Mann eine Kamera kaufen, dann kann ich auch mal Fotos machen.
    Dann mache ich vielleicht mal einen Fassadenfarbmoden-Thread auf und stelle dazu Beispiele aus der Umgebung ein, es gibt da immer einige.
    Ist aber noch paar Wochen hin.

  • Die Satireseite gibt es auf Facebook bereits, sie heißt "Der Modernist". Wird zwar recht selten aktualisiert, aber die Beiträge sind immer höchst vergnüglich, obwohl der Hintergrund ziemlich ernst ist. Der Autor versteht es wunderbar die selbstgefällige Architekturszene und zeitgenössische Bau"kultur" vorzuführen.

    In dubio pro reko

  • Solche Preise sind doch nicht erst zu nehmen. Jeder kann einen Preis ausloben und diesen dann werbewirksam verleihen. Dass diese "12 Kobolde" gleich die Autorität haben, irgendjemandem etwas vorzuschreiben, wie es hier nahegelegt wurde, ist doch absurd. Im schlimmsten Fall ärgert man sich, das solche – nunja – "Schmuckstücke" einen Preis verliehen bekommen haben. Im besten Fall lacht man über den Fakt, dass Brillux für so etwas Geld versenkt. Dass hier aber darüber diskutiert wird, ist genau der Grund, warum der Preis überhaupt existiert.

  • Der urspüngliche deutsche Fassadenpreis wurde wohl in Brillux Design Award umgetauft und soll ,,herausragende Leistungen im Malerhandwerk würdigen". Welche Schönheiten haben wir von den letzten veröffentlichten Preisträgern (2021) zu erwarten?

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    In der Kategorie Stilfassaden viel erfreuliches! Dafür im Kontrast z.B. bei modernen Wohngebäuden:

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    Hmm naja, ein wenig Struktur in der Fassade, was es wertiger wirken lässt, aber zu viel Wand, nicht so gut zusammengehende Farben/Materialien, zu wenig Fixpunkte fürs Auge.

    Schaut Euch die restlichen Kandidaten an, ein ebenso sehr durchwachsenes Bild:

    Was wurde aber nun mit dem deutschen Fassadenpreis? Dieser wurde offenbar vom Fachverband Baustoffe und Bauteile für vorgehängte hinterlüftete Fassaden e.V. gerne übernommen. Die Preisträger für 2022 sind da. Na was haben wir da denn für Schönheiten dabei?

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    Wow, ich glaube ich habe jetzt schon wieder genug, aber schaut gerne rein, ganz nach unten scrollen:

    Deutscher Fassadenpreis - FVHF.de

    Vielleicht bleiben wir dann doch lieber beim Brillux Design Award, die sich mehr aufs Handwerk stützen, statt auf diese industrielle Stangenware.

  • Snork 13. Dezember 2022 um 07:19

    Hat den Titel des Themas von „Deutscher Fassadenpreis 2016 - Karikatur oder traurige Realität?“ zu „Deutscher Fassadenpreis für vorgehängte hinterlüftete Fassaden (VHF)“ geändert.
  • St. Gallen

    Mann, Mann, die Schweiz ist ästhetisch auch richtig schlimm. Allein schon dieser rote Tennisplatz-Bodenbelag und die Fred Feuerstein-Bänke in Deinem ersten Link. Und wenn man den zweiten Link dreht, dann sieht man, natürlich in die Sichtachse der Brücke platziert, ein Plagiat des Dresdner Rundkinos. Hatte die SED mal die Mehrheit in der Gemeindevertretung oder ist auch in St. Gallen die Ostalgie-Welle ausgebrochen?.... :zwinkern: