Bremen - Neustadt (Galerie)

  • Nach Jahren des Aufschiebens habe ich heute einen freien Tag genutzt, um hier im Forum mal die Bremer Neustadt zu zeigen. Sie bildet den innenstadtnahen Teil des Stadtgebiets links der Weser und besteht im wesentlichen aus einem ehemals befestigten Teil aus dem 17. Jhdt., der aber selbst für Bremer Verhältnisse übel zerstört wurde im Zweiten Weltkrieg - und den typischen gründerzeitlichen Stadterweiterungen drumherum.

    Wenn man auf der Wilhelm-Kaisen-Brücke steht, zeigt sich folgender Blick (linkerhand die Teerhofhalbinsel, die bereits zur Neustadt gehört):

    Der Teerhof war ebenfalls komplett zerstört (Der Name kommt vom Teeren (Abdichten) der Holzschiffe) und bis in die 90er Jahre eine Brache mitten in der Stadt. Danach wurde er innerhalb weniger Jahre recht geschmackvoll bebaut:

    Diese recht gelungene Bebauung hat ganz klare Anleihen an die alte Speicherarchitektur und ist heute eine beliebte Wohnlage:


    Das liegt natürlich auch an solchen Panoramen:



    Die Neustadtseite des Teerhofs (der eine schmale Halbinsel ist, die kleine und "große" Weser voneinander trennt), sieht so aus:

    Über die kleine Weser kommt man nun in die sogenannte "Alte Neustadt", also den eigentlichen Teil der Stadterweiterung des 17. Jhdts., die beherrscht ist von westdeutscher Wiederaufbaurealität. Es gibt nur wenige erhaltene Straßenzüge aus der späten Gründerzeit, als bereits eine erste Sanierungswelle durch die tlw. sehr schmalen und düsteren passenderweise "Gänge" genannten Straßen der Neustadt zog:

    Aber das meiste sieht hier so aus (immerhin wurde der überkommene Straßengrundriss komplett übernommen, das ist aber auch wirklich der einzige Trost):

    Die zu einem breiten Parkgürtel umgewandelten ehemaligen Befestigungsanlagen führen uns in die Stadterweiterungen des 19. Jhdts.:

    und damit in den eigentlich interessanten Teil dieses Streifzugs, doch dazu später...

  • So, weiter gehts in der Bremer Neustadt. Wenn wir die oben gezeigten Neustadtswallanlagen und die Neustadtscontrescarpe hinter uns gelassen haben, geht es in das sogenannte "Flüsseviertel" (Straßen heißen nach deutschen Flüssen), ein in den letzten 15, 20 Jahren massiv von der urbanen Mittelschicht entdecktes Viertel mit einem sehr schönen Bestand an Bremer Häusern. Im folgenden ein paar Impressionen:

    Fahrradladen an der Lahnstraße:

    Brementypisch ist die andere Straßenseite von kleineren Reihenhäusern geprägt:

    Wir gehen in die Delmestraße mit diesen Eindrücken:

    Dies ist die andere Straßenseite derselben Straße. Man kann im folgenden schön das Understatement bei Bremer Haus sehen, die Häuser sehen von vorne im wesentlichen zweigeschossig aus (mit kleinen Dachgauben und einem Souterrain, typischerweise für die Küche):

    Dieselben Häuser von hinten zeigen aber ihr wahres Wesen: Es handelt sich nach hinten raus um 4 voll nutzbare Geschosse, da der Garten traditionell tiefer liegt (der Aushub wurde beim sehr hohen Grundwasserspiegel für die Erhöhung des Straßenniveaus verwendet) und das Dachgeschoss nach hinten voll ausgebaut ist:

    Die Illerstraße mit wieder kleineren Häusern:

    Die sich der Lahnstraße nach Süden anschließende nächste Querstraße heißt Pappelstraße - Hauptgeschäftsstraße des Flüsseviertels hier an der Ecke Delmestraße:

    Ein Blick in ein paar weitere Querstraßen, als erstes die nochmal die Delmestraße nach Norden:

    und nach Süden in die Donaustraße, im Vordergrund wieder die Pappelstraße:

    Die Isarstraße nach Süden:

    die Rheinstraße nach Norden:

    und als letztes -für heute- die Moselstraße:

    Ich denke, der immer wieder ganz besondere Flair der Bremer Altbauviertel kommt hier gut zum Tragen. Es ist einfach eine sehr schöne Form des Wohnens, man lebt sehr "zur Straße" in den Wintergärten, auf den Haustreppen, hat alles, was man zum Leben braucht, fußläufig. Für heute wars das erstmal, aber ich hab noch ein paar Fotos op Täsch ;).

    Einmal editiert, zuletzt von Heinzer (19. März 2017 um 20:50) aus folgendem Grund: Straßenverwechslung korrigiert

  • Kleiner Nachschlag Neustadt heute Abend:

    Wir starten mit einem Paukenschlag, nämlich diesem Hochbunker in der Moselstraße südlich der Pappelstraße:

    Blick zurück Richtung Pappelstraße:

    Ein Blick von Süden in die Donaustraße:

    Die nächste Querstraße südlich der Pappelstraße heißt Erlenstraße. Die Häuser südlich der Erlenstraße wurden erst nach dem ersten Weltkrieg errichtet. Hervorzuheben ist neben vielen unspektakulär-netten Wohnstraßen besonders die Ingelheimer Straße, die in Zwanziger Jahren in einem a.e. backsteinexpressionistisch, evtl. auch Art-Déco zu nennenden Stil bebaut wurde. Leider leidet auch sie unter der Bremer Krankheit, den häufig unpassenden bzw. ganz fehlenden Fenstergliederungen.

    Zunächst ein Blick von der Erlenstraße nach Süden im schon gewohnten Heinzerschen Gegenlicht:

    Fassadendetails, hier auch mal mit Original-Haustüren und Sprossenfenstern:

    Kleine Schmuckvase zwischen zwei Häusern, leider mal wieder keine passenden Fenster:

    In der Mitte bildet sich an einem kleinen Versatz der Straße eine platzartige Situation, die u.a. von diesen Häusern bestanden wird, insgesamt haben manche Straßenszenen hier wieder etwas Britisches:

    Und wieder raus aus der Ingelheimer Straße, zurück in den Historismus - hier noch ein Blick in die Bachstraße nach Norden, die letzte Straße vor der Friedrich-Ebert-Straße, die die östliche Grenze des "Flüsseviertels" bildet (rechts angeschnitten ein paar klassisch verhunzte Bremer Häuser):

    So, das waren meine Fotos des Flüsseviertels. In einem weiteren Teil zeige ich die Ortsteile Südervorstadt und Buntentor. Während es nie richtig schick war, "links der Weser" zu wohnen, so stellt der bislang gezeigte Teil doch so etwas wie die gediegenste Adresse der Neustadt dar. Östlich der Friedrich-Ebert-Straße wird es etwas rauher, auch wenn die Gentrifizierung längst angekommen ist. Doch dazu an einem der nächsten Abende mehr.

  • So, es folgt die letzte Runde Fotos aus meinem Neustadtspaziergang. Wie bereits gesagt, war v.a. die Gegend östlich der Friedrich-Ebert-Straße immer eher ein Kleine-Leute-Viertel. Zwar gab es auch hier v.a. in Form der Meyerstraße eine breite, repräsentative Wohnstraße, aber umgeben war diese von noch heute fast ärmlich wirkenden, schmalen Straßen mit kleinen Häusern.

    Allgemein gilt: je weiter man nach Osten kommt, umso kleiner werden die Häuser, umso schlechter wird der Renovierungsstand. In Huckelriede angekommen ist die soziökonomische Lage dann vergleichbar mit der der Problembereiche des Bremer Westens, auch wenn die grundlegende bauliche Struktur weiterhin durchaus reizvoll und die Gentrifizierung ganz allmählich von West nach Ost durch die Neustadt wandert.

    Gleich zu Anfang mal ein Beispiel für eine der schlichteren Straßen der Südervorstadt, von denen es durchaus noch mehr gibt und die ganz besonders gelitten haben unter Aufstockungen und Fassaden"verschönerungen":

    Ein Blick in die Kornstraße, quasi Verlängerung der Erlenstraße im Flüsseviertel und eine der drei Quer- und Geschäftsstraßen im Buntentor:

    Die erste der sehr schönen Querstraßen des Buntentors, die Sedanstraße, einmal nach Norden:

    und einmal nach Süden:

    Hier die Kolberger Straße:

    Hier die Graudenzer Straße (am ersten Haus rechts in der Straße wird gerade ein WDVS angebracht, ein Träumchen, das):

    Die Möckernstraße:

    Auch mal was aus der Zwischenkriegszeit, die Tauroggener Straße:

    Die Nettelbeckstraße mit dem zweiten Hochbunker der Neustadt:

    Die Gneisenaustraße:

    Die Yorckstraße nach Norden:

    und nach Süden:

    Bei diesen Häusern weiß ich es wirklich nicht: Kurioses aus der Rubrik "Altbauverhunzung" oder tatsächlich so gebaut?

    Die Gellertstraße (östlichster Punkt meines Spaziergangs, es geht so ähnlich durchaus noch weiter):

    Blick vom Buntentorsteinweg (nördliche Hauptachse) in die Yorckstraße

    und die Sedanstraße:

    Die Schwankhalle im Buntentorsteinweg:

    Typische gemischte Bebauung in einer typischen gemischten Bremer Geschäftsstraße, dem Buntentorsteinweg:

    So, das war es dann mit meiner Fotoausbeute vom letzten Donnerstag. Jetzt habt Ihr wieder Ruhe aus Bremen ;). Ich hoffe aber trotzdem und nocheinmal, Euch den einzigartigen Charakter der Bremer Wohnstraßen nähergebracht zu haben, auch wenn das diesmal doch mit Fokus auf die schönen Dinge geschehen ist und weniger mit meinem ätzenden Blick für die Absonderlichkeiten von Bremer Altbausanierungen, von denen es selbstverständlich auch in der Neustadt eine ganze Menge gibt.

    Doch das ist ein andere Thema für eine andere Zeit.

  • Danke für die Neustädter Eindrücke. Wann kommt man als Bremen-Tagesbesucher schon mal in die Neustadt?
    Sieht eigentlich ganz nett aus, aber irgendwie finde ich v. a. diese schmalen schnurgeraden Wohnstraßen mit fast ausschließlich niedriger Bebauung auch ein wenig monoton; ich glaube nicht, dass ich dort wohnen wollte.

    Noch zwei Zuträge:

    Super Schrägluftbild weserabwärts mit Alt- und Neustadt
    Gut zu sehen die am Lineal gezogene Siedlungsstrukturen der "neuen" Neustadtviertel. Im südlichen Finndorff gibt es das ja ähnlich heftig.

    Eine Erinnerung an das (stilistisch frühbarocke?) Hohentor in der nordwestlichen Neustadt, welches sich in der heute eher "gräsigen" Gegend zwischen Beck-Brauerei und Neustädter Bahnhof (Hohentorsplatz) befand. Das Hohentor wurde bereits 1825 abgebrochen.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Sieht eigentlich ganz nett aus, aber irgendwie finde ich v. a. diese schmalen schnurgeraden Wohnstraßen mit fast ausschließlich niedriger Bebauung auch ein wenig monoton; ich glaube nicht, dass ich dort wohnen wollte.

    Ja, das kann ich nachvollziehen. V.a. die Straßen, in denen die Häuser bis an den Straßenrand stehen (wie diejenige auf dem ersten Bild meines letzten Beitrags) machen einen ziemlich ärmlichen Eindruck, so etwas könnte mit etwas anderen Fassaden gefühlt auch in einer Favela stehen.

    Diese Art gründerzeitlicher Bebauung hat -neben aus meiner Sicht vielen Vorteilen, v.a. für ein nachbarschaftliches Zusammengehörigkeitsgefühl- natürlich auch Nachteile. Der Schnitt der Grundstücke ist sehr schmal (um Geld zu sparen, die Grundstücksbreite bestimmte den Preis), damit entsteht ein Missverhältnis von Gebäudetiefe und -breite, man nennt das in Bremen "Handtuchzimmer", also schmale, lange Zimmer, was die Belichtung v.a. in den unteren Geschossen in den typischerweise durch eine Schiebtür getrennten Wohn/Esszimmern auch erschwert.

    Hinzu kommen niedrige Grundflächen, viele dieser Häuser bringen es etwa auf eine Geschossfläche von 6x8 bis 6x9 m, tlw. sogar nur 5,5m Breite, daraus resultieren dann Flächen um die 50 qm (die sich Flur, Treppe, Küche und zwei Zimmer teilen müssen). Von der Großzügigkeit z.B. von Berliner oder Leipziger Altbauquartieren keine Spur, man (noch so´n Spruch aus Bremen) "lebt auf der Treppe", ist ständig mit Geschosswechseln beschäftigt, weil diese Häuser ja trotzdem fast immer 3 Geschosse plus Souterrain haben und am Ende nur 120 qm Wohnfläche, also Wäsche rauf, Kinder runter, was vergessen? Wieder rauf.

    Alle diese unbestreitbaren Nachteile (die natürlich v.a. Kennzeichen der ursprünglichen Arbeiter- und Handwerkerquartiere sind, in Schwachhausen gibt jedenfalls kein Problem mit zu geringer Grundfläche oder zu schmalen Häusern und Straßen) werden aber aus meiner Sicht durch die Vorteile aufgewogen. Man lebt in Bremen ganz anders als in anderen Großstädten, viel dichter, dörflicher fast, weniger anonym. Das kann natürlich für einen echten Großstädter wiederum auch anstrengend sein, es herrscht durchaus eine gewisse soziale Kontrolle mit allen Vor- und Nachteilen, auch wenn die Bremer traditionell leben und leben lassen, gibt es in jeder Straße natürlich Tratschtanten, die genau Bescheid wissen über alles.

    Aber -wie schon mehrfach gesagt- dieses Leben zur Straße (und nicht von ihr weg, wie sonst oft in Deutschland), das halte ich für ziemlich einzigartig. Die Leute sitzen wie vor 50 oder 100 Jahren auf Bänken in ihren Vorgärten und schauen sich das Treiben der Kinder an, zwischendurch mal ein Schwatz mit einem Nachbarn, sogar die Postboten kennt und grüßt man. Mit einer Freundin aus Hessen sind wir vor Jahren mal durch unsere damalige Wohngegend im Fesenfeld gegangen und sie sagte danach: Wohnen denn in den Häusern keine Menschen? Es sind ja nirgends Gardinen vorhanden! Erst danach merkte ich, wie anders hier anscheinend gewohnt wird. Auch die Gardinenlosigkeit ist ein Phänomen, welches sonst häufig mit den Niederlanden assoziiert wird.

    Insgesamt einfach eine interessante und in Deutschland einzigartige Spielart gründerzeitlicher Stadterweiterungen. Was "besser" ist, ist sicher schwierig zu sagen und auch abhängig von Gewohnheit. Es gibt durchaus auch Momente, in der ich mir auch mehr Urbanität, mehr Geschosse, weniger Piefigkeit wünschen würde, v.a. wenn ich mal wieder bei Freunden in Berlin war, deren Wohnungen ganz selbstverständlich die Gesamtfläche meines Hauses auf einer Etage haben - aber dann komme ich wieder zurück, und denke, ach, ischa auch ganz nett hier, nech - und nehm die Wäsche mit hoch.

    Einmal editiert, zuletzt von Heinzer (22. März 2017 um 09:39)

  • Und noch eine kleine Runde durch die Neustadt, zunächst der schon mal gezeigte Neubau am Hohentorsplatz, genannt "Das grüne Haus":

    Und mal wieder eine Nachkriegskirche in der Hohentorsheerstraße:

    Die quirlige Hauptmeile des "Flüsseviertels" in der Neustadt an der Kreuzung Langemarckstraße/Pappelstraße, rechts im Hintergrund einer der Hochbunker:

    Und die östliche Verlängerung der Pappelstraße, die Gastfeldstraße:

    Nochmal ein Blick in einer der typischen Zwischenkriegswohnstraßen, wie es sie überall in Bremen gibt, hier die Waterloostraße:

    Dit war't jewesen.

    Ein typischer, sehr gemischter Bremer Stadtteil, aber auch im Luftbild ist die gründerzeitliche, sehr strenge Rasterstruktur noch gut zu sehen:

    (GoogleMaps)

    Ziemlich zentral von "links oben" nach "rechts unten" zieht sich der abgefahrene Straßenzug Pappelstraße/Gastfeldstraße durch.

    Erkennbar an dem grünen Haus auch hier, dass die 50er Jahre als Architekturreferenz gerade en vogue sind. Gut gemacht ist das durchaus auch interessant, besser jedenfalls als die üblichen Rasterfassaden und WDVS-Kisten. Allerdings auch viel Schatten mit zahlreichen verhunzten Häusern und unpassend gefüllten Bombenlücken.

  • Die Neustadt dürfte der einwohnerstärkste noch überwiegend von Bremer Häusern geprägte Stadtteil sein. Und das Bremer Haus gibt hier alles, alle Formen, alle Stile, die ganze städtebauliche Pracht und Abwechslung in diesem Stadtteil auf der "schäl Sick" Bremens.

    auch die noch nicht perfekt sanierten Häuser haben ihren Charme:

    Im Folgenden möchte ich den Fokus eher auf einzelne Häuser als ganze Straßenzüge oder -abschnitte legen. Die Variantenvielfalt des Bremer Hauses ist wirklich phänomenal. Glaube nicht, dass es solche architektonische Abwechslung auf so wenig Fläche und aus der gleichen Epoche in Deutschland nochmal gibt.

  • In der Neustadt gibt es die komplette Palette der Vielseitigkeit des Bremer Hauses, hier mal drei kleinere:

    (Leider mit Kiesvorgarten und verfliester Treppe, aber das kann man ändern)

    Genial sind diese halböffentlichen Vorgartenzonen, die wirklich viel genutzt werden, so dass es schwierig ist, die mal ohne Menschen zu erwischen. Man sitzt in den Wintergärten/auf den Treppenabsätzen/den Terrassen zur Straße, trinkt einen Kaffee und schnackt mit den Nachbarn, dabei hat immer jemand lose die Kinder im Blick:

    So entsteht ein nur als bremisch zu bezeichnendes Lebensgefühl, wüsste nicht, dass es sowas in anderen Großstädten in Deutschland nochmal gäbe. Selbst viele Dörfer sind mittlerweile verschlossener, wer sitzt noch zur Straße? Die meisten hinter Rollläden im Haus oder hinter hohen Hecken und Pergolen auf ihren Terrassen.

  • Genial sind diese halböffentlichen Vorgartenzonen, die wirklich viel genutzt werden, so dass es schwierig ist, die mal ohne Menschen zu erwischen. Man sitzt in den Wintergärten/auf den Treppenabsätzen/den Terrassen zur Straße, trinkt einen Kaffee und schnackt mit den Nachbarn, dabei hat immer jemand lose die Kinder im Blick.

    Das schreibst Du ja immer; habe ich aber noch auf keinem deiner Bilder gesehen. Auch auf meinem gelegentlichen Spaziergängen durch Bremen (Schwachhausen, Ostertor, Steintor, Fesenfeld) habe ich das nie beobachten können. Aber Du bis offenbar morgens vor der Arbeit zum Knipsen unterwegs, vielleicht ist es aber ja tatsächlich irgendwo so.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Schwachhausen ist sicherlich nicht das Pflaster für besonders viel Leben zur Straße, aber geh mal an sonnigen Tagen durch die Östliche Vorstadt oder die Neustadt. Kann man eigentlich nicht verpassen, auch an Sommerabenden sind die Treppen und Wintergärten voll, da dann eher in den von jungen Leuten geprägten Stadtteilen. Wie gesagt, bei meinen Fototouren, die natürlich auch oft an solchen Tagen stattfinden (gutes Wetter, vormittags am Wochenende, nachmittags an Arbeitstagen) ist das richtig einschränkend, weil ich ja keine Menschen abbilden will.

    Es gibt bei den oft Nordost-Südwest ausgerichteten senkrecht zur Weser verlaufenden Straßen immer eine Morgenseite, auf der die Vormittagssonne scheint und viele Leute morgens einen Kaffee trinken und dann die Nachmittagsseite, auf der die Sonne nachmittags scheint. Musste mal an einem schönen Morgen durch die Neustadt oder das Viertel oder Peterswerder laufen. Ist wirklich etwas ganz Besonderes.

    Hier noch mal ein paar Fotos von den "klassischeren" und etwas einfacheren Bremer Häusern im Buntentor:

    In dieser Gegend gibt es doch deutlich mehr Renovierungssünden, aber es bleibt in der Summe trotzdem richtig schön. Solche Brutalitäten sind hier Gottseidank in der absoluten Minderzahl:

  • Im Prinzip gibt es aus allen Epochen des Historismus sowie aus den nachfolgenden Baustilen am Übergang zur Moderne bis in die 1920er Jahre Bremer Häuser, hier mal als typischer Zwilling:

    etwas größer:

    Expressionistisch:

    "Klassisch" 1920er:

    Und so sieht dann eine Straße mit kleineren Bremer Häusern aus der Zeit unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg aus:

  • Ganz andere Ecke in der Neustadt: Die Alte Neustadt. Größtenteils kriegszerstört, hat nur in einem kleinen Bereich im Osten ein zusammenhängendes Gebiet mit Vorkriegsbebauung überlebt. Dieses ist aber sehr interessant, denn es ist eine Bebauung aus dem frühen 20. Jahrhundert mit Jugend- und Reformstilelementen, das auf dem frühneuzeitlichen Stadtgrundriss entstanden ist (also eine Art "Altstadtsanierung", letztlich tabula rasa, nur nicht aus den 1960ern, sondern den 1900er Jahren).

    Entstanden ist so ein Gebiet (neudeutsch Immobiliensprech: "Quartier") mit erstaunlicher Dichte, da im Prinzip für Bremen atypische kaiserzeitliche Mietshäuser in einen Grundriss gepresst wurden, der vorher eher von 2- bis maximal 3stöckiger Bebauung aus den Jahrhunderten davor geprägt wurde:

    Der südliche Teil der Rückertstraße:

    Eine Straße weiter westlich:

    Viel mehr ist es dann auch nicht, die Rückertstraße ist aber schon eine Art Flächendenkmal, das in mehrfacher Sicht interessant ist, da es atypisch für Bremen ist und durch die Höhe der Gebäude in einem eher "altstädtischen" Grundriss eine sehr hohe Dichte aufweist.

    Hier mal ein seit längerer Zeit leerstehendes Gebäude in einer Querstraße und sein (über)sanierter Nachbar:

    Von erstaunlicher Qualität ist immer wieder die frühe Nachkriegsarchitektur der bremischen evangelischen Kirche im Heimatstil:

    Der Rest der Alten Neustadt atmet dann die volle Dosis Nachkriegstristesse:

  • Eine ehemalige Kaserne, die nun eine Oberschule ist in den Neustadtswallanlagen:

    Noch ein paar zufällige Bremer Häuser aus der Neustadt:

    Interessante Variante der Gliederung des Oberlichts:

    Typisch ist für Stadtteile, die von Bremer Häusern geprägt werden, dass die Eckgebäude dann typischere Gründerzeitmehrfamilienhäuser sind, die oft unten Ladengeschäfte haben:

    Im Buntentor haben diese einen noch etwas ehrlicheren, herberen Charme:

    Zuletzt ein Blick in einen der typischen Gärten, die immer tiefer als das Straßenniveau liegen. Die Straßen wurden wegen des hohen Grundwasserspiegels (weite Teile des Stadtgebiets liegen nur 4-6 m üNN) mit dem Aushub des Häuserbaus künstlich erhöht, die Gärten stellen die "wahre" Geländehöhe dar, so dass das, was nach vorne ein Kellergeschoss ist, nach hinten auch als Wohnraum nutzbar ist. Richtige Vollkeller waren mit der Bautechnik damals nicht gut möglich, weil in ihnen immer Wasser gestanden hätte.

    Diese "Gartenzimmer" genannten Räume werden oft an Studenten etc. vermietet und können durchaus charmant sein - sind aber oft auch fußkalt, relativ feucht und dunkel:

  • Gemischtes Sammelsurium aus dem deutlich heterogeneren Buntentor:

    So etwas gibt es gar nicht selten in Bremen, also dass ein verlorener Zwilling mit modernen Geschosshöhen wieder aufgebaut wurde:

    Auch so etwas gibt hier öfter, wobei dies schon ziemlich brutal ist, umgequältes/"modernisiertes" Bremer Haus:

    Auch das Überstreichen der Spaltriemchen war in Mode und führt nur zu teuren Säuberungsaktionen oder dem permanenten Nachstreichenmüssen:

    Eines der wenigen verlassenen Gebäude im Gebiet, man erkennt hier, wieviel filigraner die alten Fenster waren selbst gegenüber wirklich gut gemachten neuen:

    Einfach ein schönes Haus, nur der 60er Klinker vom Wintergarten müsste noch ersetzt werden:

    Diese kleinen Veranden im Eingangsbereich sind eine Spezialität dieser Gegend, gibt es sonst in Bremen selten:

    Schön renoviert, nur der Wintergarten muss noch neu:

    Typische kleine Vorgartenszene:

    Und hier mal eine Renovierung, das rechte dieser beiden Häuser hatten einen dieser dunklen Vorbauten, die in den 1960er Jahren statt der Wintergärten in Mode kamen, die Außenwand dahinter wurde oft zerstört/verfliest etc. (ich habe leider kein Streetview-Bild vom Vorzustand). Die Eigentümer haben den Vorbau abgerissen und mit beträchtlichem Aufwand die "alte" Außenwand wiederhergestellt, nur auf die Riemchen wie im 1. OG oder beim Nachbarn links haben sie verzichtet, weil diese teuer und/oder sehr schwer zu bekommen sind:

    Aber genau diese kleinen Dinge laufen in den Straßen in Bremen überall und pausenlos ab, hier ein neuer Vorgartenzaun im Stil des Hauses, dort ein rekonstruierter Wintergarten (könnte hier auch noch folgen im Weiteren), eine doppelflügelige Haustür statt der Baumarkttür, neue Fenster mit passenden Gliederungen - es geht langsam voran. In der Summe hat sich aus meiner Sicht ein erfreulicher Trend entwickelt zu qualitativ höherwertigen Sanierungen in den Gegenden, in denen noch was zu retten ist.

  • Vorläufiges Finale der Neustadtbilder, lustig ist oft, wie so kleine lokale Moden entstehen, hier am Beispiel dieser abgerundeten Fensterecken. Das gibt's hier meines Wissens nur in zwei, drei Straßen im Buntentor:

    Oder hier:

    Auch die einfacheren Häuser aus der Zeit direkt um den Ersten Weltkrieg (tlw. Baujahre 1916 usw. an Inschriften zu erkennen) sind reizvoll:

    Viel mehr als das oben braucht es gar nicht, kleiner Erker, gute Proportionen von Fassade und Fenstern - es wäre so einfach. Auch die Zwanziger-Häuser sind mit den passenden Fenstern immer sehr schön:

    Die Fenster selbst hatten auch so lokale Moden, hier mit dieser besonderen Gliederung des Oberlichts:

    Oder dies hier, plötzlich, noch nirgends anders gesehen:

    Das finde ich so doll an den Bremer Häusern, Vielfalt bei gleichzeitiger Harmonie. Wirklich schön.

    Noch eine Renovierungssünde und zwei Beispiele für den Rückbau solcher Fehler:

    Die beiden rechten Häuser unten sahen bis vor ein paar Jahren ähnlich aus wie das oben (Vorbilder bei GoogleStreetview leider nur schemenhaft zu erkennen, weil hinter Bäumen):

    Der Preis war eine Dämmung der Fassade, aber trotzdem in der Summe gelungen.

    Bei diesem Haus war ich ganz gespannt, da der neue Vorbau mit Balkon im ersten Stock im Rohbau ganz gut aussah, aber das wurde krass verzockt. Frage mich, wer die bei der Farbgebung beraten hat:

    Das war's aus der Neustadt.

  • Frage mich, wer die bei der Farbgebung beraten hat:

    Nicht nur die Farb-, sondern auch die Formgebung ist daneben. Mit dieser seltsamen, nur an der Vorderseite angebrachten Zierleiste. Man hätte den Pfeilern Postamente und Kapitelle bzw. einen Abschluss geben müssen. (Vgl. hier) Der obere Balkonteil hätte mit Balustern durchbrochen oder zumindest durch Spiegel abgemildert werden müssen. Dazu dann alles möglichst in weißer Farbe. Also, da sollte noch mal ein Fachmann rangehen.