Dresden, Neumarkt - Quartier VI - Blobel

  • Zitat von Manuel Re

    Ist es schlimm, wenn ich Blobels Entwurf inclusive Dach einfach wunderschön finde -ohne Ironie??

    für dich wohl nicht. wenngleich ich trotzdem nicht mit dir tauschen würde.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Wie man auf dem obigen Bild von Millennio sieht, ist das eigentliche Problem gar nicht das Blobel-Haupthaus (wenngleich ein Mansarddach wie beim rechten Eckbau deutlich besser gewesen wäre, aber immerhin ist die Kubatur insgesamt in Ordnung), sondern diese eine andersartige, sich vom Mittelbau absetzende Fensterachse rechts daneben - insbesondere wegen der Unterbrechung im Dachverlauf. Sie ruiniert die Symmetrie und Harmonie der Platzseite komplett. Dieser Missgriff ist einfach unnötig und sehr ärgerlich. :kopfwand:

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Dieser Missgriff ist einfach unnötig und sehr ärgerlich.

    Hm, das stimmt so nicht. Es hängt einfach mit den völlig veränderten Stockwerkshöhen zusammen: USD verminderte diese bei gleichzeitiger Vermehrung der Stockwerksanzahl. Blobel erhöhte hingegen die Stockwerke selbst deutlich.
    Gefallen kann dies natürlich niemandem.

  • Stört mich nicht sonderlich. An anderen Stellen am Neumarkt sieht man auch höhere und niedrigere Giebel, Brandwände etc. Irgendwo ist ein Haus halt zu Ende und ein anderes fängt an.

  • Na ja, das wäre halt die optimale Lösung gewesen. Doch leider sind die Investoren nicht zur Treue für ein stringentes, harmonisches Rekonstruktionskonzept zu bewegen, sondern folgen lieber den Einflüsterungen des renditeorientierten Mammons. Sei's drum, Zug abgefahren!
    Könnte mir nur vorstellen, daß man diesen ominösen in der Luft hängenden Zwischenbau mit noch machbaren Möglichkeiten anpaßt!?

    http://www.neumarkt-dresden.de/die-rueckkehr-…nen-kaufhauses/

    Verstehe halt nicht, warum die USD nicht gleichfalls ein Geschoß in gleicher Höhe plus Halbgeschoß aufgesetzt hat!? Dann wären die Proportionen erhalten geblieben, der Bau nur insgesamt höher geworden, so als ob nach Friederichs Bombenhagel (oder dem späteren...) eben aufgestockt worden wäre. Das wäre doch ein akzeptabler Kompromiss gewesen. Ach so, hätte halt doch mehr Materialkosten und Arbeitskosten verursacht. Klar, dann ist die Quetschung kostengünstiger.
    (Nee, die sollten sich umbenennen: statt USD, USBD=unser Sardinenbüchsen Dresden :unsure::biggrin: )

  • Ich sehe das Ganze etwas anders. Erstens fallen die Bauten in real viel weniger negativ auf. Das gilt auch für sämtliche andere Füllbauten. Zweitens sollte man bei aller Kritik an Blobel bedenken, dass es viel schlimmer hätte kommen können. Man schaue mal in andere Quartiere. Und drittens ist mir das alles wieder zu negativ.
    Wenn das Gewandhaus jetzt da stehen würde, dann hätte man Grund mies gelaunt zu sein.
    Ja. Hier ist nicht alles gelungen. War es am Neumarkt aber auch vorher nicht. Der Platz wird sich in Zukunft weiter wandeln und wie früher auch werden in 30 Jahren einzelne Bauten wieder abgerissen und ersetzt. So war es immer und wird es immer sein. Stadt ist nie fertig. Also ich finde dafür dass alles neu ist und dass man am Neumarkt kein Projekt hatte, von dem man lernen könnte, ist das Ergebnis fantastisch.

    APH - am Puls der Zeit

  • Der "Blobel-Bau" überwiegend gelungen und großzügig, der "Pufferbau" m. E. überhaupt kein Drama.
    Was dann kommt, sieht - durch die geringen Stockwerkshöhen - ein wenig nach 08/15-Mietskaserne aus. Die Gauben geben natürlich einen zusätzlichen Minuspunkt.

  • Ich hoffe, Blobel überlegt es ich noch einmal anders mit der Farbgebung und Fassadengestaltung der Zwischenachse zum Rest des Quartiers. In der Visualisierung sieht das komplett verbaut und unzusammenhängend aus. ...Das Au petit Bazar ist bereits stark verändert in seinen Proportionen, da stört nun auch nicht noch eine optisch zurückgesetzte Nebenachse. Das hat man in vergangenen Jahrhunderten immer gemacht, wenn eine Baulücke keine symmetrische Fassadengestaltung zugelassen hat. Aber so zu tun, als ob die Nebenachse weder zu Blobel gehört, noch zum restlichen Quartier ist einfach dumm und sieht auch dumm aus.

    Das ist doch gerade das, was man in Fachwerkaltstädten schätzt, die kleinen Ecken und Kanten. Ich finde es genau richtig so. Es entsteht dadurch der Eindruck von Kleinteiligkeit und Gewachsenheit. Dabei wäre dieses Haus ja ein Kandidat gewesen, den man in den 50ern im ganzen Block symmetrisiert gebaut hätte und sich gefreut, es ästhetisch besser gemacht zu haben. Nein, gerade diese Kantigkeiten machen es besser.

    Dachgauben nebenan, vielleicht wird da ja noch, was appliziert. Letzten Ende ist es für den Beuherrn einfach damit den Wert der Immobilie zu steigern. Wenn er es nicht macht, macht es der nächste.

  • Aber Dresden ist eben gerade keine Fachwerkaltstadt, sondern eine barocke Stadt, die einerseits im Idealfall Ruhe und Harmonie ausstrahlen sollte, und andererseits vom Spannungsfeld Räumliche Enge - Platzaufweitung lebt. Kleinteiligkeit und Gewachsenheit kommen da erst an zweiter Stelle, auch wenn Dresden schon Jahrhunderte auf dem Buckel hat. Der Barock war "Meister" in seinem Fach, die Assymmetrie in der Symmetrie verarbeiten zu können. Beim Blobelbau ist das nicht gelungen.

    Der hohe Durchgang oder Eingang im Zwischenbau geht, nicht aber eine komplette Änderung der Fassadenfarbe, und noch weniger dieser Einschnitt in der Dachlandschaft. Das Weglassen der Balkone und der vereinfachte Fassadendekor gegenüber dem Hauptbau hätten den Zwischenbau schon genug abgesetzt.

  • Ruhe in Frieden, Günter Blobel! Er ist 81-jährig am gestrigen Sonntag, den 18. Februar 2018, in New York City an seinem Krebsleiden gestorben.

    Was bleibt, sind neben den großen wissenschaftlichen Verdiensten um die Proteinforschung im APH-Sinne natürlich vor allem die großherzigen Engagements für das historische Stadtbild. Allen voran mit den Friends of Dresden, mit denen er zu einem Gutteil den Wiederaufbau der Frauenkirche und des Neumarktes ermöglichte.

    Ist eigentlich bekannt, ob Blobels Erbe/Vermögen zum Teil in weitere Projekte in Dresden geht bzw. andersartig gestiftet wird?

  • Das läßt mich jetzt auch betroffen sein. Schade auch, daß er das Hotel Stadt Rom nicht mehr errichten kann und die Früchte seiner Rekoinitiativen für Drresden nicht mehr in Augenschein nehmen kann. Was bleibt, ist aber sein großes Vorbild eines engagierten Mäzens, der seiner selbst gesetzten Aufgabe auch aus der Ferne treu blieb und in US für die Rekonstruktion deutscher Kultur eintrat!

  • Unglaublich schade, dass ihm nicht mehr vergönnt war, das vollendet zu sehen, wofür er sich so viele Jahre eingesetzt hat. Dresden verdankt seinem Engagement so viel, und in diesem Sinne hat er sich unsterblich gemacht. :)