Dresdens Wiederaufbau vor 1990

  • Ich habe mich wohl etwas missverständlich ausgedrückt: sicherlich hätte man einige Gebäude der Prager Straße wiederaufbauen können, auch der Kaiserpalast und viele weitere Gebäude der Innenstadt, aber die Prager Straße war nun nicht mal der Stadtkern und auch noch verhältnißmäßig jung. Rückblickend wäre ein Wiederaufbau der Innenstadt im Bereich zwischen Elbe, Ringstraße, Pirnaischer- und Postplatz wünschenswert gewesen. Darin hätte man die ganze Kraft und das (kaum vorhandene) Geld reinstecken müssen und gleichzeitig die Straßenbahn wie z.b. in Hannover unterirdisch verlegen können. Wenn ich mir aber Teile der Innenstadt anschaue, wo wirklich kaum noch ein Stein auf dem anderen Stand (Grunaer Straße), so hätte es auch unter anderen politischen Bedingungen keinen Wiederaufbau gegeben.

    Aber "hätten" hätte man vieles können, nur ging es beim Wiederaufbau nicht um die Einhaltung zumindest alter Strukturen, sondern um die Errichtung einer sozialistischen Großstadt. Es ist müßig zu diskutieren, was wann wie und wo hätte wiederaufgebaut werden können. Fakt ist, dass in der Innenstadt sehr wenig wiederaufgebaut wurde, aber viele noch vorhandene Baulücken immerhin die Chance geben, eine angemessene Bebauung zuzulassen.


    Miwori hat sehr schön ausgeführt, wie wir als Kinder diese Stadt wahrgenommen haben. Es war größtes Glück, wenn man eine Plattenwohnung bekam. Die erste Wohnung meiner Eltern, die sie auch nur bekamen, da sie geheiratet hatten und ein Kind erwarteten, war eine Altbauwohnung in Striesen mit Etagentoilette, Ofenheizung und einer äußerst unangemessenen Elektrik, wie mir berichtet wurde. Man konnte darin leben, aber eine Plattenbau bzw. Neubauwohnung war absolut erstrebenswert und sicherlich hätten nur sehr wenige geklagt, wenn für eine Plattensiedlung zum Beispiel die ganze Friedrichstadt abgerissen worden wäre. Die sozialistische Architektur hatte ich als Kind nie als störend empfunden; ich habe noch Postkarten von Dresden, auf denen sind die Kreuzung der Pirnaischen Platzes (!), die Ernst Thälmann Str. und die HH der Prager drauf mitsamt einem "Grüße aus Dresden". Kaum vorstellbar, aber so war es eben.

  • Zitat von "Harmonica"

    Ich habe mich wohl etwas missverständlich ausgedrückt: sicherlich hätte man einige Gebäude der Prager Straße wiederaufbauen können, auch der Kaiserpalast und viele weitere Gebäude der Innenstadt, aber die Prager Straße war nun nicht mal der Stadtkern und auch noch verhältnißmäßig jung. Rückblickend wäre ein Wiederaufbau der Innenstadt im Bereich zwischen Elbe, Ringstraße, Pirnaischer- und Postplatz wünschenswert gewesen. Darin hätte man die ganze Kraft und das (kaum vorhandene) Geld reinstecken müssen und gleichzeitig die Straßenbahn wie z.b. in Hannover unterirdisch verlegen können. Wenn ich mir aber Teile der Innenstadt anschaue, wo wirklich kaum noch ein Stein auf dem anderen Stand (Grunaer Straße), so hätte es auch unter anderen politischen Bedingungen keinen Wiederaufbau gegeben.


    Ich habe jetzt in dem Heft "Die Dresdner Trümmerbahnen" gelesen, daß 1945/45 die Denkmalpflege zeitgleich mit den ersten Sicherungsarbeiten am Zwinger ausgebrannte Bürgerhäuser in der Rampischen Straße, Kreuzstraße, Großen Meißner Str. für späteren Wiederaufbau zu sichern begann (Zementanstrich etc.).

    1947 kam der große Hammer mit den Demontagen durch die Sowjets: knappe, aber durchaus vorhandene Kapazitäten für einen Neubeginn: Bagger, Maschinen, Material, Eisenbahnschienen gingen massenweise nach Rußland
    und die Leute mußten wie die Urmenschen alles auf Handarbeit umstellen, so daß die große Flächenenttrümmerung und der eigentliche Wiederaufbau erst so richtig 1950/51 begann.
    Bis dahin hatten sich die ideologischen Präferenzen geändert und alles wurde bis 1957/58 im Akkord ratzekahl plattgemacht.

  • In dem Buch "Zerstörung und Wiederaufbau von Dresden", Max Seydewitz 1955, habe ich jetzt eine Abbildung des damals aktuellen Stadtmodells gefunden:

    Stadtarchitekt war damals Herbert Schneider,

    Bemerkenswert das Kultur- und Parteihochhaus am Altmarkt
    und das Gebiet südlich des Hauptbahnhofes mit einer auf das neue "Auditorium Maximum" hinführenden Achse, die ein wenig wie die Regionalausgabe von Reichshauptstadt Germania aussieht.

  • 1955 wußte man bereits, daß diese Pläne nie in die Tat umgesetzt werden würden, jedenfalls nicht in solcher Opulenz und Flächenhaftigkeit.

    Dennoch wäre das Kulturhochhaus, ein an sich bemerkenswerter Bau(die 53'er Variante - noch im Modell ethalten, man sieht es an den Ecktürmen); die 55'er hat aber auch was!)doch noch gekommen, wenn man die Höhe auf etwa achtzig Meter beschränkt und damit UNTER den Höhen der historischen Türme gehalten hätte. An sich hat die Idee etwas - aber weder Mehrheiten im Politbüro noch notwendige Planübererfüllungen in der Bauwirtschaft kamen zustande. ;)

    Nein, die werden gedünstet

  • Vor einiger Zeit hatte ich für private Zwecke ein paar Informationen über den Wiederaufbau der Hofkirche zusammengetragen, die ich hier mal vorstellen möchte. Der Beitrag passt am besten in den Strang: „Wiederaufbau vor 1990“, reicht allerdings inhaltlich bis in die Zeit nach der politischen Wende in der DDR. Aber: Dass dieses grandiose Bauwerk gerettet worden ist, dieser Erfolg gehört definitiv in die Zeit vor 1990.
    Zuerst einige Ausführungen über die Anfangsjahre der langjährigen Rettungsaktivitäten:

    Zitat

    Quelle: „Die katholische Hofkirche zu Dresden“
    Autoren: Eberhard Hempel, Fritz Löffler
    Heft 32 aus der von Fritz Löffler herausgegebenen Reihe. „Das christliche Denkmal“

    In der Vernichtungsnacht vom 13. zum 14. Februar 1945 brannte die Hofkirche wie alle übrigen Gebäude der Innenstadt aus. Dabei wurde das Mauerwerk mit den Balustraden an vielen Stellen zerstört. Eine Reihe von Statuen stürzte in die Tiefe. Allein der Turm blieb in seinem architektonischen Bestand unverletzt: nur die Glocken zerschellten beim Sturz. Bei der Feststellung der Bombenschäden ergab sich ein katastrophales Bild. Die Gewölbe des Mittelschiffes und des rechten Seitenschiffes waren völlig, die des linken Seitenschiffes zu zwei Dritteln zerstört.

    Das folgende Foto zeigt den Zustand im Jahr 1947:


    Quelle: Sächsische Landesbibliothek / Deutsche Fotothek (eingescannt von einer Postkarte)

    Zitat

    Weiter im Text, gleiche Quelle wie oben (Autoren: Fritz Löffler / Eberhard Hempel):

    Bereits 1947 begannen unter Probst W. Sprentzel die Wiederherstellungsarbeiten im linken Seitenschiff, das am wenigsten gelitten hatte. Ende des Jahres konnte es wieder kirchlich genutzt werden. Anschließend wurde das rechte Seitenschiff restauriert. Schon zu Chavieris Zeiten waren Zweifel an der Tragfähigkeit des Gewölbes im Mittelschiff laut geworden. Diese Sorge verstärkte sich jetzt bei der Rekonstruktion der Decke, da die Pfeiler infolge der Erschütterungen durch die Bombentreffer leicht aus dem Lot gerückt waren. So konnte man sich damals nicht zu einer neuen massiven Wölbung entschließen und behalf sich 1952 mit dem Einzug einer Rabitzdecke.


    Quelle: bildindex der Kunst und Architektur

    Zitat

    Weiter im Text, gleiche Quelle wie oben (Autoren: Fritz Löffler / Eberhard Hempel):

    Nach Beendigung der reinen Baumaßnahmen wurde 1959/60 das gesamte Innere weiß ausgekalkt. Anschließend ging man an den Neuaufbau des vollständig zerstörten Hochaltars. Durch die stürzenden Gewölbemassen war auch ein großer Teil der schwarzen und weißen Platten (Foto folgt ganz am Schluss) aus carrarischen Marmor zerschlagen worden. 1960 wurde der Kirchenraum erneut mit dem gleichen Material ausgelegt. (A: das ist an anderer Stelle in der gleichen Quelle ausgeführt: Die Mittel für den Marmor – war ja „Devisenimport“ – stifteten die westdeutschen Schwesterkirchen). Am 8. Juli 1962 konnte der Hochaltar geweiht werden. Kurze Zeit später wurde das Gemälde von Anton Raphael Mengs (A: monumentales Altarbild, ca. 9 m hoch), das ausgelagert worden war, nach der Wiederherstellung des Rahmens von Hackl …über dem Hochaltar wieder aufgerichtet.


    Über die vielfältigen Probleme des Wiederaufbaus nach 1945 berichtet auch der folgende Artikel:

    Zitat

    Quelle: Internetausgabe „Tag des Herrn“ – Zeitschrift des Bistums Meißen – Dresden, Ausgabe 12/2001);

    Blümchenkaffee zur Bausitzung
    Erinnerungen an den Wiederaufbau der Katholischen Kirche
    Ein außergewöhnliches Bauwerk, das außergewöhnlichen Einsatz auch bei seinem Wiederaufbau erforderte. Nicht nur an jenem Tag im Jahr 1964. Vom Georgentor beobachtete Baumeister Hermann Ulrich, wie sich eine gefährliche Windhose der Katholischen Hofkirche näherte. Dass die noch nicht befestigten Kupferbleche der Dachbedeckung vielleicht ein wenig dünn sein könnten, hatte er von Anfang an geahnt. Als aber die Ausläufer des Sturmes unter die Bleche fuhren und die ersten von ihnen anhoben, wurde die Ahnung zur bösen Gewissheit. Die Zimmerleute waren die letzte Rettung. Aufs Dach, schnell, rief Ulrich ihnen zu. Alle neun stürzten nach oben und legten sich mit ausgebreiteten Armen und Beinen auf die Bleche. Dank dieser Kühnheit blieb das Dach unversehrt.
    Manchmal klingt es fast abenteuerlich, wenn Denkmalpfleger Gerhard Glaser sich an die Jahre 1964 bis 1978 erinnert, als er für den Wiederaufbau der Hofkirche verantwortlich war. Zuvor konnte vieles nur provisorisch repariert werden. Die Zerstörungen in der Bombennacht des 13. Februar 1945 waren verheerend. Zwar stand die Kirche noch. Aber Propst Sprentzel sah am nächsten Morgen das ganze Ausmaß: "Der Blick durch das offene Hauptportal mit verbrannten Türen zeigte im Hauptschiff einen übermannshohen Schutthaufen, der ausgebrannt war".
    Schon in den Tagen nach der Zerstörung begannen die ersten Aufräumungsarbeiten. …..Im Winter 1948/49 setzten Handwerker die große Sakristei instand. Der Aufbau des südlichen Seitenschiffes war 1949 abgeschlossen. Im Jahr darauf schwebte die Richtkrone über dem Dach des Hauptschiffes.


    Quelle: bildindex der Kunst und Architektur

    Zitat

    Weiter im Text, gleiche Quelle wie vor dem Richtfest-Foto:
    Propst Sprentzel zeigte eine beinahe sprichwörtliche Sparsamkeit. Jede aufgebrachte Mark sollte zuerst dem Wiederaufbau der Kirche dienen. "Bei den Bausitzungen gab es immer nur sehr dünnen Kaffee", erinnert sich Glaser. Das Geld war knapp, Baumaterial zu beschaffen sehr mühsam. Seit der sächsischen Verfassung von 1831 sorgt der Staat für den Erhalt des Kirchengebäudes. Die DDR hielt es so, dass staatliche Mittel für die äußere Wiederherstellung verwendet wurden, die katholische Kirche weitgehend für die Innenausstattung aufkommen musste. "So bezahlte die katholische Kirche etwa ein Drittel, zwei Drittel waren staatliche Gelder", sagt Glaser. Zur Weihe des Hochaltars am 8. Juli 1962 drängten sich viereinhalbtausend Menschen in der Kirche. Im Oktober 1965 begannen Steinmetze damit, die ersten der insgesamt 78 Sandsteinfiguren von Lorenzo Matielli auszubessern. 13 davon waren 1945 total zerstört worden, nur neun waren unbeschädigt geblieben, erinnert sich Glaser. So mussten etliche der Figuren kopiert werden. "Die Crux war von Anfang an, dass die italienischen Bildhauer gewohnt waren, in Marmor zu arbeiten. Gewänderfalten und andere Teile haben sie sehr fein ausgeführt. Bei Sandstein aber ergeben sich daraus große Probleme für die Erhaltung."
    Unter den Ersten, die wieder ihren alten Platz einnahmen, war die Figur des Gründers des Jesuiten-Ordens, Ignatius von Loyola. Empor gehievt wurde er 1967, an einem arbeitsfreien Sonnabend, nachts. Mit einem englischen Autokran, dem einzigen dieser Größe, den es in der DDR gab. Dazu mussten die Oberleitungen der Straßenbahn auf der Seite zum Theaterplatz abgebaut werden.


    Die Rekonstruktion bzw. „Reparatur“ der Mattielli-Skulpturen sollte sich bis in das Jahr 2002 hinziehen. Zur Veranschaulichung zunächst ein Schema der Aufstellung dieser insgesamt 78 Figuren: (74 Heilige plus 4 allegorische Figuren, letztere sind am Turm aufgestellt).

    Hier das gleiche Bild in besserer Auflösung:

    http://www.onlinepictures.de/2/uploads/img0…f4a55422jpg.jpg

    Zur Kennzeichnung: „gestochen von Zucchi“:
    Zucchi war einer der Bauleiter des Architekten Chiaveri und fertigte von 39 Skulpturen (andere Quellen sprechen von 38 Stück) detailliert ausgeführte Radierungen mit folgenden beachtlichen Maßen an:
    je 47,5 x 32 cm (Blatt);
    je 41 x 25,5 cm (Platte).
    Dieser Umstand ist insofern sehr bedeutsam, dass die damaligen „Zeichner“ sehr detailgetreu arbeiteten, quasi als dokumentierende „Fotografen“. Solche Stiche sind damit eine zusätzliche Quelle für die Rekonstruktion.

    Zur Quellenangabe des Schemas sind einige Anmerkungen nötig. Die Abbildung hatte ich mal vor etlichen Jahren aus einem alten „Schmöker“ (historischer Roman) abfotografiert – war im Vor-Scanner-Zeitalter. Leider habe ich mir keine weiteren Notizen dazu gemacht. Aus heutiger Sicht gehe ich davon aus, dass dieses Schema dem schon eingangs genannten Eberhard Hempel zuzuschreiben ist. Dieser Autor (aus der Riege der Nadlers, Löfflers und Co.) hatte 1955 zwei Standardwerke über die Hofkirche verfasst.

    Ich habe mir die verfügbaren Fotos aus den Jahren nach 1945 mal im Hinblick auf die Angaben des Schemas betrachtet. Hier ein Beispiel:

    Nr. 58: der Hl. Leopold, Angabe im Schema: ohne Kopf;
    Nr. 57: der Hl. Georg, Angabe im Schema: gänzlich zerstört;
    Nr. 59: der Hl. Carl Borromäus, Angabe im Schema: gänzlich zerstört;
    Nr. 60: die Hl. Caecilia, Angabe im Schema: gänzlich zerstört;
    Nr. 61: der Hl. Benno, Angabe im Schema: gänzlich zerstört;
    Nr. 39: der Hl. Franz Xaver, Angabe im Schema: gänzlich zerstört;
    Im Foto oben ist diese Skulptur vorhanden. Aber die helle Färbung des Sandsteins lässt den ziemlich sicheren Schluss zu, dass diese Figur zum Zeitpunkt der Fotoaufnahme bereits durch eine Kopie ersetzt worden war.
    Nr. 36: der Hl. Raymund, Angabe im Schema: gänzlich zerstört – das war die letzte Skulptur der noch fehlenden bzw. aufgrund von Beschädigungen zu ersetzenden, die Kopie wurde im Juli 2002 aufgestellt (dazu unten mehr);
    Nr. 28: die Hl. Rosalia, im Positionsschema mit den Angaben: ohne Kopf, Kopf vorhanden. Über den Erhaltungszustand des geborgenen Skulpturenkopfes gibt dieses Foto Auskunft:


    Quelle: bildindex der Kunst und Architektur

    Auch im Hinblick auf alle anderen mir zugänglichen Fotos bleibt festzuhalten, dass ich eine einzige „Ungereimtheit“ entdeckt habe: in Bezug auf die Figur Nr. 55 (siehe dazu auch das erste Foto ganz am Anfang dieses Beitrags. Diese Skulptur wird im Schema nicht als zerstört gekennzeichnet, obwohl sie gemäß der Zustandsaussage des Fotos von 1947 kaum „überlebt“ haben kann. Mögliche Erklärung: Es wurden bei den Bergungsmaßnahmen nicht nur diverse „Köpfe“ geborgen (wie viel das sind, ist erstaunlich), sondern auch „Torsos“. In dieser Hinsicht ist die jeweilige Einstufung „gänzlich zerstört“ vermutlich subjektiv.


    Über die Aufstellung der Raymund-Kopie (im Schema Nr. 36), berichtet folgender Beitrag vom Juli 2002:

    Zitat

    Quelle: Internetausgabe „Tag des Herrn“ – Zeitschrift des Bistums Meißen – Dresden, Ausgabe 31/2002);

    Der heilige Raimund schwebte aufs Dach
    Die 78 Heiligenfiguren und allegorischen Darstellungen sind nun vollständig

    Schon um zwölf Uhr stand der LKW mit dem heiligen Raimund pünktlich vor der Sakristei der Dresdner Hofkirche, der Kathedrale des Bistums Dresden–Meißen. Neugierige blieben stehen, machten Fotos und selbst eine Politesse zeigte Interesse, ob denn hier alles seine Ordnung habe und ob es sich bei Raimund nicht um einen Falschparker handele. Mit dem Kran kamen dann die Fotografen, um den Moment im Bild festzuhalten, an dem die Heiligen auf der Hofkirche wieder vollständig ins Land blicken.
    57 Jahre ist es her, dass die Hofkirche viele Teile des Bildprogramms verloren hatte. Im Angriff amerikanischer und englischer Bomber am 13. Februar 1945 wurde die Figur vollständig zerstört. Problematisch bei der Wiederherstellung war der Umstand, dass es keinerlei direktes Fotomaterial gab, das Raimund so zeigte, wie er einmal aussah – meist war Raimund nur von hinten zu sehen. (A: gemäß Schema gab es von Raymund auch keinen Stich von Zucchi). So verlangte die Rekonstruktion der Plastik vom Bildhauer viel Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen. Begonnen hatte die Arbeit der Bildhauer Thomas Ludwig, der leider sein Leben bei einem Verkehrsunfall verloren hatte und so die Statue nicht vollenden konnte. Schließlich übernahm Jens Engelhardt aus Berlin den Auftrag und stellte die Figur fertig. Engelhardt war am 23. Juli mit nach Dresden gekommen, um der Montage beizuwohnen. Der heilige Raimund von Penyafort gehört zum barocken Bildprogramm von 78 überlebensgroßen Heiligen und allegorischen Figuren auf dem Balustraden, dem Turm und den Fassaden der Hofkirche, das einst vom in Dresden lebenden Jesuiten Ignatius Guarini, dem Architekten Chiaveri und von Kurfürstin Maria Josepha – neben ihrem Mann Kurfürst Friedrich August II. die Stifterin der Kirche – entworfen wurde.


    Beispielhaft in Bezug auf die Kopie des Laurentius hier noch ein paar Angaben aus einem Presseartikel, die das gigantische Ausmaß der Rekonstruktionsarbeiten zur Vervollständigung des Skulpturenschmucks deutlich machen:

    Die Dresdner Kathedrale - die ehemalige Hofkirche - hat am 1. August 2000 eine Kopie des heiligen Laurentius erhalten (A: im Schema ist das Nr. 19). Die 3,50 Meter hohe und etwa fünf Tonnen schwere Nachbildung (! Respekt, wie nur haben das Chiaveri und Co. gelöst?) wurde auf die Balustrade des Seitenschiffs aufgesetzt. Der Dresdner Bildhauer Christian Hampel hatte den Laurentius in einjähriger (!) Arbeit nachgebildet.
    Die Kosten für das Bildwerk betrugen nach Angaben des sächsischen Finanzministeriums 140 000 Mark (!!! rechnet mal die Größenordnung der Gesamtkosten hoch, nur 9 von den insgesamt 78 Skulpturen waren unbeschädigt geblieben).


    Über die außerdem seit 1991 vorgenommenen Arbeiten berichtet der folgende Artikel:

    Zitat

    Quelle: Internetausgabe „Tag des Herrn“ – Zeitschrift des Bistums Meißen – Dresden, Ausgabe 40/1999);

    Kathedrale - Inneres erstrahlt in neuem Glanz
    Die Gerüste sind verschwunden, der Blick nach oben wieder frei. Nach anderthalb Jahren ist die Restaurierung des Innenraums der Dresdner Kathedrale (Katholische Hofkirche) abgeschlossen. Das Mittelschiff hat ein neues Gewölbe (A: die Rabitzdecke wurde ersetzt), eine Stuckdecke und einen neuen hellen Farbanstrich erhalten. In diesem Jahr wurden außerdem der Marmorfußboden repariert und das Hochaltarbild "Die Himmelfahrt Christi" von Anton Raphael Mengs (1728 bis 1779) restauriert.


    Und so sieht es jetzt im Inneren aus:

    http://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…sden_Schiff.jpg
    Quelle: wikipedia

    Habe eben noch einen Tippfehler entdeckt und korrigiert: Der Marmorfußboden wurde 1960 ausgelegt, nicht 1969.

  • Urheber: Royal Air Force, Luftaufnahme 1944.
    Dieses Bild aus der Vogelperspektive zeigt Dresden-Altstadt vor seiner Zerstörung 1945
    Einst ein hochverdichteter und historisch gewachsener Raum.

    In der Tat ist aus der Literatur zu den Wiederaufbauplänen zu erkennen, dass ein denkmalpflegerischer Wiederaufbau Ursprungsidee für den dresdner Neubeginn war. Was daraus geworden ist, ist bekannt. 1949/50 vollzieht sich ein Paradigmenwechsel. Die Formsprache der neue politischen Zeit und der ökonomischen Zwänge sollte und wurde städtebaulich-architektonisch zum Ausdruck gebracht.

    Dresden-Altstadt (und südlicher Teil Neustadt) aus der Vogelperspektive 1953.
    Urheber: unbekannt. Quelle: DDR-Staatsarchiv, jetzt Teil Bundesarchiv.

    Der ausgebrannte und versehrte Teil Dresdens zwischen Brühlsche Terasse und Hauptbahnhof ist weitgehend abgeräumt. Einzig wenige stehen gelassene Ruinen bilden Fragmente des alten Dresdens.

    Moderationshinweis (Pilaster): Wuerdest Du bitte die Quelle dieser Bilder angeben? Auch kannst Du sie nicht als Deine in der Galerie hochladen.
    Entschuldigung. Habe Quellen und Urheber in der Bildbeschreibung hinterlegt.

    3 Mal editiert, zuletzt von Roland (21. Juli 2011 um 22:22)

  • Vielen Dank für die vielen interessanten Infos! :) Eine Frage hätte ich aber: Ist der heutige Innenraum der Hofkirche eigentlich eine genaue Rekonstruktion, oder ist er vereinfacht ausgeführt worden? ich würde fast auf vereinfacht tippen, denn sie wirkt für eine barocke Kirche doch recht schlicht. Ich habe bisher auch noch nie ein Vorkriegsbild des Innenraums gesehen...

  • @ Treverer

    Hier kann ich dich größtenteils beruhigen, die Hofkirche war auch schon vor dem Krieg sehr schlicht, weil die barocke Planung nie vollendet wurde. So wurde das Hauptschiff nie ausgemalt und das große Deckenfresko nie in Angriff genommen. Als Gründe dafür kommen nach Fritz Löffler in Frage: Der Siebenjährige Krieg, der gewandelte Geschmack des Klassizismus, fehlende Geldmittel.

    Im Hauptschiff verzichtete man beim Wiederaufbau - soweit ich weiß - nur auf ein paar Ergänzungen des 19. Jahrhunderts und die Königslogen. In den Eckkapellen ist die Lage schlimmer, hier gingen einige Fresken verloren. Trotzdem halten sich auch hier die Verluste in Grenzen. Die Hofkirche war innen schon immer eher schlicht und weiß.

  • Ich könnte mir vorstellen, dass diese recht interessante und meiner Meinung nach längst überfällige Debatte über die Ausmistung der Dresdner Ehrenbürgerschaftsliste hier in diesem Strang Erwähung und Niederschlag finden sollte:

    http://www.neumarkt-dresden.de/pdf-dateien/20.04.12PMEhrungen.pdf

    Auszug aus der Pressemitteilung:

    Zitat

    Des weiteren ist es erforderlich, sämtliche zwischen 1945 und 1989 erteilten Ehrenbürgerschaften
    auf den Prüfstand zu stellen. Es ist vollkommen unverständlich, warum Walter Weidauer, 1946 bis
    1958 Oberbürgermeister dieser Stadt, heute trotz seiner ihm unzweifelhaft zugewiesenen Verantwortung
    für die großflächigen, nicht notwendigen Abbrüche, die auch als zweite Zerstörung Dresdens
    bezeichnet werden und die die bereits vorgelegten Pläne von Dr. Herbert Conert zunichte
    machten, immer noch den Status eines Ehrenbürgers genießt.

    :daumenoben:

    Ich habe mich sowieso schon immer gewundert und nicht verstanden, wie so ein Kulturbarbar noch auf dieser Ehrenbürger (sic!) -Liste stehen kann?! Jedenfalls bemüht sich jetzt die wohl bürgernaheste Dresdner Gesellschaft nun um die Behebung dieses Makels.

  • Mit Ehrenbürgerschaften ist das so eine Sache. Adolf Hitler ist bis heute Ehrenbürger der Stadt Zwickau und da es keine Möglichkeit gibt diesen Titel nachträglich abzuerkennen wird das wohl auch so bleiben. Man sollte das meiner Meinung nach ruhen lassen und als Spiegel der Geschichte verstehen so makaber das klingt. Die Zwickauer waren nunmal wie die meisten in diesem Land, führertreu.

  • Das sehe ich anders. Freilich sollte man solche Titel nicht überbewerten.

    Aber wenn Potsdam nach der Wiedervereinigung die Ehrenbürgerschaft Hitlers aufgehoben hat, warum kann das dann Zwickau nicht? Und selbst wenn man einen solchen Titel posthum nicht aberkennen könnte, dann kann man sich wenigstens durch Ratsbeschluss davon distanzieren. Verstehe nicht, warum man das nicht tut.

    Die Aussage, dass die "meisten Deutschen Führertreu waren", kann ich ebenfalls nicht teilen. Angesichts der Tatsache, dass die NSDAP "nur" 33% der Stimmen erhielt, stand in meinen Augen bei den letzten freien, nicht manipulierten Wahlen ziemlich genau ein Drittel der Deutschen hinter Hitler.

  • Führertreu steht hier eher sinnbildlich für systemtreu und das ist wohl Fakt. Ist es heute wirklich noch nötig sich von einer Ehrenbürgerschaft Adolf Hitlers zu distanzieren? Das ist eher lächerlich dafür nochmal eine Stadtratssitzung einzuberufen. Sowas sollte selbstverständlich sein.
    Übrigens erkennt man sie nicht ab, weil posthum das laut Satzung nicht möglich ist. Sie erlischt automatisch nach dem Tod.

    Aber zu viel Ot...

  • Wenn die EB nach dem Tod erlischt, warum führt man diese (Un-)Person noch in der Liste? Anscheinend ist die Sache etwas komplizierter..wie auch immer, wir werden dieses Problem nicht lösen können - leider. Trotzdem, ich fände es ein positives Zeichen, wenn Dresden sich von dem Verbrecher Weidauer endgültig - auch und gerade von der Ehrenbürgerschaft - verabschieden täte. Dresdens 2. Zerstörung wäre aufzuhalten gewesen, wenn nicht so ein primitiver Kulturbarbar auf den Posten des Oberbürgermeisterssessels gesetzt worden wäre! Man spuckt einem wirklich verdienten Ehrenbürger wie Hans Nadler dadurch quasi aufs Grab und entwertet die Ehrung prinzipiell.

  • Hier gibt es einen durchaus lesenswerten Aufsatz über den Neuaufbau Dresdens während der DDR-Zeit:

    http://www.bpb.de/geschichte/zei…istischen-stadt

    Leider ist er z.T. nicht vollkommen korrekt und enthält entsprechend diverse Ungenauigkeiten. Man sollte eben immer noch einen Historiker konsultieren. :thumbup:

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe