Karl-Marx-/Stalin-Allee, Sozialistischer Klassizismus (Galerie)

  • In dieser Galerie möchte ich einige Impressionen aus der ehemaligen Stalin-, später Karl-Marx-Allee im Ostteil Berlins zeigen. Da ich keine langen historischen Exkurse voranschicken möchte, sei hier auf den recht informativen Wikipedia-Artikel verwiesen. Mehrere Begriffe werden für diesen Baustil verwendet - Stalin-Zuckerbäckerstil, sozialistischer Klassizismus, dekorativer regionaler Historismus, nationale Bautradition des Berliner bzw. Schinkel-Klassizismus...
    Fast alle Bauten wurden seit der Wende saniert, die Straßenleuchten teilweise rekonstruiert. Der Gesamteindruck ist monumental und fast überzogen großstädtisch, die Gebäude beeindrucken durch eine gefällige, solide Gestaltung mit Sand- und Kalksteinelementen im Sockelbereich, der Verwendung von Keramikziegeln in den Rücklagen und glasierten Terrakotta-Dekorflächen. Zwischen der Qualität dieser Bauten und den weiter westlichen, zum Alexanderplatz hin gelegene Moderne-Häusern der 60er und 70er Jahre (3. Bauabschnitt) liegen Welten, hier zeigt sich der erschreckende Verlust an Baukultur und Gestaltungsqualität ab den 60er Jahren, der den Osten nicht weniger betraf als den Westen.
    Zeigen möchte ich überwiegend die Bauten des 1951-58 errichteten 2. Bauabschnitts, der sich über eine Strecke von ca. 2 km von der Frankfurter Allee/Ecke Proskauer Straße bis zum Strausberger Platz zieht. Die Fototour geht von Osten in Richtung Westen.

    Blick von Osten her Richtung Frankfurter Tor (Seitenbauten: Hanns Hopp; Türme: Hermann Henselmann):

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  • Hanns Hopp und Josef Souradny:





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    Einmal editiert, zuletzt von Snork (21. Januar 2017 um 18:27)

  • Josef Souradny:


    Andere Straßenseite, Blick zurück zum Frankfurter Tor:


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  • Die Gebäude haben durchaus ihren eigenen Stil und sind auch nicht unästhetisch, aber eben kein bischen berlinerisch oder mitteleuropäisch. Sie sind eben moskowitisch, sowjetisch, stalinistisch und damit für unsere Hauptstadt ebenso passend wie es ein NS-Gauforum in Moskau wäre.

    Denoch würde ich die Straße als einen eigenen historischen Abschnitt der deutschen Geschichte und als interessantesten Teil der DDR-Architektur vor einem Abriss verteidigen, jedenfalls vor Bauten wie einer FH in Potsdam oder dem Alexanderplatzdebakel.

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • ^^Steht selbstverständlich alles unter Denkmalschutz.

    Hanns Hopp:


    Gegenüber, ebenfalls Hanns Hopp:




    Portal:




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  • °°Stimmt, Karl steht im Wikipedia-Hauptartikel, Josef im Übersichtsplan, den ich gerade benutze. Vielleicht hieß er Karl Josef?

    Eines der sog. Laubenganghäuser des 1. Bauabschnitts (1949-51, Ludmilla Herzenstein und Hans Scharoun). Diese Bauweise wurde als zu international-bauhausmäßig angesehen und (zum Glück) nicht weiterverfolgt:

    Kurt Leucht:


    Weitere Details:




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    Einmal editiert, zuletzt von Snork (25. Januar 2017 um 21:11)

  • Strausberger Platz mit Torbauten.
    Hermann Henselmann, Egon Hartman.




    Details:







    Sorry wegen der vielen Bilder - hoffe das war kein "Overkill" ;):rolleyes:

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  • Sieht aus, als wären die Gebäude aus Fließen wie aus dem Bad. :)
    sie wurden ja nicht umsonst im Volksmund als "Stalins Badezimmer" bezeichnet.
    Darf man fragen, wie sie derzeit genutzt werden?

  • Hierzu ein Zitat aus dem Wikipedia-Artikel ("Kurioses"):

    "Im Februar 2009 ergänzte ein anonymer Autor den Wikipedia-Artikel zur Karl-Marx-Allee um die Behauptung, die Straße sei zu DDR-Zeiten im Berliner Volksmund wegen der Fassadenfliesen auch als „Stalins Badezimmer“ bezeichnet worden.[15] Diese Bezeichnung griffen in der Folgezeit mehrere Medien auf und wiederholten, es handele sich um einen in der DDR gebräuchlichen Ausdruck.[16][17][18] Ein Beleg für die tatsächliche Verwendung dieses Begriffes in der DDR konnte nicht gegeben werden.Nachdem ein Leserbriefschreiber in der Berliner Zeitung die Verbreitung dieses Ausdrucks im Volksmund bezweifelt hatte,[19] gab ein Journalist dieses Blattes an, für den frei erfundenen Wikipediaeintrag verantwortlich zu sein. Als Motiv nannte er seinen Ärger über verschiedene existierende Berolinismen, die tatsächlich nicht im Volksmund verbreitet seien"
    (Wikipedia)

    Was die Berolinismen betrifft, so kann ich als Nicht-geborener-Berliner nur bestätigen, dass Berolinismen von Berlinern nur recht selten bis garnicht benutzt werden. Sind wohl mehr Fremdenführer-Gags.

    Zur Nutzung: Im Erdgeschoss Läden/Gewerbe, ansonsten Wohnungen. Plus Kanzleien, Arztpraxen etc. Leerstand scheint kaum vorhanden.

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    2 Mal editiert, zuletzt von Snork (21. Januar 2017 um 20:54)

  • Die Gebäude haben durchaus ihren eigenen Stil und sind auch nicht unästhetisch, aber eben kein bischen berlinerisch oder mitteleuropäisch.

    Da steckt einiges Berlin drin! Gerade das Detailphoto (2. Bild) im dritten Beitrag könnte ohne die Kachelfugen genausogut an einem Gründerzeitler aufgenommen worden sein. Die Proportionen der Kreuzfenster erinnern auch stark an die Fenster typischer Berliner Gründerzeithäuser. Die neogotischen Anklänge erinnern mit etwas Phantasie an die Friedrichwerdersche Kirche und Schinkels klassizistischer Gotik-Interpretation. Und die beiden Türme am Frankfurter Tor verweisen ganz klar auf die beiden Dome am Gendarmenmarkt. Der Teufel steckt im Detail :) Was natürlich jenseits allen mitteleuropäischen Städtebaus ist, sind die riesigigen Dimensionen und die Form der Kubaturen. Übrigens, weiß jemand welche Deckenhöhe die Marxalleehäuser ungefähr haben?

    2 Mal editiert, zuletzt von Kaoru (22. Januar 2017 um 11:55)

  • Steht selbstverständlich alles unter Denkmalschutz.

    Kann leider jederzeit aufgehoben werden. Dann ist es zu spät.

    In der Architektur muß sich ausdrücken, was eine Stadt zu sagen hat.
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten

  • Hierzu ein Zitat aus dem Wikipedia-Artikel ("Kurioses"):

    "Im Februar 2009 ergänzte ein anonymer Autor den Wikipedia-Artikel zur Karl-Marx-Allee um die Behauptung, die Straße sei zu DDR-Zeiten im Berliner Volksmund wegen der Fassadenfliesen auch als „Stalins Badezimmer“ bezeichnet worden

    Das wüßte ich, dem war aber nicht so. Die Berliner haben so ihre Bezeichnungen für mißliebige Gebäude:
    Fernsehturm = Protzkeule/Sankt Walter
    Philharmonie = Zirkus Karajani
    Kongresshalle (Westberlin) = schwangere Auster
    usw.

    Die Bauwerke in der ehemaligen Stalinalle später Karl-Marx - Allee wurden allerdings nicht in derart gehässiger Weise bezeichnet, hier kam nur die Bezeichnung des "Zuckerbäckerstiles" auf, was ja durchaus zutreffend ist. Freilich hat man sich an der Zuckerbäckerstilistik der damaligen Sowjetunion orientiert, die Wohnungen waren auch für damalige Verhältnisse absolut komfortabel und es ist durchaus ein Stil mit dem man leben kann.
    Im übrigen wurden diese Gebäude aus Trümmern errichtet, statt T -Trägern hat man beispielsweise Schienen verwendet.....aber es hält.

  • Der Ausdruck "Zuckerbäckerstil" entstammt einer Epoche, in der das Verständnis für ornamentierende Architektur der letzten 150 Jahre seinen Tiefpunkt erreicht hatte, jedenfalls im deutschen Volk, war zugleich ein dumpfer, reichlich ignoranter Protest gegen ein Bauen, das die zeitgenössisvhe, vom Zeitgeist verordnete reduktionistische Moderne missachtete, war natürlich auch Ausgeburt einer dem Kalten Krieg gemäßen Geringschätzung östlichen, sowjetischen Kulturschaffens. Die Tatsache aber, dass dieser Pseudo-Stilbegriff noch heute manchem deutschen Journalisten herausrutscht, wenn ein traditioneller Architektenentwurf den seit 70 Jahren eingeschliffenen Umgang mit Architektur verstört, kündet vor allem von Kulturverlust und Banausentum in der gegenwärtigen deutschen Architekturrezeption. Die Immobilienwirtschaft hat vollends dafür gesorgt, dass der Durchschnittsdeutsche mit drei handlichen Stilbezeichnungen auskommt: ornamentierende Architektur vor 1945 gilt als "Jugendstil", historisierende Architektur seit 1945 als "Zuckerbäckerstil" und ornamentlose Architektur als "Bauhausstil".

  • Der Ausdruck "Zuckerbäckerstil" entstammt einer Epoche, in der das Verständnis für ornamentierende Architektur der letzten 150 Jahre seinen Tiefpunkt erreicht hatte,

    Es ist schwierig den Bauten in der Karl Marx Alle einen konkreten Stil zuordnen zu können, wir haben hier Elemente des Klassizismus mit ein wenig Barock und auch ein wenig Jugendstil - ich weiß ned welche Stilbezeichnung hier passend wäre? Vielleicht "Neoklassizismus"?

  • "Sozialistischer (Neo)Klassizismus" triffts schon ganz gut, denn das ist einfach eine eigene Stilkategorie wie z.B. auch der "Heimat(schutz)stil". Sowas entzieht sich den meisten bekannten Kategorien nunmal.

    Danke jedenfalls für die ausführliche Tour! Ich mag gerade die Torbauten von Henselmann am Strausberger Platz und am Frankfurter Tor sehr. Gerade, weil sie auch recht berlinerisch daherkommen. Auch hätte ich gern sein Hochhaus am Alexanderplatz gebaut gesehen, das wäre so ähnlich gewesen wie die Frankfurter Torbauten, eine hübsche Ergänzung zum Fernsehturm mit der Kuppel und garantiert schicker als das Park Inn und sonstige Kästen in der Gegend, wie das Haus des Reisens. Gabs davon eigentlich ein Modell, vom Henselmann-Hochhaus am Alex? Ich kenne nur diese winzige Fitzelabbildung der Zeichnung:


    Alternativlink


    Mich würden übrigens auch Detailansichten der Plattenbauten vom 3. Bauabschnitt aus den 60ern/70ern interessieren. Hast du davon auch welche gemacht, Snork? Die sind doch auch unter Denkmalschutz oder? Gerade in dem Bereich bräuchte es einige Abrisse oder starke Umbauten und deutlich mehr Verdichtung. Dieser Plattenbaubereich kappt einen Großteil der Urbanität zwischen Alex und Strausberger Platz

  • ^Ja, das ist sicherlich eine sehr zutreffende Wahrnehmung! So stehen die prachtvollen, sehr urbanen Bauten, der ganze Straßenzug, leider etwas isoliert in der Gesamtstadt. Weiter zum Alexanderplatz hin wird es arg, und das sind noch einmal 1000 m oder mehr. Man kann die Plattenbauriegel z B auf diesem Foto rechts hinter dem Torbau, unter dem Fernsehturm erkennen:

    Hier sogar mit dem Alex in der Ferne:


    Die Plattenbaublöcke selbst habe ich nicht fotografiert. Bei solchen Bauwerken wird mit der Arm schwer wie Blei, er sinkt hinab und eine Fotoaufnahme ist nicht mehr möglich eye:)


    Bezüglich der Frage des Denkmalschutzes möchte ich hier die Berliner Denkmalkarte verlinken:

    Berliner Denkmalkarte

    Ich hoffe, Ihr könnt es zuordnen! Die Stalinbauten stehen allesamt unter Schutz, die Plattenbauriegel wohl nicht, wenn ich das richtig sehe. Hoffen wir also, dass wir noch bessere Zeiten erleben und die Platten verschwinden; alleine, ich mag es nicht glauben, da es sich eben um Wohnbauten handelt und diese im Übrigen auch langsam historisch werden.

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

    Einmal editiert, zuletzt von Snork (25. Januar 2017 um 21:08)