Neubau des Hauptgebäudes der Uni Leipzig

  • Irgendwo hab ich auch mal gelesen, dass sämtliche Bemühungen des sächsischen Königs, sich von Napoleon abzusetzen, von Preußen und Russen torpediert wurden, den Preußen wollte schon seit einem halben Jahrhundert endlich dieses Sachsen besitzen, um seine Ressourcen auszubeuten. Nun sah man endlich die Chance gekommen, die Scharte von 1763 zu korrigieren. Ein Überlaufen des sächsischen Königs zu den Gegnern Napoleons hätte da nur erheblich gestört. Dass dies ohnehin aufgrund der Besetzung des Landes durch die Franzosen kaum Chancen auf Erfolg gehabt hätte, steht auf einem anderen Blatt. Einige der schlimmsten Schlachten der Kriege dieses Napoleons fanden auf sächsischem Boden statt. Im Frühjahr 1813 die Schlacht bei Bautzen mit über 35.000 Toten und im August die Schlacht bei Dresden mit über 25.000 Toten wenige Monate vor der Völkerschlacht. Bei beiden Ereignissen konnten sich die Franzosen behaupten. In Leipzig waren es dann mehr als 100.000 Tote und die französische Armee wurde in die Knie gezwungen. Die französischen Truppen zogen aus Dresden erst am 17.11. ab, nachdem in den Lazarette der Stadt wiederum Tausende krepiert sind (nachzulesen bei Ludwig Richter - Lebenserinnerung eines alten Mannes / Vorsicht nicht jugendfrei!). Schlacht kommt halt irgendwo auch von schlachten... es war einfach bestialisch und heute feiert man immer noch diese "Kriegshelden" und spielt es auch noch nach.... Das grenzenlose dahinsterben kann man aber nicht nachspielen! Zurück zum Thema. Die Ereignisse mögen aufzeigen, dass es für Sachsen mit einer Armee von weniger als 40.000 Mann kaum möglich war, einfach mal so auszuscheren. Ganz davon abgesehen, dass man den preußischen König zum Jagen tragen musste... Nachdem ihm die Russen den Marsch geblasen hatten, konnte er dann die große Klappe schwingen.... Vermutlich war ihm das Testament Friedrich II. noch im Gedächtnis, dass schon 1752 besagte, dass man Preußen durch die Einverleibung Sachsens abrunden solle. Hat nur 1763 nicht geklappt... und 1815 auch nur zur Hälfte. Finde die preußische Geschichtsklitterung überhaupt amüsant, die den Sachsen ständiges Lavieren und Versagen vorwirft - die Sichtweise wird teilweise immer noch so wieder gegeben! Beispiel? Dreißigjähriger Krieg: Die Sachsen waren ziemlich lang Kaisertreu und haben sich versucht rauszuhalten. Der Kaiser in Wien forderte mit dem Restitutionsedikt nichts weniger als die Rückgabe aller Kirchengüter auf den Stand von 1517! Das war nicht zu machen, ohne den Staat in den Bankrott zu jagen. Folgerichtig verbündeten sich die evangelischen Reichsstände mit Schweden... Als man des Krieges überdrüssig wurde und 1635 mit dem Kaiser Frieden schloss, hatte man die Schweden außen vor gelassen. Die waren noch lang nicht satt... Also ging der Scheiß weiter... Die wahren Kriegstreiber saßen da wohl eher in Wien und Stockholm und die kleineren Länder, wie Sachsen oder die Mark Brandenburg mussten es mit ihrer Bevölkerung ausbaden...

    Ansonsten freut es mich zu sehen, dass es mit der Paulinerkirche in kleinen Schritten weiter vorangeht. Freu mich drauf, wenn es mal fertig ist. Auch wenn mi das Original lieber gewesen wäre, ist dieser Kompromiss immer noch besser als nix! Immerhin ist der Raum wieder da und die Ausstattungsstücke kommen wieder in würdigem Rahmen an die Öffentlichkeit. Hat Spaß gemacht, damals dieses Kirchengewölbe zu modellieren! Link zur Visu

  • Mir ging es nicht darum, warum Sachsen auf der "falschen" Seite gestanden hat. Interessant ist, dass ein König, der ein krasser Verlierer war, dann fast als Held gefeiert wurde. Auch nach dem Wiener Kongress hat König Friedrich August I. von Sachsen keine besonders gute Figur abgegeben. Finde ich.

    Noch ein paar Frühlingsfotos vom heutigen Johannisplatz mit Blick zum Paulinum. Das Holzkreuz soll daran erinnern, dass hier die Johanniskirche stand. Im II. Weltkrieg stark beschädigt, wurde um 1960 der eigentlich gesicherte Kirchturm gesprengt.


    Eigene Fotos.

  • Mir ging es nicht darum, warum Sachsen auf der "falschen" Seite gestanden hat. Interessant ist, dass ein König, der ein krasser Verlierer war, dann fast als Held gefeiert wurde. Auch nach dem Wiener Kongress hat König Friedrich August I. von Sachsen keine besonders gute Figur abgegeben. Finde ich.

    Das ist in der Tat eine wichtige Frage. Das "fast" kannst du wohl streichen. Der "Pater Patriae" ist bei seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft ja frenetisch umjubelt worden. Wobei hier sicherlich die Hoffnung auf ein baldiges Ende des ungeliebten russischen und vor allem preußischen Gouvernements gehörig zu beigetragen hat.
    Warum der katholische König im protestantischen Sachsen dennoch einen so sicheren Stand hatte, dass an seinem Thron außer von den Alliierten nie ernsthaft gerüttelt wurde, kann ich mir auch nicht ohne weiteres erklären. Der regierte am Beginn der Napoleonzeit zwar schon eine gefühlte (und für damalige Verhältnisse tatsächliche) Ewigkeit, aber völlig konfliktfrei verliefen die Jahre ja nun auch nicht.
    Insbesondere in den Jahren während und nach der alliierten Okkupation hat man die Ungerechtigkeiten, die Sachsen widerfahren sind, wohl schlichtweg auf den König projiziert und ihn so gewissermaßen reingewaschen. Denn angesichts der milden Behandlung Frankreichs, erscheint die drakonische Bestrafung des militärisch unbedeutenden Sachsens geradezu grotesk.
    Interessant ist allerdings, dass auch die junge deutschnationale Bewegung, die ansonsten ja tüchtig unter preußischem Einfluss stand, nicht weniger königstreu war, als die übrige Bevölkerung. Einige Strophen von Carl Hinkels "Wo Mut und Kraf in deutscher Seele Flammen", sind ja eine einzige Treuebekundung an den sächsischen Monarchen.

  • Nachdem viele schöne bunte Bilder zu sehen waren, möchte ich doch auf das gegebene Thema zurückkommen. Schließlich wird bei dem neuen Hauptgebäude der Universität Leipzig auch der Begriff "Neues Augusteum" verwendet. Dabei hat die Rektorin dort gar nicht ihren Sitz, sondern sie ist immer noch im Königlichen Palais an der Goethestraße untergebracht. Aber angesichts der schönen Fotos mit den Regententugenden muß der geschichtliche Bezug hergestellt werden. Als Übergang möge hierzu die Weisheit dienen. Auf obigem Foto erkennt man schon im Hintergrund den Rettungsplan. Und von hinten scheint es so, daß man äußerst vorsichtig zu sein scheint mit der Flamme der Weisheit:

    Aber Ironie beiseite. Es ist ganz einfach nicht vorzeigenswert, wenn man die teuren Trivialverbauungen ins Bild rücken würde. Schließlich hab es im Augusteum einmal Wandelgänge:

    Aufnahme um 1920, Druck u. phot. Aufn. v. Paul F. Weber

    Allein das Wort "wandeln", was im wissenschaftlichen Leben durchaus achtbar ist, weil man dabei auch mit Muße und Zeit im Gespräch seinen Gedanken freien Lauf lassen kann, verbietet sich bei der Gestaltung heutiger "Fluchtwege".

    Und die Tugenden, die heute die einzige Attraktion in dieser sterilen Halle sind (ursprünglich mit futuristischen Anmutungen des betrügenden Architekten), hatten ein gebührendes Umfeld:

    gelaufen am 27.2.1906, in der Erdgeschoßsicht:

    Während das eigentliche Denkmal 1968 in der Etzoldschen Sandgrube gelandet ist, wurde der Löwe, nachdem er zwischenzeitlich auf den "Sachsenplatz" kam, in einem Vorraum aufgestellt.

    Leider habe ich noch keine fotografischen Altansichten der Tugenden im Detail vorliegen, so daß sie hier nun in ihrer
    ursprünglichen Konzeption von Rossbach zu sehen sind.

    gelaufen am 5.3.1912

    Darüber das Gemälde von Friedrich Preller d. J. "Prometheus bringt das Licht den Menschen"

    Die Farben wirken auf diesem Druck von Pernitzsch etwa kitschig. Aber weitere Farbaufnahmen liegen mir gegenwärtig noch nicht vor. Zu sehen ist vor der Gesamtszenerie dieser Ostseite gut ein Einblick in die dahinter liegende Aula mit dem Wandgemälde von Max Klinger.

    Weiteres kann hier nachgelesen werden:

    http://www.paulinerkirche.org/Projekte/Kultu…ingerplatz.html

    Da das "Neue Augusteum" keine Aula hat, sondern nur ein fensterloses "Auditorium maximum", das auch in jedem Gewerbegebiet oder Bunker stehen könnte, ist auch dies ein gewollter Geschichtsbruch.

    Auf der anderen Seite der Wandelhalle, d.h. der Westseite befand sich das Albertinum:

    Der Ausgang führte in den ebenerdigen Paulinerhof. Weitere Innenaufnahmen hatten wir schon an anderer Stelle.
    Die folgende Aufnahme sei hier noch eingefügt, weil sie bei Sonnenschein aufgenommen wurde, was selten vorkommt:

    Wie man sieht, scheint die Sonne vom Süden in die Halle. Anders wünschen es sich die Leipziger Professoren unter Frau Prof. Schücking weiter in der daneben liegenden unfertigen "Betonkiste" (Bezeichnung des Architekten). Dort soll die Sonne hell aus nördlicher Richtung in den Raum strahlen. (Auch diese Modelle sahen wir zur Genüge.)

    Jedenfalls haben die Altvorderen nicht nur in der Wandelhalle viel und ideenreich mit Oberlicht gearbeitet. Hier mal ein Blick in das Auditorium 40:

    Um nun auf die zuvor andiskutierte Geschichte zurückzukommen: Auch auf dieser Seite befand sich ein Wandgemälde von Friedrich Preller mit der "Burg Wettin".

    Die Denkmäler von Friedrich dem Streitbaren, Markgrafen von Meissen und Kurfürst Moritz von Sachsen hatten den Krieg überlebt und wurden 1968 aus ideologischem Haß vernichtet.

    Nach der Paulinerkirche wurde alles, was den Krieg überstanden hatte von Augusteum, Albertinum und Johanneum gesprengt.

    Man muß sich vorstellen: Zuerst kam die Paulinerkirche in die Etzoldsche Sandgrube, dann die weiteren Universitätsbauten. Darüber kamen Keller- und Gruftbereiche der Paulinerkirche und dann die Kellerbereiche der anderen Universitätsbauten mit allem, was dort eingelagert war.

    Belegfotos von 1968, die u.a. kurz vor den Sprengungen von Gudrun Vogel angefertigt wurden, kann man sich
    anhand der Kontakte hier ausführlicher anschauen:

    http://www.paulinerkirche.org/auguum.html

    Wie gesagt, im Gegensatz zur Paulinerkirche, wo 85 Prozent des sichtbaren Inventars geborgen wurde, ist bei Augusteum, Albertinum und Johanneum bis auf den Löwen kaum etwas durch die "teuren Genossen" geborgen worden.
    Der Rest ist immer noch Schweigen - bis heute.

  • Da bei den schönen bunten Bildern vom Neubau auch die mittelalterlichen Fresken in ein solches gerückt wurden, ist es wohl erforderlich, den Auswärtigen dies näher zu erläutern.

    Man geht vom neuen Haupteingang der Universität Leipzig links vorbei an dem kreativen Parkplatz (Vergleiche alle am 6. Mai 2017)


    und kommt dann zum Eingang von Hörsaalgebäude und Bibliothek, wo man schon von außen die Fresken sehen kann.


    Da dies nun wenig mit ihrem eigentlichen Standort und ihrer eigentlichen Funktion zu tun hat, sind einige Erläuterungen geboten. Dazu schauen wir einfach auf einen Plan. Hier sind einfach mal fünf Plänen aus fünf verschiedenen Zeiten übereinandergelegt (Ausgangspunkt Kopien der Schleusenpläne von Leipziger Stadtplanungsamt 1:200 aus den 1930er Jahren). Die in den Jahrhunderten wechselnden Veränderungen im Detail lassen wir jetzt mal aus und konzentrieren uns auf die maßgeblichen Strukturen:

    Oben: Augustusplatz
    Links angedeutet: später Felsche / Mauricianum / Fürstenhaus
    Unten: Hardsches Haus / Paulinum (teils Beginenhaus zuvor) Silberner Bär /
    In der Mitte der Komplex des Klosters mit den verschiedenen Kreuzgängen, auch in der Paulinerkirche.

    Das heißt, die Fresken waren im Mittelpaulinum ausgeführt worden. Die Aufnahmen davon sind zum Teil vielleicht bekannt, aber an dieser Stelle dienen sie dem Verständnis der ehemaligen Klosteranlage.


    Der Kreuzgang des Dominikanerklosters befand sich hier im angedeuteten Fuß- und Wagenweg.


    Die Postkarte ist nicht ganz korrekt betitelt. Links ist der vermutliche Raum des ehemaligen Brauhauses abgebildet.


    Foto des Mittelpaulinums 1893


    Abriß1893/1894, links im Bild das Bornerianum

    Hinter der rechten Wand im Erdgeschoß befanden sich also die Fresken. Man kam vom Kreuzgang u.a. durch diese Tür

    zum Paulinerzimmer:


    Dies möge einen kleinen atmosphärischen Eindruck schaffen. Nun hätte es ja so sein können, daß man an der Universität Leipzig an die Wurzeln der Geschichte zurückgeht und vielleicht in Ergänzung zu den Wandelgängen von Augusteum - Albertium einen mittelalterlichen Kreuzgang nachbildet, um auch etwas von dem damaligen Leben nachempfinden zu können, den auch künftige Studierende spüren können. Selbst zu DDR-Zeiten war ja der innere Hof zumindest überdacht gebaut. Dies sei auch deshalb gesagt, weil davon nicht nur die Pläne, Skizzen und nicht nur einige Teile wie ausgestellt bekannt sind, sondern im Jahre 1909 u.a. auch eine große Mappe mit den Fotos Fresken gesamt vorliegt.


    eine von vermutlich zahlreichen Nachzeichnungen
    Zudem gibt es weitere Fotos. Das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig stellte freundlicherweise für paulinerkirche.org einiges zur Verfügung. Andeutungsweise hier mal eine Montage zweier Abbildungen beim Abriß des Kreuzganges.

    http://www.paulinerkirche.org/tmp/hof/stammb.jpg
    Wenn dies hier eingefügt werden muß, so, weil die schönen bunten Bilder nicht die reale Gesamtsituation und das anhaltende Bauniveau an der Universität Leipzig wiedergeben. Denn hätte sich der Fotograf nur mal um 90° gedreht, hätte er im Gegensatz zum Kreuzgang den Leipziger Universitätsgang im Jahre 2017 gezeigt.


    Und bei 180° wäre dies auch nicht viel besser ausgefallen:

    Der Kreuzgang war zudem auch noch im 19. Jahrhundert wichtig, weil er die Verbindung zwischen Universitätsstraße und Augusteum darstellte.

    Hier mal der Augusteumshof, wo sich in der dritten Etage der Karzer befand.

    In der Rossbachen Bebauung wurde der fußläufige Übergang vom Augustusplatz über den Paulinerhof zur Universitätsstraße sogar explizit ausgebaut, wie auf anderen Fotos bereits zu sehen war - nach allen Seiten offen und ebenerdig.

  • Nicht so ist es mit den Wünschen der nachsozialistischen Folgebebauer. (Es war nicht der "Freistaat Sachsen" an sich, sondern es waren immerhin Menschen - gleich ob als Professoren oder legendierte Kader -, die hier Geschichte verleugneten und unterdrückten - mit kostentreibenden Forderungen, Folgen und weiteren qualitativen Verkümmerungen der Bau-, Kultur- und Geistesgeschichte.) Denn es ging ihnen um den Erhalt der schon zu DDR-Zeiten verschlissenen Bauten des Hörsaalkomplexes und des Seminargebäudes.

    Die Hörsäle waren nicht nur wegen der schlechten Luft unbeliebt, sondern auch weil sie fensterlos waren und jeder so sitzen wollte, daß er möglichst am Ausgang saß und schnell wieder herauskam.
    Inwieweit sich das jetzt verbessert hat, mögen die heutigen Studierenden selbst einschätzen.


    Nicht daß man den Gesamtabriß des maroden wie unzweckmäßigen Seminargebäudes vornahm, um wieder eine randständige Bebauung u.a. mit Paulinum und Silbernen Bär herbeizuführen, sondern ein Relikt mußte erhalten werden für die heute verkorkste Gesamtsituation.

    Denn zehn Jahren später ist die Visitenkarte der Leipziger Universitätsstraße 5 eben diese:

    Und wenn man die Qualität erahnen will, muß man schon seinen Blick senken, wo einst Gottsched im "Goldenen Bären" lebte und und und ...

    Ebenso ist es mit Wilhelm Wundt.

    Es hilft nichts, wenn diesem eine Plakette zweisprachig gewidmet wurde.

    Hier! hat Wilhelm Wundt kein Institut gegründet.
    Und die Psychologie ist statt auf ihrem angestammten Platz nebenan im Städtischen Kaufhaus (!) kreuz und quer ungünstig verteilt worden, so daß man bitter ironisch von der "Fahrstuhl-Psychologie" spricht.

    Vielleicht war dies etwas ausschweifend zu den schönen bunten Bildern oben, aber man muß eben nicht nur zwischen den Zeilen lesen können, sondern oft sehr genau hinschauen ...

    Universitätsstraße Leipzig

    Wochenende an der Universität Leipzig, sonnabends ab 15 Uhr.

  • Interessant ist die Kontinuität von Aufbauen und Niederreißen. Die Veränderung ist gerade bei den Universitätsbauten in Leipzig das einzig Verbindende. Daher ist absehbar, dass es in einigen Jahren wieder Um- oder gar Neubauten geben wird. Wer weiß, wie die nächsten Generationen urteilen werden. Nicht nur manche Gebäude sind als grenzwertig zu bezeichnen.

    Noch ein paar Fotos zum Strangthema: Neubau des Hauptgebäudes der Uni Leipzig.





    Eigene Fotos.

    Einmal editiert, zuletzt von Stahlbauer (7. Mai 2017 um 20:26)

  • Die schönen Bilder verdeutlichen eigentlich sehr gut die gegenwärtige Situation. Uns geht es ja nicht um Urteile, sondern darum, daß man aus der Geschichte unheimlich viel lernen kann.

    Und hier sehen wir eben, wo es dessen ermangelt. Die Sterilität, die möglichst klinische Reinheit hinter Glas und auf maschinell putzbaren Gängen wie im Leipziger Arbeitsamt ist sehr aussagekräftig. Zudem ist die hier stark wirkende Beleuchtung tagsüber nicht in Betrieb.

    Ein Punkt, der hier zu denken geben sollte, ist die Aufenthaltsattraktivität bzw. die potentielle Verweildauer. Wo kommt bei dieser Anbringung der Gemälde schon die Muße auf, sich den Porträtierten zeitlich so zu widmen, wie sie es verdient hätten. Wieviel Zeit verbringt man schon gern in dieser "Wartehalle"? Es gibt Räume, wo man sich heimisch fühlt und sich freiwillig stundenlang mit der Inneneinrichtung wie auch Gemälden befassen kann. Dieser zählt nicht dazu.

    Vielleicht sollte man mal die Realnutzung (ebenso der Räume) prüfen. Wie dem auch sei, zurück nochmal zu den Altvorderen. Es geht ja nicht nur um Aufbau und Niederreißen, sondern daß man früher aus der Geschichte gelernt hat.

    Die Lesezimmer des Mittelpaulinums waren immerhin mit viel Licht und Ausblick versehen.

    Die Universitätsbibliothek in der Beethovenstraße lehnte sich an die Tradition an. Und mit der
    Überdachung des dortigen Innenhofes ist sogar eine attraktive neue Lösung gefunden.

    Im teuer sanierten Objekt am Augustusplatz sitzt man dagegen im Keller:

    Blick vom Erdgeschoß des Hörsaalkomplexes in die Bibliothek (Foto 6. Mai 2017)

    Auch zum Innenhof könnte man mit viel Bildmaterial ins Detail gehen.

    Wer die Situation vor dem Umbau (24. Juni 2001) betrachten möchte, kann sich einfach mal den Link anschauen:

    http://www.paulinerkirche.org/archiv/alt01.html

    Denn der "Große Wurf" des "Star-Architekten", der von hochkarätigen Persönlichkeiten zum Sieger gekürt wurde, sah ja eine tolle Plattform mit ökologischer Dachbegrünung vor:

    In der Realität ist davon nichts realisiert worden. Der Charme der Rückseite etwas näher betrachtet:

    Vergleich 6. Mai 2017

    Gleich gegenüber künden die angewandten Wirtschaftswissenschaften der Universität Leipzig von ihrer Praxisnähe.

    Nach den ursprünglichen Planungen sollte die Ecke am Fürstenhaus im städtischen Kontext transparent und offen bleiben. Auch dieses wurde nicht eingehalten. Jedenfalls kann man selbst im lokalen Zentralorgan und natürlich im Internet über das Vorzeigevorhaben der Universität Leipzig mehr nachlesen:

    Der Leibnizladen.

    Weitere tote Flächen lassen wir hier mal aus und freuen uns, daß die Universitätsstraße inzwischen ökologisch bereichert wurde und somit die innerstädtische Attraktivität gehoben wird:

    Leipziger Stadtzentrum: Universität Leipzig, Universitätsstaße 1 (Vergleich 6. Mai 2017)

    Eine Korrektur sei noch nachgetragen: Bei der Planbeschreibung muß es wie im Text richtig heißen Goldener Bär.
    Dieser befand sich an der jetzigen Stelle der Universitätsstraße 5, und gegenüber war in der Kupfergasse der Silberne Bär. Beide Gebäude überlebten den Krieg nicht:

    Detail Kupfergasse zur Ecke Universitätsstraße, rechts mit Dachplastik Silberner Bär, geradeaus Goldener Bär.

  • Die Veränderungen der Universität Leipzig sind gut zu verfolgen. Früher haben Fotografen lange und sorgfältig gearbeitet und Postkartenmotive geschaffen. Heute kann scheinbar jeder ein Gebäude kreieren. Fotos kann man heute schnell mal aus der Hüfte schießen.


    Campus der Universität Leipzig


    Das Gebäude zwischen Paulinum und Grimmaischer Straße steht auf dem Gelände des ehemaligen Café français. Manche nennen es lieber Café Felsche.


    Deshalb sei an die lange Geschichte des Café français erinnert.

    ...
    Am 3. Oktober 1835 eröffnete im Erdgeschoss und ersten Stock des viergeschossigen Neubaus das Café Français mit angeschlossenem Verkaufsraum. Der Name war insofern Programm, als Felsche den Leipzigern das bieten wollte, was er bei seinem Pariser Aufenthalt in Cafés an Luxus erlebt hatte. Er entwickelte das Café zu einem Kaffeehaus ersten Ranges, in dem die elegante Welt verkehrte...

    Den Namenswechsel war dem Zeitgeist geschuldet. Auch Studenten und Lehrkräfteder Universität Leipzig waren sehr national eingestellt. In den nächsten 30 Jahren hat der Nationalismus Millionen Tote gefordert.





    Eigene Fotos.

  • Hm...... was soll man dazu sagen?

    Vor mehr als zehn Jahren - die Dresdner Frauenkirche war kurz vor ihrer Vollendung - hielt man in Leipzig ein Schild hoch: "Leipzig ist nicht Dresden - Gottseidank!" stand darauf. Man bezog sich dabei auf die ach so schlimme Rekonstruktion der Frauenkirche.

    Die Geschichte wird später darüber entscheiden, welche von beiden Städten den besseren Weg eingeschlagen hat.....

  • ...


    Vor mehr als zehn Jahren - die Dresdner Frauenkirche war kurz vor ihrer Vollendung - hielt man in Leipzig ein Schild hoch: "Leipzig ist nicht Dresden - Gottseidank!" stand darauf. Man bezog sich dabei auf die ach so schlimme Rekonstruktion der Frauenkirche.
    ...

    Das ist aber so nicht richtig. Damals sollte die Anzahl der Studenten in Leipzig drastisch heruntergefahren, Studiengänge geschlossen werden. Die seit 1961 bestehende Technische Universität Dresden sollte zur Eliteuniversität ausgebaut werden.

    Die Studenten wollten lieber in einfachen Gebäuden studieren und dafür auf einen Prestigebau verzichten. Irgendwie nachvollziehbar. Oder?

    Kann man die Dresdner Frauenkirche wirklich mit der Leipziger Unikirche vergleichen?

    Ansonsten hat Erich Kästner schon 1924 gesagt: Leipzig ist die Wirklichkeit. Und Dresden - das Märchen

  • Nein.

    Ja.

    So läuft es in der Politik aber nicht. Wenn man nicht genügend Mitstreiter findet oder potentielle Mitstreiter - wie der Paulinerverein- gelinde gesagt- verärgert, verliert man eben. Dann gilt es Größe zu zeigen und muss halt mit der Niederlage leben.

    Das war noch nicht einmal ein Pyrrhussieg, sondern ein Debakel. Scheint aber im Moment egal zu sein. Hier kann man echt gespannt sein, wie das die nächste Generation sehen wird.

    Einmal editiert, zuletzt von Stahlbauer (21. Mai 2017 um 12:33)

  • Lieber Stahlbauer, mit Letztgesagtem von Dir stimme ich 100%ig zu.
    Bitte versteh mich nicht falsch: ich will hier in keinster Weise eine DD-L-Konkurrenz aufbauen. Ich liebe L sehr und bin immer wieder tief von der Stadt beeindruckt....

    Das mit der Mehrheitsbeschaffung kenne ich aus meiner Dresdner aktiven Zeit nur zu gut.

    Ich bin ja beim Paulinum halt arg hin- und hergerissen, habe es leider noch nicht im Original gesehen.

    Der Außenbau ist sicherlich weit besser als eine der urspgl. geplanten Glaskisten und erinnert zumindest an den historischen Bau. Aber überzeugt er so wirklich? Hm, ich denke eher nicht... Etwas mehr materielle Tradition (gerne auch in adaptierter Form) und weniger blaues Glas hätten sicher gut getan... m. M. n.

    Der Innenraum ist ja glücklicherweise fast wieder der alte. Er wurde ja letztlich quasi von Andreas Hummel gerettet - das muss man mal so offen sagen.Die neuen Materialien dort finde ich auch gut. Blöd sind m. M. n. die abgeschnittenen "Hängepfeiler" und vor allem die vermaldedeite Glaswand (der ich aber kein langes Leben gebe, da das Schwachsinn ist).
    Die in den alten Sinnzusammenhang zurückgekehrten alten Grabdenkmäler, Altäre und Epitaphien sind sicherlich der ganz ganz entscheidnede Pluspunkt des Baus. Erinnert mich an Bruchsal, wo man das im Schloss jetzt auch so gemacht hat (ach Mensch, dazu wollte ich ja mal noch was einstellen)

    Weißt du übrigens was die Schwarzenberger-Kanzel macht? Die ist ja soooooo großartig. Elisabeth Hütter - RIP - hätte sie gerne dort wieder aufgebaut gesehen.....

    Einmal editiert, zuletzt von Oktavian (21. Mai 2017 um 11:06)

  • Da der neue Unicampus -mit dem Neuen Augusteum und dem Paulinum- gerade fertiggestellt wird, müssen wir die nächsten Jahrzehnte damit leben. Ob es in der nächsten Umbau-/Neubauphase Experten mit besonderem Spezialwissen geben wird, die auch noch das Verhandlungsgeschick haben, Rekonstruktionen -welcher Epoche auch immer- durchzusetzten, werden wir wohl nicht mehr erleben. Fürchte ich jedenfalls.

    Da müssen wir jetzt also durch.


    Hatte ich zwar schon einmal gezeigt, aber da ich vermute, dass der Eröffnungstermin nicht mehr fern ist: Die Glasverkleidungen der Säulenlampen sind montiert!





    [size=8]Eigene Fotos.

  • Zum Glück muss ich da nicht durch. Der schlimmste Albtraum seit dem Bau der Ruhr-Universität in Bochum 1962.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Ruhr-Univ…fnahme_2014.jpg

    Ich hätte sowas im Zentrum einer deutschen Großstadt nicht mehr für möglich gehalten. Aber die Leipziger haben es ja so gewollt, denn es gab meiner Erinnerung nach sogar eine Abstimmung in Leipzig über den Wiederaufbau der Paulinerkirche.

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • ...

    Ich hätte sowas im Zentrum einer deutschen Großstadt nicht mehr für möglich gehalten. Aber die Leipziger haben es ja so gewollt, denn es gab meiner Erinnerung nach sogar eine Abstimmung in Leipzig über den Wiederaufbau der Paulinerkirche.

    Davon habe ich noch nie etwas gehört.

    In Leipzig gibt es seit 1409 eine Universität, die ihre Wurzel in der Prager Karlsuniversität hat. Das führt zu Besonderheiten in der Geschichte, die man in Städten, die erst im 19. Jahrhundert oder noch später zu einer Universität kamen, vermutlich schwer verstehen wird. Kurz: Die Universität ist die Universität und unabhängig von der Stadt Leipzig. Nur der Kurfürst in Dresden bzw. die dortige Verwaltung, heute natürlich die Ministerien in Dresden, können wirklich mitreden. Von dort kommt ja das Geld für den Neubau.

    LEIPZIG

  • Ob es in der nächsten Umbau-/Neubauphase Experten mit besonderem Spezialwissen geben wird, die auch noch das Verhandlungsgeschick haben, Rekonstruktionen -welcher Epoche auch immer- durchzusetzten, werden wir wohl nicht mehr erleben.

    Nein, bezüglichder Paulinerkirche ist der Drops gelutscht. Einen funktioneirenden modernen Campus nebst genutzter und ja auch nicht so häßlicher Aula reißt dir niemand mehr ab - auch in 100 Jahren nicht.

    Deshalb sprach ich ja im Vergleich zu DD die zukünftigen Generationen an: Schon jetzt sind Frauenkirche und Neumarkt nicht mehr wegzudenken aus der Stadt. Die - unter äußerst schweren Kämpfen - getroffene Entscheidung zur Rekonstruktion hat sich schon jetzt mehr als bewährt, auch wenn dies die meisten Architekten - aber ja auch nur die - (wohl noch lange) anders sehen. Aus einer Ideologie herauszutreten fällt halt immer schwer. Eigentlich tun sie mir leid, denn man verpasst dadurch ja so viel Tolles im Leben......

  • Der schlimmste Albtraum...

    Den Uni-Campus als "schlimmsten Albtraum" zu bezeichnen finde ich schon hart. Ob einem die Gebäude gefallen oder nicht, ist doch Geschmackssache. Ich bin auch kein Fan des Endprodukts, aber die Gebäude wirken auf mich aus der Ferne trotzdem eine gewisse Faszination aus. Immerhin wurde Stadtreparatur betrieben (Stadtreparatur heisst nicht "Rekonstruktion", sondern "Wieder-Annäherung an die gewachsene Stadt"). Im Gegensatz zu Investorenarchitektur ist die hier entstandene neue Architektur sehr geschmäcklerisch, aussen als auch innen. Aber es ist etwas Einzigartiges, Neues entstanden, das ich bisher noch nie gesehen habe. Wie oft wurde und wird auch bei Architekturwettbewerben einfach kopiert und dann gebaut.

    Missraten ist die Dachfläche des Paulinums mit den technischen Sonnenschutzanlagen, die bei der Präsentation der Wettbewerbsarbeiten so nicht vorasussehbar waren. Ein bisschen weniger blaues Glas hätte vielleicht auch gut getan, und Zurückhaltung bei der Extravaganz beim Brückenübergang zum neuen Café Felsche ebenfalls.

    Amorphe Kuben, wie aussen und im Innern des Augusteums, gefallen mir persönlich generell nie, ebenso der Säulenwald, die gerundeten Kanten der Galerien und "Erichs Lampenladen" in der Haupthalle. Möglicherweise war das ein gewollter Gegensatz des Architekten - aussen kantig kristallin - innen vom Wasser abgeschliffene Steine. Unter Geschmäcklerisch fallen auch die hängenden Säulen des Paulinums.

    Die gezeigten Unorte, vor allem in den Beiträgen vom 7. und 8. Mai weiter oben, erschrecken mich schon, und es wird schwierig sein, solche auszumerzen.

  • Zitat von Riegel

    (... ) Missraten ist die Dachfläche des Paulinums mit den technischen Sonnenschutzanlagen, die bei der Präsentation der Wettbewerbsarbeiten so nicht vorasussehbar waren. (...)

    Ja genau! Ich hatte immer gehofft, dieses Gestänge sei irgendeine noch unverkleidete Dachkonstruktion, die später noch unter Glas verschwindet. Doch nun bleibt dieser unfertige zerzauste Eindruck tatsächlich für immer erhalten. Finde ich sehr ärgerlich.