• Hauptstraße 115 - 123

    Eine Horror-Meldung gibt's aus Mengen. Für ein Seniorenheim sollen mehrere großartige Fachwerkhäuser in der Hauptstraße abgebrochen werden:

    http://www.schwaebische.de/region_artikel…41_toid,60.html

    Die abgebildeten Herren können es wohl nicht mehr erwarten, dass ein Stück der historischen Stadt für immer vernichtet wird :kopfschuetteln: . Ich muss schon sagen, die Baumaßnahmen heutzutage besitzen ein erhebliches Maß an Rücksichtslosigkeit, das man wohl als Brutalität bezeichnen muss.

  • Landauf, landab regieren offenbar nur noch Profitgier und modernistische Profilierungssucht. Liebe zur Heimat, auch Respekt und Achtung gegenüber den Bauwerken, auch der Auftrag historische Häuser als unser kulturelles Erbe für künftige Generationen zu bewahren, das alles scheint nichts mehr zu zählen in unserer Zeit.

    Es kann mir niemand weis machen, dass man nicht an der Perepherie einen geeigenten Bauplatz für ein Altenheim gefunden hätte. Aber nein, gerade zum Possen müssen diese modernen, kalten Klötze genau in das Herz einer alten Stadt.

    2 Mal editiert, zuletzt von Villa1895 (20. März 2016 um 22:03)

  • Das kann doch einfach nicht wahr sein :weinenstroemen::weinenstroemen::weinenstroemen: in welcher Zeit leben wir denn eigentlich? Nur jemand der die Vergangenheit achtet kann die Zukunft gestalten!
    Ich bin echt fassungslos!
    Kann man ds nix mehr machen?

  • Unglaublich! Und wie unverschämt die Verantwortlichen auf dem Foto auch noch grinsen! Man könnte nur noch kotzen. Immerhin: Die Neubauten passen hervorragend zu den neuen Straßenlaternen.

    Standen die Häuser unter Denkmalschutz?

    Es ist wirklich erschütternd, wie viele historische Altstädte derzeit zugunsten von Seniorenwohnungen abgerissen werden.

  • Oh man, das ist ein heftiges Bauvorhaben. Mittlerweile habe ich das Gefühl, das man für Kitas und Seniorenheime alles machen darf. Das sich dort kein Widerstand regt wundert mich ehrlich gesagt... allerdings habe ich bei Wikipedia gelesen, dass Mengen unter starkem Einwohnerschwund leidet, vmtl. wird dort jede Investition genehmigt.

    Bestärkt aber mein Bild der aktuellen Entwicklung. Während man in Nord- und Mitteldeutschland mittlerweile stärker auf den Bestand achtet und Rekonstruktionen zulässt, wird im besser erhaltenen Süden weiter Tabula Rasa gemacht und gleichzeitig über die häßlichen Städte in NRW etc. gelästert.

    In Mengen ist es wohl zu spät, da noch etwas zu retten. Hoffentlich setzt dort dennoch ein baldiges Umdenken ein.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Die von Zeno in Beitrag 1 und 4 verlinkten Zeitungsartikel datieren aber von Ende Januar/Anfang Februar, und dort ist die Rede vom Abbruch der Häuser Ende Februar. Aber weshalb sind die Häuser denn immer noch in einem Verkaufsbulletin? Sind diese einfach noch nicht gelöscht worden? Ich nehme mal an, dass die Planungen und Bewilligungen mindestens ein Jahr dauern, und in dieser Zeit wären die Häuser sicher nicht mehr zum Verkauf gestanden.

  • Sind diese einfach noch nicht gelöscht worden?

    Davon ist auszugehen.


    Zum Prozedere in Mengen, das analog auch für Baden-Württemberg stehen mag, ist folgendes anzumerken:

    Beim städtischen Denkmalschutz gibt es eine entscheidende Ausnahme auf der Grundlage von Bundes- und Landesgesetzen:
    Ist ein denkmalgeschütztes Gebäude so sehr geschädigt, dass es wirtschaftlich nicht mehr saniert werden kann und die Kosten dem Eigentümer/ Investor nicht zugemutet werden können, muss der Denkmalschutz aufgehoben und der Abriss genehmigt werden. Das heißt, es gilt Eigentümerrecht vor Denkmalschutzrecht (Zumutbarkeitsklausel).

    Es gibt darüber hinaus jedoch Möglichkeiten betreffende Gebäude zu erhalten bzw. in Teilen zu retten:

    Die Stadt nutzt ihr Vorkaufsrecht (dieses hat sie meist bei geschützten Gebäuden) und saniert eigenständig.
    Die Kommune ist aber gesetzlich verpflichtet auch wirtschaftlich zu sanieren, mit Ausnahme sie führt das Gebäude einer sozialen oder kulturellen Nutzung zu. In diesem Fall greifen dann andere Möglichkeiten wie Subventionen, Spenden usw. Eine wirtschaftliche Sanierung ist in diesem Fall nicht mehr zwingend nötig.
    Eine weitere Möglichkeit, zumindest Teile geschützter, aber wirtschaftlich nicht mehr sanierbarer Gebäude zu erhalten, haben die Denkmalbehörden, indem sie dem Abriss zustimmen, sofern der Eigentümer sich verpflichtet, geschützte Teile, z.B. historische Fassaden, zu erhalten. In solchen Fällen muss der Denkmalschutz des Gebäudes jedoch für einen Abriss im rechtlichen Sinne aufgehoben werden und kann seitens der Denkmalbehörden nach Fertigstellung des Neubaus für die erhaltenen, historischen Elemente gesondert und neu unter Denkmalschutz gestellt werden.
    Dies funktioniert allerdings nur, wenn Eigentümer/ Investoren sowie das Denkmalamt besagten Kompromiss eingehen.
    Andernfalls dürfen die Gebäude nach geltendem Recht abgerissen werden oder der Investor zieht sich zurück und die Bausubstanz wird weiter dem Verfall preisgegeben, sofern sich keine andere Lösung findet.

    Das Diktat der Wirtschaftlichkeit ist von besonderer Bedeutung. Nicht umsonst gehören die Denkmalbehörden zum Geschäftsbereich der Wirtschaftsministerien.

    Ich bin stets über die positiven Sanierungsergebnisse im Osten der Republik überrascht, hier im Forum u.a. bestens dokumentiert anhand von Vergleichsbildern aus Haale (Saale). Es sprechen neben ideellen vor allem ökonomischen Aspekte eine nicht unwesentliche Rolle, die im Osten aus Abbruchkandidaten vorbildliche Sanierungsobjekte auferstehen lassen, wohingegen im Südwesten der Republik bei u.U. besserem Erhaltungszustand meist die Abrissbirne zuschlägt. Das mag ärgerlich sein angesichts eines fast einseitigen Ausverkaufs des baulichen Erbes, kann jedoch bei den Vorgängen in Baden-Württemberg und insbesondere am Fallbeispiel Mengen nicht unberücksichtigt bleiben.

  • Genau das war auch mein Gedanke als “Kompromiss“. Die Häuser entkernen und nur noch die wertvollen Fassaden bleiben stehen. Es gibt dazu viele erfolgreiche Bsp wie zb die Europagalerie in Saarbrücken, wo auch fast die komplette Bergwerksdirektion entkernt wurde damit es im Inneren die Nutzung eines Einkaufszentrum entspricht! Oder auch das Kaufhaus “Printemps“ in Metz wo nur noch die gründerzeitliche Fassade stehen blieb und alles dahinter topmodern ist ;)

  • Ehe ein Bauwerk komplett zerstört wird, wäre beispielsweise die Entkernung unter Beibehaltung der Fassade der Kompromiss. Jedoch ist dieser eben nur dann gegeben, wenn Denkmalbehörde als auch der Eigentümer/ Investor sich auf diesen einigen. Es handelt sich demnach um eine freiwillige Handlung, zu welcher beide Seiten gesetzlich nicht verpflichtet sind. Eine Erneuerung der bestehenden Landes- und Bundesgesetze ist also unabdingbar, sofern man an der bisherigen Praxis etwas ändern möchte.

  • Leider aber hat mir hier ja einen Kompromiss versäumt und es kommt eine nur mit ganz viel Wohlwollen als "angepasst" zu verstehende Neubaufassade hin. (siehe obigen Link) Gibt es denn keinerlei effektive Möglichkeiten mehr, auf die Investoren einzuwirken, von diesem Tun abzulassen? Vermutlich ist es nun ohnehin zu spät... huh:)

  • Vor dem Hintergrund des Verkaufs denkmalgeschützter Liegenschaften aus städtischem Besitz steigt folglich auch der ökonomische Druck auf die entsprechenden Gebäude.

  • Da sich hier doch ein relativ großes Interesse bemerkbar gemacht hat, hier noch eine kleine Übersicht zum Altbaubestand in Mengen. Wie ihr sehen könnt herrscht in Mengen kein Mangel an Neubauten. Es handelt sich bislang meist um den Typ Angepasst und unauffällig.

    Das betroffene Quartier ist unten links schwarz umrandet, so wie ich den Umfang für wahrscheinlich halte.

    Mengen Baualter

    blau: Mittelalter
    rot: 16. bis 18. Jahrhundert
    grün: Wiederaufbau nach dem Stadtbrand 1819 auf neuem Grundriss
    orange: 19. und frühes 20. Jahrhundert
    gelb: restliches 20. und 21. Jahrhundert
    X: ersatzlos Abgebrochene Gebäude seit 1873