Leipzig - Roßplatz und Umgebung

  • In Gedenken an Burkhard Klingenschmid, einem der besten Sachkenner nicht nur dieses Gebietes um Roßplatz bis Turner-, Nürnberger und Windmühlenstraße ...

    Ergänzend zum ehemaligen Königsplatz und doch baulich und entwicklungsgeschichtlich getrennt zum Roßplatz sollen nun einige Zusammenhänge dargestellt werden, die so nicht in Internet-Lexika nachgeschlagen werden können.

    Daher zu Beginn der Plan beider Bereiche mit Überlagerung, wo neben dem ehemaligen Fußgängertunnel der Standort des kümmerlichen, von SED-Kadern umjubelten DDR-Schwarzbaues neben dem Panorama eingepaßt ist. Veränderungen gab es mit den Ringbebauungen in den 1950er Jahren, wo die direkten Zugänge von der Sternwartenstraße und der Roßstraße zum Roßplatz geschlossen wurden.

    Zu bedenken wäre, wie mit der durchgängigen Bebauung der Brüderstraße verkehrstechnisch zu verfahren wäre. Ebenso neu zu werten wäre die Verbindung zur Leplaystraße. Doch zurück zur Geschichte.

    Zur Geschichte

    Der Roßplatz im Jahre 1732

    (mit freundlicher Genehmigung von Graphikantiquariat Koenitz) http://www.graphikantiquariat-koenitz.de


    Von Gruners Haus aus gesehen in Richtung Johanniskirchturm Roßplatz um 1810

    (mit freundlicher Genehmigung von Graphikantiquariat Koenitz) http://www.graphikantiquariat-koenitz.de


    Daß es nicht erst jetzt in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] Randale mit eingeworfenen Scheiben (und sogar unschuldigen sieben Toten) gab, berichtete die Illustrirte Zeitung schon im Jahre 1845. Nachzulesen gemäß Quelle.

    (mit freundlicher Genehmigung von Graphikantiquariat Koenitz) http://www.graphikantiquariat-koenitz.de

    Aber zumeist prägten Buden und friedliches Zusammenleben das Bild, hier vermutlich in den 1850er Jahren

    (mit freundlicher Genehmigung von Graphikantiquariat Koenitz) http://www.graphikantiquariat-koenitz.de


    Werbung vom Hotel Hauffe, von wo aus Fotografen auch [lexicon='Leipzig'][/lexicon] ablichteten

    Die Szenerie, wiederum aus dem Schatten der Pleißenburg heraus in den 1870er Jahren, allerdings hier von A. Stecher aufgenommen.

    Sie zeigt links im Hintergrund die Johanniskirche und die damaligen Bebauungen am Roßplatz, einschließlich "Zum Kurprinz", von wo aus (hinter dem Grunerschen Haus) das Schrötergässchen zum damaligen Windmühlenweg führte (danach zur Kurprinzstraße ausgebaut).

    Betrachten wir zuerst den Teil des Roßplatzes Richtung Augustusplatz, der durch die Ringbebauung nicht zur Debatte steht, sondern nur die städtebauliche Einordnung verdeutlicht.

    um 1860, auch wenn die damalige Anlage in Richtung Universitätsstraße und Augustusplatz unverändert ist

    (mit freundlicher Genehmigung von Graphikantiquariat Koenitz) http://www.graphikantiquariat-koenitz.de

    sechzig Jahre später, also um 1920


    Ansicht um 1930

    2016 bei Ampelphase ROT

    Auch wenn die Aufnahme scheinbar überhaupt nicht dazu paßt, verdeutlicht sie die Probleme unserer Zeit. Man sieht nicht nur dort, sondern rings um den Ring - wo vorhanden - einen grün-schwarzen, verdreckten Rasen. Die heutige Verweilqualität ist gleich NULL. Und ältere Bürger sind froh, heil über die Straße zu kommen. Das betrifft den gesamten Ring, insbesondere auch die Straßenübergänge an der Thomaskirche.
    Auch wenn es noch einige Jahrzehnte anhalten wird, bevor schadfreie Fortbewegungsmittel die Szenerie bestimmen, sollte schon jetzt darauf orientiert werden, u.a. mit einer Belebung des Roßplatzes von einer aufgewaideten "autogerechten" Stadt zu intelligenten Verkehrslösungen zu kommen.

    Dies wurde bereits bei "[lexicon='Leipzig'][/lexicon] - Diktaturfolgen" gezeigt wie mit der Kurprinzstraße:

    Kurprinzstraße 1905

    Vergleichsfoto, jetzt Grünewaldstraße 2013

    Von der anderen Seite der Windmühlenstraße aus gesehen


    Auch wenn durch die rechtsseitige Ringbebauung dieser Standort für eine Wiederbebauung natürlich nicht in Betracht kommt, soll es eben doch die städtebauliche Qualität dokumentieren, an der man tunlichst anknüpfen sollte. Nach 1989 haben wir bisher nur erlebt, daß alles neu Genehmigte möglichst noch schlechter aussehen sollte als das zu DDR-Zeiten Gebaute ...


    Blick von dem gleichen Standort ausgangs der Härtelstraße Ecke Windmühlenstraße in die jetzige Grünewaldstraße, 03.01.2016


    Zurück zum Roßplatz

    Städtebauliche Qualität erfordert auch, daß die vier einstigen Sehenswürdigkeiten des Roßplatzes nicht wie am Brühl einfältig, auswechselbar und würdelos "vermauschelt" werden sollten.

    Die vier Sehenswürdigkeiten nochmals im einzelnen. Die Objektdatenbank des Stadtgeschichtslichen Museums [lexicon='Leipzig'][/lexicon] hält zudem über tausend Findstellen bereit, wo man sich bei Bedarf ausgiebig informieren kann ...


    Die vier Genannten:


    links Hotel de Prusse (Hotel Preußischer Hof)

    Café Bauer (natürlich gibt es auch bessere Fotos ...)

    Harmonie - Architekturentwürfe von Arwed Rossbach

    Aufnahme Harmonie um 1909

    Panorama 1902

    Panorama 1935 bereits umgebaut, auch in der oberen Etage

    Ausblick von innen zum Neuen Rathaus

    Panorama vom Ausgang Neumarkt gesehen


    Vergleichsfoto 2015 - etwas verschoben


    Fazit sollte sein, daß an dieser Stelle des Roßplatzes wieder vier in eine "gesunde" Konkurrenz tretende, eigenständige neue Gebäude und Sehenswürdigkeiten treten sollten und keine "Einheitsauce", die in zwanzig Jahren wieder abgebaggert werden muß.

    Gegenwärtig ist aber die Situation folgende:


    Tristesse pur Roßplatz [lexicon='Leipzig'][/lexicon], Stand 3. Januar 2016

  • Ergänzung

    Da die Stadt nicht nur den oben zu sehenden niftlichen Kellerausstieg eines DDR-Schwarzbaues unter Denkmalschutz stellte, muß noch einmal auf die ehemals dort vorhandene städtebauliche Qualität hingewiesen werden. Das Ganze wieder von oben:

    Roßplatz mit Panorama, aufgenommen aus ca. 125 m Höhe von Parseval III am 29. Juni 1909

    Das Panorama, in dem Rudi Gfaller und Therese Wiet (die Jahrzehnte als Künstler in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] wirkten) bis zur Bombardierung die Panorama-Künstlerspiele betrieben beinhaltete u.a. diesen Saal:

    Rossplatz Nr. 5 [lexicon='Leipzig'][/lexicon] C 1 , Direktion: Rudi Gfaller

    (rückseitig beschrieben von Rudi Gfaller zum Jahreswechsel 1942/3 mit "besten" Grüßen)

    Zu dieser Szenerie der Persönlichkeiten, die in und für [lexicon='Leipzig'][/lexicon] wirkten, gehört noch etwas, was vielleicht an dieser Stelle doch einmal genannt werden sollte, obgleich der Satz in den Aufzeichnungen der Stadtratssitzungen bisher noch nicht aufgefunden bzw. erkundet wurde. Es ist der legendäre Ausspruch von Hugo Licht, den er bezüglich der Stadträte geäußert haben soll: "Große Haufen wollen sie scheißen, aber den Arsch haben sie nicht dazu."

    Denn bestimmt nicht wenige wünschen sich den Zustand zurück, als die Verwaltung klein und überschaubar war, wofür die folgende Abbildung mit dem Roßlatz steht und die nicht nur Retuschen beihaltet:

    Das ist die seltene Ansicht, als das Neue Rathaus noch nicht stand und die Pleißenburg schon abgerissen war.

    (Stempel -8.12.1901 [lexicon='Leipzig'][/lexicon], -9.12.1901 Plauen (Vogtl.)

  • Ergänzung

    Da die Stadt nicht nur den oben zu sehenden niftlichen Kellerausstieg eines DDR-Schwarzbaues unter Denkmalschutz stellte, muß noch einmal auf die ehemals dort vorhandene städtebauliche Qualität hingewiesen werden. Das Ganze wieder von oben:

    Eine große städtebauliche Qualität kann ich dort nun nicht erkennen. Mir fiele höchstens die vermutete Nutzungsmischung ein, die wohl auf 90% aller gründerzeitlich geprägten Stadtteile zutrifft.

    edit:

    Um welchen "Schwarzbau" geht es dir eigentlich?

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Es geht um dieses Gebäude, Bowlingzentrum, das vom ehemaligen Professor für sozialistischen Städtebau, Prof. Thomas Topfstedt, 1990 als "Architektur von europäischen Rang" eingeordnet wurde (s.o.):

    (Aufnahme 2004)

  • Wir hatten schon den wundervollen Reiz des gegenwärtigen Roßplatzes im Bild. Weshalb er dennoch wieder hier erscheint (Foto 6. April 2017), so nur wegen dem historischen Vergleich.

    Nur schemenhaft ist der Turm der Pleißenburg zu sehen. Dennoch lädt das Foto (vermutlich vor 1890) zum Sinnieren ein.

    Aus Richtung Königsplatz zur entsprechenden Straße, der jetzigen Goldschmidtstraße, ca. 50 Meter zurück, wo sich auch das Sterbehaus von Felix Mendelssohn Bartholdy befindet. Denn hier hatten einige Zuordnungsschwierigkeiten, zumal sie beim Originalfoto an der Straßenbahn lasen, daß diese nach Gautzsch fuhr.

    Obwohl die Karte erst Jahre später beschrieben wurde, ist es vermutlich der Festschmuck für das 500-jährige Jubiläum der Universität Leipzig im Jahre 1909. Den Kulturfortschritt zur heutigen Situation kann jeder selbst gemäß Betrachterstandpunkt einschätzen (Foto 6. April 2017):

    Im Gegensatz zu den historischen Fotos wird hier gelegentlich eine günstigere Aufnahme hochgeladen (heute schien gerade die Sonne ...). Bei den alten Aufnahmen gibt es nicht so viele Möglichkeiten der Auswahl. Eine Kommentierung erübrigt sich eigentlich. Jedenfalls hatte die Straße früher etwas Verbindendes. Durch den sozialistischen Rückbau am Ring für Aufmärsche und Demonstrationen sowie den Ausbau für eine "autogerechte" Stadt nach 1989 gibt es in der Zukunft jedenfalls bestimmt Bedarf, dieses irgendwann wieder zu ändern.

  • Der Eindruck ist völlig richtig. Einiges kann man ja unter Panorama_(Leipzig) anschauen. Weiteres müßte z.B. in der Leipziger Illustrirten Zeitung 1884 oder in der Bauakte nachzulesen sein, falls diese nicht wie vieles andere in der Leipziger Stadtverwaltung verschwunden ist.

    Natürlich gab in "Klein-Paris" sehr viel, was aus anderen Gegenden für übernehmenswert erachtet und zumindest teilweise umgesetzt wurde. Das wäre dann ein eigenes Thema. Bei den gegenwärtig gelaufenen Phasen vom Barack, über den Kubus zur Schießscharten- und Reichskanzleiarchitektur wird das schon irgendwann wieder, daß man merkt, daß die Klötze u.a. auch ein Gesicht brauchen ...

  • Eine wirklich beachtenswerte Dokumentation! Kein Wunder, dass sich hier kaum Beiträge über Leipzig finden. Leipzig hat die Rekonstruktion abgewählt. Aber was sollte auch rekonstruiert werden. Auf den Postkarten ist weder Romanik noch Gotik zu erkennen. Alles nur Typenware aus den Baukästen der Gründerzeit.

  • Auf den Postkarten ist weder Romanik noch Gotik zu erkennen.

    Und alles jenseits von Romanik und Gotik ist nicht rekonstruktionswürdig? Leipzig hatte und hat weit mehr zu bieten als "Typenware" auch wenn der Schwerpunkt natürlich ganz klar in der Gründerzeitarchitektur liegt.

  • Zwar kein romanisches, aber ein romantisches, will sagen pittoreskes Leipzig:

    https://wortblende.files.wordpress.com/2016/05/l_naun…hen_1940_20.jpg

    https://geheimtipp-leipzig.de/wp-content/upl…doerfchen-3.jpg

    https://wortblende.files.wordpress.com/2014/09/l_naun…hen_1940_17.jpg

    http://blog.lvz.de/untermdach/fil…n-undatiert.jpg

    Das Naundörfchen war so bis in dier 40er Jahre erhalten und hat sich den Charakter der alten Leipziger Vorstädte bis zur Zerstörung bewahren können.

  • Auch an dieser Stelle muß ich wieder auf das Thema zurückkommen und in die Aktualität tragen, da die unsinnige Verwurstung Leipzigs mit unansehnlichen primitiven Bauklötzen auf Kosten von Steuergeldern im Neuen Rathaus weiter favorisiert und vorangetrieben wird. Zwar kann man an der Ecke, wo das Institut für Länderkunde ebenso mit Steuergeldern angesiedelt wird, nicht viel falsch machen, weil diese schon immer architektonisch vernachlässigt wurde, aber am Rossplatz ist das eben anders.

    rosspl09.JPG

    Rossplatz Ecke jetzige Grünewaldstraße um 1909

    rossplatzb1906.jpg

    Szenerie um 1906

    Die schauerlichen Vergleiche zum jetzigen Zustand hatten wir bereits oben.

    Gruseliger sind nur die klobigen, stadtbild- und menschenverachtenden Klötze, wo man für das Juridicum (nachdem der Petersbogen wohl nicht mehr gut genug ist (siehe Beitrag unter Bachstadt)) den nächsten steuergeldverschwendenden Flop über Bundesgelder erwirken will. So kann man dem Forum Recht nur empfehlen, den auch vom Architekturforum empfohlenen Standort der ehemaligen Carola-Schule schräg gegenüber dem Bundesveraltungsgericht für sich seperat ohne Juridicum zu beziehen. Der Rossplatz verdient eine bessere Architektur, auch wenn man noch einige Jahre darauf warten muß, insbesondere wegen dem historischen Charakter, der räumlichen Aufteilung, Funktionalität und Qualität.

  • Gut, als kleinen Service - gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht:

    ist das jetzigen Landgericht in der Harkortstraße

    harkort.jpg

    rechts die Carola-Schule, um 1920 (nicht zu verwechseln mit dem Königin-Carola-Gymnasium)

    carola2.jpg

    Die Schule um 1910 , die Gebäude rechts existieren auch noch.

    Und für jene, die ganz genau wissen wollen, daß man vom ehemaligen Reichsgericht aus auf die Carola-Schule schauen konnte:

    hindenburg.jpg

    Hindenburg verläßt das Reichsgericht (bezüglich Datierung müßte ich noch das Foto heraussuchen ...)

  • Auch an dieser Stelle muß ich wieder auf das Thema zurückkommen und in die Aktualität tragen, da die unsinnige Verwurstung Leipzigs mit unansehnlichen primitiven Bauklötzen auf Kosten von Steuergeldern im Neuen Rathaus weiter favorisiert und vorangetrieben wird.

    Kannst du eine konkrete Stellungnahme formulieren? Die könnten wir dann zumindest als Verein an die Stadt und den Bauausschuss senden. In Leipzig haben wir allerdings nur einen geringen, sehr geringen Bekanntheitsgrad.

  • Da der thread gerade aktuell ist nutze ich mal die Gelegenheit und präsentiere das ehem. Tuchhaus Knaur am Roßplatz (heute steht dort die Ringbebauung aus den 50ern).

    roplatztuchhausknaur1lxd02.jpg

    roplatztuchhausknaur2cuf3p.jpg

  • Natürlich ist es hoch erfreulich, wenn sich alle so freundlich und wohlwollend wie unser Goldener Engel um konstruktive Lösungen bemühen!

    Aber wie bereits an verschiedenen Stellen zum Thema Leipzig angerissen, herrschen in der Leipziger Stadtverwaltung immer noch Zustände, wie sie treffender als von Hugo Licht (s.o.) nicht auf den Punkt gebracht werden können. D.h. Immobilienkriminalität und weitere Geißeln in unserem Zeitalter mit unaufgeklärten SED- und Stasi-Verbrechen sind hochgradig rechtsstaatsgefährdend, gefährlich und wohl organisiert.

    Dagegen ist die städtebauliche Primitivität z.B. der Machbarkeitsstudie Wilhelm-Leuschner-Platz erschreckend.

    Nichts von notwendigen neuen und alten Sehenswürdigkeiten ist seit der "Wende" erreicht worden:

    - Wiedererrichtung Große Gemeindesynagoge Gottsched-/Zentralestraße - Fehlanzeige

    - Crystallpalast - Fehlanzeige

    - Künstlerhaus - Fehlanzeige

    - Leipziger Schauspielhaus (ehemals Sophienstraße) - Fehlanzeige

    - Carola-Theater - Fehlanzeige

    - Nun wird von der Leipziger Stadtverwaltung sogar die Matthäikirche verleugnet!

    Weitere ehemalige Sehenswürdigkeiten wurden ja hier oder z.B. bei "Leipzig in alten Bildern" dokumentiert.

    Und statt den Bürgerwillen aufzugreifen, herrscht statt Demokratie intransparente Willkür im Leipziger Rathaus und der Drang

    nach Fördergeldern für dauerhaften Jubel und für ein bereits im Jahre 2012 seitens der Bürger gescheitertes Denkmal. Die Nikolaisäule auf dem Nikolaikirchhof ist als Denkmal anerkannt, aber nicht ein Platz, der mit den Geschehnissen von 1989 nichts zu tun hat und wo wie bereits erlebt jede Menge Zeit, Ressourcen und Steuergelder in Jurys, Kommissionen, Gutachter etc. verballert wurden.

    Es ist hier die Frage, wer davon profitiert. Denn all jene Bürger, die die Geschehnisse nicht nur 1989 selbst erlebten, haben dies verinnerlicht und brauchen keine Glorifizierung und fortwährende Übertreibung oder Belehrung. Ich möchte die Bürgerrechtler sehen, die diesen Pomp noch mitmachen und sich nicht eigentlich wichtigen Themen für die Stadt Leipzig (s.o.) zuwenden.

    Und auch bei anderen Willensbildungsprozessen wie zum Verlauf des Pleißemühlgrabens wurden nicht die Bürgermeinungen akzeptiert, sondern die Willkür der Leipziger Stadtverwaltung wurde durchgesetzt, wo sich die Leipziger Stadträte jetzt sogar zur Demokratiehauptstadt küren lassen wollen ...

    Nix für ungut.

  • Ich verstehe den Ärger. Mir geht es hier in Naumburg genauso. Irgendwie ist lähmender Stillstand eingetreten. Keine wirklichen Restaurierungen mehr, nur noch Neubauten mit völlig unverstandenem Stuckkitsch draufgeklebt. Jetzt wird aber der Platz vor dem Welterbedom in Travertin (sic! eines historischen Mannes Lieblingsstein) gepflastert. In anderen Strassen werden keine Bäume nachgepflanzt und das Pflaster ist seit 1890 nicht neu verlegt. Styroporverkleidungen sind das einzige was gerade boomt. Ich kenne dieses Anrennen gegen den stoischen Gleichmut der Masse.

  • Es ist hier die Frage, wer davon profitiert. Denn all jene Bürger, die die Geschehnisse nicht nur 1989 selbst erlebten, haben dies verinnerlicht und brauchen keine Glorifizierung und fortwährende Übertreibung oder Belehrung.

    "All jene Bürger" ist eine Generalisierung und daher unredlich. Zwei repräsentative Umfragen (2011 und 2018) bestätigten den Wunsch (2018 sogar 80% der Leipziger und 70 % der Bundesbürger) dass dieses Denkmal entstehen soll.

    Und statt den Bürgerwillen aufzugreifen, herrscht statt Demokratie intransparente Willkür im Leipziger Rathaus und der Drang

    nach Fördergeldern für dauerhaften Jubel und für ein bereits im Jahre 2012 seitens der Bürger gescheitertes Denkmal. Die Nikolaisäule auf dem Nikolaikirchhof ist als Denkmal anerkannt, aber nicht ein Platz, der mit den Geschehnissen von 1989 nichts zu tun hat und wo wie bereits erlebt jede Menge Zeit, Ressourcen und Steuergelder in Jurys, Kommissionen, Gutachter etc. verballert wurden.

    Genau das was Sie monieren wurde seitens der Stadt hinsichtlich der Standortwahl durchgeführt: Ein Rat aus zufällig ausgesuchten Leipziger Bürgern hat sich für den Leuschner-Platz ausgesprochen - nix mit intransparenter Willkür. Die Begründung des Rates für den Standort haben Sie doch sicherlich vernommen, oder?! Es geht nämlich in erster Linie nicht um ein Denkmal explizit für die Leipziger Friedliche Revolution sondern - wie der Name schon vermuten lässt - um ein Freiheitsdenkmal, bei dem man eben nicht an die Revolutionsorte wie z.B. den Nikolaikirchhof gebunden ist.

    Ich möchte die Bürgerrechtler sehen, die diesen Pomp noch mitmachen und sich nicht eigentlich wichtigen Themen für die Stadt Leipzig (s.o.) zuwenden.

    Wie wäre es z.B. mit einer der prägendsten Akteure damals - Gesine Oltmanns, das ist die Frau hier links mit dem Transparent und sollte Ihnen bekannt sein.

    Auf die anderen Auslassungen (irgendwas mit Stasi-SED-Stadtrat), die hier in Dauerschleife von Ihnen vorgebracht werden, einzugehen, wäre eigentlich jedes Wort zu viel.

  • Zunächst sei darauf verwiesen, daß Stadtbild Deutschland e.V. ein Verein interessierter und engagierter Bürger ist, die sich für die Schönheit unserer Städte einsetzen. Sein Ziel ist ein harmonischer Städtebau und ansprechende Architektur, in der sich die Menschen wohl fühlen. Seit Jahren werden so im gesamten deutschsprachigen Raum Materialien auch für Leipzig gesammelt und veröffentlicht (sei es in Galerien oder hier im Forum), damit die Öffentlichkeit das reichhaltige Kulturerbe kennenlernt und Vergessenes oder im Krieg Zerstörtes wieder in den Bestand des Allgemeinwissens gelangt. Darüber hinaus gibt es natürlich immer Diskussionen, ob Stadtreparaturen oder Sanierungen gelingen, oder ob Neubauten an das Niveau ihrer Vorgängerbauten heranreichen.

    Für Leipzig ist zu sagen (und das werden die ausgewiesenen Fachkollegen vom Architekturforum Deutschland bestätigen können, die die Autoren hier nicht sind), daß die Leipziger Stadtverwaltung diese Transparenz wie auf lipsikon.de nicht haben wollte und folglich die Seite wieder von den Servern verschwand. Also alles, was hier an Themen sukzessiv online gesetzt wurde, erfolgte ungefördert und nur, damit sich die Öffentlichkeit den städtebaulichen Qualitäten Leipzigs in verschiedenen Bebauungsfolgen (sei es mit einfachen, vormals unbekannten Wohnhäusern oder architektonischen Meisterleistungen) bewußt werden und möglichst auch daran erfreuen kann.

    Um so jämmerlicher ist es (die obige Machbarkeitsstudie ist nur 1 Beispiel), wenn die Stadt diese städtebauliche Qualität einfach ignoriert und auswärtigen Architekten ( 1 Beispiel Wettbewerb "Matthäikirchhof") überhaupt nicht das erforderliche Wissen bereitgestellt wird und sie die über Jahrhunderte entwickelte städtebauliche Qualität gar nicht kennenlernen.

    Und genau so bleiben Bürger ohne Kenntnis außen vor, die dies kaum aus dem lokalen Zentralorgan erfahren...

    Unredlich ist es daher, sich auf fragwürdige Umfragen zu berufen und kritische Kommentare als Generalisierung abzustempeln.

    Es gibt in Leipzig gar keinen auf Sachkenntnis basierenden Bürgerentscheid zu den Themen!

    Das Ganze zu vereinfachen und Gesine Oltmanns zu fragen - warum nicht? Ebenso wäre hier natürlich Claudia Iyiaagan-Bohse einzubeziehen. Und wenn auch durchaus umstritten kann hierzu bestimmt Christoph Wonneberger etwas beitragen.

    Allerdings ist das, was mit Naumburg angeschnitten wurde, auch für andere ostdeutsche Städte symptomatisch. Engagierte, kompetente wie prägende Sachkenner wie Wieland Führ fehlen an vielen Orten.

    Insofern kann ich nur ermutigen, nicht gegen den Gleichmut anzurennen, sondern die Hintergründe verstehen zu lernen, die eben nicht "irgendwas" sind, sondern die sehr wohl aus Strukturen, Abhängigkeiten und Personen bestehen. Wer daraus eine Dauerschleife macht, hat es noch nicht verstanden, zwischen den Zeilen zu lesen - wie man das früher so schön formulierte.

    Möge die Sachkenntnis der Leser weiter Lebendigkeit und Aufmüpfigkeit an die Stellen bringen, die hier leider immer noch kritisiert werden müssen.

    Viel lieber würden Naumburg und ich die Dinge zum Besseren im Sinne des Vereinszieles dokumentieren. Also arbeiten wir dran. Unermüdlich.

  • Für Leipzig ist zu sagen (und das werden die ausgewiesenen Fachkollegen vom Architekturforum Deutschland bestätigen können, die die Autoren hier nicht sind), daß die Leipziger Stadtverwaltung diese Transparenz wie auf lipsikon.de nicht haben wollte und folglich die Seite wieder von den Servern verschwand.

    Mich würde Folgendes dazu interessieren: Wer ist denn der Betreiber von Lipsikon gewesen? Wieso hatte die Leipziger Stadtverwaltung darüber Entscheidungsgewalt? War das keine private Initiative? Warum wurde dieses Archiv dann nicht online gehalten?

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • @ tegula

    Da hilft das Internet. Die Journalistin der ZEIT Evelyn Finger hat die haarsträubenden Zustände in Leipzig in ihrem Artikel gut zusammengefasst.

    Neben den genannten Zeitzeugen benennt Evelyn Finger auch den engagierten Kunsthistoriker Wieland Zumpe,(Nicht zu verwechseln mit Karl Zumpe - mitverantwortlich für den neuen Gewandhaus -Klotz am Augustusplatz), der gegen die Missstände in Leipzig ankämpft. Über Wieland Zumpe zieht z.B. das Leipziger Zentralorgan KREUZER her.