• Ja, es steht seit dem Hertie-Kollaps leer... seitdem versucht die Stadt, es neu zu nutzen aber bisher erfolglos. Dafür sind die Ladenflächen einfach zu groß und zu schlecht trennbar. Hier wären Totalabriss und Neubau sinnvoll gewesen.
    Wenn es nur die Wasserlage war, dann ist es m.E. schon krank, dass die Stadt darauf eingegangen ist. Der Hertie/Karstadt-Standort wäre eine ideale Verknüpfung zwischen dem Busbahnhof und der Innenstadt und ist aktuell eine absolut kaputte Gegend. Das ehemalige Altstadtviertel an der Ems hätte hingegen auch ohne Emsgalerie still, verschlafen aber eben funktionstüchtig dagestanden.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Guckt mal was ich gefunden habe:
    Wirklich dolle Drohnenaufnahmen der Rheiner Antoniusbasika. Einer der, wie ich finde, beeindruckendsten und besten Neo-romanischen Bauten überhaupt. Rheine ist recht beschaulich, aber wenn es dort irgendetwas großartiges gibt, dann St. Antonius. Man wollte hier einen idealisierten Kaiserdom schaffen, eine neue Stadtdominante, eine geistliche, konträr zu den neu entstandenden Fabrikschloten und Arbeitervierteln. Der 1899 bis 1905 errichtete Dom, der keiner ist, zeigt unverkennbare Parallelen zum Turm des Paderborner Doms und zu St. Michael in Hildesheim.
    Leider ist St. Antonius nicht in der Altstadt gelegen und ihr Umfeld alles andere als ansehnlich, ach so eine Kirche könnte die würdige Krone schönster Altstädte bilden, und da steht sie in einem ungepflegten Vorgarten..ähm Vorstadt...
    Nicht jedem dürfte dieses Juwel bekannt sein, darum möchte ich es hier mit diesem schönen Video vorstellen:

    https://vimeo.com/63239526


    Ich habe es in den "Emsgalerie"-Strang gelegt, da für einen seperaten Rheine-Strang nicht genügend Material zu geben scheint. Eventuell komme ich um Weihnachten herum dazu, mit der Kamera durch meine alte Heimat zu streifen und dann gibts ne eigene Galerie mit dem Titel: "Gotteshäuser des Osnabrücker- und nördlichen Münsterlandes." oder so ähnlich. Dann kann ich euch, dann mit eigenen Photos, weitere Perlen präsentieren, wie zB. die neoromanische (oder neo-spätromanische St. Agatha in Mettingen, https://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…ettingen_07.jpg
    http://www.horeb.org/uploads/pics/1_003.jpg
    oder Mariä Himmelfahrt zu Gellenbeck (Hagen a.T.W.) http://static.panoramio.com/photos/large/70191280.jpghttp://static.panoramio.com/photos/large/100730335.jpg (bis 1915 erbaut)
    und auch eine sehr interessante Klosterkirche zu Ohrbeck in Formen einer Art barockisierendem Reformstil http://www.noz.de/media/2013/08/…eck-un_full.jpg http://static.zoonar.de/img/www_reposi…3a9d8a7ba3a.jpg (in den 1920er Jahren erbaut)

    und natürlich noch viele weit ätere Kirchen, die diese Region auch zu bieten hat!

    4 Mal editiert, zuletzt von Kaoru (29. Oktober 2015 um 01:56)

  • Der Hauptturm ist für meinen Geschmack ein bißchen zu trutzig geraten, aber ansonsten ist die Kirche eine durchaus gelungene und einfühlsame Annäherung an die Vorbilder. Die Löwen in der Vorhalle etwa entsprechen doch sehr den Originalen aus der Romanik.
    Aber wie sieht es denn konkret mit der optischen Wirkung vor Ort aus? Auf den Bildern, die ich im Netz finde, scheint die historistische Kirche St. Antonius die tatsächlich historische Kirche St. Dionysius ziemlich zu degradieren...

  • Der Hauptturm ist für meinen Geschmack ein bißchen zu trutzig geraten, aber ansonsten ist die Kirche eine durchaus gelungene und einfühlsame Annäherung an die Vorbilder. Die Löwen in der Vorhalle etwa entsprechen doch sehr den Originalen aus der Romanik.
    Aber wie sieht es denn konkret mit der optischen Wirkung vor Ort aus? Auf den Bildern, die ich im Netz finde, scheint die historistische Kirche St. Antonius die tatsächlich historische Kirche St. Dionysius ziemlich zu degradieren...

    Tatsächlich bildet der Turm von St. Antonius mit seinen über 100 Metern die größere Dominante. Allerdings nur im Bezug auf die Silhoutte der Stadt.
    Wenn man sich jedoch in der Stadt selbst bewegt, kann es jedoch leicht passiren, daß man von St. Antonius nicht viel mitbekommen. Die Altstadt selbst wird immer noch von St. Dionysius bestimmt und geprägt. St. Antonius steht irgendwo im nirgendwo, zwar an einer Ausfallstraße, aber wirklich vor den Toren der Stadt. Bis zur links-emsischen Altstadt sind es noch weit über 700 Meter. Die Lage der Kirche ist in der Tat höchst mißlich, aber eher weil so so abgelegen und so überhaupt ohne Bezug zum Umfeld irgendwo steht. Man sollte sie wirklich als Solitär betrachten und das bißchen grüne Wiese die sie umgibt unterstützt dies zumindest etwas.

  • Ja, das Umfeld ist wirklich etwas merkwürdig für diese doch sehr große Kirche. In der Silhouette hat sie aber durchaus ihren Platz, ich nähere mich Rheine meist über Neuenkirchen, vom Thieberg kommend, da fällt sie schon sehr deutlich auf, auch wenn die Gegend mittlerweile sehr zugebaut ist. Dennoch nimmt sie St. Dionysius nichts von der Dominanz, da diese ebenfalls nicht gerade kleine Kirche eben mitten in der Altstadt liegt.
    Leider hat sich die Gegend um die Basilika nicht so richtig entwickelt, die großartige Kümpers-Textilfabrik von Mitte des 19. Jahrhunderts ist leider trotz Denkmalschutz vor einigen Jahren abgerissen worden und wurde durch eine Einfamilienhaussiedlung ersetzt. Zudem ist besonders diese Ecke des Stadtrings sehr stark mit Neubauten durchsetzt.

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    Karl Kraus (1874-1936)

  • Eure Schilderungen lesen sich so - und diesen Eindruck bekommt man auch auf Fotos, alten Ansichtskarten oder durch Bing Maps - daß die Kirche für einen gründerzeitlichen Stadtteil gebaut wurde, dessen Entwicklung dann gar nicht recht in Fahrt kam.
    Das überrascht, denn meist war es doch so, daß ein Stadtteil erst sich entwickelte und man sich dann daran machte, für die seelsorgerische Betreuung der Neubürger den passenden Kirchenbau zu errichten.

  • Wikipedia sagt folgendes:

    Zitat

    Der Bau der Basilika mit ihren kathedralähnlichen Dimensionen spiegelt den Strukturwandel wider, der sich im ausgehenden 19. Jahrhundert im nördlichen Münsterland vollzog, als in der einst landwirtschaftlich geprägten Region große Industriebetriebe entstanden[2] und die alte Stadtpfarrkirche St. Dionysius nicht mehr ausreichte. Vom Bauherrn Dechant Bernhard Pietz ist das Motto überliefert: „Hoch die Schornsteine – höher die Kirchtürme!“


    https://de.wikipedia.org/wiki/St.-Anton…ka_%28Rheine%29

    Da in Rheine die Fabriken teilweise wirklich bis in die Altstadt standen, kann der hohe Turm tatsächlich mit den vielen Schornsteinen der Stadt zusammenhängen, die es zu überragen galt. Ich glaube nicht, dass das Gebiet jemals das Potenzial hatte, ein großgründerzeitliches Wohngebiet zu werden - soetwas hat Rheine nie gehabt, außerhalb der Altstadt gab es nur kleinere Mehrfamilienhäuser und Villen. Die Häuserzeile gegenüber der Basilika an der Osnabrücker Straße ist schon so ziemlich das größte, was zu der Zeit in Rheine gebaut wurde. Vermutlich war es vor allem der Reichtum der Stadt sowie der Wunsch nach einer repräsentativen Kirche, der diese interessante Konstellation entstehen ließ.

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  • Dieses Gebäude wurde mittlerweile bis auf den Giebel abgebrochen. Der Giebel ist dabei noch der jüngste Teil des Gebäudes gewesen. Pressemeldungen zu dem Vorhaben konnte ich diesmal nicht finden.
    Gerüchten zufolge herrscht bei den Rheinensern Unverständnis darüber, dass der Giebel stehengelassen wurde. Durch die somit schlechte Baustellenzugänglichleit würde viel Lärm entstehen...

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  • Der Hauskörper selbst dürfte bedeutend älter gewesen sein, als der hübsche Neorenaissance-Giebel, der laut Wikipedia als einziger Bauteil unter Schutz steht. Vermutlich hat man das Gebäude abgerissen, ohne dass eine baugeschichtliche Untersuchung vorgenommen wurde. Meines Erachtens sollten ältere Gebäude in historischen Altstädten grundsätzlich genauer untersucht werden, bevor man diese eingreifend umbaut oder gar abreißt. Denn auf diese Weise könnten potentielle Baudenkmäler aufgespürt und vor der Vernichtung bewahrt werden. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele historische Wohngebäude bislang abgebrochen wurden, ohne dass ihr historischer Wert erkannt wurde. Beim Umbau des Nachbarhauses (Klosterstraße 2) wurde immerhin Fachwerk von 1579 entdeckt: http://www.r%c3%bcschenschmidt.de/de/denkmal

    Bis dahin wusste man gar nicht, dass Bürgerhäuser den großen Stadtbrand von 1647 überstanden haben.
    Wie die Bilder zeigen, scheint man den unteren Teil der Fachwerkwand allerdings beim Umbau entfernt zu haben, so dass die Knaggen nun in der Luft hängen. Schade!

  • abgebrochen ..., ohne dass ihr historischer Wert erkannt wurde

    Das dürfte sicherlich massenhaft stattgefunden haben und sicher auch heute noch. Und das auch zu Zeiten, wo es bereits Denkmälerinventare gegeben hat, die dann halt ein paar andere Häuser verzeichnet haben. Wenn in einer Altstadt fast ausnahmslos Gebäude von vor dem Krieg stehen und nur 10 % davon stehen auf der Denkmalliste, dann ist irgendwas faul.

  • Hier noch ein Foto von den drei Fachwerkhäusern an der Straße "Im Coesfeld", von denen m. E. zumindest die beiden vorderen unbedingt hätten erhalten werden müssen:

    https://www.bauforum24.biz/uploads/2013/0…-1359545303.jpg

    Das von Neubauten völlig umstellte "Barönchen":

    https://www.bauforum24.biz/uploads/monthl…96337c45ac0.jpg

    Einfach nur grausam!

    Ganz schlimm der Eingangsbereich an der Emsstraße mit dem völlig überdimensionierten Dach:

    https://i.ytimg.com/vi/AdeF0LA7OcQ/maxresdefault.jpg

    Die Emsgalerie von der Münsterstraße aus mit ihren riesigen Glaskästen:


    http://www.klaas-projekt.de/img_files/refe…sgalerie_10.jpg

    Einmal editiert, zuletzt von Ravensberger (8. Januar 2017 um 11:27)

  • Markt 7 in Rheine wurde inzwischen fertig gestellt:
    http://www.lohner-landbaecker.de/wp-content/upl…MG_5097_web.jpg
    http://www.lohner-landbaecker.de/wp-content/upl…eb-683x1024.jpg
    Homepage der im Hause befindlichen Bäckerei mit Ansichten des Neubaus:http://www.lohner-landbaecker.de/neueroeffnung-markt-7-in-rheine/

    Die seitlichen Dachgauben empfinde ich als sehr störend! Ebenso die Rolläden im Obergeschoss und die jetzt stark zurückgesetzten Fenster. Auch die Aufteilung der Schaufenster im Erdgeschoss war vorher besser und eleganter gelöst:http://www.muensterland-tourismus.de/49431/Marktpla…ine_gallery.jpg
    http://static.panoramio.com/photos/large/9677474.jpg

    Am meisten empört mich aber, dass nur der Giebel unter Denkmalschutz stand, nicht aber das dahinter befindliche Fachwerkgebäude unbekannten Alters. Das scheint in Rheine leider häufiger der Fall zu sein (z.B. Auf dem Thie 11: nur die Giebelfront steht unter Denkmalschutz, nicht jedoch das dahinter befindliche Fachwerkhaus aus dem 18. Jh., Marktstraße 6: das hinter der denkmalgeschützten Steinfassade von 1782 befindliche Fachwerkhaus aus dem letzten Drittel des 17. Jh. wurde 2001 abgebrochen).
    Bei Breuing (siehe unten) heißt es über Markt 7: "Das bloße Alter des Gebäudes läßt sich durch bloße Augenscheinnahme nur schwer bestimmen, und auch die schriftlichen Quellen setzen erst mit dem Jahr 1776 ein. Die simple Fachwerkzimmerung mit aufgerähmten doppelten Deckenbalken und Gefachfüllungen aus normaformatigen, bunten Feldbrandsteinen in unordentlichem Verband tritt in ähnlicher Art bei Häusern in der Altstadt schon nach der Wiederaufbauphase nach dem großen Statbrand von 1647 auf, doch war sie auch noch im 18. Jahrhundert in Gebrauch."

    Näheres zu den Bauten in: Rudolf Breuing und Karl-Ludwig Mengel: Die Kunst- und Kulturdenkmäler in Rheine, Teil II: Die profanen Denkmäler ohne Elte, Hauenhorst und Mesum. Steinfurt 2007. Das schwergewichtige Buch ist beim Tecklenborg-Verlag für sensationelle 18 Euro zu haben!

  • Bei Breuing ... heißt es ...: "Das bloße Alter des Gebäudes läßt sich durch bloße Augenscheinnahme nur schwer bestimmen..."

    Das (was Breuing sagt) ist grundsätzlich natürlich richtig, um nicht zu sagen, eine Binsenweisheit. Dennoch habe ich den Eindruck, dass diverse Teilnehmer hier im Forum sehr viel zuverlässigere Altereinschätzungen nur durch äußerliche Betrachtung zusandebekommen als so mancher Mitarbeiter der Denkmalbehörden. Es gibt auch eine unglaublich hohe Zahl von schweren Fehleinschätzungen, wo unsereins schon auf den ersten Blick ein hohes Alter erkennt, die Denkmalbehörden das aber erst mittels Dendro erkennen oder beim Abbruch. Diese Situation halte ich schon für dramatisch.

  • Zitat von Ravensberger

    Am meisten empört mich aber, dass nur der Giebel unter Denkmalschutz stand, nicht aber das dahinter befindliche Fachwerkgebäude unbekannten Alters.

    Das ist in Westfalen ganz besonders fahrlässig, da die Forschung mittlerweile weiß, dass gerade die ältesten Bauten dort die unauffälligsten sind, da in Westfalen zumindest westlich einer Linie Tecklenburg-Warendorf-Rheine Schmuckfachwerk nicht vorkam und bei mittelalterlichen Bauten im besten Fall Ständer und Riegel sichtbar sind; sämtliche Aussteifungen und häufig auch die Riegel waren hinter Putz verborgen, so dass man bei derartigen Bauten Fachwerkmuster sieht, die denen des 18. und 19. Jahrhunderts auf den ersten Blick zum verwechseln ähnlich sind. Als Beispiel hierfür kann das Stiftshaus in Leeden von 1480 dienen, dessen Fachwerk größtenteils original ist: Bild

  • Die scheinen nur nach Oberfläche zu gehen, nach äußerlichem Eindruck. Sonst geben sie sich gern wissenschaftlich, die Denkmalbehörden, aber wenn es darauf ankommt, dann scheinen sie den einfältigen Denkmustern eines Lieschen Müller zu folgen. :kopfschuetteln:

  • Mir ist die fertige Sanierung Weihnachten auch aufgefallen und ich teile die Einschätzung von Ravensberger. Vor allem die Dachaufbauten erdrücken das Haus optisch und stellen eine Verschlechterung gegenüber dem Vorzustand dar, schade dass es so gekommen ist.

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    Karl Kraus (1874-1936)

  • Bin gerade in Rheine und habe mit Erschrecken festgestellt, dass wieder ein Altbau in der Altstadt abgerissen wurde, diesmal eine Villa aus den 20ern, direkt gegenüber der Emsgalerie und dem (augenscheinlich nicht sanierten) Barönchen.

    Artikel auf mv-online

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