Potsdam - Rekonstruktion der Kellertorwache

  • Es steht bis dato nur ein Unterteil eines Römerhelmes auf der Attika, und das auch noch falsch herum. Es fehlen ja noch die Helmbüsche.
    Bitte noch etwas warten - am Dach muss noch etwas angepasst werden, damit beide Helme zurück können und das Regenwasser ordendlich abfliessen kann.
    Ein Wappen hatte die Wache nie, das war ein stilisiertes Aktenbündel. Die Trophäe ist 1945 durch eine russische Granate zerstört worden und schlecht dokumentiert. Von den Helmen gab es deutlich besseres Material.
    Und dann kommt noch die Farbe...

  • Das wird ja richtig hübsch und trotz der ökonomischeren Gesmiskonstruktion ergibt sich, dank korrekter Proportionen, ein maximal authentisches Erscheinungsbild Werd mir das Schmuckstückerl beim nächsten Potsdambesuch nicht entgehen lassen:-)
    P.S.: Sind die nach untern geohrten Platten mit den Festons, Blattzöpfen als ein Stück gegossen worden? Ich habe nämlich mit Freunden bei der Fassadenachschöpfung meines eigenen Objekts (erb. 1800) alle Zopferln modelliert, und das war schon eine ordentliche Arbeit. Falls die Platten gegossen sind kannst du mir den Stuckateur nennen, denn, falls die Größe passt, würde von ihm einen Abguß für eine Türsupraporte machen lassen die ich gern für ein josephinisches Gartenstöckl verwenden möchte, besten Dank Robert

  • Die Gesamtproportion ist schlüssiger, da beim Wiederaufbau die inzwischen höher liegende Straße (seit 1911) berücksichtigt wurde. von 1911 bis zur Zerstörung 1945 waren die Proportionen zerstört, die Wache stand quasi im Dreck. Jetzt ist wieder alles nach Schulbuch, ähem Palladio.

    Die Festons (das sind die Putzplatten mit den dreieckigen Troddeln, Tryglyphen genannt) sind geputzt - wie im 18. Jahrhundert. Die Girlanden sind zuerst in Ton geformt, dann mittels Silikonform gegossen (früher waren das Leimformen, deshalb sind heute alle Güsse ähnlich scharf und nicht ab dem dritten ausgenudelt, wie früher) - allerdings nicht mehr in wetterempfindlichem Stuck sondern opus caementitium, oder sollte man besser sagen Portlandzement? Na, wir sprechen heute von Beton. Den Stuckgiesser (geht natürlich auch mit jedem anderen Material) schicke ich als PN.

  • Nee, fabsiana, nicht "jeder wie er mag" sondern "wie es war". Das Ziegelrot ist vom Kutschpferdestall abgenommen und für die Wache bis 1918 und von 1934 bis 1945 - also bis zur Zerstörung - verbürgt, da das Rot die "königliche Farbe" war und im übrigen auch Marstall, Stadtschloß und die Hauptwache im 18.Jahrhundert ziegelrot waren. Wir haben uns da zusammen mit der Denkmalpflege lange Zeit genommen, bis die Farbe gefunden war. Im übrigen ist das erst die grundierung - warte mal auf das Endergebnis...

    Amateuraufnahme von 1939/30, leicht farbstichig (Agfa Diafilm).

  • Sehr schön, dass die rote Originalfassung kommt! Ich war ja gegen ca. 80% der "Mitstreiter" hier, die die jüngere gelbe Fassung befürworteten, gleich dafür. :):thumbup:

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Konstantin, werden denn in der Endfassung die Festongehänge auch farblich abgesetzt, wie mit Grundierung jetzt erkennbar!?
    Im Original waren sie das offensichtlich nicht. Auch ästhetisch gesehen fände ich eine identische Farbgebung von Wand und Festons besser!

  • Im Original waren sie das offensichtlich nicht. Auch ästhetisch gesehen fände ich eine identische Farbgebung von Wand und Festons besser!

    - nope, gefällt mir abgesetzt viel besser, Ton in Ton "gehen die optisch unter" + wirkt m. M. n. auch irgendwie freundlicher so.

    Wäre interessant zu wissen, wie das im "tatsächlichen Original" vor 1918 gelöst war.

    Auf der Aufnahme von 1939 wirkt die Wache ein bischen "heruntergekommen" - wurde das Gebäude zu dieser Zeit noch genutzt, und wenn ja, wie?

    4 Mal editiert, zuletzt von HelgeK (5. Juni 2017 um 08:06)

  • Die Säulenfundamente stehen im Vergleich zu der Aufnahme aus den 30ern sehr viel deutlicher heraus mit der Frage inwieweit das mit der Pflasterung noch angeglichen wird.
    Überhaupt eine sehr bemerkenswerte Leistung sich dieser Rekonstruktion gestellt zu haben.

  • Die Girlanden werden abgesetzt, und Schorschibähr - ich schreib schon oben: das Fotografierte ist die GRUNDIERUNG, nicht der Endanstrich. Wie das vor 1918 war ist kaum zu ermitteln, vermutlich waren die Festons/Girlanden nicht abgesetzt. Es gibt jedoch keine Originalsubstanz mehr, anhand der irgendetwas zu befunden wäre. Insofern erheben sich da sicher gestalterische Spielräume.

    Berkowitz ist ein aufmerksamer Beobachter. Die Wache ragt im Bereich der Loggia höher aus dem Pflaster heraus als auf den Fotos. Dies liegt daran dass die Stadt die Wache um 1900 an einen Spediteur vermietet hatte der wiederum den Zugang mit einer schrägen Pflasterung versah. Bei der heutigen Wohnnutzung wird der Höhenunterschied von Innenfußboden und Straße (ca. 45 cm) wieder deutlich werden und - wie es sich gehört - mit einer Krepis, also einem Stufensockel von drei Sandsteinstufen in den Intercolumnien abgesetzt. Die Stadt wird das historische Großkopfpflaster der Jahrhundertwende wieder herstellen.

    Insgesamt weist der Bau nun auch wieder die klassischen Proportionen auf: Höhe und Breite verhalten sich nach dem Goldenen Schnitt.

  • Amateuraufnahme von 1939/30, leicht farbstichig (Agfa Diafilm).

    Insgesamt weist der Bau nun auch wieder die klassischen Proportionen auf: Höhe und Breite verhalten sich nach dem Goldenen Schnitt.

    Bei den beiden Ansichten, die nach den Zitaten kämen aber leider nicht mit dieser Funktion mitkopiert werden, der historischen Ansicht versus Neubauplan, merkt man schon aber einen Unterschied: anstelle der Skulpturgruppe auf der Mitte des Gesims, oberhalb von den Säulen ist heute eine geschwungene Dachgaube. Klar ich kann verstehen, gerade wenn man das Dach ausbauen möchte dass man dann Licht braucht. Heißt das also im Umkehrschluss, dass diese Skulpturgruppe nicht mehr wiederkommt (die würde ja dann einen Schatten auf die Dachgaube werfen)?

  • Das wuchtige Zentralornament mit dem Aktenbündel in der Mitte, flankiert von Beuteflaggen auf der einen und römischem Kriegsgerät auf der anderen Seite ist zerstört und wird nicht wiederkehren.

    Dies hat natürlich nicht nur Kostengründe sondern auch praktische: im Dachgeschoss wird Licht gebraucht und weder Bauherr noch Denkmalpflege konnten sich auf der "Paradeseite" mit Veluxfenstern oder deren Derivaten anfreunden. Die Fledermausgaube, die nun in der Mitte aufragt, ist im unmittelbaren Umfeld heimisch, fügt sich harmonisch in den Bestand ein und betont die Mitte des Hauses in vergleichbarer Form wir die alte Trophäe. Das Dach wird zudem mit einem handgestrichenen, sinterroten Biberschwanz gedeckt, wie es im Original war. Der legt sich - wenn der Dachdecker gut arbeitet - mit elegantem Schwung um die Gaube.

    Um jedoch an die Funktion der Wache zu erinnern werden beide Helme auf dem Altan wiederkehren und die Fassade wird in all' ihrer Pracht wiederkommen - mit Festons und Tuchgehängen.

  • Genau. Das zerstörte Zentralornament kommt nicht wieder. Die sog. Trophäe war auch nicht auf dem Gesims befestigt sondern, wie fast immer in Potsdam, auf der Attika. Das Ornament zeigte ein Aktenbündel in der Mitte (für den Steuereintreiber) sowie Beutewaffen auf der einen und Beuteflaggen auf der anderen Seite.

    Schon 1911 hatte das durch die Vernachläsigung durch die Stadt ordentlich gelitten: Die Spitzen der Beuteflaggen waren abgebrochen und der Sandsteinsockel wies deutliche Nässeschäden auf.

    Die Fledermausgaube ersetzt das Ornament architektonisch ganz gut, künstlerisch ist es natürlich einfach etwas anderes. Allerdings ist das Haus auch keine Wache und auch kein Zollhaus mehr sondern ein privates Wohnhaus.

  • Ein ausführlicher und bebilderter Bericht über die Rekonstruktion der Kellertorwache und darüber hinaus.

    "Potsdam ist um ein neues altes Wahrzeichen reicher. Am Wochenende sind die letzten Gerüste an der wiedererrichteten Kellertorwache an der Ecke zwischen der Straße Am Kanal und der Großen Fischerstraße gefallen. Bauherren sind der Projektentwickler und Historiker Willo Göpel und seine Frau Isabel Geigenberger, die mit ihren beiden Kindern in dem Haus leben.
    Göpel ist Mitbegründer des Bauvereins „Potsdamer Stadtkanal 1722“. Mit der Wiedererrichtung der zerstörten Kellertorwache am Stadtkanal wollte Göpel eine Leerstelle im Innenstadtgefüge schließen. Auch das einstige Stadttor – bestehend aus zwei steinernen Pfeilern an der Kanalmündung – wurde rekonstruiert. „Das Kellertor ist jetzt wieder eines von vier Stadttoren, die in Potsdam noch vollständig sichtbar sind“, erläutert der Vereinschef."

    Die Rückkehr der Kellertorwache - Märkische Allgemeine


    @KdG:
    - Kannst du bitte noch mal ein neues Foto der Straßenfront (wie das in der MAZ) zeigen?
    - Gibt es denn schon etwas zu vermelden für die Aktualisierung dieses Themenstrangs:
    Potsdam - Wiederherstellung des Stadtkanals

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Träumchen! Mit der Farbgebung hatte ich ja zu erst gar nicht gerechnet, aber finde ich gut. Wann ist die große Einweihungsfeier? :D

    Hoffe, wir werden die Wiederherstellung des Kanals noch erleben :(.