• Stimme zu. Wenn hier ein maßwerkdurchbrochener Turmhelm angesetzt hätte, wäre es ideal gewesen. So, wie es geplant war, wirkt es allerdings viel eher wie ein formvollendetes Chicagoer Hochhaus der 20er, das irrerweise durch ein Wurmloch nach Belgien teleportiert wurde.

    Form is Function.

    "Fürchte nicht, unmodern gescholten zu werden. Veränderungen der alten Bauweise sind nur dann erlaubt, wenn sie eine Verbesserung bedeuten, sonst aber bleibe beim Alten. Denn die Wahrheit, und sei sie hunderte von Jahren alt, hat mit uns mehr Zusammenhang als die Lüge, die neben uns schreitet."

    Adolf Loos (Ja, genau der.)

  • Die fiktive Darstellung verzerrt vermutlich die Proportionen und übertreibt die Vertikale. Der Entwurt sah so aus:

    Wenceslas Hollar - The tower at Malines [Public domain], by Wenceslaus Hollar (1607–1677) from Wikimedia Commons

    Stimme zu. Wenn hier ein maßwerkdurchbrochener Turmhelm angesetzt hätte, wäre es ideal gewesen.

    Ich glaube, Dich hat die Photomontage getäuscht. Schon aus Gewichtsgründen wäre der Turmhelm durchbrochen gewesen.

    Apropos Ulm: Wenn die Sagrada Familia in Barcelona einmal fertig sein wird, muß Ulm seinen Rekordtitel nach Spanien abgeben.

  • Durchbrochen ja, allerdings meinte ich eher einen Turmhelm wie in Freiburg oder eben Ulm statt des sehr dominanten und vertikalen Entwurfs hier. So ein pyramidaler Aufbau erscheint wie die logische Konsequenz der zunehmenden Verjüngung (gut im Plan im Link zu erkennen!), die jedoch im eigentlichen Entwurf durch die strikt senkrechten Fialen so abrupt unterbrochen wird, dass die Höhe noch weiter gestreckt wird, was sicherlich im Sinne des Erfinders war, ich selbst aber etwas absurd finde.

    Form is Function.

    "Fürchte nicht, unmodern gescholten zu werden. Veränderungen der alten Bauweise sind nur dann erlaubt, wenn sie eine Verbesserung bedeuten, sonst aber bleibe beim Alten. Denn die Wahrheit, und sei sie hunderte von Jahren alt, hat mit uns mehr Zusammenhang als die Lüge, die neben uns schreitet."

    Adolf Loos (Ja, genau der.)

  • Die Schiffe dieser Kirchen sind für einen derart hohen Turm viel zu niedrig. Dies stört wohl nicht nur die Proportionen, sondern brächte möglicherweise auch statische Probleme mit sich.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • In Zierikzee steht auch so ein unvollendetes Ding (hätte etwa 180 Meter hoch werden sollen):

    Laut Wikipedia hätten es wohl eher 130 Meter werden sollen, aber das ist ja trotzdem noch eine ganze Menge.

    Zu Mechelen: Der Turm hätte ungefähr so ausgesehen wie der Turm der Liebfrauenkathedrale in Antwerpen (vermute ich):


    OlV toren en Boerentoren Antwerpen vanaf Linkeroever [CC BY-SA 4.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], by Jules Grandgagnage (Own work), from Wikimedia Commons

  • Das kommt nicht von ungefähr, auch dieses Hochhaus wurde um 1930 als neue Landmarke errichtet. Es heißt Boerentoren, von näherem betrachtet ansehnlicher Art Déco.

    Das von ursus angesprochene Problem der Proportion von Turm zu Hauptbau halte ich für richtig erkannt. Es fällt z.B. auf, dass genau deswegen die gigantische Westfassade der Liebfrauenkathedrale in Antwerpen trotz ihrer unfassbaren Dimensionen nicht so erschlagend wirkt, da sie eben im Kirchenschiff Entsprechung findet. Das Ungleichgewicht fällt auch bei der Fassade in Löwen auf: Verblendet im Französischen Kathedralenbau noch jedes Geschoss ein Element des Schiffes, hat jedes eine konkrete, zumindest ästhetische Funktion, so findet in der Brabantischen Spielart eine unwahrscheinliche Staffelung von undefinierten Etagen statt. Dies mag nicht wenige der schönsten Rat- und Bürgerhäuser der Welt hervorgebracht, den Kirchenbau allerdings in eine Sackgasse von Papierarchitekturen geführt haben. Es sind Schwärmereien von einer himmlischen Utopia, die sich durch ihre Wesensart im realen Gefüge jedoch als autistisch erweist.

    Form is Function.

    "Fürchte nicht, unmodern gescholten zu werden. Veränderungen der alten Bauweise sind nur dann erlaubt, wenn sie eine Verbesserung bedeuten, sonst aber bleibe beim Alten. Denn die Wahrheit, und sei sie hunderte von Jahren alt, hat mit uns mehr Zusammenhang als die Lüge, die neben uns schreitet."

    Adolf Loos (Ja, genau der.)

    Einmal editiert, zuletzt von Mattheiser (29. April 2015 um 20:42)

  • Die in diesem Strang gezeigten Entwurfskizzen von Löwen und Malines (Wenceslas Hollar) wären im späten Mittelalter im Prinzip machbar gewesen, mal abgesehen von ortsspezifischen Problemen in der Untergrund und im finanziellen Bereich. Das beweisen sowohl der Turm der Kathedrale im wirtschaftlich damals sicher viel stärkeren Anvers, als auch der Turm des Straßburger Münsters.
    Die Skizze von Zierikzee und auch die Fotomontage von Malines halte ich für übertrieben und technisch nicht machbar, sie sind denn auch nicht nach den Plänen der mittelalterlichen Baumeistern gezeichnet. Beide Türme in diesen Bildern sind wohl ein Geschoß/Glied zu hoch, dazu sind bei der Skizze von Zierikzee die oberen Geschoße zu viel gestaucht. Eine Besonderheit der Kirche von Zierikzee, die - leider! - im 19. Jh. durch einen Brand verloren gegangen ist, waren auch die beiden Chortürme direkt hinter dem Querschiff, wodurch der Bau typologisch mit dem Freiburger Münster (Freiburg i. Br.) verwandt war.
    Der Vergleich mit den gotischen Kathedralen Frankreichs halte ich für falsch, da es sich bei den Stadtkirchen Brabants - wie auch vielfach andernorts in freien Städten im damaligen Heiligen Römischen Reich - um einen völlig anderen baulichen Typus handelt, ein Gebäude, das nicht sosehr die feudale Macht der Geistlichkeit, sondern vielmehr, wie die Rathäuser und Bürgerhäuser auch, den Stolz des Bürgertums zum Ausdruck bringen. Deshalb war es hier wichtiger, daß ein Großturm schon von weitem von der Stolz der Stadt kundtat, als daß die Kirche insgesamt als eine elegante und wohlproportionierte Maschine stimmte und funktionierte.

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  • Was für größenwahnsinnige Völker, die Belgier und Niederländer. Die gezeigten Beispiele sind ja keine Einzelfälle (Z. B. auch Veere). Ein bisschen erinnert mich das an aufstrebende Länder wie China, wo reihenweise unvollendete Betonhochhäuser von Investoren, die sich finanziell ein wenig verschätzt haben, herumstehen ^^

    Wenn man in südlicheren Breitengraden solche Bauprojekte öfter zu Ende brachte, so kann man zumindest nicht behaupten, dass die Baumeister der Mittelalters hier immer wesentlich besser proportionierte Gebäude errichteten (vgl. Schildthurn).

  • Wenn man in südlicheren Breitengraden solche Bauprojekte öfter zu Ende brachte, so kann man zumindest nicht behaupten, dass die Baumeister der Mittelalters hier immer wesentlich besser proportionierte Gebäude errichteten (vgl. Schildthurn).


    Der Turm der Martinskirche in Landshut ist für mich das Musterbeispiel eines Kirchturms, der unter Vernachlässigung der Ästhetik so hoch wie irgend möglich gebaut wurde. Trotzdem ist er natürlich sehr beeindruckend und der Blick die Altstadt entlang zum Turm ist wirklich großartig.

  • unter Vernachlässigung der Ästhetik


    Wie bitte? In Landshut soll irgendwas nicht perfekt sein? :kopfschuetteln:

    Auf die Idee bin ich ja noch nie gekommen, hier würde es an Ästhetik fehlen. Liegt wohl an der Betriebsblindheit.

  • ...wär schön wenn es hierzulande öfter in dieser Qualität "an Ästhetik mangeln" würde... :tongue:
    aber nein..man wird ja ständig mit hochästhetischen Kontrasten und Starachitektur überfordert...vor lauter Schönheit will ich Kulturbanause weinen...es ist zu viel des guten :augenrollen:

  • Die Türme von Landshut, Schildtun oder auch Braunau am Inn zeigen, daß man im spätmittelalterlichen Baiern genauso ehrgeizig war, solche Großtürme zu errichten, als zu dieser Zeit in den Niederen Landen auch. Es gibt mehr baukünstlerische (Stufengiebel etwa) und andere kulturelle Übereinstimmungen zwischen beiden Gebieten zu dieser Zeit, die es wert wären, näher zu untersuchen. Bei der Baukunst könnte die jeweilige relativ flache Landschaft eine Rolle gespielt haben.

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  • Was Mecheln betrifft:

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    -Die Fundierung sitzt nur bis ~2,80 Meter tief, aber ist stark genug;
    -Das Gewicht des Turms betragt 42.000.000 kg;
    -Vollendet würde er 46.200.000 kg wiegen;
    -Auch dann wäre die Fundierung stark genug.

  • Gibt es in Mechelen ernstzunehmende Leute, die sich für die Fertigstellung des Turmes einsetzen? Die Ulmer haben es getan und damit ihrer Stadt einen großen Dienst erwiesen. Das 19. Jahrhundert war für solche Vorhaben freilich die günstigere Zeit.

  • "Niederländer" hat geschrieben:

    Zitat

    Ich sehe auf jeden Fall Ähnlichkeiten mit dem Turm der Neuen Kirche zu Delft:

    Siehe in diesem Zusammenhang auch die hochinteressanten Diskussionsbeiträge von Georg Friedrich in der Galerie über Straubing bei "Galerie/Süd/Niederbayern" in diesem Forum.
    Es gibt in Altbaiern auch eine spätmittelalterliche Kirche, dessen Giebel und deren Ecktürme nach dem Vorbild der Ridderzaal in Den Haag gebaut worden sind. Ich weiß aber den Ort nicht mehr.

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