Wetzlar - Stadthaus Abriss und Neubau

  • Das Stadthaus am Dom in Wetzlar soll abgrissen und durch einen Neubau ersetzt werde.

    Der in den 70iger Jahern des 20. Jhd. errichtete Gebäudekomplex soll 2017 abgebrochen werden.

    Soweit so gut. was danach kommt steht allerdings noch nicht fest. Über die für Wetzlar und dessen Altstadt wichtige Entwicklung und die sicher nun folgende Diskussion werde ich weiter berichten.

    (http://www.mittelhessen.de/lokales_artike…rid,472925.html)

    Einmal editiert, zuletzt von Andreas (24. April 2015 um 10:29)

  • Na das wird ja auch Zeit. Glückwunsch zur Chance auf Stadtreparatur! "Der Neubau soll nicht mehr so klotzig ausfallen" klingt schon mal nicht schlecht, allerdings sollte es lieber "die Neubauten" heißen. Das Grundstück muss kleinteilig auf den Vorkriegsgrundrissen neu bebaut werden, das ist Grundvoraussetzung mE.

    #3: Bild wird nicht angezeigt, am besten extern bzw. hier bei Stadtbild hochladen!

  • Vor den Zerstörungen des II Weltkrieges hat die Stelle an der das Stadthaus steht so ausgesehen:

    Es handelt sich um die Häuserzeile links.

    Ganz links stand das "Hotel zum Dom", die ehemalilige Probstei des Wetzlarer Marienstiftes. Ein barock überbauter Steinbau des Mittelalters, einer der beiden bis zum Krieg in Wetzlar erhaltenden. Das Gebäude wurde durch den von Luftminen lausgehende Druck leicht beschädigt.

    Das Haus in der Zeile ganz rechts, das "Herzogliche Haus", war zeitweise Sitz des Reichskammergerichts. Es handelte sich um einen verputzen Fachwerkbau. Die Fachwerkkonstuktion wurde ebenfalls durch Luftdruck im II. Weltkrieg "verschoben" Es handelt sich um das Eckgebäude, dass janpmw gerne rekonstruiert sähe.

    Keines der Gebäude der Häuserzeile war ausgebrannt oder von Spengbomben getroffen. Trotzdem wurden die Häuser, bis auf das auf dem Bild nicht sichtbahre an der linken Seite der Front stehende Gasthaus "Zum Kronprinzen" Goethes "Stammkneipe" in seiner Wetzlarer Zeit noch in den 40iger Jahren, das "Hotel zum Dom" einige Jahre später abgerissen.

    Offensichtlich sah man sich in der Nachkriegszeit wirtschaftlich nicht in der Lage die beschädigten Fachwerkbauten wieder zu richten. Hinsichtlich des "Herzoglichen Hauses" verwundert dies, da man in Wetzlar Gebäude die mit dem Reichskammergericht und insbesondere dem Aufenthalt Goethes im Zusammenhang stehen, nahezu als "Heiligtümer" behandelt hat. So wurde das im Krieg durch einen Bombevoltreffer zerstörte "Lottehaus" in der unmittelbaren Nachkriegszeit bis ins Innere Originalgetru wieder aufgebaut (vgl. Goethehaus in Frankfurt/Main). Dies spricht aber dafür, dass die Häuser tatsächlich nicht ohne weiteres zu reparieren waren.

    Der Platz blieb dann Jahrzehnte leer, wurde als Park- und Marktplatz genutzt, bis in den 70iger Jahren das Stadthaus am Dom errichtet wurde.

  • Die politische Diskussion über Abriss und Neubau geht weiter.

    http://www.mittelhessen.de/lokales/region…rid,476396.html

    Die Fraktion der CDU im Stadtparlament stellt eine Bürgerbeteiligung mit dem Argument in Frage, einem privaten Bauherren könne man nur eingeschränkt Vorgaben machen.

    Dies ist vorliegend nicht zutreffend, da die Stadt nicht nur über die Bauleitplanung Einfluss nehmen könnte, sondern als Miteigentümer der Immobilie den Verkauf von den Planungen des Erwerbers abhängig machen bzw. diesen vertraglich zu einer bestimmten Gestaltung verpflichten könnte.

  • Bei den Planungen für die Neubebauung an der Stelle das Stadthauses am Dom sollen auch die Bürger beteiligt werden, um eine größtmögliche Akzeptanz zu erreichen (anders als beim jetzigen Stadthaus und dessen Planungen in den 70iger Jahren).

    http://www.mittelhessen.de/lokales/region…rid,638814.html

    Offensichtlich soll der Diskussionsprozess ergebnisoffen sein. Auch ein Bau im traditionellen Stil oder gar Rekonstruktionen (?) scheinen denkbar. Ein Stadthausbüro wurde eingerichtet in dem "Ideen, Wünsche, Anregungen und Kritik diskutiert werden können."

    Bauherr wird nicht die Stadt, sondern ein Privater sein, der dem wohl grundsätzlich positiv gegenübersteht.

  • Ja phantastisch! Bis heute hatte ich noch gar nicht mitbekommen, daß das Stadthaus in Wetzlar beseitigt werden soll. Das freut mich wirklich sehr. - Auf diesem Luftbild sieht man gut, wie sehr der Block die Kleinteiligkeit der Altstadt stört (Es ist doch der gesamte Block gemeint, oder?). Eine neue Bebauung, die einer Fachwerkstadt gerecht wird, ist sehr wünschenswert. Einige Rekonstruktionen zum Dom hin, wären der Knaller. Davon wage ich aber nicht zu träumen.

    Halte uns bitte dazu auf dem Laufenden, Andreas. :daumenoben:

  • Es ist doch der gesamte Block gemeint,

    Es ist der ganze Block gemeint.

    Gerade der von Domplatz abgewandte "hintere" aus Wohnungen bestehende Teil des Komplexes insbesondere zu den Gassen Brodschirm und Gewandgasse stellt einen erheblichen Eingriff in das gewachsen Stadtbild dar. Hier werden die topographische bedingten Höhenunterschiede durch (mittlerweile auch sehr heruntergekommene) Betonmauern überbrückt. Hinzu kommt, dass dadurch, dass der Brodschirm sehr steil ist und die Gewandgasse im Niveau wesentlich unter dem des Domplatzes ist, das Gebäude dort sehr hoch ist.

    Es bleibt zu hoffen, dass bei der neuen Bebauung hier nicht wieder der gleiche Fehler gemacht wird, sondern sich der vorhandenen Topographie angepasst wird.

    Die Fassade zu Domplatz hin ist demgegenüber von der Proportionon der historischen Bebauung angepasst. Mit den Giebeln wurde an die dort bis zu der Zerstörung stehende Gebäude "erinnert". man hat hier schon versucht mit den Formen der 70iger Jahre altstadtgerecht zu bauen (im Gegensatz zum rückwärtigen Teil). Die Fassade zum Domplatz fand ich auch nicht völlig misslungen, zumal sich in dem Glas der Dom gespiegelt hat und aus dem Saal der hinter der Glasfassade war ein sehr beindruckender Blick auf den Domplatz möglich war. Es passt halt nur nicht zu er ansonsten im späte 18. Jahrhundert entstandenen Bebauung des Domplatzes.

    http://www.bing.com/images/search?…overlay&first=1

    Bei dem Neubau gibt es daher (was die Domplatzfassade angeht) auch noch viel Möglichkeit zu Schlechterem. Optimal wäre natürlich die Rekonstruktion von zumindest Herzoglichem Haus und "Hotel zum Dom". Was aber auf jeden Fall wichtig ist, ist eine kleinteilige Bebauung des Grundstücks (oder eigentlich der Grundstücke).

    Ein Bild vom Bau des Stadthauses aus dem Jahr 1974:

    http://www.bing.com/images/search?…25&ccid=AelaMTG
    c&simid=607987668570344508&thid=OIP.M01e95a31319cc5b71ba0b284a04dab1fo0&ajaxhist=0

    Die Häuser im Hintergrund (Brodschirm) sind mittlerweile, bis auf das ganz links, saniert und das Fachwerk freigelegt. Die andere Straßenseite ist allerdings heute Blick auf im unteren Bereich der Gasse meterhohe Betonmauer, das Stadthaus.

    3 Mal editiert, zuletzt von Andreas (16. Februar 2016 um 18:05)


  • Dazu die Aussage des Zeitungsartikels von April 2015


    (...) Fläche und Höhe (viergeschossig) des Neubaus sollen in etwa den bisherigen Ausmaßen entsprechen. An der Rückseite soll sich der Bau besser an das Gefälle Liebfrauenberg anpassen. Es müssen mindestens zwei Baublöcke entstehen mit mindestens einem öffentlichen Durchgang. (...)


    Zitat von Andreas

    (...) Was aber auf jeden Fall wichtig ist, ist eine kleinteilige Bebauung des Grundstücks (oder eigentlich der Grundstücke).


    Und dazu wieder der oben genannte Artikel.


    Ob die Fassade des "neuen Stadthauses" historisierend oder modern gestaltet wird, ist offengehalten. Die Fassade soll jedoch kleinteilig anmuten und nicht als durchgehender Block.


    In meinen Ohren klingt das recht positiv. Ich denke, da wird schon nichts Schlechteres herauskommen.

  • In meinen Ohren klingt das recht positiv. Ich denke, da wird schon nichts Schlechteres herauskommen.

    Das Städtebauliche Problem des vorhandenen Komplexes - das ja auch nicht zu übersehen ist und auch schon bei Fertigstellung bemerkt wurde- wird ja auch nicht nur von mit ( :) ) erkannt, sondern von auch von den Entscheidungsträgern in der Stadt, allen interessierten Bürgen und wohl auch von dem Bauherrn.

    Insoweit bin auch ich optimistisch, dass hier etwas besseres als das Vorhandene kommt. Die Häuser zu Brodschirm und Gewandgasse waren auch vor dem Krieg recht einfach, Handwerkerhäuser. Hier ist Kleinteiligkeit wichtig, zumal jeweils auf den anderen Straßenseiten ja einfache Fachwerkbauten stehen.

    Spannend wird die Entscheidung über zukünftige Gestaltung der Fassade zu Domplatz und hier ist im vorgegeben Rahmen "nicht als ein Block" natürlich vieles möglich.

  • Eine Private Homepage über das Stadthaus und dessen geplanter Abriss:

    http://nachkriegsmoderne-wetzlar.tumblr.com/tagged/stadthaus


    Der Autor befürwortet den Erhalt des zum Dom hinweisenden Teils des Stadthauses.

    Zitat:
    "Das Stadthaus ist das betongewordene Exempel dieses städtebaulichen Ideals und Teil unserer Stadtgeschichte. Aus diesem Grund muss diskutiert werden ob eine Erhaltung nicht sinnvoll wäre. Das Denkmalschutzgesetz sieht vor, dass Gebäude, an deren Erhaltung aus künstlerischen, wissenschaftlichen, technischen, geschichtlichen oder städtebaulichen Gründen ein öffentliches Interesse besteht unter Denkmalschutz stehen.
    Zugegebenermaßen ist der Teil des Stadthauses zum Liebfrauenberg hin keine städtebauliche Glanzleistung, die Architektur wenig einfallsreich. Einem Abriss sollte hier aus denkmalrechtlichen Gründen nichts im Wege stehen. Beim zum Dom hin gewandten Teil sehe ich dies aber deutlich anders. Die Fassade ist typisch für die Architektur der 1970er Jahre. Das braune Glas kam beispielsweise auch beim Berliner Palast der Republik zum Einsatz. Anders als der hintere Teil folgt die Front an der Steigung des Domplatzes. Die Häuser wirken nicht als Block sondern als einzelne Einheiten. Die heraustretenden Fensterfronten erinnern sich an den überhängenden Stockwerke der alten Fachwerkhäuser wie beispielsweise am Brodschirm. Das Gebäude setzt sich auf künstlerische Weise mit seiner Umgebung auseinander."

    Die Argumente für die Erhaltung der Fassade des Gebäudekomplexes zum Domplatz sind nicht ganz unnachvollziehbar. Die Glasfassade hat, wie ich auch schon ausgeführt habe, sicher Ihren reiz und ist sicher ein zeittypisches Gebäude der 70iger Jahre in Wetzlar. Eine Entscheidung für den Erhalt ist daher durchaus überlegenswert.

    Letztendlich sollte jedoch einem Abriss und an die Vorkriegsbebauung anlehnende Neubebauung der Vorzug gegeben werden. Der Bau ist in einer von Fachwerk geprägten Altstadt und insbesondere am Buttermarkt mit seinen Bauten aus der Reichskammergerichtszeit unpassend. Hinzu kommt, dass gerade dieser Teil baufällig ist, der Saal im Stadthaus auch deswegen schon seit Jahren geschlossen. Dies ist auch einer der Gründe weswegen man sich überhaupt zum Abbruch des ganzen Komplexes entschlossen hat.

    Die Homepage zeigt darüber hinaus auch sehr interessante Bilder vom Bau des Stadthauses (und dessen damals sehr heruntergekommene, jetzt vorbildlich sanierten Umgebung).

  • Zu den Planungen zum Neubau des auf dem Areal des Stadthauses geplanten Bebung wird eine Ausstellung eröffnet,

    http://www.mittelhessen.de/lokales/region…rid,673553.html

    die sich zunächst mit der historischen Bebauung beschäftigt.

    Geschichte und Planungen können auch auf einer eigens dafür eingerichteten Homepage verfolgt werden.

    http://www.stadthaus-wetzlar.de/home.html

    Auf dieser sind schon jetzt interessante Bilder der historischen Bebauung zu sehn (ua. historische Luftaufnahmen). Ich gehe davon aus, das auf dieser Seite immer wieder etwas neues eingestellt wird.

  • Veranstaltung zu den Planungen des neuen Stadthauses:

    "Wie das neue Stadthaus aussehen wird, sei völlig offen. Nichts sei vorab entschieden"

    Es gibt (wie üblich) zwei große Fraktionen "beim Ringen" um das Stadthaus: Die für eine historisierende Fassade und die für "Gegenwartsarchitektur".

    http://www.mittelhessen.de/lokales/region…rid,676275.html

    Die Bilder zum Artikel zeigen den Zustand der Südseite des Buttermarktes Ende des 19. Jahrhunderts, unmittelbar nach dem Krieg und nach dem teilweisen (1947 erfolgte) Abriss der historischen Häuserzeile in den 60iger Jahren.

    Interessant ist der Zustand der Gebäude unmittelbar nach dem II Weltkrieg. Der Artikel spricht hier von jahrelanger Baufälligkeit. Dies trifft so nicht zu. Die sichtbaren Schäden sind nicht auf jahrlange Vernachlässigung, sondern auf Bombeneinschläge in der Nähe zurückzuführen. Die Gebäude sehen aber trotz dieser Schäden nicht so aus, als hätten sie nicht wiederhergestellt werden können, was bei dem Gasthaus zum Kronprinzen (ganz links - Goethes "Stammkneipe in seiner Wetzlarer Zeit) ja auch geschehen ist. Die Häuser wurden wie auf dem Bild zu erkennen ist auch gesichert. Der Abriss ist dann wohl erfolgt, weil es schon in der Vorkriegszeit Planungen gab, an deren Stelle ein neues Rathaus zu errichten.

  • "Andreas", Du bist ja offenbar in der Nähe aktiv. Versuche doch mal die Idee einer Rekonstruktion der alten Hauszeile in die Diskussion zu werfen. Möglichenfalls finden sich in einem Altstadtverein Leute, die der Idee ähnlich positiv gegenüber stehen.

  • Die Stadtarchivarin scheint einer Rekonstruktion ja positiv gegenüber zu stehen. Ob es im Wetzlarer Geschichtsverein (dessen Mitglieder nicht die "einflussreichsten" in Wetzlar sind) auch Zustimmung gibt, wird sich zeigen. Allein die Tatsache, dass schon bei Beginn der Planungen immer wieder auf den Vorkriegszustand Bezug genommen wird, ist ein gutes Zeichen.

    Bei der örtlichen Meinungsbildung ist mir noch eine dritte Position aufgefallen: Diejenigen, die den zum Buttermarkt hin stehenden Teil des Stadthauses in seiner heutigen Form erhalten wollen. Die Argumente dieser Position sind denen der Befürworter des Erhaltes des Palast der Republik, vergleichbar: Man verbindet mit dem Standtort nur das jetzige Gebäude und mit diesem positive Erinnerungen (an Veranstaltungen).

  • Was man vom "Römer" lernen kann:

    http://www.mittelhessen.de/lokales/region…rid,689423.html


    "Anke Wünschmann, Architektin aus Frankfurt ist für den Entwicklungsprozess und die Entwürfe zum neuen Stadthaus am Dom engagiert. Worauf es ankommen wird und was aus dem Frankfurter Dom-Römer-Projekt zu lernen ist, verriet sie im Interview."

    Was man nicht lernen möchte scheint die Rekonstruktion von zumindest einem Teil der historischen Bebauung zu sein.

    Frau Wünschmann argumentiert wie leider oft üblich: Darin will heute keiner mehr wohnen. Die Realität in Frankfurt besagt allerdings etwas Anderes.

  • Frau Wünschmann argumentiert wie leider oft üblich: Darin will heute keiner mehr wohnen. Die Realität in Frankfurt besagt allerdings etwas Anderes.

    Die Realität in nahezu allen erhaltenen Altstädten sagt etwas anderes. In Görlitz z.B. sind die Altstadthäuser (bekannterweise 200-500 Jahre alt) die begehrtesten und die Altstadt ist sogar im Altersdurchschnitt der jüngste Stadtteil. Hier in Nauen werden Stück für Stück die alten Fachwerkhäuser komplett saniert und sind dann meist sofort vermietet/ verkauft, oder kommen oft garnicht erst auf den Markt, weil der Besitzer selbst drin wohnen will.

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.