City-Outlets in den Zentren

  • Von Fall zu Fall ist das eine gute Möglichkeit gegen leere Innenstädte.
    Es kann aber keine Universallösung sein, denn so ein outlet-center lockt mit den niedrigen Preisen ja Kunden an, die für den Preisvorteil auch eine längere Wegstrecke auf sich nehmen. Das sorgt vor Ort für eine belebte Innenstadt. Diese Kunden fehlen dann den Geschäften anderswo...

    Ich denke langfristig werden sich die wenig attraktiven Innenstädte in die Richtung wandeln (müssen), dass auch im Erdgeschoss Wohnungen sind anstatt Einzelhandel. Diese Erdgeschosswohnungen wären vielleicht für ältere Leute interessant, die nicht mehr gut zu Fuß sind.

  • Aber irgendwoher muss eine Gemeinde auch Einnahmen erzielen, um ihre Ausgaben irgendwie tragen zu können. Hartz IV-Empfänger, Unterbringung von Asylbewerbern, Kindergärten, Schwimmbäder, Straßenpflege, Beleuchtung, öffentliches Grün, all das wird meist durch Gewerbesteuereinnahmen zu erzielen versucht. Bei reinen Wohnstädten wird es finanziell irgendwann ganz eng.

  • Ganz früher ging es doch auch irgendwie.
    Die Situation heute ist ja die, dass in jeder Innenstadt in der Erdgeschosszone zu 99% Ladenlokale sind. Zur Bauzeit waren die heutigen Ladenlokale nicht alle Gewerbeflächen, sondern es wurde die Erdgeschosszone nachträglich umgebaut in den Zustand, den wir heute kennen. Diese City-outlet-Idee kann ich mir flächendeckend, d.h. für alle Erdgeschosse, nur für heute schon besonders attraktive Städte vorstellen. Bei den mittelmäßigen Städten könnte man es so steuern, dass in den Eckhäusern die Erdgeschosszone Gewerbe bleibt, aber auf der Gerade zwischen den Kreuzungen ist dann im Erdgeschoss "nur" Wohnraum. So hätte man mit Glück auch in den mittelmäßigen Städten zumindestens belebte Plätze. Und die Geraden zwischen den Plätzen wären einigermaßen ruhig - was ja für Wohnraum nicht verkehrt ist!

    Das Argument mit den Gewerbesteuereinnahmen, die die Stadt braucht, ist richtig. Aber leerstehende Ladenlokale generieren keine Gewerbesteuereinnahmen. Das mehr an Kunden bei den city-outlets fehlt anderswo...

    Mich würden mal die Kontobücher einer Stadt interessieren aus der Zeit, als die Historismus-Bauten noch Neubau waren. Wie haben die damals ihre Infrastruktur finanziert?

  • Mich würden mal die Kontobücher einer Stadt interessieren aus der Zeit, als die Historismus-Bauten noch Neubau waren. Wie haben die damals ihre Infrastruktur finanziert?

    Das wäre eines Studiums sicher wert. Du musst bedenken, dass die Ausgabenseite, dabei vor allem der Sozialstaat, im Laufe der Sozialdemokratisierung der Gesellschaft immer mehr ausgeweitet wurde. Die Arbeitslosenversicherung ist beispielsweise erst 1927 eingeführt worden. Vorher musstest Du schauen, wie Du an Dein Brot kommst. Keinem Nichterwerbstätigen wurde eine Single-Wohnung mit allen Haushaltsgerätschaften, Essens- und Taschengeld spendiert. Zudem wurden auch nicht derart umfangreiche Leistungen wie heute jeder Person gewährt, die das Staatsterritorium betrat und "Asyl" sagte. Zudem waren sicherlich die städtischen Zuwendungen geringere. Man hat nicht einen Rattenschwanz an massiv bezuschussten Vereinen, Parteien, Kultureinrichtungen bedient. Hinzu die Versorgung mit dem meist defizitären öffentlichen Nahverkehr, den es damals nicht gab usw. usf. Damals waren die Ansprüche geringere, die Familie hat den Bedürftigen unter die Arme gegriffen, Bürokratie und alimentierte Günstlinge waren nicht so ausgeweitet.

    Zum Thema: Dass das Mehr an City-Outlets Kundschaft an anderer Stelle abzieht, ist klar. Aber, das betrifft doch jedes Geschäftsviertel. Die Kommunen sind längst in Konkurrenz miteinander, wer Kaufkraft vom anderen abzieht, wer Geschäfte und Produktionsstätten in den eigenen Grenzen hält, und wer abgeben muss und in die Abwärtsspirale gerät.

  • Ich frage mich auch, wenn immer alles "Outlet" verfügbar ist, wer kauft dann noch die Markenartikel zum Originalpreis? Ich gebe zwar zu, auch ab und an Outlet-Center zu besuchen, aufgrund der weiten Wege aber nie gezielt sondern nur, wenn es gerade passt...

    M.E. kann man Innenstädte vor allem beleben, wenn man dort mehr Wohnungen zulässt, dazu dann Geschäfte des täglichen Bedarfs. Funktioniert aber auch nur, wenn die Innenstädte auch lebenswert sind. In Dorfkernen aus den 70ern will doch auch keiner mehr wohnen, oder?

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Na, Wolfsburg z.B. ist mehr oder minder ein Dorfkern aus den 70ern. ;)

    Das Gros der Gewerbesteuereinnahmen kommt ja im Übrigen nicht aus dem Einzelhandel, sondern aus größeren produzierenden Betrieben, Dienstleistern usw. Die findet man heute eher in etwas abseits gelegenen Gewerbegebieten oder eben eigenen Geschäfts- und Bürohäusern, das hat dann aber nichts mit Ladenzonen im Erdgeschoss zu tun.

    Die Problematik haben wir ja auch andernorts schon ausführlich diskutiert (weiß einer wo? "Ladensterben in den Innenstädten" oder so hieß das womöglich?). Da hatte ich die Idee geäußert, dass ein Großteil der klein- bis mittelstädtischen Ladenzonen in Wohn- bzw. andersartigen Gewerbe-/Praxen-/Büroraum umgewandelt wird und insular Geschäfte aufrecht erhalten werden, um den Bedarf abzudecken. Stadtmensch hat das nochmal aufgegriffen. Gerade die eher ländlich geprägten Regionen stehen vor diesem nötigen Strukturwandel - sie können schöner werden als je zuvor, dafür müssen aber wahrscheinlich periphere Wohnlagen weichen. Großwohnsiedlungen haben in Klein- und Mittelstädten ohnehin nix verloren, letztlich nirgendwo.

  • Es ist aber eben nicht so einfach. Großwohnsiedlungen kann man, vor allem in Deutschlands Osten, abreißen, wenn diese in städtischem Besitz und leerstehend sind. Bei Ein- oder Mehrfamilien-Haus-Siedlungen im Privatbesitz sieht das schon weit komplizierter, wenn nicht unmöglich, aus. Da werden leider eher einige verwahrloste Fachwerkhäuser dran glauben, als das 1990 errichtete Eigenheim oder der Apartmentkomplex aus den 80ern. Und sicher kann man Ladenzonen umfunktionieren. In der Regel aber sind die betroffenen Orte von Einwohnerschwund betroffen und finden gar keine Nachmieter mehr. Selbst bei uns im Ort, der faktisch noch im Ballungsgebiet ist, sagen mir Hausbesitzer, dass sie keine adäquaten Mieter mehr finden. Vielleicht noch eine Dönerbude, da ist der Markt aber auch schon gesättigt. In einer solchen Situation des sukzessiven Sterbens, denn es fällt ja auch Infrastruktur weg, sind Outlets ein Versuch, einzelne Orte zu revitalisieren.


  • Was ist denn bitte ein "Dorfkern aus den 70ern"? Bei uns bestehen die Dörfer seit Jahrhunderten und nicht erst seit den 70ern.

    Okay, ich habe es etwas mißverständlich ausgedrückt. Viele Dörfer wurden (z.B. im Westmünsterland) in den letzten 50 Jahren nahezu komplett neu bebaut. Bis auf die Kirche und vllt. 1-2 alte Bürgerhäuser ist nicht mehr viel historisches da und dementsprechend wenig heimelig sieht es dort aus. Die Strukturen bestehen somit seit Jahrhunderten, die Bebauung nicht unbedingt..

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)