• Von Wiederaufbau kann ja (abgesehen vom Neumarkt, Frauenkirche, Semperoper) sowieso keine Rede sein, es wurde vielmehr eine ganz neue, sozialistische Trabantenstadt geschaffen, die mit Elbflorenz nichts mehr zu tun hat.

    In dubio pro reko

  • Nicht zu vergessen Residenzschloss, Zwinger, Gemäldegalerie, Taschenbergpalais, Schauspielhaus, Ständehaus, Kanzleihaus, Coselpalais, Sekundogenitur, Kunstakademie, Hofgärtnerei, Stallhof, Albertinum, Gebäude der sächsischen Staatsbank, Kurländer Palais, Landhaus, Kreuzkirche, Neues Rathaus, Annenkirche, Stadthaus Theaterstraße, Marstall, Palais Brühl-Marcolini, Matthäuskirche, Hauptbahnhof, Landgericht Münchner Platz, Lukaskirche, Palais + Kavaliershäuschen und Torhäuser im Großen Garten, Albertbrücke, Gerichtsgebäude am Sachsenplatz, Augustusbrücke, Blockhaus, Japanisches Palais, Dreikönigskirche, Jägerhof, Diakonissenkrankenhaus, die Loschwitzer Kirche...

    Bei nüchterner Betrachtung ist also festzustellen, dass bis auf Altstädter und Neustädter Rathaus sowie die Sophienkirche nahezu alle bedeutenden maßstabsgebenden Großbauten der Inneren Alt- und Neustadt wiederaufgebaut wurden. Man kann die Behauptung, das heutige Dresden hat "mit Elbflorenz nichts mehr zu tun", also zumindest leicht in Zweifel ziehen, besonders dann, wenn man, am Neustädter Elbufer stehend, sich dem schwer zu ertragenden Anblick der Silhouette der "sozialistischen Trabantenstadt" aussetzt.

    Was freilich in Teilen noch immer fehlt, bzw. durch Nachkriegsarchitektur unterschiedlicher Qualität ersetzt wurde, ist die ehedem kleinteilige bürgerliche Stadt dazwischen...

    Einmal editiert, zuletzt von Antonstädter (6. Februar 2015 um 19:51)

  • Und die fehlt leider gänzlich, die bürgerliche Stadt. Ebenso wie beispielsweise in Magdeburg. Ich kann ja verstehen daß ihr Dresdner stolz auf eure Stadt seid, aber für mich ist Elbflorenz mit der großflächigen, sprichwörtlichen Ausradierung dieser gewachsenen Stadträume leider gestorben. Das Neumarkt-Areal ist eine Traditionsinsel, die an den einstigen Mythos erinnert.
    Aber ich will damit jetzt nicht wieder eine Diskussion zum Status der Stadt auslösen, ich kann nur für mich sagen daß mich Dresden einfach nicht mehr bewegt, ich habe mit der Stadt als solcher abgeschlossen. Auch wenn die Frauenkirche für mich die schönste Kirche Deutschlands ist.

    In dubio pro reko

  • @Volker
    Ich würde Dir dann zustimmen, wenn für den Mythos "Elbflorenz" nur die Stadt innerhalb des 26er Rings zählen würde und wenn nur die bürgerlichen Bauten zu diesem Namen beigetragen hätten. Beides stimmt aber nicht!
    Um Dir ein klein wenig den Blick für den Rest von Dresden zu weiten, siehe als Beispiel folgendes Bild: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…me-Striesen.jpg

  • Möglicherweise wird nicht jeder verstehen, was für ein Problem ich habe. Am nächsten Freitag ist ja der 70. Jahrestag dieses Ereignisses, das ich nach Kräften aus meinem Bewußtsein verdrängt habe. 2005 war ich zum 60. Jahrestag in Dresden und habe alles in natura erlebt; wobei ich keinerlei Regungen verspüre, mir das noch einmal anzutun. Warum muß ausgerechnet der 70. Jahrestag auf einen unserer größten Mainzer Feiertage fallen (Stichwort Fernsehfastnacht???). Eine Art Umkehrung erlebe ich dann 14 Tage später, wo ich am 70. Jahrestag der Zerstörung von Mainz in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] sein werde. Ich bin jedes Jahr himmelfroh, wenn der Februar vorbei ist.

  • @volker
    Das ist sicherlich schade, und es muss einem ja auch nicht jeder Ort gefallen (geht mir mit Stuttgart oder zumindest dessen Innenstadt umgekehrt übrigens ganz genauso), und dennoch wage ich es, den in diesem Forum weit verbreiteten undifferenziert-defätistischen Umgang mit meiner Heimatstadt dann doch zu kritisieren, da ich ihn für ungerecht und ungerechtfertigt halte. Bei allen bedauerlichen Verlusten und teilweisen Fehlentwicklungen im Zuge des Wiederaufbaus kann die Zukunft dieser Stadt nicht darin liegen, in ein dauerhaftes lähmendes Lamento über die immensen menschlichen und kulturellen Verluste der Kriegszerstörungen zu verfallen. Das ist aus meiner Sicht genauso unsinnig wie die selbstbeweihräuchernde touristische Hochglanz-Vermarktung, die das Wesen dieser Stadt auf Zwinger, Opfer, Frauenkirche und August den Starken reduziert.

    Damit möchte ich es aber meinerseits auch bewenden lassen, denn derartige Diskussionen werden ohnehin zu nichts führen, wie sich in der Vergangenheit ja schon oft gezeigt hat.

    Weingeist
    Das geht mir als Eingeborenem im übrigen nicht anders. Es ist eine Schande, dass das stille Gedenken von einst aufgrund der bekannten Instrumentalisierung durch dubiose Zeitgenossen verschiedener Couleur heute kaum noch möglich ist. Da Ferien sind, bin ich auch schon am Überlegen, wohin ich nächste Woche flüchten werde...

    Einmal editiert, zuletzt von Antonstädter (6. Februar 2015 um 20:16)

  • Die Aufzählung der wieder aufgebauten Gebäude ist sicher interessant, problematisch ist aber weiter die Zerstörung der Stadtstruktur. Stärker zerstörte Städte wie Köln oder Hamburg hatten eine andere Aufbaustrategie. Die Innenstädte wurden zwar modern, aber deutlich kleinteiliger wieder aufgebaut. Auf die Frage, warum gerade in Dresden so radikal abgerissen und so extrem modern gebaut wurde, wird man wohl keine Erklärung erhalten.


    Fotothek df ps 0000010 Blick vom Rathausturm [CC BY-SA 3.0 de (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)], by Richard Peter (1895–1977)



    Bundesarchiv Bild 183-U0816-0010, Dresden, Prager Straße [CC BY-SA 3.0 de (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)], by Löwe, from Wikimedia Commons


    Wieso gab es keinen Widerstand gegen diese Abrissorgie in Dresden?

  • @ Stahlbauer

    Ganz naiv könnte man fragen, ob auf deinem Beispielfoto überhaupt eine wiederaufbaufähige Ruine zu sehen ist.

    Auf der anderen Seite muss es sich aber um eine rein rhetorische Frage handeln, waren doch die politischen Verhältnisse ganz andere als in Hamburg oder Köln. Wer hätte bitte protestieren sollen - oder können?

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Stahlbauer
    Dir ist doch sicher klar, dass die Städte Köln und Hamburg zum Zeitpunkt des Wiederaufbaus in einem anderen Staat lagen als Dresden? Über die Hintergründe des sozialistisch geprägten Städtebaus in der DDR gibt es viele interessante Bücher. Vorsichtig gesagt: Allzu viel durften die Leute damals nicht mitreden! Vor allem wurden die Besitzer der Ruinen enteignet und falls einmal nicht, durften sie ihr Haus trotzdem nicht wieder aufbauen. Da liegt der grundlegende Unterschied zu den Städten im Westen. Mit dem verstaatlichten Grund und Boden wurde dann extrem großzügig umgegangen.

  • Stahlbauer
    Dir ist doch sicher klar, dass die Städte Köln und Hamburg zum Zeitpunkt des Wiederaufbaus in einem anderen Staat lagen als Dresden? Über die Hintergründe des sozialistisch geprägten Städtebaus in der DDR gibt es viele interessante Bücher. Vorsichtig gesagt: Allzu viel durften die Leute damals nicht mitreden! Vor allem wurden die Besitzer der Ruinen enteignet und falls einmal nicht, durften sie ihr Haus trotzdem nicht wieder aufbauen. Da liegt der grundlegende Unterschied zu den Städten im Westen. Mit dem verstaatlichten Grund und Boden wurde dann extrem großzügig umgegangen.

    Ich denke, daß unter West- wie Ostideologie ähnlich gute wie auch schlechte Wiederaufbauleistungen stattgefunden haben. In Rotterdam wurde fast noch rabiater als in Dresden tabula rasa gemacht, und das ohne jeglichen Schuldkomplex und ohne Weisung aus dem ZK als auch aus Moskau.

    Man kann froh sein, daß für Dresden zumindest nicht der Hopp Plan umgesetzt wurde. Dann wäre heute auch nicht mehr viel von der Elbfront übrig geblieben und die Kreuzkirche und ein stalinbarocker Altmarkt hätten die einzigen "Traditionsinsel" in einem unsäglichen Meer aus Hochhäusern mit kreuzförmigen Grundriß (ähnlich Le Corbusiers Plänen für Paris) gebildet.

    Ich glaube neben ideologischen Gründen war auch der Einsturz der Frauenkirche ein ganz wesentlicher Grund dafür, daß man sich erst in den 1980er Jahren hin zum Wiederherstellen historischer Stadträume gewendet hat. Das barocke Dresden hatte mit der Frauenkirche ihren Hauptbezugspunkt, ihr Zentrum veloren. Damit schien, zusammen mit der gewaltigen Restzerstörung, das ganze alte Dresden hoffnungslos verloren. Es schien einfach keinen Sinn mehr zu haben, die ganzen anderen Stadtstukuren widerherzustellen, ohne Frauenkirche. Und (selbst ein vereinfachter) Wiederaufbau der Frauenkirche war angesichts des Aufwands der damit verbunden wäre, in der Wiederaufbauzeit einfach vollkommen unrealistisch. Wäre es denn nur eine gotische Kirche mit einem Langshaus gewesen, wie die Sophienkirche, ein Dach auf die Ruine druff, Gewölbe kann man ggf. später wieder einziehen. Sowas war machbar. Auch in der DDR...aber nicht eine statisch hochkomplizierte höchstaufwändige riesige Kuppel.

    Ich mutmaße also: Wäre die Frauenkirche nicht eingestürzt, man hätte viel früher an die alten Stadtstrukturen angeknüpft, auch die Sophienkirche wäre stehengeblieben.
    Ob das Resultat denn dann überzeugend wäre, steht auf einem anderen Blatt...zumnindest der Neumarkt sähe nicht so schön aus, wie er denn jetzt aussieht (und noch aussehen wird), aber im Gegenzug wäre die Altstadt als Organismus erhalten geblieben und man müßte jetzt nicht mühen diese neue Barockstadt die in beeindruckender Weise binnen 20 Jahre aus dem Nichts gestampft wurde, mit (authentischem) Leben zu füllen.

    5 Mal editiert, zuletzt von Kaoru (8. Februar 2015 um 01:29)

  • Das aus stadthistorischer Sicht tragischste ist sicherlich die fast komplette Vernichtung und anschließende Überbauung der alten Gründungsstadt. Das wird sich auch nicht mehr korrigieren lassen.
    Ich denke aber nicht, dass der Flächenentrümmerung der frühen Nachkriegszeit viele wiederaufbaufähige Ruinen zum Opfer fielen. Die Zerstörung war überwiegend total. Viele der als nicht völlig zerstört eingestuften Gebäude haben auch den sozialistischen Neuaufbau überstanden. Die Schadenspläne sprechen eine deutliche Sprache http://www.deutschefotothek.de/gallery/encode…cnWYgAAzawJuA**

    Einmal editiert, zuletzt von Saxonia (6. Februar 2015 um 23:41)

  • Saxonia Wobei aber auch zu berücksichtigen ist, dass die alte Gründungsstadt, ergo die Altstadt zwischen Elbe und Seestraße/Ring bzw. Postplatz-Pirnaischer Platz ohne Neumarktareal, auch einem ständigen Wandel unterlegen war und bereits spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts schwerste Verluste an jahrhundertealter Bausubstanz zu beklagen hatte. Zu erwähnen sind die Kaufhausneubauten der 1920er Jahre, denen an Wilsdruffer und Schloßstraße zahlreiche barocke und ältere Wohn- und Palaisbauten weichen mussten, das etwa 1/5 des Ursprungsgebietes einnehmende Neue Rathaus, dem ganze Straßenzüge geopfert wurden, oder der Durchbruch der König-Johann-Straße. Letzter großer Eingriff war die Anlage der Marktstraße zwischen Altmarkt und Ring in den 1930er Jahren, dem das ganze pittoreske Quartier um Kleine und Große Frohngasse zum Opfer fiel...

    So hochgradig bedauerlich wie der Verlust der hochurbanen und belebten Dresdner Innenstadt sein mag, besonders im Vergleich mit dem noch immer von Brachen geprägten Momentanbild, so sollte man sich doch vor Verklärungen hüten, die genauer Betrachtung nicht standhalten, und immer bedenken, dass vor allem große Städte ständigen Veränderungen unterliegen. Dresdens bezog sein besonderes Charisma aus der weitgehend homogenen Erscheinung seines ehedem horizontalen Stadtbildes, dem Wechsel offener und geschlossener Räume und auch vor der Zerstörung in erster Linie aus den architektonischen Höhepunkten, die die Stadt auch heute noch bzw. wieder prägen. Ein Vergleich historischer und aktueller Reiseführer sollte zur Belegung dieser These genügen, denn jeder Vorkriegs-Baedeker könnte zu 90% auch heute noch gute Dienste leisten...

    Es wäre im Übrigen interessant zu spekulieren, was mit der Stadt geschehen wäre, wenn sie eben nicht der Totalzerstörung ihres inneren Kerns anheim gefallen wäre. Man darf mit einiger Sicherheit vermuten, dass die bereits in den Jahrzehnten vor dem Zweiten Weltkrieg geplanten "Slum Clearances" in der Friedrichstadt, Wilsdruffer und Seevorstadt egal unter welchen politischen Vorzeichen gnadenlos umgesetzt worden wären, ebenso darf bezweifelt werden, dass an der Prager Straße heute nicht diverse 0815-Allerwelts-Kaufhausbauten das Bild bestimmen würden oder die Gründerzeitquartiere der östlichen Seevorstadt und Pirnaischen Vorstadt die Zeiten unbeschadet überlebt hätten. Ich bin jedenfalls überzeugt davon, dass ein unzerstörtes Dresden dem APH-Forum trotzdem genügend Stoff zu erbitterter Debatte oder unschöner Häme aus der nordwestsächsischen Tieflandsbucht geboten hätte...

    Einmal editiert, zuletzt von Antonstädter (7. Februar 2015 um 20:45)

  • Wäre Dresden nicht zerstört worden, wäre die Bausubstanz zu DDR-Zeiten heruntergekommen und vergammelt. Nach der Wende wäre Dresden eine Mischung aus Görlitz und [lexicon='Leipzig'][/lexicon] geworden - aufwendige Sanierung auf der einen Seite und Leerstand sowie Abriss auf der anderen Seite. Aber der Stadtgrundriss als solches wäre erhalten geblieben. Keine für Jahrzehnte überbauten urbanen Stadtstrukturen mit Notbauten ala Plattenbauten.

    Beim Betrachten der Zerstörungen 1945 auf Bildern und im Asisipanometer ist es schwer vorstellbar, dass überhaupt noch ein Gebäude wiederaufbaufähig war - vor allem in Anbetracht der damaligen Zeit und Mittel. Allerdings kann das Kurländer Palais hier eines besseren belehren. Möglich wäre zumindest ein Teilwiederaufbau Dresdens gewesen.

    http://www.dresden-bilder.de/fotos/index.ph…ype=img&id=1333

    http://static.panoramio.com/photos/large/15932156.jpg

    Einmal editiert, zuletzt von Henry (7. Februar 2015 um 11:34)

  • @Antonstädter
    Deinen Ausführungen kann ich unumwunden zustimmen. Dass die radikalmodernen Umbaupläne der Nachkriegszeit in Ost und West nicht aus dem Nichts kamen, wurde in diesem Forum ja schon ausgiebig diskutiert. Selbstverständlich hat die selbe Ansicht, die vor dem Krieg zu schwerwiegenden Eingriffen in das althergebrachte Stadtgefüge führte, später auch dafür gesorgt, sich dessen beinahe völlig zu entledigen. Ob die Dresdner sich ohne Druck durch die Partei, das heißt in kommunaler Selbstbestimmung ähnlich der im Westen, auch für so einen radikalen Schnitt entschieden hätten, ist eine spannende Frage.

  • Der Umgang mit der vorhandenen Substanz, egal ob man etwa das Jahr 1890 ansetzen würde, oder das Jahr 1930, war aus heutiger Sicht unbekümmert und verantwortungslos. Bereits zu dieser Zeit sind Fakten geschaffen worden, die man heute durchaus hinterfragen kann. Als ausgesprochener Knöffel- und Haase- Fan komme ich ganz zwangsläufig nicht umhin, die Verluste, die z.B. in Dresden bereits vor 1945 stattfanden, aufs tiefste zu bedauern. Wenn man andererseits den Blick einmal vom Mythos Dresden abschweifen läßt und sich andere alte Städte anschaut, wovon ich aufzähle Erfurt, Görlitz, teilweise [lexicon='Leipzig'][/lexicon] sowie Städte mit einer kleineren Einwohnerzahl wie z.B. Meißen und Bautzen, sehe ich, daß diese Städte heute "funktionieren" und daß man in ihnen sehr wohl leben kann. Die Frage, ob man selbst eher inmitten einer flippigen lebhaften jungen Stadt wie Erfurt leben möchte oder aber eher Ruhe und etwas Beschaulichkeit möchte, wie z.B. in Bautzen, sollte nicht an erster Stelle stehen.
    Immer wieder wird im Zusammenhang zu Dresden das etwas heruntergekommene Bild angesprochen, das auch im Neumarktgebiet vornehmlich in der Salzgasse bestand. Immer wieder muß man sagen, daß Bauten dieser Art wie dort mit nur zwei Geschossen dem Typ des Dresdner Hauses eigentlich überhaupt nicht entsprachen. Natürlich wäre es einerseits auf dem Gebiet der Dresdner Altstadt auch zu diesen und jenen Arbeiten und Maßnahmen gekommen und natürlich hätte das alte Dresden im wesentlichen auch nicht viel anders ausgesehen wie Bautzen oder Görlitz nach der Wende. Das Hauptproblem liegt aber in der Frage, ob eine Parzelle in Privatbesitz bleibt oder ob sie als Mittel zum Zweck dient, Teil einer politischen bzw. gesellschaftlichen Ideologie wird. Man sollte sich nur einmal daran erinnern, daß mit der Teilbebauung des Altmarkts, der weißen Gasse und der Wilsdruffer Straße der weitaus größte Teil der ehemaligen Altstadt neu bebaut wurde und man sollte sich in diesem Zusammenhang auch noch einmal die Pläne für ein gewaltiges Aufmarschforum anstelle der abgeräumten Bauten von Semperoper über Galerie etc. vor Augen führen. Was ist das Kernproblem bei der Sache, daß man die handvoll Bauten auf dem Gebiet der ehemaligen Altstadt inmitten riesigster Brach- und Freiflächen nie und nimmer als vollwertigen und funktionierenden Ersatz im Vergleich zur Vorgängerbebauung ansehen kann? Wie einseitig urteilsfähig müssen manche Menschen sein, die die Altmarktbauten, Wilsdruffer Straße und Prager Straße als vollwertige neue Stadt ansehen?
    Hinzu kommt die öffentliche Meinungsmache und Positionierung durch Politiker und Lobbyisten, die allesamt ein persönliches Rezept gefunden haben, mit dem sie uns weismachen wollen, wie gut und zeitgemäß es doch ist, anstelle einer Parzelle, die teilweise jahrhundertelang in Privatbesitz war und einfach funktioniert hat, an deren Stelle nun besser Banken, Versicherungen, Einkaufstempel und was auch immer noch sonst stehen müssen.
    Natürlich würde heute ein unzerstörtes Dresden nicht exakt so aussehen wie vor 110 Jahren. Aber wenn man sich [lexicon='Leipzig'][/lexicon] anschaut, hat man dort einfach das Gefühl einer Geschlossenheit und städtischen Urbanität, wo man dann dazu noch trotz alledem eine große Zahl an Bauten hat, die das Gefühl einer über Jahrhunderte gewachsenen Stadt vermitteln. Südlich der Wilsdruffer Straße fehlt das einfach in Dresden.

  • Die aus Breslau evakuierten Bewohner mussten auf ihrer Flucht Dresden durchqueren so dass im Februar 1945 wahrscheinlich bis zu hunderttausend Menschen zusätzlich zu den 630.000 Einwohnern in der Stadt lebten. Weil die Stadt bis 1944 außerhalb der Reichweite alliierter Bomber lag gab es in der Stadt keine nennenswerte Flugabwehr mehr die es paradoxerweise zu Anfang des Krieges dort gegeben hatte. Angesichts des bereits absehbaren Kriegsendes wähnten sich die Menschen vergleichsweise in Sicherheit.

    Die erste Angriffswelle mit 244 britischen Lancaster Bomben begann am 13. Februar um 22 Uhr 13 und setzt innerhalb weniger Minuten die gesamte Dresdner Innenstadt in Brand. Um 1 Uhr 23 beginnt die zweite Angriffswelle mit 529 britischen Bombern. Sie werfen 650.000 Stabbrandbomben 529 Luftminen und 1800 Sprengbomben über der Stadt ab. Die zahlreichen Einzelfeuer entfachen auf 15 Quadratkilometern den so genannten Feuersturm der ganze Straßenzüge auslöscht. Menschen die in diesem Feuersturm nicht verbrennen erleiden oft den Tod durch Ersticken. Am 14. Februar um 12 Uhr 17 werfen US-Bomber 1800 Sprengbomben und 136.800 Stabbrandbomben über dem brennenden Dresden ab.

    Etwa 60% des Dresdner Stadtgebietes mit Wohn- und Geschäftshäusern waren zerstört. Militärisch hatte der Bombenangriff keinerlei Bedeutung mehr. Die durch Dresden führende Eisenbahnlinie konnte sogar bereits nach drei Tagen wieder in Betrieb genommen werden.

    Von 220.000 Wohnungen wurden 80.000 völlig zerstört und 75.000 schwer beschädigt. 114 öffentliche Gebäude 40 Kliniken und Krankenhäuser 20 Kirchen und bedeutende kulturhistorische Bauten fielen dem Bombardement zum Opfer.

    Einwohnerzahl Dresdens am 30. April 1945: 368.519

  • Bei meinem Besuch des Asisipanometers vor 2 Wochen konnte ich mit einem alten Herren sprechen, welcher mir bestätigte damals als 7,5 jähriger Junge mit seiner damals 16 jährigen Schwester (ebenfalls im Asisipanometer anwesend) und seiner Mutter nach der 2.Angriffswelle von der Grunaer Strasse an die Elbe geflohen zu seien. "Nur weg von den Brücken" meine die Mutter, weil die Wehrmacht diese vermint hatte. Er bestätigte von Tieffliegern angegriffen worden zu seien - "wir lagen in Bodenfurchen an der Elbe" - und er berichtete von Luftturbinen (nicht Luftminen), die beim Einschlag in die Erde einen Luftstrom erzeugten, welcher ihn beinahe in die Elbe getrieben hätte und dem perfiden Zweck dienten, den Feuersturn anzufachen bzw. zu verstärken.

  • Wie einseitig urteilsfähig müssen manche Menschen sein, die die Altmarktbauten, Wilsdruffer Straße und Prager Straße als vollwertige neue Stadt ansehen?

    Ich will ja beim besten Willen nicht die bereits mehrfach geführte und wohl oder übel aufgrund grundverschiedenener Ansichten ins Nichts führende Debatte wieder aufwärmen, aber:

    Weder die Altmarktbauten noch die Wilsdruffer Straße noch die Prager Straße sind für sich oder zusammengenommen als vollwertige neue Stadt oder gar Ersatz der alten anzusehen. Sie sind aber definitiv ein Teil dieser Stadt, deren Vorzustand bis auf einige wenige damalige Kleinkinder keiner mehr aus eigenem Erleben kennt. Und als solcher haben sie selbstverständlich eine Existenzberechtigung. Ich glaube auch kaum, dass das "Nichtfunktionieren" der Dresdner Innenstadt, was übrigens aus meiner Sicht Stand jetzt so auch nicht mehr stimmt, an der Bebauung der genannten drei Straßenräume festzumachen ist, sondern an der angesprochenen nach wie vor beträchtlichen Anzahl unbebauter Freiräume in der Dresdner Altstadt und deren Vorstädten. Um eine wahrhaft funktionierende Stadt vorzufinden genügt ein Aufsuchen des anderen Elbufers, insbesondere nördlich des Albertplatzes. Im übrigen halte ich es schon für fragwürdig, der Prager Straße ihre Funktionsfähigkeit als Einkaufsmeile, denn nichts anders war sie auch in ihrem Vorzustand, abzusprechen. Sie muss einem im Einzelnen ja nicht gefallen, es scheint aber doch mehr als genügend Menschen zu geben, die hier gern flanieren gehen und sich an der Nachkriegsarchitektur wenig zu stören scheinen. Und nun? Sind die alle "einseitig urteilsfähig", oder trifft dies nicht vielmehr auf jene zu, die aus persönlichem Dünkel und Geschmack bestimmte Stadträume zu verachten scheinen?

    Einmal editiert, zuletzt von Antonstädter (7. Februar 2015 um 22:06)

  • Henry

    Vor ca. einem Jahr gab es so eine populär"wissenschaftiche" Guido-Knopp Geschichterlstunde über Dresden 02/45 im TV, wo natürlich wieder gebetsmühlenartig erzählt wurde, dass es keine Tieffliegerangriffe auf Dresden sowie keine Beweise dafür gab. Der Großvater einer Studienkollegien aus Dresden hat mir in meiner Zeit in Sachsen aber auch das Gegenteil erzählt und kann sich ebenfalls noch sehr gut an die Tiefflieger erinnern - er konnte sich sogar an das schemenhafte Gesicht eines Piloten noch erinnern - so tief sind die geflogen! Er und sein überlebender Bruder haben das auch der seinerzeit von Herrn Roßberg eingesetzen Komission geschrieben, aber in diesem Fall sind Zeugenaussagen nicht relevant gewesen, war das beauftrage Ergebnis mehr oder weniger schon voher bekannt. Die dogmatisch vorgegebene Geschichtsschreibung interessiert sich eben nur für das, was (politisch korrekt) sein darf. Ist doch überall das gleiche - die Amis lügen uns ja jetzt auch noch Tag für Tag alle möglichen Kriegsgrundmärchen aus Nahost vor und jeder, der halbwegs geradeaus schauen kann weiß das. Wer das überrissen hat, den wundert doch nichts mehr auf unser nicht ganz runden Welt ;-). Was (nicht nur) Dresden betrifft, wird die historische Wahrheit von der aktuellen Geschichtsschreibung gerne bis zur Unkenntlichkeit verzerrt dargestellt.

    @Antonstädter

    Ich denke, das jeder von uns ein ganz persönliches Dresdenbild vor Augen hat. Deshalb sind die subjektiven Meinungen über diese Stadt, die zwar für uns alle Dresden heißt, wenn auch jeder etwas anderes mit diesem Namen gefühlsmäßig verbindet, auch so diametral unterschiedlich. Manche von uns legen fast immer einen Vorkriegsdresden-Layer über das heutige Stadtbild. Ob nun gut oder schlecht und mitunter übertrieben, aber es ist schon interessant, dass eine Stadt jemanden so sehr fesseln kann. Das dürfte ja auch bei Asisi so sein. Ich persönlich hoffe auf sein Kunstwerk Dresden 1900 - für mich mein Idealbild und der gebaute Zenit Dresdens. In diesem Panometerbild werde ich dann vermutlich eine ganze Woche verbringen müssen...!