nteressant Deine allein ästhetische Begründung des rustizierten Sockelgeschosses, hatte ich nicht mehr so auf dem Schirm. Hatte v.a. immer wieder daran denken müssen, dass das Karlsruher Theater von Weinbrenner (ca. 1820, +/-) dafür kritisiert wurde, dass es ein rustiziertes Sockelgeschoss hatte. Man sagte damals, das gehöre sich nur für ein Gefängnis und sei nicht eines Theatereingangs würdig
Ist natürlich auch immer ne Frage, wie sehr man rustifiziert, beim Mainzer Theater sieht das ganze ja noch recht filigran und elegant aus, es gibt so (gewollt) grobschlächtige und archaisch monumentale Rustikasockel, da denkst du, du stehst in einer Höhle oder einer Grotte, wenn du davor stehst. Aber das auch erst tendenziell nach der Jahrhundertwende.
(Hier auch wieder Interessant, daß der Jugendstil hier auch sein sehr spezifisches Verständnis von Natur und Naturalimus in die Architektur bringt, es gibt aus der Zeit vorm I. WK Rustiken, da sind im Stein Nachbildungen Gemose, Gealge, Geflechte, Tropfsteine, Wurzeln und anderes eingearbeitet)
Generell ist es ja typisch für den Jugendstil, die Natur die Form und nicht die Form die Natur bestimmen zu lassen, eine Rückführung des entfremdeten Menschen zu einer neuen Einheit mit der Natur (erste Tendenzen zur Organischen Architektur zeigen sich - vorallem bei Gaudi) was natürlich an so einem eher konservativen "harmlosen" Bau, wie das Mainzer Theater schchwer nachzuvollziehen ist. Wobei:
Dein gezeigtes Fassadendetail zeigt da schon wieder Tendenzen. Was soll die obere Leiste über den Blattwerk darstellen? Vielleicht stilisierte Tropfsteine?
Das Blattwerk am Schlußstein ist natürlich auch interessant, wirkt es auf dem ersten Blick sehr konservativ und bieder, erkennt man auf den zweiten Blick, daß es sich doch deutlich von bideren klassizistisch oder renaissancierenden Akazienblätter (dies im Stuckkatalog en masse zu kaufen gab) unterscheidet und auch Formen des Jugendstils aufnimmt, bemerkenswert ist die dynamische Linienführung, jede Linie scheint die andere Linie mitzuführen, es entsteht eine "Ideeneinheit"...auch ein Verweis auf die Idee des Gesamtkunstwerks im Jugendstil, man setzt nicht einfach kurvige Linien die im nichts münden, nein, eine Linienführung bestimmt ein ganzes Ornament, ja in den konsequentesten Umsetzungen ein ganzes Gebäude, fast wie ein materialisierter Geist (die "Idee"), der das Gebäude konsequent durchfährt, bestimmt.
Durch diese konsequente Umsetzung von Formen (neinn die Form hört nicht an der nächsten Fensterachse, am Sims oder am Pilaster auf, nein sie bestimmt alles) entsteht dieser ganz besondere Rhytmus von Jugendstilgebäuden, sie scheinen zu tanzen, gleich der dynamischen Masse einer Gruppe die eine Choreographie ausführt.
Das läßt sich natürlich wiederrum vielfach deuten: Forderung nach Anpassung, Uniformität, für eine neue Gesellschaftsordnung?
Oder aber, die Idee, das garnichts und sowieso kein Mensch für sich alleine stehen kann, sondern Produkt seiner Umwelt ist und diese in gleichem Maße mitprägt?