• Ehrlich gesagt halte ich diese angebliche Konvergenz für sehr weit hergeholt... Das Moskauer Beispiel ist klar, aber beim Potsdamer Beispiel fehlt beispielsweise der Hauptwesenszug des Palais Thiene. Letztlich ist Fortmann-Drühes beachtenswerte Neuschöpfung palladionesker als der Vorgängerbau, weil er alles andere aus er Fassade eliminiert hat.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Man kann bei Palladio schon mal durcheinander kommen - hier ist jedoch der P. Thiene eindeutig. Natürlich darf man nicht nach dem ausgeführten Bau gehen sondern nach der Abbildung in "Vier Bücher über die Architektur", die für FII Vorlage war und Büring zum Umsetzung vorgelegt wurde:

    1. Die Rustaka im 1. OG fehlt deinem Palladio Marc Antonio Thiene.

    2. Der Aufbau der Obergeschosse ist ganz anders: Dein Marc Antonio Thiene hat ein Hauptgesims und ein Staffelgeschoss. Der Thiene hat eine fette Attika.

    3. Unter der Attika sitzt beim Thiene das typische Mosaikband (das Fortmann-drühe in Potsdam weggelassen hat). Das gibt es bei deinem Marc Antonio Thiene nicht.

    4. Pilasterkapitelle bei Marc Antonio Thiene ionisch, Thiene korinthisch (wie Potsdam)

    Insofern ist die Vorlage zum Neuen Markt 5 klar. Die Motive für den Alten Markt 12 und 19, die Kommandantur (Schloßstraße 7) auch, ebenso der Pal. Chiericati und die beiden bauten am Eingang zur Schwertfergerstraße.

    Schwieriger wird es beim Portikus des Langen Stall (der Gontard-Schüler Unger) der angeblich der Loggia Valmarena nachempfungen ist. Hhhm.

    Potsdam:

    Vicenza:

  • Also eindeutig ist da am Palazzo Thiene überhaupt nichts. Spreetunnels Iseppe da Porto kommt da wirklich um Welten näher. Der Hauotunterschied besteht in Pilastern statt Halbsäulen, aber beides sind Palladio'sche Elemente.
    Wie gesagt . die Bestrebungen der detaillierten Zuordnungen scheinen mir übertrieben. Palladio war das Vorbild, keine Frage, aber immerhin waren inzwischen schon einige Jahrhunderte ins Land gezogen. Sogar der Barock war vorbei. Und so spricht aus den Potsdamschen Palaisbauten ein ganz eigener Stil, der sich von der Renaissance weit entfernt hat und bereits Züge des Eklektizismus trägt. Zum Glück, muss man sagen, denn dies verleiht diesen Bauten etwas Originelles, ja Einzigartiges.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Es sind Palladioadaptionen, keine Kopien. Gontard, Unger, Manger, Hildebrandt etc. bedienten sich der Vorlagen aus der Palladio-Literatur, der König Friedrich II. und Auftraggeber war ein überzeugter Palladio-Verehrer, aber sie kopierten sie nicht, sondern reduzierten sie und passten sie Potsdamer Verhältnissen an.

    Andere Gebäude bedienten sich anderer Vorlagen, wie z. B. die 8-Ecken-Häuser nach einem Vorbild in Palermo, das Barberinipalais (Hoffassade des gleichnamigen Palazzo in Rom), der Palazzo Pompei nach dem Vorbild in Verona u. v. a. m


    Hier ein paar Fotos zur Ergänzung aus meiner großen Kollektion Vicenzabilder aus mehreren Reisen dorthin:

    Einmal editiert, zuletzt von Spreetunnel (16. Dezember 2014 um 11:34) aus folgendem Grund: Ergänzung von Fotos

  • Ich habe auch noch einige Bilder (Aufnahmejahr 2012) auf Lager.

    Wenn man sich Vicenza von Osten nähert, sollte man die Anhöhe nicht verpassen, auf welcher sich das Wallfahrtskloster 'Santuario di Monte Berico' befindet.

    Die zwischen 1688 und1703 fertiggestellte barocke 'Basilica di Santa Maria di Monte Berico'.

    Rechts ist die ursprüngliche gotische Kirche zu sehen; der Glockenturm wurde gegen Mitte des 19. Jhdts. hinzugefügt.

    Noch drei Innenaufnahmen.

    Vom Vorplatz der Kirche hat man eine prächtige Aussicht auf die Stadt Vicenza.

    Vor den Toren der Stadt, aus der Gartenanlage 'Giardini Valmarana Salvi' zum 'Torre dal Giardino' geschaut, rechts das 'Arco del Revese'.

    In den Gärten, am Flüsschen Seriola gelegen, die 'Loggia Valmarana', wohl von einem Palladio-Schüler errichtet.

    Das Stadttor ('Porta Castello') am 'Torre dal Giardino'

    Enge Straßenfluchten

    Im Hintergrund die Apsis des Doms 'Santa Maria Maggiore'.

    Durchblick zur 'Piazza dei Signori' mit der 'Basilica Palladiana', am Ende das Palladio-Denkmal.

    'Piazza dei Signori'


    Sehr beeindruckend, aber die 'Piazza delle Erbe' in Verona hat m. E. mehr Charme und Gemütlichkeit.

    Der 82 Meter 'Torre Bissara' (errichtet zwischen dem 12. und 15 Jhdt.) dominiert den Platz.

    Palladios 'Loggia del Capitaniato', Haus des venezianischen Statthalters.

    Die 'Piazza delle Biade' mit der Kirche 'Santa Maria in Foro o dei Servi di Maria'

    Am engen 'Corso Palladio' ist die Kirche 'San Gaetano Thiene' nur mit Mühe aufs Bild zu bekommen.

    Die 'Piazza Matteoti' mit dem Standbild von Fedele Lampertico, dahinter die 'Porta dell'Armamentario', der Durchgang zum 'Teatro Olimpico'

    Der gegenüberliegende 'Palazzo Chiericati', errichtet um 1550, darf natürlich nicht fehlen.

    Die Kirche 'San Filippo Neri' liegt ebenfalls am 'Corso Palladio'.

    Mein abschließendes Bild zeigt die 'Piazza del Castello' mit dem Garibaldi-Denkmal, zentral im Bild der 'Palazzo Thiene Bonin Longare'.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

    7 Mal editiert, zuletzt von Mantikor (4. Januar 2015 um 12:44)

  • ursus carpathicus hat geschrieben:

    Zitat

    So wie die Katzelmacher keine richtige Gotik zustandebrachten, brachten wir ihre verhunzte Adaptierung nicht zustande - was bei uns herauskam war wieder echt und wahrhaftig.


    Ja in Deinem Beispiel wurde selbst die Venezianische Gotik zu etwas Bodenständigem, also typisch deutschem im weiteren Sinne, umgeformt. Die Italiener blieben für die Gotik immer zu romanisch und übernahmen von der Gotik nur die manchmal bizarre Anmutung und die konstruktiven Vorteile der Spitzbögen. Das Wesen der gotischen Bauweise als Gerippe für weiten, lichtdurchfluteten Räumen wurde nicht übernommen. Schon wegen des Klimas waren solche Räume für Italien ungeeignet.

    Zitat

    Man kann daher sagen: Vicenza ist die stadtgewordene Idee eines Mitteleuropas.


    Das sehe ich auch so.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

    Einmal editiert, zuletzt von Brandmauer (12. Januar 2015 um 21:09)

  • Was Vicenza mit Potsdam verbindet sind die starken Beschädigungen im Krieg. Ich bin mit etwas offenen Augen durch die Altstadt gegangen und man sieht doch auf den zweiten Blick sehr viele Nachkriegsbauten.

    Diverse Perspektiven aus der Altstadt:

    Ich meine, dass häufig fast alle sichtbaren Bauten in den späten 40er oder 50er Jahren in eklektizistischem Stil erbaut wurden.

    Eine offensichtliche Bausünde neben der "Basilika"

    Vicenza nach den Bombardierungen

    Viale_Roma_%28Ilgiornaledivicenza%29.jpg

  • Ich hatte den Eindruck, dass die Stadt ihre erlittenen Zerstörungen eher im Verborgenen zu halten bestrebt ist. Die von dir gezeigten Bilder betreffen glücklicherweise nicht den Corso und die Piazza sowie die allerberühmtesten Gassen. Wie hoch der Zerstörungsgrad in diesen war, kann ich nicht abschätzen. Der Dom kann praktisch als Reko angesehen werden.

    Insgesamt ist der Wiederaufbau sehr gediegen, besser als zB in Padua, wo immerhin auch auf die Hauptplätze Wert gelegt worden sein dürfte:

    https://farm8.staticflickr.com/7537/15775778119_2ef4ce4348_k.jpg

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Snork 21. Oktober 2022 um 23:36

    Hat den Titel des Themas von „Vicenza (I) (Galerie)“ zu „Vicenza (Galerie)“ geändert.
  • in Besuch im freistehenden Palazzo Chiericati, dessen Mittelteil in abgewandelter Form in Potsdam verwendet wurde.

    Im Inneren gibt es eine Gemäldegalerie, welche erstaunlich modern gestaltet ist mit glatten Wänden und modernen Treppen. Ich vermute, das Bauwerk wurde ebenfalls im Krieg beschädigt und im Inneren schnörkellos aufgebaut.

    Ich vermute, die Teile wurden aus diversen beschädigten Kirchen zusammengetragen

    Eine Sammlung historischer Globen aus Venedig.

  • Der Thread hat ja schon viele gute Bilder, deshalb nur noch ein paar weitere Ansichten. Vicenza hat ca. 130000 Einwohner, aber die Altstadt ist sehr übersichtlich und gut zu Fuß erlaufbar (mit Ausnahme der Villa Rotonda). Es gibt in der Nähe eine amerikanische Militär-Basis, deshalb können etliche Italiener etwas Englisch und man kann Caffè Americano oder Spaghetti with Meatballs bestellen.

    Blick von der Hauptstraße zu sogenannten Basilika Palladios

    Der zentrale Herrenplatz mit dem Torre Bissara, welcher 1174 als eine Art Wehrturm begonnen wurde. Heute klingen von dort die Kirchenglocken neben der Basilika, die aber keine Kirche ist.

    Wie im benachbarten Venedig gibt es den Markus-Löwen und hier noch eine Christus-Statue auf den zwei Säulen

    Die Statue Palladios mit einem Wiederaufbau (?) im Hintergrund, jedenfalls mit Plastik-Kippfenstern

    Palazzos und einfache Bauten wechseln sich ab in den Straßen Vicenzas

    Der Dom ist interessant in der Hinsicht, dass die Chorapsis und Front wesentlich größer als das eigentliche Kirchenschiff gebaut wurden.

    Schöne italienische Musterung der Fassade, aber der Dom war leider geschlossen, da die Siesta wohl auch in Norditalien gilt.