Ist Architektur Geschmackssache?

  • Zitat

    „Die Stadtplanung ist gespalten zwischen Musealisierung der Stadt und Wunsch nach Integration zeitgenössischer Bauten“

    Zitat

    Mit der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe können Geschmacksurteile bekräftigt werden. „Wenn ein Befragter über ein hohes Bildungsniveau verfügt, dann ist dessen Offenheit für zeitgenössische Architektur wahrscheinlich“

    Zitat

    Wer kulturell sehr interessiert ist, ist auch der zeitgenössischen Architektur gegenüber aufgeschlossener. So präferieren die Modernen stärker Kultur- und Informationssender, während die Gruppe der Traditionellen Unterhaltungsprogramme liebt, so das Studienergebnis.

    Zitat

    Bei den Traditionellen spielte die Bild-Zeitung eine wichtige Rolle.

    Zitat

    Durch umfangreiche Informationen über die Bauprojekte lasse sich das Urteil der Dresdner beeinflussen. Pötzsch setzt sich dafür ein, dass die Stadt künftig stärker auf den Sachverstand der Fachleute vertrauen soll.

    Quelle: http://www.sz-online.de/nachrichten/is…s=true#Comments

  • Hm, ich habe einen Hochschulabschluss, bin kulturell sehr interessiert, mag Kultur- und Informationssender, habe noch nie die BILD-Zeitung gelesen und finde "zeitgenössische Architektur" größtenteils grauenhaft. Also allgemeingültig kann das kaum sein, was die da herausgefunden haben wollen.

    Wobei es ja schon irgendwie so sein muss, dass man während des Architekturstudiums "gehirngewaschen" wird, denn eine große Mehrheit der Bevölkerung mag historische Altstädte, eine nicht viel kleinere Mehrheit mag diese sich nicht integrierenden Würfelkästen überhaupt nicht, und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass von denen (also den jüngeren) niemand später Architektur studiert. Aber unter den Architekten gibt es kaum jemanden, der Betonwürfel nicht ganz toll findet... irgendwas muss also im Studium passieren.

    Da mich diese ganze Verschandelung unserer Städte wirklich sehr belastet, und ich es unglaublich schade finde, dass man von wenigen Ausnahmen abgesehen nicht daran arbeitet, unsere früher so wunderschönen Städte wieder ein bisschen mehr dem anzunähern, was einmal gewesen ist -- sei es durch Rekonstruktionen, sei es durch schöne neue Gebäude --, und es mich auch sehr frustriert, dass ich daran nicht wirklich etwas ändern kann, denke ich immer, vielleicht sollte ich auch noch mal nebenher Architektur studieren. Davon werden zwar die Städte auch nicht schöner, aber ich bin dann vielleicht zufriedener, wenn ich wieder so einen Betonwürfel mitten in der Altstadt stehen sehe und mir denke: "Wie schön sich dieser Kasten gerade durch den völligen Kontrast in die historische Bebauung einpasst" oder ähnlichen Schwachsinn, wobei mir das dann ja vermutlich nicht mehr schwachsinnig erschiene. :augenrollengruen:

  • Hm, ich habe einen Hochschulabschluss, bin kulturell sehr interessiert, mag Kultur- und Informationssender, habe noch nie die BILD-Zeitung gelesen und finde "zeitgenössische Architektur" größtenteils grauenhaft. Also allgemeingültig kann das kaum sein, was die da herausgefunden haben wollen.

    Man muss allerdings an dieser Stelle schon zugeben, dass Einzelfälle eine Statistik weder bestätigen noch widerlegen können. Wenn Studien herausgefunden haben, dass das Rauchen ungesund ist und im Durchschnitt zu einem früheren Tod führt, dann ist dein 98 Jahre alter kettenrauchender Nachbar kein Gegenargument. Denn die Statistik kennt auch immer eine Minderheit, auf die das Festgestellte eben nicht zutrifft.

    Widerlegbar wäre die Studie also nicht mit Einzelbeispielen, sondern höchstens dadurch, dass der Nachweis erbracht werden kann, dass bei ihrer Erstellung unsauber gearbeitet wurde oder dass andere gewichtige Faktoren gar nicht berücksichtigt wurden.

  • Wiedermal so ein Artikel der suggeriert, guter Geschmack und kultureller Zugang hänge von Bildung ab. Es ist doch vielmehr so daß viele Intellektuelle insbesondere von den Feuilletons und Bildungsinstitutionen beeinflusst werden, in denen vorrangig die Moderne postuliert wird, und deren Auffassung dann bereitwillig übernehmen und als eigene Überzeugung verinnerlichen. Unsere "geistige Elite" schwimmt auch nur mit dem Strom. Der normale Durchschnittsbürger ist von solcher ideologischen Einflussnahme weitgehend befreit und daher eher für traditionelle Architektur empfänglich, er erkennt die leeren Versprechungen der Moderne noch ganz instinktiv.
    Ich bin auch studiert und liebe die klassische Architektur, das bedeutet nicht daß ich die Moderne rundherum ablehne, ich sehe nur ihre heutige Omnipräsenz und Anmaßung kritisch.

    In dubio pro reko

    6 Mal editiert, zuletzt von reklov2708 (6. September 2014 um 08:04)

  • Zitat

    Widerlegbar wäre die Studie also nicht mit Einzelbeispielen, sondern höchstens dadurch, dass der Nachweis erbracht werden kann, dass bei ihrer Erstellung unsauber gearbeitet wurde oder dass andere gewichtige Faktoren gar nicht berücksichtigt wurden.


    Angesichts von "sieben Umfragen mit jeweils mehreren hundert Befragten" (wie wurden diese ausgewählt?) kommen wir maximal auf ein halbes Prozent der Dresdner Bevölkerung, das hier befragt wurde...

    Zitat

    Bei den Traditionellen spielte die Bild-Zeitung eine wichtige Rolle.


    Offensichtlich scheint die Bild-Zeitung dann auch in Belgien und den Niederlanden sehr populär zu sein, denn wie wären sonst Wiederaufbauprojekte wie Leuven, Ieper, Middelburg und Co. möglich gewesen? Na ja, die SZ halt... ich kann es heute gar nicht mehr glauben, daß ich diese Zeitung mal 15 Jahre lang abonniert hatte.

  • Angesichts von "sieben Umfragen mit jeweils mehreren hundert Befragten" (wie wurden diese ausgewählt?) kommen wir maximal auf ein halbes Prozent der Dresdner Bevölkerung, das hier befragt wurde...

    Bei Wahlprognosen sind es 1000 Personen die befragt werden und die Ergebnisse sind doch recht genau. Ebenso spiegelt sich das in der Realität ab:
    - Wer besucht z.B. Kassel wegen seiner Innenstadt und den Gebäuden die nach 1945 erstellt wurden ? => Niemand!
    - Wer besucht z.B. Göttingen wegen seiner Innenstadt und den Gebäuden die vor 1945 erstellt wurden ? => Sehr viele!

    Auch das Gebäude in deinem Avatar dürften so 80-90% der Bevölkerung in Deutschland als hässlich empfinden. Auch deswegen, weil es ein egoistisch gestalteter Solitär ist, der sich in keinster Weise in seiner Umgebung einfügt (Was eines der Hauptprobleme von Neubauten ist).

  • Bei Wahlprognosen sind es 1000 Personen die befragt werden und die Ergebnisse sind doch recht genau. Ebenso spiegelt sich das in der Realität ab:

    Richtig. Wenn die befragte Gruppe so zusammengesetzt ist, dass sie repräsentativ für Deutschland ist, dann ist das Umfrageergebnis in der Regel auch repräsentativ. Man kann es nicht wegdiskutieren mit dem Argument "befragte Gruppe ist zu klein", weil einem das Ergebnis nicht passt.

    Man kann sich allerdings versuchen, den exakten Wortlaut der Fragestellungen er ermitteln, und wird hierbei manchmal feststellen, dass dieser dann vielleicht schon manipulativ war. Ebenso gibt es bestimmte Themen, bei denen in Umfragen die Befragten nicht gerne die Wahrheit sagen und bewusst gemachte falsche Aussagen das Bild verzerren.

    Man kann natürlich auch die Schlussfolgerungen kritisch betrachten, die aus so einer Umfrage gezogen werden und eventuell Logikfehler feststellen. Sind die "Gebildeten" vielleicht deshalb der modernen Architektur mehr zugetan, weil in Deutschland Bildung im Bereich des Architektur typischerweise die Moderne zum Schwerpunkt macht und wichtige Aspekte traditioneller Architektur gar nicht vermittelt werden? Sprich: Wirken Fachzeitschriften, Seminare usw. auf die Gebildeten manipulierend, weil sie Dinge einseitig darstellen? Dann wäre das Umfrageergebnis ja auch nicht weiter überraschend.

    Natürlich müsste hier auch die Frage gestellt werden, ob bei der vorliegenden Umfrage die Gruppe der Befragten überhaupt repräsentativ zusammengesetzt war.

  • Richtig, die tatsächliche Art der Fragestellung wäre interessant. Manipulierende Suggestivfragen in einer empirischen Umfrage als Bestandteil einer wissenschaftlichen Arbeit sind unredlich.

  • Richtig, die tatsächliche Art der Fragestellung wäre interessant. Manipulierende Suggestivfragen in einer empirischen Umfrage als Bestandteil einer wissenschaftlichen Arbeit sind unredlich.

    Und trotzdem leider häufig der Standard.

    Wir haben ja auch durchaus hin und wieder in Deutschland die bizarre Situation, dass zwei renommierte Institute in ungefähr demselben Zeitraum Studien zum selben Thema erstellt haben und trotzdem zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen.

    Gerade in den Sozialwissenschaften beeinflusst wohl die Einstellung und Erwartungshaltung der beteiligten Wissenschaftler die Ergebnisse oft ungemein.

  • Es ist doch nicht notwendig, Argumente zu finden, dass die Aussagen dieser Umfrage nicht der Wahrheit entsprechen können. Sie sagt ja nicht aus, dass alle Intellektuellen moderne Architektur bevorzugen und die, die weniger Bildung genießen durften, ausschließlich angepasste Gebäude mögen. Daraus kann man doch bloß allgemeine Tendenzen herauslesen.

    Abgesehen davon stellt sicher für die überwiegende Mehrheit Architektur ein Thema dar, das sie nur peripher interessiert. Fast alle Befragten haben sich noch nie intensiver mit Architektur beschäftigt und können aufgrund dieser mangelnden Erfahrung ein Gebäude doch fast nur subjektiv bewerten, das gilt auch für die Gebildeteren. Das soll jetzt keineswegs böse klingen, aber wenn man sich auf dem Gebiet besser auskennt, hat man doch einfach einen anderen Blick und kann die Vor- und Nachteile eines Hauses - sowohl gestalterischer als auch praktischer Art - um Einiges besser abschätzen. Viele der Nicht-Architektur-Kenner machen sich dann halt keine genaueren Gedanken darüber und sagen halt das, was die anderen Menschen auch sagen. Klar, das der Überwiegende Teil der Menschen aus den weniger gebildeten Schichten einfach der traditionellen Architektur mehr zugewandt sind, während bei den Kulturinteressierteren modernen Gebäuden mehr Wertschätzung entgegengebracht wird. Die Wenigsten werden sich genauere Gedanken machen, ob es sich bei einem Betonklotz eben nur um einen einfallslosen Betonklotz handelt, oder ob er, wie ja die anderen sagen, eine Offenbarung ist oder ob es sich beim benachbarten historisierenden Einfamilienhaus mit Mansarddach und Ikealöwen in der Einfahrt um ein auf den ersten Blick ganz ja eh ganz schönes Haus oder um eine am falschen Ort stehende Persiflage eines französischen Gründerzeithauses handelt.

    Und ganz allgemein: Ob ein Gebäude gut ist, hängt sowieso nicht vom Baustil, sondern von der Qualität ab.

  • Man muss diese in Neusprech gehaltenen Aussagen nur richtig lesen, um zu merken, dass sie unzweifelhaft richtig sind. Nämlich wirklich unzweifelhaft.

    Zitat

    Wenn ein Befragter über ein hohes Bildungsniveau verfügt, dann ist dessen Offenheit für zeitgenössische Architektur wahrscheinlich“

    Hohes Bildungsniveau= erfolgreich erfahrene Indoktrinierung durch Mainstreammedien, die u.a. für Offenheit für zeitgenössische Architektur plädieren
    Offenheit= bedinungslose Zustimmung, aber das ist gar nicht mehr nötig, da die Tautologie dieses Satzes bereits evident geworden ist.
    Allerdings ist die richtige Übersetzung von "Offenheit" dennoch wichtig, denn bisher wäre die Geschichte nicht so übel.
    Lerne offen zu sein, damit du offen bist - ist zwar albern, aber noch nicht zwingend manipulativ.
    Das Wort "Offenheit" zählt du den typisch heimtückischen Begriffsbildungen des Polit-Quacksprechs. Es suggeriert so etwas wie Neutralität und Objektivität, meint aber schlussendlich das genaue Gegenteil. Darin liegt eine starke Wirkung: Zeitgenössische Architektur ist objektiv schön. Wer dafür offen ist, findet sie gut und richtig. Nur ein Dummkopf kann das nicht verstehen.

    So sollte man ebenfalls mit dem Restdes zitierten Textes ins Gericht gehen.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.


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    Ich hätte die misslungenen Zitate ja repariert, aber ich blicke überhaupt nicht durch, was hier was ist.

    Danke für den Hinweis. Ich hoffe, ich habe durch Hinzufügungen und kleine Umstellungen meinen Text verständlicher gemacht.

  • Unabhängig von mehr oder weniger neutralen Untersuchungen ist Architektur sicherlich Geschmackssache, wie alles künstlerische Schaffen, was über bloßes Zweckdesign hinausgeht. Man kann sich auch darüber streiten, ob die zahllosen Schlichtbauten der Wiederaufbauzeit Architektur darstellen, oder ob das unter Funktionsbauten einzuordnen ist, ähnlich wie Gewerbebauten. Diese Frage kann man auch an die heutigen Bauten stellen, die auch etwas böse als "Würfelhusten" bezeichnet werden. In vielen Fällen täte ich mich schwer, diesen Bauten eine künstlerische Schöpfungshöhe zuzugestehen. Nicht alles, was ein Architekt zeichnet und baut, muss Architektur sein.

    Was die Architektenausbildung angeht, so ist dort im Allgemeinen die klassische Moderne und die Nachkriegsmoderne das Maß der Dinge, alles andere kommt nur in Baugeschichte vor. Das hat seinen Grund in Deutschland auch darin, dass viele Architekten und Architekturlehrer nach dem Krieg nicht mit dem Nazi-Regime in Verbindung gebracht werden wollten. Damit verbunden war auch eine Abkehr (zumindest in der Lehre) von Stilausprägungen, die damit in Verbindung gebracht werden konnten, wie etwa der Heimatstil (siehe Paul Schultze-Naumburg). Und da die Nazis die klassische Moderne verabscheut haben, war das natürlich ideal geeignet, um sich davon abzugrenzen. Die heutige Bedeutung der klassischen Moderne ist angesichts der relativ wenigen tatsächlich entstandenen Bauten sehr viel größer als man annehmen sollte.

    Andere Gründe für den vielen gebauten Murks sind auch die Investorenwünsche nach minimalen Kosten bei maximaler Grundstücksnutzung, und die unsägliche EnEV, die gestalterische Absichten sehr erschwert. Zudem ist es ja erklärtes Ziel aller Politiker, die Bürokratie zu minimieren, weswegen Gestaltungsvorgaben als Gängelung betrachtet werden und gar nicht erst angestrebt werden.

  • Es geht im Grunde genommen darum zu einem "undemokratischen" Urteil zu kommen und eine bestimmte Elitensicht zu promoten. Daher weist man zunächst nach, dass die entsprechenden Gegner dumm seien oder an Geschmacksverirrung leiden und daher nicht zu konsultieren seien in ästhetischen Fragen. Dabei ist der Elitengeschmack freilich auch nur eine Art Konsens und oft ästhetisch langweilig.

    Traditionell vs. modern ist ja gar nicht ein wichtiger gestalterischer Punkt. Auch der moderne Solitär braucht das Fundament einer langweilig gebauten Umgebung, aus der er herausragen kann. Viel wichtiger ist der besondere Zuschnitt des Ortes.

    Findet ihr den Raum um das Kulturforum / Staatsbibliothek / Philharmonie / Mendelson-Park in Berlin sonderlich gestalterisch gelungen? Ich finde die Bauwerke da sehr faszinierend, vor allem die Nationalgallerie. Aber das räumliche Umfeld stimmt einfach nicht. Schwer zu definieren, wieso. Das Umfeld hat den Charme eines Gewerbegebietes, tolle Kunsthallen und Kulturbauten räumlich in einem Umfeld wie ein Baumarkt. Irgendwie hätte ich da gerne noch einen Wolkenkratzer, in dem Menschen leben, dazwischen. Abends ist da alles tot die Maus. Ich habe mich heute gefreut, dass es da jetzt eine Currywurstbude gibt. Man glaubt gar nicht wie belebend so ein Element sein kann. Das sind die viel wichtigeren Irritationen, die Architektur / öffentliche Räume annehmbar machen.

    Architektur für die Menschen statt gegen die Menschen. Modern oder traditionell sind dabei die falschen Kategorien.

    3 Mal editiert, zuletzt von Agon (8. September 2014 um 17:20)

  • Um mal generell das Thema aufzugreifen:
    Es wird immer wieder kritisiert, dass DDR-Bauten abgerissen werden sollten nur weil sie DDR Bauten sind.

    Aber weswegen sollten diese denn besonderen Schutz bekommen? Nehmen wir mal an, ein solches Ensemble wie um den Fernsehturm in Berlin herum (z.B. Rathauspassagen) würde in einer anderen Stadt (z.B. Hannover, Hamburg, Bremen, Frankfurt, Stuttgart, München, etc... stehen ... würde jemals irgendjemand auf die Idee kommen, dass solche Bausünden (Wie es die in den 60er und 70ern überall in deutschen Städten gab) unbedingt erhalten werden müssten ???

  • Um mal generell das Thema aufzugreifen:
    Es wird immer wieder kritisiert, dass DDR-Bauten abgerissen werden sollten nur weil sie DDR Bauten sind.

    Aber weswegen sollten diese denn besonderen Schutz bekommen? Nehmen wir mal an, ein solches Ensemble wie um den Fernsehturm in Berlin herum (z.B. Rathauspassagen) würde in einer anderen Stadt (z.B. Hannover, Hamburg, Bremen, Frankfurt, Stuttgart, München, etc... stehen ... würde jemals irgendjemand auf die Idee kommen, dass solche Bausünden (Wie es die in den 60er und 70ern überall in deutschen Städten gab) unbedingt erhalten werden müssten ???

    Beim Berliner Fernsehturm würde ich nicht unbedingt und pauschal von Bausünde reden, wohl aber von den anderen mehr oder minder 08/15-Bauten in dessen Umfeld. Der Fernsehturm - obwohl er sich auf nichts bezieht - hat allerdings eine ganz klare Formensprache und das war seinerzeit die unverblümte Botschaft "Wir, also die RGW-Staaten, waren die Ersten da oben". Der Fernsehturm hat es geschafft, nicht nur dem Funkturm, sondern auch anderen zeichengebenden Bauten in Berlin den Rang abzulaufen, insofern würde ich ihn da immer stehenlassen. Das Stadtschloss hat ja sein Wirkungsfeld eindeutig mehr nach Westen, also zu den Linden hin, dann nach Norden hin zum Lustgarten, dann nach Süden hin und als Allerletztes nach Osten. Das - und nicht nur die heute dort vorfindbare Bebauung - war wohl auch der Grund, weshalb der Protest gegen die modernistische Fassade sich in Grenzen hielt.

    Der Unterschied zwischen Berlin und Potsdam liegt auf der Hand:
    Die Beziehung zwischen Schloss und Lustgarten ist in Berlin eher gegeben, trotz Fernsehturm auf der um 90° gedrehten Seite.
    In Potsdam steht das Interhotel, heute Hotel Mercure genau zwischen dem Landtagsschloss und dem Lustgarten und ist im Vergleich zum Fernsehturm Dutzendware, also in keinster Weise zeichengebend. Die Schönheit und die Markanz eines Gebäudes darf nicht verwechselt werden mit den ggf. schönen Erfahrungen, die Menschen auch in recht anspruchslosen Gebäuden sammeln können. Das zur gegenwärtigen Debatte in Potsdam.

  • Es ist doch das selbe wie mit den modernen Kunstwerken, an sich mag die kaum jemand wirklich, jedoch wird propagiert es sei nur einer gebildeten Oberschicht zugänglich. Besucht man dann allerdings eine solche Vernissage, stellt man fest daß sich die ach so gebildeten am meisten sich für sich selbst interessieren.

  • Dass die sogenannte gebildete Elite modernistisch hirngewaschen ist, die Mehrheit der Deutschen aber noch über ein gesundes ästhetisches Bewusstsein verfügt (früher als "gesundes Volksempfinden" bezeichnet), wird jedem offenkundig, der die nicht von Architekten verbrochenen Neubauten betrachtet, die unsere Stadtzentren verschandeln, sondern sich in die Randzonen der Städte begibt, in all die wunderbaren, traditionell nach alter Handwerkskunst, ortstypisch und beseelt gebauten Wohngebiete, in denen die Menschen noch für sich selber ein Haus bauen. Dort, zeigt sich sofort, wo der Papa Maurer ist und der Bruder Zimmermann, der Cousin Betonbauer und der Schwager Gärtner und alle gemeinsam schaffen, also unter den potentiellen Bild-Lesern, dort ist bauliches Gestaltempfinden noch lebendig und unverdorben. Oder???

  • Was nicht passt, wird passend gemacht: um den Kleinen schon in frühester Zeit ihr natürliches Geschmacksempfinden auszutreiben, nimmt sich die Wissenschaft dem Thema an, nicht das es in Zukunft zu wirklichen Massenbewegungen à la Neumarkt + [lexicon='Frauenkirche Dresden'][/lexicon], [lexicon='Berliner Schloss'][/lexicon], Potsdam, Frankfurt etc kommt:

    Zitat von Welt.de

    Kann man lernen, einen Betonklotz zu lieben?

    Im Alltag haben wir oft keinen Blick für die Häuser, die uns umgeben. Das will ein Uni-Team in Berlin ändern. Und hat erforscht, wie Kinder Architektur wahrnehmen. Die Ergebnisse überraschen.

    [...]

    "Sieh dir ein Haus solange an, bis du es schön findest"
    [...]

    http://www.welt.de/kultur/kunst-u…-zu-lieben.html