Am Freitag fand das vermutlich letzte Ludwigsstraßen-Forum im Akademiesaal des Schlosses statt (dort, wo man vor 210 Jahren sowohl Schinderhannes als auch seinen Spießgesellen "herrliche Neuigkeiten" verkündete (Kopf ab). Dort flogen am Freitag regelrecht die Fetzen - unser OB war jedenfalls aufgrund dem Umstand, daß einige Redeteilnehmer unverkennbar Tacheles mit ihm geredet haben, merklich getroffen. Ob jemals noch einmal ein weiteres Lu-Forum stattfinden wird, erscheint schwer vorstellbar.
Die Diskrepanz der verschiedenen Ansichten läßt sich wohl sicher sehr gut auch in der Zusammenfassung des Abends darstellen, die den Mitgliedern der BI gestern zugesandt wurde, und die in Folge hier auch zu lesen ist.
Liebe Mitglieder der Bürgerinitiative Mainzer Ludwigsstraße, liebe Freundinnen, liebe Freunde und Unterstützer,
das 8. Ludwigsstraßenforum ist vorbei. Obwohl die Stadt praktisch keine Werbung gemacht hat, war der Besuch überwältigend. Das ist sicherlich z.T. unserer Plakatwerbung in der City für die Veranstaltung der Stadt, unseren Handzetteln und den von uns bei den Zeitungen erbetenen Hinweisen auf das LuFo zuzuschreiben. Eine große Rolle dürfte aber auch die kontroverse öffentliche Diskussion der letzten Tage und insbesondere die Stellungnahmen aus dem Einzelhandel und von Seiten der Architekten gespielt haben.
Die Pläne von ECE liegen noch auf dem Tisch. Die bekannte vehemente Unterstützung für die Mall durch OB Ebling, die Dezernentin für Bauen, Denkmalplege und Kultur, Marianne Grosse und unseren abwesenden Wirtschaftsdezernenten konnte durch die vielen Einwände und die laut hörbare Enttäuschung über die Leistungen der Verhandlungsführer und ihre Eigenmächtigkeiten erwartungsgemäß nicht erschüttert werden. Jetzt soll es – wie es scheint – mit dem Kopf durch die Wand gehen, alles oder nichts.
Ausgerechnet bei der Präsentation der Endergebnisse auf dem 8. LuFo im Anschluss an die Gespräche zwischen Verwaltung und ECE erhalten die Architekten, die Einzelhändler, die Verbände und die BI keine Möglichkeit zu einer eigenen Stellungnahme auf dem Podium. Die sattsam bekannten plakativen Einschätzungen des OB und der Beigeordneten Grosse sowie eine wolkige Präsentation von ECE - frontal - das war‘s.
ECE erdreistete sich dabei, statt der vorhandenen verräterischen Darstellung von Gebäudeschnitten und der Aufteilung der vier Geschosse, ein schönes buntes Bild eines kleinen Einkaufszentrums eines Konkurrenzunternehmens in die eigene Projektdarstellung einzubinden. Wir haben dennoch nicht auf Visualisierungen verzichtet und uns mit einer Pinnwand beholfen, am Rande des großen Saals, dort wo sonst der Katzentisch steht. Jedenfalls wurden wir nicht verjagt und dürften doch einige Besucher erreicht haben.
Wie geht es weiter?
Vor der geplanten Stadtratsentscheidung am 4. Dezember soll am kommenden Mittwoch, dem 27. 11. um 17 Uhr (Ratssaal) im zweiten Teil der gemeinsamen Sitzung der Ausschüsse und des OBR Altstadt vom letzten Dienstag öffentlich über die Beschlussvorlage für den Stadtrat zu ECE beraten und entschieden werden. Die Dokumente zur Beschlussvorlage, darunter auch das städtebauliche Konzept von ECE mit den Gebäudeschnitten und Geschossdarstellungen, ist hier zu finden: http://online.mainz.de/bi/vo0050.php?…8&voselect=1972
Schon zum LuFo hatten Vertreter der Einzelhändler innerhalb von zwei Tagen bei Kollegen um die zweihundert von Unterschriften gegen die ECE-Pläne gesammelt. Weitere Schritte der Einzelhändler sind noch vor der Stadtratssitzung geplant. Zunächst findet am Dienstag, den 26. um 19 Uhr in der Johanniskirche eine Veranstaltung zum Thema Einzelhandel statt:
Verhandlungspoker um die Ludwigsstraße, ECE – Erfolg für unsere Stadt? Podiumsdiskussion des Einzelhandelsverbandes und der Altstadt-SPD (s. Anhang).
Ebenfalls im Anhang: Unsere grundsätzliche Stellungnahme, die wir zum Beginn des LuFos am Saalmikrofon abgegeben haben. Die Stellungnahmen gehen in die Dokumentation des LuForums 8 ein. Daher ist es unbedingt sinnvoll, sich auch jetzt noch zu einem zumindest kurzen schriftlichen Beitrag aufzuraffen und ihn an das Stadtplanungsamt zu schicken! (E-Mail und Postanschrift: http://www.mainz.de/WGAPublisher/o…tadtplanungsamt)
Soweit für heute, mit vielen Grüßen
- für den Koordinierungskreis der BI Ludwigsstraße –
Hartwig Daniels
Stellungnahme Hartwig Daniels für die BI Mainzer Ludwigsstraße auf dem LuForum 8 am 22.11.2013. Einschätzung der Ergebnisse Im Oktober letzten Jahres hat der Stadtrat fast einstimmig eine Grundlage für die Änderungen im Baurecht für das Karstadt-Areal und angrenzende Flächen geschaffen. Die Leitlinien. Auslöser war das Begehren des Eigentümers der Karstadt- Immobilie,an diesem Standort neu bauen zu wollen. Er will zudem seine Liegenschaft um Nachbargrundstücke erweitern. Als Ergebnis eines erweiterten Bürgerbeteiligungsverfahrens kam es zu einem Konsens zwischen Rat, Bürgern und Verbänden. Sie alle hatten sich zu Kompromissen bereitgefunden, um die Leitlinien auf den Weg zu bringen. Die Leitlinien sind bis heute Grundlage des Bauleitverfahrens. Die Verwaltung wurde vom Rat beauftragt, mit dem Investor über die Umsetzung der in den zentralen Punkten nicht verhandelbaren Leitlinien zu sprechen.
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Die Verhandlungsführer haben nach einem halben Jahr im Juni ein eigenständiges Papier als Zwischenergebnis vorgestellt. Es ist ohne Information der Gremien oder des Rats in Zusammenarbeit mit der Firma ECE ent- standen.Nach weiteren sechs Monaten werden diese ‚Eckpunkte‘ mit ihren Anlagen unverändert als Endergebnis präsentiert. Die vielfachen Einwendungen aus den Ratsfraktionen, aus der Bürgerschaft und die breite öffentliche Diskussion fanden keine Berücksichtigung. Die Verwaltung sagt uns, dass 90% der Leitlinien mit den ‚Eckpunkten‘ erfüllt sind. Dies ist mitnichten der Fall. Eine Gewichtungder Leitlinien und der sehr unterschiedlichen Planungsziele ergibt sich aus der Präambel der Leitlinien. Dort heißt es: „Es soll eine urbane Mischnutzung von Einkaufen, Wohnen, Dienstleistungen, Sozialem und Kultur entwickelt werden...“
Dieser Grundsatz wurde von der Verwaltung wohlweislich in der aktuellen Beschlussvorlage ohne Rücksprache mit dem Rat entfernt. Durch sog. ‚textliche Korrekturen‘ werden Ratsbeschlüsse durch die Verwaltung in ihr Gegenteil verkehrt, verfälscht oder durch neue Zielsetzungen erweitert. Vor allem die nicht verhandelbaren Leitliniensind Opfer dieser Eigenmächtigkeit geworden, die den Bau einer konventionellen, introvertierten und autonomen Shopping-Mall verhindern.
Das ist Nichtachtung des Stadtrats und der Bürgerschaft. Die Menschen können lesen. Die Verwaltung maßt sich das Recht an, politische und baurechtliche Entscheidungen zu einem der wichtigsten Projekte der Stadtentwicklung nach dem Kriege am Rat vorbei, ja sogar gegen dessen ausdrückliche Direktiven, zu treffen.
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Die Verhandlungsführer waren offenkundig der durch viele ähnliche Projekte erfahreneren Firma ECE nicht gewachsen. ECE hat sich mit seinen Vorstellungen durchgesetzt. Kosmetik sollte niemanden beirren.Da half nicht einmaldieausgeprägte Verhandlungsmacht der Verwaltung: Ein demokratischer Beschluss, der 97% der Wähler repräsentiert, unterstützt durch einen bürgerschaftlichen Konsens aufgrund des aufwendigen Beteiligungsverfahrens, zwei Gutachten, das Unterpfand von zwei städtischen Grundstücken mit 1.000 qm, die Verfügung über das Baurecht –selbst gegen diese Macht konnte sich ECE durchsetzen.