1 Die St. Prokolus Kirche in Naturns, unweit westlich von Meran am Rand des Vinschgau ist schon als Bauwerk interessant genug. Sie wurde ca. 630/650 erbaut, um 1400 wurde das Langhaus erhöht, Kirchturm mit Helm stammen aus romanischer Zeit um 1170. Wir waren im September 2012 vor Ort.
2 Hier schauen wir in Richtung Süden zur Kirche, im Hintergrund sehen wir Ausläufer des Ortler.
3 Der Clou des Gebäudes sind allerdings die innen enthaltenen Fresken, die ältesten werden um 800 entstanden sein und stellen somit die ältesten Fresken des deutschen Sprachraumes dar. Hier schauen wir zum Altarraum im östlichen Teil der Kirche.
4 Südostecke der Kirche. Der Stilbruch oberhalb des durchgehenden Bandes fällt auf. Der obere Teil ist gotisch und wurde nach der Erhöhung des Langhauses zugefügt, der untere Teil ist vorkarolingisch.
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6 Ich wurde vor Ort Zeuge einer Führung durch einen enorm kundigen Herrn, der ausführte, das der hier gezeigte Bereich kreuz und quer mit Symbolik durchzogen ist, die verschiedenen Bänder oder die Engel unter dem Bogen sowie am Rand hatten eine gewaltige Bedeutung und der Bruch der Bänder durch die erhobene Hand im Kreis war etwas ganz besonderes. Der Dumont Kunstreiseführer vermutet hier einen keltisch-irischen, deutlich nordischen, Stil der Darstellung, der durch irische Mönche über St. Gallen in diese entlegene Ecke gelangt sein könnte. Ich meine, in einem Bericht über die Klosterbibliothek in St. Gallen auch einmal alte irische Darstellungen gesehen zu haben, die den hier gezeigten durchaus ähnelten. Der Beitrag eines Siegfried Beyschlag aus Erlangen („Die Wandgemälde von St. Prokukus in Naturns“) beschäftigt sich mit der Datierung der Gemälde ausführlich. Es weist den Einfluss des „Irischen, Langobardischen und neuer antiker Haltung“ aus. Unklar ist auch, wer in Naturns zum Zeitpunkt der Erstellung der Fresken überhaupt gesiedelt hat, hier kommen Baiern, Langobarden, Räter (von „Rätien“) oder Franken in Betracht.
7 Die Darstellungen im unteren Bereich der Kirche wurden wären der Gotik komplett überdeckt, kamen erst 1913 während Restaurierungsarbeiten wieder zum Vorschein und wurden 1923 freigelegt. Diese Darstellungen in den Bildern 7 und 8 wurden erst bei der letzten Restaurierung 1983 wieder sichtbar.
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9 Die Darstellungen im rechten Teil des Bildes (Südwand) wurden minimal überlagernd auf den linken Teil aufgetragen und sind somit etwas jüngeren Datums. Überhaupt wurden die Darstellungen im unteren Bereich der Kirche erkennbar von zwei verschiedenen Künstlern aufgetragen.
10 Die Bilder in der Südwand wurden und werden von Fachleuten besonders intensiv diskutiert. Die Schäden wurden leider beim Auftragen von Putz während der Gotik zugefügt. Die Personen hier scheinen mit Opfergaben einem Altar, bzw. dem Altarraum vor Ort, zuzueilen.
11 Der Star der Darstellungen in Naturns. ist sicher der hier unten in einem wunderbaren Fresko zu sehende „Schaukler“. Wen wir hier sehen, ist nicht hinreichend zu klären und wir können nur spekulieren. Der namensgebende Prokolus bei seiner Flucht aus Verona ist es wohl nicht. Eher wird die Flucht des heiligen Paulus aus Damaskus als Hintergrund genannt. Die Darstellung der umgebenden Personen ist sehr intensiv, Dumont spricht von „ in flächenhaft-zeichnerischer Manier stark stilisiert“ und „durch wenige Striche erreichte Expressivität“. Fast sämtliche Figuren, wie überhaupt die gesamte Darstellung im Kircheninnenraum, bewegen sich zum Altar hin. Auch wenn ich dafür keinen Beleg habe, halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass das Bild der mittleren Figur über dem Schaukler absichtlich so nachhaltig beschädigt wurde, um eine im Nachhinein unbeliebte Person quasi aus der Geschichte zu entfernen.
12 Allein über die Handhaltung des Schauklers ist trefflich fachzusimpeln. Dass perspektivisch korrekte Darstellungen nicht die Stärke mittelalterlicher oder gar antiker Maler waren, ist bekannt. Unser Referent vor Ort vertrat die Ansicht, dass eine dermaßen schlechte Darstellung auch vor 1200 Jahren nicht möglich gewesen sein dürfte. Welcher Sinn konnte die gezeigte Handstellung dann haben? Traut der Schaukler den Personen über ihm nicht oder bahnt sich ein Verrat an?
13 Der Hintergrund dieser gotischen Visualisierung ist hinlänglich bekannt. Hier hat uns der Referent einiges über enthaltene Symbolik erzählt, die ich aber nicht mehr zusammenbekomme.
14 Ich meine, dass hier Judas eine Ratte als Symbol der Verrates zugefügt wird.
15 Die Fresken der Westwand wurden durch den nachträglichen Einbau der Tür im 14 Jh. deutlich beschädigt. Über den Hintergrund der Darstellungen an der Westwand habe ich nicht viel gefunden, außer dass sie darauf hinweisen könnten, dass auf der Nebenseite doch Bischof Prokulus auf Verona (4. Jh.) zu sehen ist, der „als Beschützer des Viehs verehrt wurde“ (Dumont). Das war’s.
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