Dresden - Ortsamtsbereich Blasewitz (Blasewitz, Dobritz, Gruna, Neugruna, Seidnitz, Striesen, Tolkewitz)

  • @Arwed
    Da du Architekt bist, würde ich dich mal gerne fragen (ohne Böse Hintergedanken, o.ä.), wie es zur jetzigen Situation kommt, dass, abgesehen auf wenige Fälle, fast nur weiße Blöcke gebaut werden?
    Gefühlt war die Gestalltung der Gebäude in den 90er Jahren deutlich angenehmer und angepasster als in den letzten 10 Jahren. Ist in den Jahren bei den Auftraggebern der gestallterische Anspruch verloren gegangen? Oder hat sich im Stadtplanungsamt die Belegschaft soweit verändert, dass traditionellere Fassaden keine Genehmigung bekommen?
    Dass eine abstrahierte Fassade günstiger ist alls eine, an die Umgebung angepasste, kann ich mir schon vorstellen. Aber warum wurde dann in den 90ern aufwendiger und teuerer gebaut als jetzt?

  • Newa
    Ich möchte Dir gerne auf Deine Frage antworten. Das ist aber leider nicht so einfach. Zuerst einmal kann ich nach kurzem Überlegen sagen, dass kein einziges Gebäude an dem ich mitgearbeitet habe (seit 2000) weiß war. Es gab Häuser mit rotem Sandstein, sandgelbem Beton, grauem Eternit, Zedernholzlamellen, Ziegeln usw. - aber keines davon war weiß. Allerdings war auch kein Wohnhaus dabei.
    Soweit ich das sehe, gab es in den 90ern noch ein paar Nachwehen der Postmoderne aus den 80ern. Damit war es dann spätestens mit dem neuen Jahrzehnt vorbei. Qualitativ sehe ich zwischen dem Investorenmüll im Büro- und Wohnungsbau von damals und heute keinen Unterschied. Ich mache den architektonischen Wert eines Gebäudes auch definitiv nicht an seiner Dachform fest.

  • Soweit ich das sehe, gab es in den 90ern noch ein paar Nachwehen der Postmoderne aus den 80ern. Damit war es dann spätestens mit dem neuen Jahrzehnt vorbei.

    Soweit ich das einschätzen kann, wurde in den 90'ern zumindest im Falle der alten Dorfkerne, der berühmte Paragraph 34 weitaus strenger ausgelegt, als das heute der Fall ist. Zumindest kann ich mich - rein subjektiv - noch an diverse Auseinandersetzungen bezüglich Dachform, Gebäudehöhe, Materialien und nicht zuletzt der Zulässigkeit von Balkonen entsinnen.
    Schaut man sich hingegen Neubauten jüngeren Datums in Altstrehlen oder -Löbtau an, so scheint man von dieser recht strengen Auslegung des Paragraphs 34 mittlerweile abgerückt zu sein. Über die Gründe sowie das Für und Wider wird man sich trefflich streiten können.

    Qualitativ sehe ich zwischen dem Investorenmüll im Büro- und Wohnungsbau von damals und heute keinen Unterschied.

    Richtig!
    Jedoch sehe ich viele, gern als Investorenmüll abqualifizierte Bauten gerade im Zentrum, als angenehm zeitlose Stadtbausteine an, deren scheinbare stilistische Unentschlossenheit jeweils einen guten Beitrag zur gewünschten Reurbanisierung geleistet hat. Hierzu zähle ich etwa die Neubauten in der nördlichen Prager Straße oder im Bereich des westlichen Postplatzes. Schaut man heute etwa in die Theaterstraße, kann man bereits wieder einen Hauch alter europäischer Städtebautradition verspüren, an dem man problemlos weiterbauen kann und wird (Hertha-Lindner-Straße).

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Qualitativ sehe ich zwischen dem Investorenmüll im Büro- und Wohnungsbau von damals und heute keinen Unterschied. Ich mache den architektonischen Wert eines Gebäudes auch definitiv nicht an seiner Dachform fest.

    Dass in den 90ern einfühlsamer gebaut wurde, würde ich an folgenden Beispielen festmachen. Leider sehen in den letzten 10 Jahren gefühlt die meisten Neubauten so oder ähnlich aus. Gerade auf dem letzten der 3 Bilder ist auch ein Neubau der 90er drauf, der sich, im vergleich zum neueren Neubau, vorbildlich in den Straßenraum einfügt. Daher frage ich mich, wie das Verständnis einer sich in die Umgebung anpassenden Architektur so schnell verändern (umkehren) kann?

  • Wenn es um die Qualität von Architektur und nicht um das „sich einfügen“ geht, muss man einfach sagen, dass der von dir gezeigte Bau schlichtweg Schrott ist. Folglich muss man darüber diskutieren, was man denn bitte möchte: Anpassung um jeden Preis oder gute Architektur (und damit möchte ich nicht sagen, dass der Knerer-Bau von herausragender Qualität wäre)?

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • In den DNN befand sich ein interessanter Artikel, der sich mit dem Denkmalschutzgebiet Blasewitz sowie dort vorgekommenen Abrissen beschäftigte.

    Hier ein Link:

    http://www.dnn-online.de/dresden/web/re…witz-1905527375

    Die Vorher-Nachher-Vergleiche sind leider allesamt niederschmetternd!

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Herzlichen Dank für den Link!

    Leider scheinen die bei Dresden-Fernsehen nie zu kapieren, dass diese Gegend zu Gruna gehört. Hat wohl keinen solch zugkräftigen Namen wie Striesen?!

    Jedenfalls muss ich da mal hingehen und einige Fotos machen.

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Die Villa hat wirklich schön ausgesehen! Im Prinzip ist schon richtig entscheiden worden, dass er die Villa wieder aufbauen muss. Wo kämen wir hin, wenn jeder sein Denkmal abreißt, wenn es einem danach ist. Ich kann nur hoffen, dass das auch das Gericht so sieht! Das Problem ist halt nur, dass der Eigentümer vermutlich schwer dazu gezwungen werden kann, wenn er zB kein Geld dafür hat und ich befürchte, dass es darauf herauslaufen wird. Die Stadt müsste sich mit den Wiederaufbaukosten ins Grundbuch setzen und als Ersatzvornahme den Wiederaufbau selbst durchführen. In Wien ist das bei Gefahr in Verzug möglich, aber ob das in Dresden und vor allem in so einer Situation möglich ist....Daumen halten. Wäre zu schade, wenn man diese Villa nicht mehr wiedersehen wird können.

  • Auch Dresden-Fernsehen berichtet:

    http://www.dresden-fernsehen.de/Aktuelles/Arti…gebaut-werden-/

    Folgender Abschnitt ist nicht uninteressant:

    Zitat

    Der Denkmalschutzbehörde ist, für extreme Fälle dieser Art, die gesetzliche Möglichkeit eingeräumt, den Wiederaufbau eines beseitigten Kulturdenkmals per Bescheid anzuordnen und dadurch dessen Zeugniswert durch material- und ansichtsidentische Rekonstruktion anschaulich zu bewahren. Die vorliegenden Plan- und Fotodokumentationen zur Villa erlauben hierbei einen detailgetreuen Nachbau wesentlicher gestaltprägender Elemente.

    Mal schauen, wie das die Gerichte sehen.

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • In den eher müden Leserkommentaren wird bemerkt, dass ja nach Denkmalschutzdoktrin das Denkmal nun zerstört ist, somit ein Wiederaufbau nicht möglich, da nur eine Rekonstruktion, und diese sei wieder nicht erhaltenswert. Es werde also auf einen Kompromiss mit etwas Strafe hinauslaufen. Das aber, so finde ich, reicht nicht. Der Eigentümer hat sich wissentlich über das Recht hinweggesetzt und spekuliert darauf, mit einer kleinen Strafe durchzukommen, um dann mit rentabler Neubebauung den großen Reibach machen zu können. So einfach soll man den Typ aber nicht davon kommen lassen. Die Denkmalschutzdoktrin gehört auf den Müll, denn sie schützt bei solch krimineller Energie nicht mehr ihre Schutzobjekte. Also müssen dem Typ (neben einer Strafzahlung) die vollen Kosten für eine Rekonstruktion in Rechnung gestellt werden. Kann er nicht zahlen, soll die Enteignung folgen, bis zur Privatinsolvenz. Auch ein wenig Gefängnis schadet als abschreckende Maßnahme nicht, finde ich.

  • Am Pohlandplatz entsteht ab 2015 eine "Seniorenresidenz" in relativ klassischer Architektursprache.

    http://www.bau-complex.de/verkaeufe/seni…hlandplatz.html

    Das Deal-Magazine berichtet:

    Zitat

    Im Dresdner Stadtteil Striesen realisieren die GHI und die HP&P die Residenz am Pohlandplatz. Auf einer Gesamtnutzfläche von 6.130 m2 (BFG 7.060 m2), verteilt auf vier Vollgeschosse und ein Dachgeschoss entsteht ein Konzept mit Pflegebereich und betreutem Wohnen. Der Pflegebereich umfasst 86 Einzel- und acht Doppelzimmer mit eigenem Bad. Das betreute Wohnen sieht 19 großzügige Zwei-Zimmer-Apartments mit 69 m2 Wohnfläche vor. Die Aufteilung von Wohn-Ess-Bereich, Schlafzimmer, seniorengerechtem Bad, Abstellraum und Balkon oder Terrasse ist genau auf die Bedürfnisse von älteren Menschen abgestimmt. Aufenthaltsräume auf jeder Etage, ein Clubraum, ein gemeinsamer Speisesaal und Ruhezonen in Freien sorgen für das kommunikative Miteinander der Bewohner. Im Erdgeschoss sind Flächen für einen Friseur, ein öffentliches Restaurant und ein Café geplant. Die Realisierung erfolgt mit einem nachhaltigen Energiekonzept gemäß KFW Standard 70. Die Grundstücksgröße beträgt 2.841 m2. Der Baubeginn soll in 2015 erfolgen. Mit dem Pflegedienstleister Inter Pares wurde bereits ein Betreibervertrag geschlossen.

    Quelle: Deal-Magazine vom 06.10.2014.

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Auch die Firma USD scheint sich nun verstärkt an einer eher traditionelleren Architektursprache zu versuchen:

    http://www.usd-immobilien.de/objekte_detail1.php?sid=18&oid=211

    Hier hat man endlich mal relativ gekonnt die Formen des klassischen Dresdner Gründerzeitwohnhauses aufgenommen. In diesem Sinne würde ich mich über eine qualitätvolle Umsetzung des Entwurfes durchaus freuen.

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Wenn die Firma USD nun endlich einmal Gebäude errichten würde, die sich in die Umgebung einfügen, wäre das natürlich erfreulich. Noch schöner wäre es aber, wenn sie das auf bisher unbebauten Grundstücken machen würden. Das ist im hier gezeigten Fall aber wohl bedauerlicherweise nicht der Fall. Beim Standort kann es sich nur um die Glasewaldtstrasse 14 handeln, da es in dieser Straße keine Baulücken mehr gibt und dieses Haus schon einmal mit einem Abriss in Verbindung gebracht wurde. Link: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…ewaldtstr14.jpg
    Es handelt sich hier sicher um keine Perle von Haus. Ich meine aber, dass das Striesener Ortsbild wesentlich vom Nebeneinander von Highlights und unscheinbareren Häusern geprägt wird. Zum neuen Gebäude möchte ich nur soviel sagen, dass ich zwar schon schlechteres gesehen habe, aber das dieser Entwurf immer noch weit weg von qualitativ hochwertiger Architektur ist (Proportionen, Dachgauben, Tiefgarageneinfahrt, usw.). Würde man dem Altbau eine Sanierung gönnen, vielleicht sogar das Haus um eine Etage aufstocken (damit wäre es immer noch niedriger als die direkten Nachbarn) wäre der Stadt wesentlich besser gedient. Aber was kratzt das schon die USD?

  • Ich weiß nicht, ob von diesem für Dresden einmal ungewöhnlich attraktiven Bau-Projekt (Kimmerle Gruppe) hier schon geschrieben wurde? Gefällt mir wirklich sehr gut und das kann man in DD leider nicht allzu oft behaupten:

    http://www.kim-mosenstrasse-dresden.de/impressionen.html
    (Filmchen gibt es auch)

    kleine Auswahl gefällig :

    Und das schöne, dabei, dass es auch schon fast fertig ist! Hier auch eine der Wohnungseingangstüren...


    :ueberkopfstreichen:

  • Hallo,

    die Visualisierungen kommen mir ja irgendwie bekannt vor :wink: - aber wo hast Du das Bild mit der Tür her? Muß ich gleich mal wieder auf der Webseite nachschauen. - Das lässt ja mein altes Tischlerherz höher schlagen. das ist doch mal was Feines und ein echter Lichtblick! Einen Dank an Auftraggeber und Ausführende!

    Andreas

  • ^Zur Mosenstraße:

    Grauenhaft! Nicht alles, was auf klassisch getrimmt wird, ist deswegen schon herausragend. Ganz im Gegenteil.

    Die Bude entpuppt sich als nichts weiter als ein 0815-Block, dessen Fassadengestaltung ganz offensichtlich vom Zuschnitt der Wohnungen im Inneren dominiert wird, aber so tut, als unterläge er ästhetischen Gestaltungskriterien. Folge: eine Fassadengestaltung, die jeder Harmonie, Proportionalität und Symmetrie entbehrt und einfach peinlich wirkt:

    1. das inkonsequent auf klassisch getrimmte Dekor ohne Bezug zu Dresdner Gegebenheiten: Was sollen die Simse zwischen jeder Etage? Warum wurde nicht mit Spiegeln, Pilastern o. ä. gearbeitet, sondern nutzt man offensichtlich (wohl eher ungewollt) die nackten Regenrohre als strukturierendes Element?

    2. Keinerlei logische Struktur in der Fassade: da ein großes Fenster, da ein kleines Fenster, völlig unregelmäßige und unharmonische Abstände zwischen denselben...

    3. keine Betonung der Hauptachsen, im Gegenteil: Die winzigen Funktionsraumfenster, die eigentlich dem Hof zugewandt sein sollten, dominieren die Straßenfassade, die eigentlich Harmonie und Ästhetik ausstrahlen sollte, ausgerechnet an ihren zentralen Stellen, dort, wo man Erkerapplikationen, Risalite, Verdachungen oder sonstige Betonungen der Hauptachsen erwartet, vor allem bei einem auf klassisch getrimmten Gebäude. Und dann noch bar jeder Symmetrie (siehe Punkt 2).

    4. Was sollen die für Dresden völlig untypischen, Eleganz vorgaukelnden pseudofranzösischen Fenster, die sich in Häufung ausgerechnet über dem plumpen Loch der Tiefgarageneinfahrt ballen?

    5. Was soll die merkwürdige Gestaltung des Sattelgeschosses, was der dortige, nicht nachvollziehbare Wechsel geschlossener Mauern und Balkongittern?

    6. Warum diese gähnend eintönige Fassadenbemalung in crème, in der die vorhandenen Strukturelemente völlig untergehen?

    Die Liste ließe sich problemlos fortsetzen...

    Da strahlt jeder sanierte Plattenbaublock mehr Harmonie aus. In meinen Augen trotz auf klassisch getrimmten Dekors und vorgeblich edler Materialien ein Billigbau übelster Sorte, der Noblesse vorgaukelt. Wenn das der Anspruch an traditionell verhaftete Architektur sein soll, na dann, gute Nacht.