Friedberg (Hessen) - Kaiserstraße 114 - Abbruchpläne

  • Ein Investor hat das Gelände der ehemaligen Maschinenfabrik Reuß gekauft, auf dem Wohnhäuser errichtet werden sollen. Ursprünglich war hier die Kaisergalerie, eine Shopping-Mall, geplant. Dem neuen Eigentümer ist allerdings das Haus Kaiserstraße 114, das er wohl am liebsten abbrechen lassen möchte. Doch gibt es Widerstand, siehe Wetterauer Zeitung vom 14.08.2013:

    http://www.wetterauer-zeitung.de/Home/Kreis/Sta…_pageid,80.html

    Sicher wird der Investor das Gebäude solange vergammeln lassen, bis er eine Abbruchgenehmigung erhält. So läuft das ja heute fast überall, wenn es darum geht, unliebsame Baudenkmäler loszuwerden...

    Es handelt sich um das "Haus zur Reusen", ein mächtiges Fachwerktraufenhaus von 1598. Im jetzt zweigeschossig unterteilten Erdgeschoss befand sich einst eine durchgehende Halle. Im Inneren befindet sich eine hölzerne Spindeltreppe.

    Eintrag im denkxweb:

    http://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/cgi-bin/view.pl?obj=5649&v=1

  • Was mich hier stört ist weniger die (angebliche!) Notwendigkeit des Abbruchs an sich. Bei allem noch so ehrenwerten Idealismus - Friedberg ist nicht Frankfurt, und so verhält es sich nun einmal auch mit der Investorenlage. Was mir hier übel aufstößt ist die offenkundige generelle Antithese von Altbau und Neubau. Wenn man den Verlust eines stadtbildprägenden Gebäudes als Architekt ausdrücklich bedauert, scheint man ja nicht unbedingt von einem vergleichbaren Nachfolgebau, geschweige denn einer Rekonstruktion nach Abbruch, auszugehen. Dabei hätte das Haus, mit ein paar wenigen Änderungen, höchstes Gestaltungs- und individualitätspotenzial. Doch stattdessen versucht man ja schon von vornherein, jeden bewahrenden Lösungsansatz kategorisch auszuschließen.
    Doch immerhin scheint sich der Architekt überhaupt die Mühe für (wenn auch ein wenig halbherzig scheinende - hallo, Stahlträger?!) Erhaltungsversuche gemacht, und ausnahmsweise scheint es auch in der Politik eine Bastion der Bewahrer zu geben. Dennoch - dieser Widerspruch als Hauptproblem bereitet jedem Städtebaugedanken doch schon von Anfang an ernsthafte Schwierigkeiten: Die Inakzeptanz der Tradition als Aktualität.

    Form is Function.

    "Fürchte nicht, unmodern gescholten zu werden. Veränderungen der alten Bauweise sind nur dann erlaubt, wenn sie eine Verbesserung bedeuten, sonst aber bleibe beim Alten. Denn die Wahrheit, und sei sie hunderte von Jahren alt, hat mit uns mehr Zusammenhang als die Lüge, die neben uns schreitet."

    Adolf Loos (Ja, genau der.)

    Einmal editiert, zuletzt von TrierRekos95 (25. November 2013 um 19:53)

  • Hier (vgl. meinen zeitgleichen Thread zur übrigen Situation in Friedberg) zu Kaiserstraße 114, dem ehemaligen Sitz der 1865 gegründeten „Maschinenfabrik Reuss“. Das Gebäude steht in einem Ensemble hoch bedeutender Bauten, die südlich angrenzende, 1716 erbaute Nr. 116 wurde zwischen den gewaltigen Brandmauern des ehemaligen städtischen Leintuchhauses errichtet, auf das sich die Nr. 114 in ihrer Höhe, da ja vor 1716 erbaut, sichtbar bezog. Das südlich angrenzende Gebäude Nr. 118 ist im Kern ein romanisches Steinhaus vom Ende des 12. Jahrhunderts, also der Zeit der Stadtgründung, die angrenzende Hofanlage Nr. 120 im Kern frühes 14. Jahrhundert, 1720 barockisiert, diente 1312–1768 der Friedberger Niederlassung der Deutschordensballei Marburg, von 1768 bis zur Säkularisation örtliche Niederlassung des St. Alban-Stiftes in Mainz. Das nördlich anschließende Ensemble ist zwar nicht derart bedeutend, aber städtebaulich in der Gesamtwirkung äußerst wertvoll. Ein Abbruch der Nr. 114 wäre ein in diesem Kontext nie wieder gut zu machender Verlust.

    Zunächst zur Nr. 114 – worauf sich das Schild in der Torfahrt bezieht, ist mir unklar, da sich im Hinterhof des Gebäudes die eigentliche, weit jüngere Fabrik befindet (vgl. Wetterauer Zeitung vom 11.03.2010). Abbruch, Altstadtsanierung Friedberg und Sanierungsfördermittel des Bundes passen aber so oder so nicht zusammen. Ob es gegenwärtig einen neueren Stand zur Lage gibt, konnte ich leider nicht ermitteln. Detailbild von heute nachmittag:


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    Im Ensemble nach Norden (rechts die Nr. 116):


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    Im Ensemble nach Süden:


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    Nr. 116 zwischen den urtümlich erscheinenden Brandmauern des ehemaligen städtischen Leintuchhauses im Detail:


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    Nr. 118, wohl eines der ältesten Steinhäuser Hessens (entkernt?), man beachte das monumentale Portal:


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    Nr. 120, die wohl eher der Jahrhundertwende (als auch der Erker dran kam) denn der Barockzeit entstammenden, gefassten Gitter der Portalanlage sind hier leider nur partiell erkennbar:


    (Klicken zum Vergrößern)

    Das wars.

    Einmal editiert, zuletzt von RMA II. (2. Januar 2014 um 00:14)

  • Zitat

    Ohne viel Stahlarmierung nicht zu retten, sagt ein
    Architekt. Er empfiehlt den Abriss des Hauses Kaiserstraße 114. (...)


    Nee, ist klar. Und dieser Architekt liefert wahrscheinlich gleich einen Entwurf zur Neubebauung. Ich habe davon zwar keine Ahnung, aber irgendwie glaube ich die Geschichte mit der notwendigen Stahlarmierung nicht so recht. Man sollte sich die Meinung eines weiteren Architekten einholen. Wenn jemand scharf auf den Auftrag ist, kann er dem ahnungslosen Hausbesitzer jeden Blödsinn weismachen.


    Zitatquelle.

  • Danke Zeno, für die Neuigkeiten. Den neuen Artikel hatte ich noch gar nicht gesehen.
    Ich glaube das mit den Stahlarmierungen auch nicht so ganz.

    Allerdings scheint der neue Eigentümer das Baudenkmal mit allen Mitteln loswerden zu wollen und daher lässt er so genannte Experten für sich sprechen, um das Grundstück endlich nach seinen eigenen Vorstellungen bebauen zu können. Der Architekt handelt also nur im Auftrag des Investors, von einem "ahnungslosen Hausbesitzer" kann meines Erachtens nicht die Rede sein. Nur so hofft er, den Denkmalschutz aushebeln zu können und dazu wird es vermutlich auch kommen.
    Viel schlimmer finde ich im Übrigen die Aussagen des Bürgermeisters Keller, der dem Denkmalschutz den schwarzen Peter zuschiebt. Als studierter Historiker sollte er sich der Bedeutung der Kaiserstraße mit ihren historischen Bauten eigentlich bewusst sein. Dass er sich nun vorbehaltlos auf die Seite des "armen" Eigentümers schlägt, ist beschämend, aber wiederum auch typisch für unsere Lokalpolitiker. Aus purer Angst, ein Investor könnte seine ehrgeizigen Pläne begraben (auf dem Gelände sollte ja eigentlich eine Shoppingmall mit dem schillernden Namen "Kaisergalerie" entstehen: http://www.wetterauer-zeitung.de/Home/Kreis/Sta…_pageid,80.html)

    Völlig widersinnig auch die Überschrift des Artikels: "Den Verfall an der Kaiserstraße stoppen." Offenbar kann man dies nur, indem man die alten Bauten einfach abreißt. Nicht die "Rücksicht auf den Denkmalschutz macht unsere Innenstadt kaputt“, sondern die Rücksichtslosigkeit skrupelloser Investoren, denen die historische Bausubstanz unserer Städte völlig egal ist.

  • Zum obigen Abbruchvorhaben dieses Foto: Hier

    Sieht man sich das Bau-/Abbruchschild am Haus genau an, steht dort, dass das Vorhaben von der Bundesrepublik, vom Land Hessen und der Stadt Friedberg gefördert würde. Ist damit wirklich der Abbruch gemeint? Weshalb geben die staatlichen Stellen einem Investor Geld, damit er ein sanierungsbedürftiges Gebäude entfernt, um dort womöglich eine Shopping-Mall zu errichten?

    Zu "Vulgows" Frage:
    Davon steht noch einiges. Siehe hier.