Helmstedt (Galerie)

  • Helmstedt ist eine Stadt mit etwa 23500 Einwohnern zwischen Braunschweig und Magdeburg. Jahrzehntelang war es v.a. durch die Braunkohleindustrie und als bedeutendster West-Ost-Grenzübergang bekannt (Grenzübergang Helmstedt–Marienborn).

    Mich haben bei meinem Besuch in Helmstedt damals im September 2003 primär die Fachwerkhäuser im niederdeutschen Stil und das Juleum Novum interessiert, so fehlen bei den nachfolgenden eigenen Aufnahmen die beiden Hauptkirchen St. Stephan und St. Ludgeri genauso wie auch z.B. das neugotische Rathaus und der Marktplatz generell. Den Hausmannsturm dachte ich allerdings schon fotografiert zu haben (?).


    Zuerst einige Bilder vom Juleum Novum, 1592-1612 im Stil der Weserrenaissance erbaut, es war das Hörsaal- und Bibliotheksgebäude der 1576 durch Herzog Julius, Fürst von Braunschweig-Wolfenbüttel, gegründeten Universität, der ersten protestantischen in Norddeutschland. Diese galt 1625 als die drittgrößte Universität im deutschen Sprachraum und bestand bis 1810.

    Mir persönlich sagt das Gebäude des Juleum Novum mit den reich geschmückten Portalen und Zwerchhäusern außerordentlich zu. Es zählt für mich zu den absoluten architektonischen Höhepunkten in Deutschland. Kein Wunder, stammt es doch aus der Zeit um 1600...


    Beidseits ehemalige Collegiengebäude mit Treppentürmen, der westliche links mit prächtig geschmücktem Portal


    Wilde Männer flankieren das herzogliche Wappen


    Juleum Novum mit 56m hohem Turm


    Das Turmportal mit dem Wappen des Herzogs Heinrich Julius, ganz oben das Braunschweiger Ross an der Wolfenbütteler Säule.

    eine Aufnahme vom Auditorium Maximum:
    http://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…Juleum_Aula.jpg


  • Das Hauptportal an der Südseite mit fünf Figuren der 7 freien Künste (Rhetorik und Dialektik fehlen heute).


    Oberhalb des Portals das Universitätswappen mit Simson, der aus dem Maul eines toten Löwen Honig entnimmt, getreu dem Spruch „Wer die Stärke der Wissenschaft besitzt, gewinnt den Reichtum der Erkenntnis“.


    Rechts der neue Haupteingang, geschaffen im Zuge der umfangreichen Restaurierungs- und Umbauarbeiten 1966-71


    Der östliche Zwerchgiebel auf der Südseite mit einer Skulptur an der Spitze, die eine Taube in der Hand hält (auf die philosophische Fakultät verweisend).


    Östliches Zwerchhaus mit der Gerechtigkeit (Justitia, Waage & Schwert), auf die juristische Fakultät bezogen.

    Die beiden weiteren Zwerchhäuser verweisen auf die theologische und medizinische Fakultät.


    Soweit zum Juleum, weiter geht es dann mit Fachwerkhäusern in der Altstadt...

  • Es geht weiter im nordwestlichen Teil der Altstadt, im Umfeld der ehem. Universität


    Bötticherstraße, die Nr. 51 (2. v. l.) ein Fachwerkgebäude E. 16. Jh., das sog. Professorenhaus


    Hirschkopf an einem Haus in der Collegienstraße
    Zahnschnitt, Füllhölzer und Knaggen, alles wurde zwischenzeitlich einheitlich schwarz gestrichen. Finde ich sehr schade, bunt gefällt mir das viel besser als in einheitlichem Schwarz oder Grau etc.(wohl nach Befund), siehe Halberstadt, Quedlinburg etc. Betonte auch die einzelnen Bauteile mehr.


    Collegienstraße 4 mit (noch buntem) gotischem Treppenfries aus der Zeit um 1490 im Bereich der Schwelle.


    Collegienstraße


    Collegienstraße 5 von 1581 mit noch wunderbar buntem Zahnschnitt, doppelten Schiffskehlen und Knaggen (hoffentlich nicht inzwischen auch geschwärzt...) sowie Andreaskreuzen in den Brüstungsfeldern


    Collegienstraße 7 von 1570 mit über den Brüstungsbereich verteilten schallplattenartigen Rosetten und Mini-Rosetten dazwischen

    Einmal editiert, zuletzt von Markus (4. Januar 2013 um 20:19)


  • Schuhstraße 5 mit weit vorkragendem Obergeschoss, einem weiteren gotischen Treppenfries (1514), Texten und Rundbögen auf der Schwelle sowie besonders profilierten Knaggen

    Gotische Treppenfriese finden sich v.a. in der Zeit um 1470 bis 1530, der älteste noch existierende soll im wenige Kilometer nördlich Helmstedt gelegenen Oebisfelde (Lange Str. 56) von 1448 stammen. Diesbezügliche Hochburg war bis 1944 Braunschweig mit zahlreichen Beispielen, heute könnte Celle darin führend sein.


    Ein weiterer Treppenfries findet sich am ansonsten stark erneuert wirkenden Haus Langer Steinweg 7, die Portalumrandung in denselben Farben


    Kybitzstraße 23 mit Sitznischenportal und Rosetten


    Kybitzstraße 4 von um 1600 bzw 1651 mit geschwungenen Knaggen, Zahnschnitt und reich verzierten Füllhölzern


    Weiteres Fachwerkhaus in der Kybitzstraße, in den doppelten Schiffskehlen finden sich an den Enden Muscheln


    soweit für heute, Fortsetzung folgt

    3 Mal editiert, zuletzt von Markus (9. Januar 2013 um 11:34)


  • Bildarchiv Foto Marburg
    Bauernstraße 11 dürfte es nicht mehr geben, hatte einen dreifachen Treppenfries (vgl. Celle, Am Heiligen Kreuz 26 - mein Celler Lieblingshaus - oder auch Quedlinburg, Breite Str. 33)
    Anm. 9.1.2013: existiert schon noch...

    Sicherlich auch Vergangenheit:

    Bildarchiv Foto Marburg
    da wäre ein Vergleich mit heute sehr interessant...


    Ein paar Vergleiche:

    Collegienstr. 7

    Bildarchiv Foto Marburg


    Collegienstr. 5

    Bildarchiv Foto Marburg


    Schuhstr. 5

    Bildarchiv Foto Marburg



    Bildarchiv Foto Marburg
    Tete de cerf Ecke Collegien-/Georgienstr.

    3 Mal editiert, zuletzt von Markus (25. August 2016 um 09:50) aus folgendem Grund: Bildindex-Aufnahmen größer eingestellt

  • Markus: gelungene Präsentation! Gut, dass du deine Bilder wie üblich ein wenig kommentierst und auch Vergleiche mit historischen Fotos einbindest. Das macht das Ganze doch erst recht interessant. Die Weserrenaissance sagt auch mir sehr zu, deshalb lohnt sich eine Reise nach Helmstedt wohl alleine wegen des grandiosen und von dir zurecht ein wenig ausführlicher dargestellten Juleums. Vielen Dank.

  • Vielen Dank von mir ebenfalls für die Bilder aus Helmstedt. Dass das ein schöner Ort ist, war mir bekannt, auch wenn ich noch nicht da war. Das benachbarte Königslutter ist von ähnlicher Qualität mit dem Kaiserdom als Höhepunkt. Vielleicht hat mich die Vergangenheit der Stadt als deutsch/deutscher Grenzort davon abgehalten, mir auch mal die Innenstadt anzuschauen. Aber nachdem ich dort mehrfach längere Zeit unfreiwillig an der Grenze verbracht habe und auch heute noch mit einem Schauer auf der A 2 vorbeifahre, ist meine Motivation, in Helmstedt (gleiches gilt für Herleshausen) freiwillig anzuhalten, tatsächlich gering.

  • Auch von mir ein herzliches Dankeschön für die Galerie! Das Juleum zählt zweifellos zu den schönsten profanen Renaissance-Gebäuden in Deutschland. Helmstedt selbst habe ich auch als recht hübsch im Gedächtnis, wenn auch nicht spektakulär. Was größere Bausünden betrifft, erinnere ich mich vor allem an einen Nachkriegsausrutscher, der sich leider direkt am Markt befindet und auch noch die angrenzende Schuhstraße beeinträchtigt. Der Ort hat auf mich eigentlich eher den Eindruck einer Oststadt gemacht mit relativ vielen sanierungsbedürftigen Altbauten und einer permanenten Atmosphäre der wirtschaftlichen Schwäche. Auch bestimmte Benennungen wie "Haus des Kindes" erinnerten an eine Stadt in Ostdeutschland. Die ehemalige Grenznähe ist jedenfalls noch immer spürbar und die meisten Menschen assoziieren Helmstedt wahrscheinlich nachwievor mit dem Grenzübergang, auch wenn die Stadt seit ein paar Jahren als historische Universitätsstadt für sich wirbt.

    Die Welt muss romantisiert werden! - Novalis

  • Isidor, der Nachkriegsausrutscher passt jetzt wunderbar dazu, so was habe ich seinerzeit nicht fotografiert, im Luftbild auch gut erkennbar, wie auch die drei großen Parkplätze im Altstadtbereich.

    Papenberg 2


    Der wie ich finde großartigste Fachwerkbau Helmstedts und einer der wertvollsten Niedersachsens, auf der Markt-Südseite, ist das Rohr´sche Haus, auch Hoflager des Herzogs Julius genannt, bez. 1567. Vom Aufbau, den doppelten Schiffskehlen und der Vorhangfenster auf mich mehr braunschweigisch oder „goslarisch“, von der reichen Gestaltung der Brüstungsbereiche dagegen mehr „hildesheimisch“ oder „einbeckisch“ wirkend. Wie viele ähnlich großartige Gebäude gingen in BS und HI oder auch Halberstadt verloren...


    Bildarchiv Foto Marburg




    Im Brüstungsbereich des 2. Stockwerks sind die 7 freien Künste (Rhetorica, Geometria, Dial(e)ctica, Arithmetica, Musica, Astronomia und Gramatica) und die Pietas dargestellt:

    Die 7 freien Künste finden sich auch u.a. am Eickeschen Haus in Einbeck (1610), an der Lateinschule zu Alfeld (1610) und ehemals an einigen Hildesheimer Fachwerkhäusern, u.a. am Altdeutschen Haus (um 1600; im übrigen für mich einer der allerwichtigsten Rekonstruktionskandidaten deutschlandweit). Zumindest das Wernersche Haus am Godehardiplatz von 1606 hat 1945 überlebt und Haus Wedekind wurde immerhin 1984/85 rekonstruiert (ursprünglich von 1598).
    Der Inschrift nach wäre dann Papenberg 2 deutlich älter als die Vergleichsbeispiele zur Darstellung der 7 freien Künste.

    3 Mal editiert, zuletzt von Markus (25. August 2016 um 09:50)


  • Papenberg 5, auch inzwischen leider völlig ergraut mitsamt seinen noch vor gar nicht allzu langer Zeit sicherlich bunten Blendarkaden


    Papenberg 21, um 1600, wiederum mit Andreaskreuzen, Zahnschnitt und Rollknaggen.



    Heinrichsplatz 4 von 1620 mit (wieder mal) stark vorkragendem Obergeschoss


    Heinrichsplatz 5 von 1628 bzw 1650, ein hübsches Beispiel für eine recht eigenwillige Füllholzgestaltung („Schiffchen“)


    Kirchstraße 11, über der Tür bezeichnet 1503, links daneben Heinrichsplatz 5


    Bildarchiv Foto Marburg

    Einmal editiert, zuletzt von Markus (25. August 2016 um 09:51)


  • Kornstraße 4 von 1597, das Erdgeschoss samt Portal hat offenbar aber nicht die Volksbank auf dem Gewissen, sondern das war vorher schon, zumindest der Psalm 37.5 blieb erhalten („Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn; er wird es wohl machen“)


    beide Aufnahmen: Bildarchiv Foto Marburg



    Auch gar fürchterlich entstellt wurde Kornstraße 7 von 1581


    Bildarchiv Foto Marburg
    Nicht mehr wiederzuerkennen, wenn nicht die angeschnittenen Nachbarn wären...
    sieht irgendwie ein wenig nach Mummehaus (rekonstruieren bitte!) aus


    Kornstraße 7, Detail


    Bildarchiv Foto Marburg

    Fortsetzung folgt demnächst (muss erstmal suchen und einscannen...)

    Einmal editiert, zuletzt von Markus (25. August 2016 um 09:53)

  • Wusste nicht, dass das Juleum so großartig eingebettet ist! Eines der tollsten Renaissanceensembles.
    Das Rathaus darfür ist gar schauerlich! Eine garstige Verzerrung des Memminger Rathauses, mit ein paar altbayrisch-gotisierenden Versatzstücken aufgepäppelt.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Dass das Renaissanceensemble ganz große Klasse hat, steht außer Frage. Beim Rathaus (siehe hier) bin ich nicht so streng. Mir gefällt es, da es auch mal opulenterer Kontrastpunkte bedarf, um mir ein Stadtbild nicht zu schlicht werden zu lassen. :zwinkern: Der Vergleich zu Memmingen ist indes nicht ganz von der Hand zu weisen.

  • Das Rathaus darfür ist gar schauerlich! Eine garstige Verzerrung des Memminger Rathauses, mit ein paar altbayrisch-gotisierenden Versatzstücken aufgepäppelt.


    Also derart schauerliches hätte ich gern öfter rumstehen!
    http://www.landesverkehrswacht.de/fileadmin/verk…-Marktplatz.jpg
    Manchmal versteht man die Welt nicht mehr! Das Gebäude ist ein typischer opulenter Gründerzeit-(Protz-)-Bau, sonst nichts. Ein Kind seiner Zeit. Ich sehe wirklich keinen Grund das hier derart niederzumachen. Ich denke, da gibt es im Stadtbild schlimmere "Wunden".

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Das Rathaus, an das ich mich überhaupt nicht erinnern kann, hat tatsächlich auffällige Ähnlichkeiten mit MM.

    Jetzt wäre die ehem. Benediktinerabtei mit der Pfarrkirche St. Ludgeri (nach Schäden 1945 vereinfacht wiederaufgebaut) und der Felicitaskrypta aus dem 11. Jh. (!) sowie einer Doppelkapelle aus derselben Zeit an der Reihe, das habe ich aber seinerzeit genauso verpasst wie die nahe frühgotische Kirche St. Stephani. Würde mir heute eher nicht mehr passieren.

    Weiter geht es mit dem offenbar hervorragend instand gesetzten Beguinenhaus am Großen Kirchhof 6, von 1580:


    Bildarchiv Foto Marburg

    Einmal editiert, zuletzt von Markus (25. August 2016 um 09:54)

  • Der Holzberg dient primär als Autostellplatz. Auf der südwestlichen Seite findet sich eine geschlossene Fachwerkzeile, durch davor gepflanzte Bäume vom Platz aus weitgehend verdeckt.


    Holzberg 18, 17


    Bildarchiv Foto Marburg
    links die Nr. 17


    Holzberg 17 von 1561 bzw 1648 mit Rosetten, Lebenslinie („Diamantband“) und doppelten Schiffskehlen


    Bildarchiv Foto Marburg

    Einmal editiert, zuletzt von Markus (25. August 2016 um 09:54) aus folgendem Grund: Bildindex-Aufnahmen größer eingestellt


  • beide Aufnahmen: Bildarchiv Foto Marburg


    Holzberg 14


    Holzberg 13 von 1630 (?)


    Bildarchiv Foto Marburg
    Links die Nr. 13


    Solche Brüstungsarkaden, entstanden v.a. in der Zeit um 1600, findet man vor allem noch in Duderstadt, das diesbezügliche Zentrum war bis 1945 wohl Halberstadt (eine Rekonstruktion des Stelzfußes am Holzmarkt wäre beim jüngsten Wiederaufbau des Platzes eine tolle Sache gewesen), auch in Goslar, Hornburg oder Osterwieck begegnet man Ihnen.

    Einmal editiert, zuletzt von Markus (25. August 2016 um 09:55)