Lübeck - Neubauten im Gründerviertel

  • Verstehe ich nicht - wer sagt, dass 28 von 30 rekonstruieren wollten???

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Wann mussten sich denn die Bauherren entscheiden - vor oder nach Kauf der Parzelle?

    Die potentiellen Bauherren mussten sich erst für ein Grundstück bewerben und wurden nach verschiedenen Kriterien ausgewählt. Wer den Zuschlag für ein Grundstück bekam, erhielt dieses erst einmal als Anhandgabe für einen gewissen Zeitraum und konnte dann einen Architekten seiner Wahl beauftragen und zwischen folgenden Optionen wählen:

    - einen der Siegerentwürfe des Fassadenwettbewerbs
    - einen eigenen Entwurf
    - eine Rekonstruktion

    Im Gestaltungsbeirat werden die Entwürfe dann freigegeben - oder auch nicht.
    Erst danach wurde/wird der Kaufvertrag abgeschlossen und die Baugenehmigung erteilt. Beim Verkauf scheint die Stadt allerdings sehr schwerfällig zu sein. Ich habe von einem Fall gehört, dass die Baugenehmigung bereits erteilt war, aber der Kaufvertrag noch nicht unterschrieben war.

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  • Gut aufgepasst, Kralle! ;)
    Genauer gesagt war vorgestern die Begutachtung der Fassadenproben und gestern die Sitzung mit neuen Entwürfen bzw. Überarbeitungen. Leider war ich aber die letzten Tage nicht in Lübeck, so dass ich diesmal nicht direkt hin konnte. Ich werde die Neuigkeiten aber im Laufe der nächsten Woche in Erfahrung bringen und dann wieder berichten. Das kann aber bis Sonntag oder auch noch ein paar Tage länger dauern.

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  • So, die neuen Fassadenentwürfe habe ich zwar noch nicht, aber zur Überbrückung immerhin mal wieder ein paar aktuelle Fotos:

    Baublock_Braun-_Fischstrasse_25.jpeg
    Abb.1: Baublock zwischen Braun- und Fischstraße

    Blockheizkraftwerk_Fischstrasse_25.jpeg
    Abb.2: Das zweistöckige unterirdische Blockheizkraftwerk auf dem Grundstück Fischstraße 25. Es ist von außerhalb der Baustelle nicht zu sehen, aber das Tor stand offen und niemand hat was gesagt... :D Davor wird die Tiefgarage entstehen. Übrigens wurden inzwischen auf allen Grundstücken die zum Kraftwerk führenden Fernwärmeleitungen verlegt.

    Zustand_Fischstrasse.jpeg
    Abb.3: Momentaner Zustand der Fischstraße...

    Keller_Alfstrasse_27.jpeg
    Abb.4: Es geht los: Der Bau des ersten Hauses beginnt! Die erste Kellerwand von Alfstraße 27 wird gesetzt! Die Bauherren waren da und haben auch zugesehen. :thumbup:

    Keller_Alfstrasse_27-2.jpeg
    Abb.5: Die Betonwand zur Straße hin wurde bereits vorab mit einer Isolierschicht versehen, weil der Teil zur Straße ja nicht abgegraben werden darf und man deshalb hinterher nicht mehr von außen an die Wand kommt.

    Keller_Fischstrasse_5-9.jpeg
    Abb.6: Auf dem Grundstück Fischstraße 5-9 geht es wohl auch bald los - momentan werden die Keller nach dem Einbringen der die Gebäude tragenden Betonbohrpfähle wieder ausgegraben.

    Alle Fotos von heute und von mir

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    Einmal editiert, zuletzt von frank1204 (19. Mai 2023 um 22:11) aus folgendem Grund: Bilder wiederhergestellt

  • Und weiter zum Thema Fassadenproben: Es gibt einige neue, sowie einige Überarbeitungen.

    Die vielleicht größte und positivste Überraschung ist die Veränderung der Ausführung von Alfstraße 21:

    Alfstrasse_21-Probe_kl.jpeg20170607_Probe_Alfstrasse_21_kl.jpeg
    Abb.1: Fassadenprobe Alfstraße 21, links alt, rechts neu. Also, man könnte meinen, die Verantwortlichen lesen hier mit. Genau das, was ich in Beitrag 498 bemängelt hatte (zu oranger und gleichförmiger Stein, zu weißes EG) wurde genauso geändert, wie ich es vorgeschlagen hatte (unregelmäßiger Stein, bräunliches EG). Sehr schön! :thumbup:


    Auch bei Alfstraße 15 gab es eine Veränderung:

    Alfstrasse_15-Probe_kl.jpeg20170607_Probe_Alfstrasse_15_kl.jpeg
    Abb.2: Fassadenprobe Alfstraße 15, links alt, rechts neu. Wie ich finde, auch etwas besser geworden. Diese drei Grautöne und der dicke dunkle Balken in der Mitte war doch ziemlich krass.


    Und weil ich heute endlich mal auf die Baustelle konnte, habe ich dann auch gleich die Gelegenheit genutzt und die sonst schwer zugänglichen, weil der Straße abgewandten Proben der Braunstraße abgelichtet:

    Braunstrasse24-28.jpeg

    20170607_Probe_Braunstrasse_28_kl.jpeg 20170607_Probe_Braunstrasse_26_kl.jpeg20170607_Probe_Braunstrasse_24_kl.jpeg
    Abb.3: Braunstraße 28 (links), 26 und 24, oben Entwurf (Stricker-Architekten) und unten die zugehörigen Fassadenproben. Kann ich nicht viel zu sagen - wie die Entwürfe (Nr. 26 ist allerdings ganz gut) reißt mich auch die geplante Ausführung nicht wirklich vom Hocker; Nr. 28 zu wild, Nr. 24 zu steril und industriell...

    Braunstrasse_22.jpeg20170607_Probe_Braunstrasse_22_kl.jpeg
    Abb.4: Braunstraße 22 (Ziebell und Partner): Der Entwurf gefiel mir erst gar nicht - ich halte ihn nach wie vor für beinahe den schlechtesten des Viertels, aber die geplante Ausführung wertet das Haus dann immerhin doch auf. Inbesondere die Fenster finde ich interessant.

    Braunstrasse_16.jpg20170607_Probe_Braunstrasse_16_kl.jpeg
    Abb.5: Braunstraße 16: Hier verhält es sich ähnlich. Ein mittelmäßiger Entwurf scheint von der Materialität her ganz ordentlich zu werden.


    Und zum Schluss noch die Gesamtansichten der Proben:

    Fassadenproben_Braunstrasse.jpeg
    Abb.6: Fassadenproben Braunstraße

    Fassadenproben_Alfstrasse.jpeg
    Abb.7: Fassadenproben Alfstraße

    Alle Fotos von mir

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    Einmal editiert, zuletzt von frank1204 (20. Mai 2023 um 00:02) aus folgendem Grund: Bilder wiederhergestellt

  • @ Frank

    erst mal wieder vielen Dank für deine exzellenten Beiträge. Dein Engagement ist vorbildlich für das gesamte Forum. :thumbup::thumbup:

    Und auch inhaltlich stimme ich dir voll zu. Die Architektur an sich ist oft nicht wirklich herausragend oder interessant, aber die Materialität fängt die ein oder andere Schwäche dann doch auf. Hier sieht man mal, was allein schon der Rückgriff auf regionaltypische Materialien für einen positiven Effekt haben kann, denn seien wir ehrlich, von der reinen Architektur her ist zumindest bei ca. der Hälfte der Entwürfe mit Ausnahme der Giebelausbildung doch recht wenig "Architektur" zu sehen.
    Aber im Ensemble und durch die Materialwahl reißt man viel raus, man denke sich nur mal, wenn man auf die Backsteinverkleidung verzichten würde und stattdessen die Dämmung einfach weiß, beige oder grau verputzt, wie leider allzu oft heute, dann wäre die Giebelausbildung oft das einzige gestalterische Element.
    So ist mein Fazit, dass man, auch durch die Umarbeitungen, das Quartier in die richtige Richtung lenkt. Man stelle sich aber jetzt mal vor, was möglich gewesen wäre, wenn man sich auch bei den Details so viel Mühe gegeben hätte wie beim Dom-Römer-Projekt. Dann würden wir nochmal von einer ganz anderen Qualitätsmarke sprechen!

    APH - am Puls der Zeit

  • Braunstraße 22: Hier würde ich anraten, nochmals nachzubessern. Da Materialität und Zuschnitt des Hauses so ganz und gar dem Üblichen entsprechen (voll okay) und der Stein nun wenig attraktiv gerät, würde ich - gar nicht ironisch gemeint - fürchten, dass manch Zeitgenosse, der durch das Gründungsviertel stromert, am Eingang des vermeintlichen Klo-Häuschens rütteln wird.

    Der gesetzte, ins Sandfarbene gehende Farbton des Entwurfs hat ihm etwas Souveränes und Wertiges gegeben. Diese Qualitäten hat man aktuell verloren.


    Generell: Die Schere im Kopf entfernen. Lasst die Steine leben, ergründet die Spektren, bessert fein und chirurgisch präzise nach. Make Lübeck great again! Und, wie passend: Trump-Orange als Steinfarbe geht dabei gar nicht. Alfstraße 21 hat das erkannt und ist der Kugel smart ausgewichen. Sehr gelungene Optimierung, Chapeau.

    Dieser Ansatz muss weiter gelten. Noch kann justiert werden. Kleine Mittel, große Wirkung.

    Ich meine hier eine neue Dynamik zu erkennen. Liegt es an der neuen Bausenatorin, am neu gemischten Gestaltungsbeirat? Was es auch sein mag - weiter so.

  • So, jetzt wie versprochen neue Entwürfe. Allerdings erst einmal nur je einen aus Alf- und Braunstraße. Die aus der Fischstraße und der Geraden Querstraße bekomme ich erst, wenn das Protokoll des Gestaltungsbeirats fertig ist und die Entwürfe im Stadtplanungsamt in die Straßenansichten eingearbeitet und ausgehängt werden. Das kann leider noch 14 Tage dauern. Ich bleibe aber natürlich dran.

    Also:

    Braunstrasse-20.jpeg
    Abb.1: Braunstraße 20. Entwurf: Anne Hangebruch. Es handelt sich um einen Siegerentwurf aus dem Fassadenwettbewerb. Fischstraße 16 stammt ja auch aus dieser Serie. Für mich sehr wohltuend, da endlich einmal etwas anderes als die auch in dieser Straße dominierenden Dreiecksgiebel. Wie in der im nächsten Beitrag folgenden Straßenabwicklung zu sehen ist, ist das Haus aber leider sehr hoch, gar turmartig und sticht sehr aus dem Ablauf heraus. Das ist allerdings der Höhenvorgabe seitens der Stadt geschuldet, die die Höhenentwicklung an die historischen Höhen angelehnt hat. Ich hoffe, dass sich das dann in Wirklichkeit nicht ganz so wuchtig darstellt.

    Alfstrasse-19.jpeg
    Abb.2: (Zeschke Architekten) Hier handelt es sich um den bereits vierten Entwurf für dieses Grundstück, nachdem die anderen alle im GBR abgelehnt worden waren. Inzwischen ist man auf Anraten des Beirats auf eine klassizistische Fassade umgestiegen, weil die vielen Dreiecke nebeneinander dann doch zu eintönig waren. Das mittige EG-Fenster soll aber wohl noch verkleinert werden. Von mir aus könnte man das mittlere Feld gerne ganz schließen.
    Mir gefällt der Entwurf gut. Wie man in der Straßenabwicklung im nächsten Beitrag sieht, bringt er eine deutliche Verbesserung der Gesamtansicht.

    Hier nochmal zum Vergleich die drei Vorgängerentwürfe in zeitlicher Reihenfolge:

    Alfstrasse-19_1-3.jpeg
    Abb.3: Die ersten Entwürfe für Alfstraße 19. Wie gesagt - ich finde, der neueste Entwurf oben ist gegen diese drei eine deutliche Verbesserung. :thumbup:


    Und noch eine interessante Kleinigkeit am Rande: Im Stadtplanungsamt ist tatsächlich so etwas wie eine Spolie vorhanden: Ein originales Straßenschild aus der Fischstraße, das wohl seinerzeit aus dem Kriegsschutt gezogen worden war:

    Strassenschild-Fischstrasse.jpeg
    Abb.4: Historisches Straßenschild. Ich hoffe, dass man dieses Schild wieder an einem der unteren Eckhäuser anbringen wird, entweder Fischstraße 27 oder 28b - ich bin mir momentan nicht sicher, auf welcher Straßenseite es sich befand - man müsste mal alte Fotos ansehen. Das würde ein wenig Authentizität verleihen :)

    Alle Fotos von mir

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    Einmal editiert, zuletzt von frank1204 (20. Mai 2023 um 00:09) aus folgendem Grund: Bilder wiederhergestellt

  • Und hier noch wie immer die aktualisierten Straßenansichten:

    Alfstrasse-13-31-20170625-Web.jpeg

    Abb.1: Alfstraße


    Braunstrasse-14-32-20170625-Web.jpeg

    Abb.2: Braunstraße

    Montage von mir mit meinen Fotos auf Basis des Rahmenplanes der Hansestadt Lübeck

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    Einmal editiert, zuletzt von frank1204 (20. Mai 2023 um 00:50) aus folgendem Grund: Bilder wiederhergestellt

  • Hallo Frank,

    erst mal wieder vielen Dank fürs Update.

    Als erstes finde ich wie du, dass die Qualität der Entwürfe und auch die Qualität der Überarbeitungen zuletzt doch deutlich gestiegen ist, was mir das Projekt zunehmend sympathischer macht.

    Allerdings ergibt sich bei mir leider auch wieder ein Aber und zwar besonders dann, wenn ich mir deine sich zunehmend füllenden Montagen betrachte. Ich habe seit Stunden jetzt überlegt was mich stört und hab mir extra Bilder von Lübeck im Vergleich angesehen. Diese Bilder zeigen das alte Lübeck wohl sehr beispielhaft:

    https://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…Petrikirche.jpg
    https://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…%9Fe48bis42.jpg

    Was auffällt ist, dass man sich bei dem Wettbewerb irgendwie nur auf 2 Grundtypen des Lübecker Altstadthauses konzentriert hat, entweder mit Dreiecksgiebel (modifizeirt in 2-3 Fällen mit Stufen an den Giebelseiten) und -ich weiß nicht wie man den anderen Typ fachsprachlich nennt- die Bauten mit rechteckiger Kubatur und angedeuteter Spitze in der Mitte.
    Das Problem ist, dass die typischen Lübecker Altstadthäuser -wie man auch auf den Bildern sieht - oft auch Gibelausprägungen mit runden Formen hatte, was deutlich verspielter wirkt und möglicherweise für heutige Architekten dann doch zu viel des Guten wäre :D:D
    Jedenfalls fehlen gerade diese Formen in dem so jetzt doch recht streng anmutenden Bild, weil man nun eigentlich Dreieck an Dreieck reiht, was dem Gesamtbild an sich nicht wirklich gut tut.

    Erschwert wird das Ganze dann noch dadurch, dass auch die ornamentale Ausdifferenzierung im Giebelbereich unterbleibt. Mit diesem Mittel wurden in Lübeck vermutlich wichtigere Bauten extra betont, so dass man durch 3D-Effekte und Ornamente in der Fassade zusätzlich eine Auflockerung erreichen konnte. Auch das fehlt den aktuellen Bauten weitestgehend, so dass wir eine stetige Variation eines sehr einfachen Grundbaus von nun lediglich 2-3 Gebäudetypen haben, die dazu in der seitlichen ausprägund doch sehr glatt sind (man vergleiche dazu jetzt mal die unglaubliche räumliche Wirkung, wenn man seitlich an der Fassade des Berliner Schlosses lang schaut). Da es doch recht viele Parzellen nebeneinander sind, wird nun deutlich, dass man da vielleicht nochmal nachdenken sollte und nicht auf den letzten Metern versucht, doch noch die abgerundete Giebelform einzuarbeiten und etwas mehr in die dritte Dimension geht, um dem ganzen die Monotonie etwas zu nehmen.

    APH - am Puls der Zeit

  • Das ist auch meine Auffassung. Das Ganze wirkt deshalb monoton, weil die Vielfalt der Formen fehlt. Man wollte oder traut sich nicht, zwischendurch auch Häuser mit barocken und oder mit frühklassizistischen Giebeln zu bauen. Das ist sehr, sehr schade. Es fehlt deshalb die Abwechslung und die Lebendigkeit. Es gab in Norddeutschland übrigens auch schöne Giebel aus der Renaissance, auch hiervon ist keiner vorgesehen. Auch dass man die Fassaden so glatt gemacht hat, so ganz ohne Gesimse und Lisenen, trägt mit dazu bei, dass alles auf mich so unbelebt und eintönig und platt wirkt. Der wesentliche Mangel besteht aber m. E. darin, dass man nur ganz wenige Giebelformen ausgewählt hat. Vielleicht könnte man es noch ändern, wenn man darauf hinweist und den Menschen die Augen öffnet.

    Einmal editiert, zuletzt von Villa1895 (25. Juni 2017 um 22:53)

  • Was auffällt ist, dass man sich bei dem Wettbewerb irgendwie nur auf 2 Grundtypen des Lübecker Altstadthauses konzentriert hat, entweder mit Dreiecksgiebel (modifizeirt in 2-3 Fällen mit Stufen an den Giebelseiten) und -ich weiß nicht wie man den anderen Typ fachsprachlich nennt- die Bauten mit rechteckiger Kubatur und angedeuteter Spitze in der Mitte.
    Das Problem ist, dass die typischen Lübecker Altstadthäuser -wie man auch auf den Bildern sieht - oft auch Gibelausprägungen mit runden Formen hatte, was deutlich verspielter wirkt und möglicherweise für heutige Architekten dann doch zu viel des Guten wäre
    Jedenfalls fehlen gerade diese Formen in dem so jetzt doch recht streng anmutenden Bild, weil man nun eigentlich Dreieck an Dreieck reiht, was dem Gesamtbild an sich nicht wirklich gut tut.

    Tja, da hast Du recht. Außer vielen Dreiecken ist bisher nicht viel herausgekommen. Ich habe mal nachgezählt: Von den 24 bisher hier von mir dargestellten Entwürfen sind 14 reine Dreiecke (also knapp 60%), 4 Treppengiebel, 5 gerade "klassizistische" Fassadenabschlüsse und ein Mansarddach.

    Dabei war die ursprüngliche Giebelform in Lübeck in der Gotik der Treppengiebel. Sogar in der Renaissance, als diese Form eigentlich gar nicht mehr so üblich war, übernahm man sie aus Gewohnheit. Erst ab dem Barock wurden die Treppen mit Abrundungen versehen, bis dann im Klassizismus die oberen Giebelteile ganz abgetragen und die Dächer zur Straße hin abgewalmt wurden (wohl das, was Du als "Spitzen" bezeichnest). So entstand mit den Jahrhunderten die bekannte reiche Mischung an Giebelformen.

    Reine Dreiecksgiebel gab es nur bei wenigen, sehr frühen Häusern (siehe das gerade abgebrannte Hinter der Burg 15oder der spätromanische/frühgotische Kranen-Konvent) oder wenn sich der Besitzer keinen teureren Treppengiebel leisten konnte. Alles in allem sind mir aber wohl nicht mehr als 10 Stück in der ganzen Altstadt bekannt - bei weit über 1000 Häusern! Und dass diese Armutsform nun gerade im ehemals reichsten Teil der Altstadt den allergrößten Teil einnehmen soll, ist in der Tat ein Armutszeugnis. Ebenso, dass bis auf den Entwurf Fischstraße 16 (Hangebruch) das allgegenwärtige und typischste Lübecker Motiv der Hochblenden so gar nicht aufgegriffen wurde. Offenbar ist bei den heutige Architekten Minimalismus immer noch "geil", um es mit dem abgewandelten Werbespruch eines Elektro-Konzerns zu sagen. :kopfschuetteln: Vielleicht ist es auch einfach nur fehlender Mut zu mehr Gestaltung oder mangelndes Lübeck-Wissen. Was auch immer - für das magere Ergebnis ist es einerlei.

    Ja, es ist wirklich schade, dass nicht mehr dabei herausgekommen ist als zweidimensionale Dreiecke. Etwas Hoffnung setze ich ja noch in die Fischstraße, die mit der genannten Nummer 16 und der Rekonstruktion von Nr. 17 (allerdings auch relativ glatt) sowie den Entwürfen Nr. 5-9 ganz vielversprechend angefangen hat.

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  • @ Frank

    da ich heute in Aachen war, musste ich bei einigen Neubauten direkt an Lübeck denken. So könnte das auch in Lübeck aussehen

    Bilder sind von mir.

    Eine solche Art von Plastizität in der Fassade meinte ich. Genau das fehlt in Lübeck völlig, leider. Vielleicht kannst du da ja bei den Verantwortlichen mal nachhorchen, vielleicht kann man mit solchen Beispielen ja doch noch etwas bewegen. Was in Aachen geht sollte in Lübeck auch möglich sein :daumenoben:

    APH - am Puls der Zeit

  • Danke frank1204 und an alle anderen!

    Mal eine kleine Frage: Was waere denn mit Fachwerk? Fachwerk is auf der Gruenen Wiese sehr beliebt.
    Warum nicht auch in der Stadt? Das Holz hell gestrichen wuerde es Helligkeit in die Strasse bringen.

  • Fachwerk ist in Lübeck ja nun so gar nicht üblich. Das rührt zum großen Teil daher, dass nach einem Stadtbrand sehr früh verfügt wurde, dass Häuser nur noch aus Stein gebaut werden durften. Fachwerk-Häuser findet man daher sehr selten und wenn, dann nur kleinere traufständige oder Buden in den Gängen. Bei großen Giebelhäusern ist kein Fachwerk zu finden - allenfalls vereinzelt mal eine Rückfassade.

    @wissen.de: Die Aachener Häuser - insbesondere die beiden letzten - schlagen schon beinahe wieder in das andere Extrem um, aber man sieht gut, dass man viel mehr als bei den jetzigen Entwürfen hätte machen können. Wie gesagt - Anne Hangebruch geht mit Fischstraße 16 ja in die richtige Richtung. Eine einzelne Fassade in dieser Art wird es aber insgesamt nicht herausreißen. Also mal abwarten, was da noch kommt.

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  • @'Frank

    ich finde das ehrlich gesagt gar nicht zu viel. Du kannst ja mal in die Galerie von Aachen reinschauen, wenn du Lust hast, da habe ich auch Bilder im Kontext eingestellt. Als Einzelbau wirken sie vielleicht etwas massiv, sie ordnen sich aber finde ich sehr gut ein und sind mir allemal lieber als gar keine Fassadentextur zu haben.

    Und es ließe sich ja auch vom Effekt her minimieren, es sollte nur zeigen, dass es diese Art der Gestaltung eben auch bei modernen Bauten gibt und es kein rein historisches Gestaltungselement sein muss. Gerade die norddeutsche Backsteinarchitektur ist für solche Elemente doch perfekt geeignet!

    APH - am Puls der Zeit

  • Und hier nun die restlichen Entwürfe aus der Gestaltungsbeiratssitzung vom 16.6.2017:

    Fischstrasse-11.jpeg
    Abb.1: Fischstraße 11, Architekt Hochgürtel. Und leider wieder ein einfacher Dreiecksgiebel ohne jegliche Gestaltung. :kopfschuetteln: Der Gestaltungsbeirat wünscht sich immerhin, dass die bodentiefen Fenster im 1. OG auf die Größe der darüberliegenden Fenster verkleinert wird. Dass hier kein anderer Giebel kommt ist umso ärgerlicher, wenn man weiß, dass das links anschließende Haus Nr. 7-9 deutlich höher ist und man nun seitlich auf anderthalb Geschosse kahle Brandmauer schauen wird, die man mit einem Treppengiebel zum großen Teil hätte verdecken können (deutlich wird das in der im nächsten Beitrag folgenden Straßenansicht). Aber auf so etwas wird offensichtlich nicht geachtet. :kopfwand:


    Fischstrasse-22.jpeg
    Abb.2: Fischstraße 22, Architekt Ellinghaus. Zwar kein Vergleich zum prächtigen Stolterfoth-Haus, das vor dem Krieg hier stand und unbedingt hätte rekonstruiert gehört, aber immerhin ist ein wenig Gestaltungswille erkennbar. Ein modern interpretierter Treppengiebel; mir sind die die auf ca. 1/3 Geschosshöhe geschrumpften Staffeln bei der Hausgröße allerdings zu mickrig geraten. die halbe Geschosshöhe hätte es schon mindestens sein dürfen, aber besser so als gar nichts.
    Der Gestaltungsbeirat bemängelt die vielen unterschiedlichen Fensterformate und -tiefen im Giebel und wünscht sich eine Beruhigung der Fassade. Mein persönlicher Vorschlag: Im Giebel nur das ganz schmale Format nutzen und dieses als Zitat der historischen Doppelluken paarweise anordnen. Ganz oben 1 Paar, darunter 3 und wiederum darunter 5 Paare. Na, mal sehen, ob man hier mitliest... ;)


    Fischstrasse-28.jpeg
    Abb.3: Fischstraße 28, Architekt Dahm. Immerhin mal ein richtiger Schaugiebel. Der Gestaltungsbeirat bemängelt zurecht die geringe geschlossene Wandfläche - man sei hier nahe am Skelettbau. Mein Vorschlag: Die Fenster - zumindest im Giebel - auf die Breite der im Giebel zu sehenden Zierfelder verringern und links und rechts neben den 3 Fenstern im Giebel jeweils ein weiteres Zierfeld anlegen, damit der Giebel einheitlich gestaltet ist. Dann sähe das ganze schon viel besser aus.


    Fischstrasse-28b.jpeg Fischstrasse-28b-Seite.jpeg
    Abb.4: Fischstraße 28b, Architekt Siegmund, links Frontfassade, rechts Seitenfassade. Hier wurde einmal ein ganz anderer, außergewöhnlicher Ansatz verfolgt: Es handelt sich um eine moderne Interpretation des historischen Glandorp-Hauses Fischstraße 34, das in etwa auf diesem Grundstück stand. Durch die Verschiebung der Querstraßen und die Verbreiterung der unteren Fischstraße liegt der Neubau um etwa die halbe Fassadenbreite nach Osten und geringfügig nach Norden verschoben. Zudem wurde das ehemalige Mittelhaus zu einem Eckhaus.
    Wie ich finde, endlich einmal eine erfrischende Bereicherung der sonst meist eintönigen Entwürfe, die das ganze Viertel aufwerten würde. Auch die Seitenfassade finde ich sehr gelungen. Einzig: Der Gestaltungsbeirat äußert sich diffizil: Generell eine interessante Idee, man solle aber mehr die ehemals schlankeren Proportionen und Fenstergrößen und -Teilungen des historischen Hauses aufnehmen, aber gleichzeitig alles moderner gestalten. Was so richtig dabei herauskommen soll, ist mir noch nicht wirklich klar. Bin aber sehr gespannt!


    Gerade_Querstrasse-5-vorne.jpeg   Gerade_Querstrasse-5-hinten.jpeg
    Abb.5: Gerade Querstraße 5, Architekten Jansen/Basista. Links Straßen- und rechts Hoffassade. Wie ich finde, ein sehr schöner altstadttauglicher Entwurf. In der Straßenfassade vielleicht etwas zuviel Wandfläche im EG, aber das große Fenster korrespondiert mit dem Zwerchgiebel- Die Rückfassade gefällt mir noch ein wenig besser. So begrüße ich auch, dass der Beirat empfiehlt, die OG-Fenster vorne wie die hinten zu gestalten, obwohl ich befürchte, dass dann die schönen Fensterkreuze wegfallen. Der Giebel solle als Blechgaube gestaltet werden, was ich nun wiederum nicht so schön finden würde.


    Gerade_Querstrasse-3.jpeg Gerade_Querstrasse_3_kl.jpeg
    Abb.6: Gerade Querstraße 3, Architekt Ellinghaus. Überarbeitete Fassade, links aktuell, rechts voriger Stand. Die Zwischenstege der Fenster wurden entfernt. Der Beirat bemängelt jetzt noch die Plastizität der Fassade - das sei bei einem Kleinhaus zu repräsentativ - und die symmetrische Anordnung des Giebels. Bei ersterem stimme ich ja zu, aber der mittige Zwerchgiebel sollte schon bleiben.

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    2 Mal editiert, zuletzt von frank1204 (29. Mai 2023 um 11:01) aus folgendem Grund: Bilder wiederhergestellt

  • Und hier noch wie immer die von mir aktualisierten Straßenansichten:


    Fischstrasse-5-27-20170625-Web.jpeg
    Abb.1: Fischstraße 5-27. Zu beachten der große Höhenversatz zwischen Nr. 9 und 11, der einen großen Teil der Brandmauer sichtbar werden lassen wird.


    Fischstrasse-16-28b-20170625-Web.jpeg
    Abb.2: Fischstraße 16-28b. Sieht bisher sehr vielversprechend vielfältig aus. Bisher kein reines Dreieck, aber dafür plastische Giebelgestaltungen! :thumbup:


    Querstrassen-20160625-Web.jpeg
    Abb.3: Die beiden Querstraßen: Links die Gerade Querstraße, rechts die Einhäuschen Querstraße, in der Mitte die Fischstraße. Die Gerade Querstraße macht einen sehr typischen Eindruck einer Lübecker Querstraße mit traufständigen Kleinhäusern. Meines Erachtens bisher der beste Abschnitt im ganzen Viertel. Ich hoffe, dass das durch die angekündigten Überarbeitungen bei allen Entwürfen nicht doch noch zu sehr verschlimmbessert wird.
    Die Seite an der Einhäuschen Querstraße ist dagegen sehr (zu) massiv und grob. Hier hätte eine Unterteilung in kleinere Abschnitte gutgetan. Investoren bauen eben doch anders als ambitionierte Privatleute... :(

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    Einmal editiert, zuletzt von frank1204 (29. Mai 2023 um 11:06) aus folgendem Grund: Bilder wiederhergestellt