Magdeburg - Altstadt (Galerie)

  • Ich war zweimal, wenn auch sehr kurz (immer nur für 2-3 Stunden), in Magdeburg. Und ich muss zugeben, dass ich mir die Gründerzeitareale gar nicht richtig angeschaut habe. Mein Fokus lag eher auf den stalinistischen Bauten, die mir ganz gut gefallen haben. Für einen Wessi ist das vielleicht erst mal interessanter, weil es diesen Neoklassizismus bei uns in dieser Form nicht gibt. Aber, wenn ich mal wieder durch Magdeburg kommen sollte, schaue ich mir die Gründerzeit mal an. Vielen Dank für die Tipps.

  • Eine meiner Filmtouren verschlug mich nach Magdeburg , wo ich mich der Kathedrale St. Sebastian, eine der großen Kirchen im Zentrum der Stadt widmete. Vieles hatte dieser Sakralbau durchgemacht, war er während seiner Historie Stiftskirche, Lagerstätte, Provisorium und ist schließlich zur Bischofskirche geworden.

    St. Sebastian ist die Kathedrale des Bistums Magdeburg und somit neben dem Dom eine von zwei Bischofskirchen in der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt. Zwar wird die Kathedrale sehr von ihrem evangelischen Pendant wortwörtlich überschattet (was aber wohl auch bei den anderen Kirchen Magdeburgs der Fall ist), doch wollte ich mich dieser insbesondere aufgrund ihrer wechselvollen Geschichte mal verstärkt widmen. Anfangs als Stiftskirche des gleichnamigen und 1015 von Erzbischof Gero gegründeten Stifts konzipiert, wurde der heutige ursprünglich romanische und um 1170 vollendete Sakralbau vom 14. bis ins 15. Jahrhundert gotisiert, nachdem zwei Brände 1188 und 1207 die Kirche stark in Mitleidenschaft zogen. Die anfängliche Blütezeit der Kirche des seit 1558 protestantischen Stifts endete im Dreißigjährigen Krieg, in dem diese ein weiteres Mal starke Schäden erlitt. Danach wieder notdürftig instandgesetzt und mit den heutigen barocken Turmhauben versehen, konnten ab 1692 wieder Gottesdienste in dem Sakralbau gehalten werden. Da dieser jedoch eher ein Schattendasein fristete, verfiel dieser immer mehr und darunter insbesondere der nördliche Kreuzgang.

    1756 erfolgte dann die Schließung der Kirche, die fortan als Wollmagazin diente. 1810 wurde das Stift St. Sebastian aufgelöst und die Kirche während der Franzosenzeit von der napoleonischen Garnision als Lagerstätte sowie als Werkstatt umgenutzt. 1823 wurde wieder die Stadt Madeburg Eigentümer der Kirche und sie wurde wie zuvor als Wollmagazin genutzt. Zwischenzeitig wurde der Chor von 1845 bis 1854 von den Deutschkatholiken für kirchliche Veranstaltungen genutzt. Durch den starken Zustrom an Katholiken nach Magdeburg, das seit der Reformation mehrheitlich protestantisch ist, wurde für diese ein passendes Kirchengebäude notwendig, sodass die katholische Gemeinde 1873 die mittlerweile stark verwitterte Kirche St. Sebastian von der Stadt erwerben konnte. Ein neues goldenes Zeitalter brach nun für die Kirche wieder an, die zwischen 1876 und 1878 vollends restauriert wurde.

    Leider fand dieses goldene Zeitalter im Zweiten Weltkrieg ein Ende, in dem die Kirche erneut schwer beschädigt wurde. Bereits 1946 setzte man die Kirche notdürftig instand. Zwischen 1951 und 1959 sowie 1982 und 1991 folgten weitere Sanierungen. Mit der Wiedererrichtung des Bistums Magdeburg 1994 wurde St. Sebastian Kathedrale. 2004 geschah die letzte große Restaurierung, während der die Kathedrale einen neuen Kreuzgang erhielt.

    Hier ein paar Außeneindrücke der Kathedrale:

    Nordturm im Detail:

    Das Hauptportal an der Westfassade:

    Ein Beispiel für die nachträgliche Gotisierung: Eines der Fenster der Kathedrale:

  • Hier noch ein paar Inneneindrücke der Kathedrale:

    Hochaltar im Chor:

    Der moderne Volksaltar im Chor:

    Kathedra im Chor:

    Fenstermalerei am Beispiel von drei Chorfenstern:

    Hauptorgel im Hauptschiff:

    Nebenaltar im südlichen Querschiff:

    Kruzifix im südlichen Querschiff:

    Bronzeplatte in der als Bischofsgrablege umfunktionierten Vorhalle im Westwerk:

  • Im Südturm hängen heutzutage die vier stählernen Glocken der Kathedrale, die 1955 vom Bochumer Verein gegossen wurden. Sie wurden vom damaligen Paderborner Erzbischof Dr. Lorenz Jaeger geschenkt, der die Glocken auch einweihte. Damit handelt es sich um eines der vergleichsweise sehr wenigen Stahlgeläute in den Neuen Bundesländern aus der Nachkriegszeit, zumal es sich bei manchen als Stahlgeläuten der Fa. Schilling & Lattermann (neben der eigentlichen Gießerei Schilling eine von zwei Glockengießereien in der damaligen DDR) eigentlich um Eisengeläute handelt. Hier ein paar Bilder der Glocken:

    Sebastiansglocke:

    Liboriusglocke:

    Norbertglocke:

    Marienglocke:

    Krone der Liboriusglocke:

    Inschrift auf der Flanke der Liboriusglocke:

    Weitere Zier mitsamt Gießerzeichen auf der Flanke und Stege auf dem Wolm der Sebastiansglocke:

    Schärfe der Sebastiansglocke:

    Eine gesamte Präsentation der Kathedrale mitsamt akustischer Orgelpräsentation und einem Video ihres Geläuts habe ich wie üblich hierzusammengestellt.

    Hiermit wünsche ich allen einen gesegneten 1. Advent 2023!

  • Vielen Dank, Prianteltix!

    Werden in St. Sebastian die vorhandenen Stahlglocken mittelfristig Status quo bleiben?

    (off topic: bei mir läutet gerade Straßburg zum 1. Advent...)

  • Vielen Dank, Prianteltix!

    Werden in St. Sebastian die vorhandenen Stahlglocken mittelfristig Status quo bleiben?

    (off topic: bei mir läutet gerade Straßburg zum 1. Advent...)

    Sehr gerne doch!

    Keine Sorge! Die werden noch bestehen bleiben, wo man sie doch erst 2004 saniert hat. Ohnehin ist man mit dem jetzigen Ensemble mehr als zufrieden. Dass da ein Megaglockenprojekt wie beim Magdeburger Dom einzieht halte ich für unwahrscheinlich. :wink:

  • Die Orgel hat erstaunlich angenehme moderne Formen. Hier wurde offenbar mit Geschmack gearbeitet und nicht nur mit dem Dogma alles möglichst einfach zu halten 👏

    Hat die Schönheit eine Chance-Dieter Wieland

  • Centralbahnhof 3. Dezember 2023 um 21:07

    Hat den Titel des Themas von „Magdeburg - Gründerzeit und Jugendstil (Galerie)“ zu „Magdeburg - Altstadt (Galerie)“ geändert.
  • Die Orgel hat erstaunlich angenehme moderne Formen. Hier wurde offenbar mit Geschmack gearbeitet und nicht nur mit dem Dogma alles möglichst einfach zu halten 👏

    Nicht nur das, sie gilt auch als klangschön (was wohl mitunter durch die Raumakustik begünstigt wird) und wird deshalb gerne für Konzerte genutzt. Manch einer sagt, die Hauptorgel der Kathedrale klingt schöner als die des Doms.