Hohenstein-Ernstthal

  • Ich bin gestern zu genau dem Zeitpunkt, als Fugenbau seine Bilder des Naplafa-Gebäudes ins Netz gestellt hat, mit dem Zug daran vorbei gefahren.
    Ich kann gar nicht sagen, wie sehr ich den Verlust von Industriebauten wie diesem bedauere. Das einstige Hochindustrieland Sachsen war geprägt von solchen Gebäuden. Wenn wir nicht ganz sehr aufpassen, wird man in einigen Jahren oder Jahrzehnten unseren Kindern und Enkeln nicht mehr vermitteln können, wie hochwertig früher Industriegebäude bei uns einmal aussahen. (Ähnlich sieht es heute schon mit den Fabrikschornsteinen aus, wobei ich deren Fehlen nicht besonders bedauere.)
    Andererseits verstehe ich aber auch die Hohenstein-Ernsthaler und alle vergleichbaren Städte sehr gut. Das Problem für Immobilien wie diese ist nicht nur der demographische Wandel, sondern auch die völlig veränderten Anforderungen an Fabrikationsstädten. Wenn man ein paar Kilometer weiter bis nach Zwickau-Mosel fährt, dann sieht man wie das heute aussehen soll: eingeschossig, beliebig erweiterbar und nach erfolgter Abschreibung schnell abreissbar.
    Direkt in der Nähe des Naplafa-Gebäudes gibt es bereits einige umgenutzte Industriegebäude. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie diese kleine Stadt diesen gigantischen Industriebau mit neuem Leben füllen sollte. Den Vorschlag hier in der Provinz Loftwohnungen oder -büros unterzubringen, finde ich etwas realitätsfremd.
    Dazu kommen noch die geltenden Förderrichtlinien, die zwar Komplettabrisse unterstützen, nicht aber das Sichern der Gebäude für bessere Zeiten. Aber sind denn überhaupt bessere Bedingungen für eine spätere Wiedernutzung zu erwarten? Kann sich diese kleine Stadt Investitionen bei einer vielleicht nie wieder erfolgenden Nutzung leisten?

  • Danke für diesen Beitrag, Arwed, der mir in vielem aus der Seele spricht.
    Die Industriebauten sind die Seele des Landes, genauso wie die Türme der historischen Altstädte. Beides miteinander ergibt das sächsische Stadtbild oder die sächsische Vedute.

    Wie wär's mit vorläufig verfallen lassen? Damit ist man im Ostblock nicht schlecht gefahren. Später kann man sich dann noch immer was überlegen. Für viele Altstädte war das ein Rettungsweg, den es im Westen nicht gegeben hat.
    Aber... jetzt ist das ja alles Westen... offensichtlich darf im Westen nichts verfallen.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Nun, sichern muss man ein solches Gebäude schon. Damit es nicht einfach zusammenstürzt. Und damit es kein Sicherheitsrisiko wird. Also, es muss verhindert werden, dass dort eindringende Kinder verunglücken, zerstörungswütige Jugendliche zündeln, Leute ihren Müll abladen und dadurch Ungeziefer anlocken, Passanten Dachziegel auf den Kopf fallen usw. usf. Aber man könnte natürlich Fenster zumauern, Türen abschließen und einige Jahre warten. Das wäre nicht die schlechteste Lösung.

  • Also kontrollierter Verfall.
    Besteht eigentlich die Denkmöglichkeit, dass der Erhalt derartiger Gebäude sich in nicht allzu ferner Zukunft in wirtschaftlicher extrem bezahlt machen würde? Dass durch den Abriss wichtige Produktionstechniken unwiederbringlich verloren gehen?
    Ich muss zB an Zeitz denken, wo eine alte Klavierfabrik ziemlich perfekt erhalten ist. In Wien hat man nichts Besseres gewusst, als das Bösendorfer Werk einfach niederzureißen. Das muss doch - abgesehen vom rein Historischen - einen gewissen Verlust darstellen!

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Zitat

    Das barocke Gebäude in Hohenstein-Ernstthal verfällt. Es gibt keinen Investor. Und es darf auch nicht abgerissen werden. Ein Teufelskreis.

    Hmmmh, ein Teufelskreis ist doch die eine Folge/Spirale aufeinander bezogener Übel? Dass das Haus nicht abgerissen werden darf, ist also gleichbedauerlich wie der Verfall aufgrund Investorenmangels?
    Jedenfalls ist die Stadt verpflichtet, ihr denkmalgeschütztes Eigentum vor dem Verfall zu bewahren und auch Substanzdiebstähle zu verhindern - oder etwa nicht?

    Dieses Haus bekommen Sie geschenkt - Freie Presse

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Hallo,

    schlechte Nachrichten aus Hohenstein-Ernstthal...wie heute zu lesen, hat man den Abriss eines alten Gasthofes "Braunes Ross" zugestimmt/abgesegnet. Das alte Gebäude steht direkt am Markt gegenüber dem Rathaus. Besonders ärgerlich, wie sich die Denkmalschutzbehörde quasi auflöst.

    FreiePresse Artikel mit Bild

    FugenBau

    Der Ersatzneubau für das "Braune Ross" ist zumindest äußerlich ein totaler Reinfall geworden. Insbesondere das mit grauen Kunststoffplatten getäfelte Staffelgeschoss stößt übel auf. http://wg-hot.de/aktuelles/altmarkt-21-baufortschritt.html