Potsdam - zwischen Plantage und Neuem Markt

  • Aufschlussreich mag noch sein, dass die Häuser von der Südostecke Breite Str. / Dortustraße ostwärts offenbar im Rahmen des Nationalen Wiederaufbauwerks errichtet wurden, gleich so auch etliche Häuser auf der Nordseite der Yorckstraße, auf der Westseite der Wilhelm-Staab-Straße und dort, wo die Bäckerstraße auf die Dortustraße trifft gegenüber.

    (Straßennamen-Übersetzung: Breite Str. / Dortustraße = Breite Straße / Waisenstraße, Yorckstraße = Straße Am Canal, Wilhelm-Staab-Straße = Hoditzstraße; Plan im Beitrag 116)

    So wurden in den 1950er Jahren aufgebaut, oft ohne vorherige Baupläne und können als der Versuch und manchmal auch als gelungenes Werk angesehen werden, Barock nachzubauen. Von dieser Motivation wurde sich Ende der 1950er Jahre, Anfang der 1960er Jahre verabschiedet und dann wichen nicht nur die vorher schon vorhandenen Barockbauten, sondern auch teilweise Rekonstruktionen und barocke Schöpfungen der DDR-Zeit.

    Das war eine [lexicon='Zäsur'][/lexicon] hin zu den Planungen zur bezeichneten sozialistischen Bezirkshauptstadt, entledigt der vielverschrieenen preußischen Geschichte.

    Immerhin hat der eingeschlagene Kurs der vollständigen Vernichtung der Breiten Straße (Wilhelm-Külz-Straße) nicht gehalten werden können, ohne als Denkmalfrevler da zu stehen. Die Versechs- und Versiebenfachung von Hochhäusern der Marke Mercure, aufgereiht entlang der so bezeichneten Magistrale kam bis auf das eine nicht mehr zustande. Alles andere ist in die Neustädter Havelbucht hineingedrückt worden. Deshalb ist es auch völlig unverständlich, dass an diesem einen, was angesichts der Gesamtplanung Torso geblieben ist, einschlägig so krampfhaft festgehalten wird.

  • Zu II.) Die kleinen Parallelstraßen Werner-Seelenbinder/Schloßstraße und Henning-von-Tresckow-Str.


    Zuerst die nördlichen Parallelstraßen Werner-Seelenbinder- und Schloßstraße

    Blick zum Neuen Markt von der Schloßstraße


    Blick in die Werner-Seelenbinder-Str.

    Der kurze Lange Stall


    Blick in die südliche Henning-von-Tresckow-Str.

    Der rückseitige Neubau der IHK

    Hier stehen dann noch fünf gut erhaltene Häuser in Reihe, versteckt in der kleinen Parallelstraße

    Der Zwillingskopfbau mit der Spielbank

  • Zu III.) Die kreuzende südliche Dortu- und Kiezstraße

    Man erhält einen kleinen Einblick in die ehemalige Stadtstruktur der Altstadt


    In die Kiezstraße



    Die noch unsanierten Platten und das Seerosenhaus

  • Zu IV:) Die Moschee, als Weltpremiere mit Innenaufnahmen des Pumpenhauses


    Von der Neustädter Havelbucht


    Der Haupteingang


    Auch von innen geschmückt wie eine osmanische Moschee


    Die modernen Elektromotoren, welche noch heute arbeiten

    Eng und verwirrend innen

  • Unglaublich! Das ist ja letztendlich ein reines Funktionsgebäude. Fritz wird ja da wohl kaum zum Kaffee geladen zu haben. Dass es von außen schick ist, ist klar. Aber von innen :anbeten:...Da ists schade, dass sie nicht im Park Sansouci steht, als weiteres exotisches Gebäude neben dem Chin. Teehaus.

  • Zitat

    Zitat "Der Herzog": ich denke die Moschee stammt von Friederich Wilhelm IV.


    So ist es! Der "Romantiker auf dem Thron" war überaus kreativ. :koenig:
    SIEHE:
    http://www.spsg.de/index.php?id=155
    https://de.wikipedia.org/wiki/Dampfmasc…3%BCr_Sanssouci

    Leider wurde die einst sehr idyllische Umgebung der "Moschee" zu DDR-Zeiten völlig versaut, nämlich mit Plattenbauten der übelsten Sorte (siehe unten). Diese Plattenbauten sind übrigens auch bis heute von der Terrasse von Sanssouci aus schmerzlich zu sehen und verhindern teilweise von dort einen Blick über die Stadt und die Havel, wie die Hohenzollern ihn noch genossen.

    (Quelle: Wikipedia)

  • Im Grunde genommen war es eine Art Unbefangenheit, die uns heute sehr gut tun würde, bei aller Notwendigkeit zur Differenzierung. Das Pumpenhaus als Moschee kleidsam zu machen, war im Grunde genommen die Vermittlung von Faszination und der Angst vor dem Überrolltwerden, wenn wir an die Entwicklung der Dampfkraft zwischen den 1820er und den 1850er Jahren denken: eine gute Verzehnfachung der Leistung. Ein Vierspänner hat sich noch jeder vorstellen können, dass 40 oder 80 Pferde vor einem Karren laufen, nicht. In der Art, Faszination und Schrecken mit Schönheit zu vermitteln, befand sich der Orient gleichauf mit Italien, Frankreich, Holland, Russland, England und der Schweiz.

  • Das Ochsenkopfhaus war einsame Spitze! Vielen Dank an Palantir für dessen Dokumentation. Das sind so die Potsdamfassaden, die richtig süchtig machen. Leider sind die allerschönsten verloren (oder kommt das nur mir so vor?). Auch die Numero 6 alt war wunderbar, erínnert irgendwie an das (natürlich!) als einziges zerstörte Haus am Neuer Markt, das so ansprechend modern wiedererstanden ist.
    Diese Abrisse an der Inneren Breiten Straße, gemeinsam mit Garnisonkirche und Stadtschloss war einer der allergrößten Kulturfrevel des SED-Regimes. Ich muss eingestehen, dass mich die Gestaltung der Neustädter Havelbucht da nicht so stört, dass ich dieser sogar etwas abgewinnen kann. Hier hat man eben DDR-Städtebau, den man als historisch durchaus erhalten sollte. Die Kontrastwirkung zum Dampfmaschinenhaus ist nicht schlecht.
    Hingegen gehörte die "DDR" aus der Breiten Straße restlos beseitigt. Alles andere als eine Reko des Vorzustandes ist (offenbar sehr realistisch aber dennoch bloß) ein fauler Kompromiss.

    Moderationshinweis (Michael): Diskussion über Orientalisierende Architektur in Deutschland in Auerbachs Keller verschoben.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Was die Neustädter Havelbucht-Bebauung angeht, so denke ich, dass ein Teil die 2. Sanierungsrunde in 20 oder 30 Jahren nicht überstehen wird, dass aber die Gesamtkomposition dennoch auf irgendeine Art und Weise erhalten bleiben wird. Vielleicht wären auch bei der nächsten Sanierungsrunde ein Wegnahme von Geschossen - von 11 und 8 auf 5 - denkbar, um die Trennwirkung zu dem dahinter liegenden Altbauviertel nicht mehr all zu brutal ausfallen zu lassen.

  • Meines Erachtens irrtümlich wird auf eine "maurische Moschee" hingewiesen. Die Ähnlichkeit mit der Kait Bey Moschee in Kairo scheint mir am Größten. Vgl. das Aussehen der ägypotischen Ein-Pfund-Note, wo die besagte Moschee abgebildet ist:

    http://www.google.de/url?sa=t&rct=j…1JyoEMkIju9Q0vw

    In meinem Beitrag stand osmanischer Innenausbau, wie auch an den Aushängen der Moschee. Die Führung hat dann Parallelen zur südspanischen Alhambra gezogen, erbaut unter den Nasriden (maurisch) von Granada. Die angesprochene "Masjid al-Sultan Qaytbay" wurde unter den Mamluken errichtet (türkischer oder kaukasischer Herkunft und ist damit den Osmanen relativ nahe) und hat sicher eine gewisse Ähnlichkeit, aber es stellt sich die Frage, ob man hier wirklich eine eindeutige Abhängigkeit von nur einer Moschee herstellen will, da der islamische Stil weniger variierte über die Jahrhunderte.

    http://archnet.org/library/sites/one-site.jsp?site_id=3373



    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tomb…vid_Roberts.jpg


    Noch zwei Bilder

    Einmal editiert, zuletzt von unify (14. Oktober 2013 um 21:35)

  • Ich denke mal, es ist gerade das grundsätzliche Problem, eindeutige Abhängigkeiten herstellen zu wollen, die wir im Zeitalter gesellschafts-durchdrungener Wissenschaft immer so sehr geltend machen wollen. Vielmehr wäre es m. E. am besten, von Mehrdeutigkeiten und Überlappungen zumindest in den seinerzeitigen Ansichten auszugehen.

    Das "Irrtümlich" nehme ich damit selbstverständlich zurück. Besser sollte es geheißen haben: nicht allein auf maurische Einflüsse zurückzuführen oder dass die Moschee nicht unmittelbar im maurischen Baustil errichtet wurde. Meine Bemerkung zielte eher auf die Hinweistafel ab, nicht auf die differenzierter vorgetragene Führung.

  • Bei genauerem Hinsehen fallen Gemeinsamkeiten zwischen der Potsdamer Moschee und der Masjid al-Sultan Qaytbay in Kairo auf.


    Front:


    Das spezielle Motiv der in sich verschlungenen Bogenverzierungen findet sich hier wieder.

    http://archnet.org/library/images…&image_id=63200
    http://archnet.org/library/images/one-image-large.jsp?location_id=4764&image_id=17714
    http://archnet.org/library/images…image_id=209004

    Ich bin mir nicht sicher, wie üblich genau diese Form war; Zufall?

  • Hallo zusammen,

    in der Märkischen ist ein Artikel (in 3 Tagen für alle zum Lesen), der einen Kompromissvorschlag für einen verkürzten Langen Stall ankündigt. Ich vermute mal, das es sich um den einzigen Vorschlag in historischer Kubatur, des Architekten Bernd Albers handelt, der bereits einen öffentlichen Veranstaltungssaal und oder eine Galerie beinhaltet.

    Dass der historische Lange Stall nicht mehr in der originalen Länge kommen wird, liegt mal wieder an der Stadt (-verwaltung) Potsdams, die bereits ein Drittel des Grundstückes an einen Investor verscherbelt hat. Sicherlich nicht in dem Bewusstsein, dass somit dieser Lange Bau dadurch nicht wieder entstehen wird. Sicher nicht...

    (Edit 16.10.2013) Märkische: "Teilrekonstruktion scheitert im Bauausschusses".

    schildbürgerliche Grüße aus der Hauptstadt der kleinen DDR
    Luftpost

    4 Mal editiert, zuletzt von Luftpost (16. Oktober 2013 um 07:52)

  • Und dann mal wieder eine neue Episode in dem nur schwer fassbaren Potsdamer Polittheater:

    Zitat

    SPD will neuen Wettbewerb für Langen Stall– Überraschende Wendung

    Knappes Votum im Bauausschuss gegen die von den Bündnisgrünen vorgeschlagene teilweise historische Rekonstruktion des Bauprojekts Langer Stall an der Plantage in Potsdam. Die SPD-Fraktion plädiert nun für den kompletten Neustart - soll heißen: die Ausschreibung eines neuen Wettbewerbs. ...

    http://www.maz-online.de/Lokales/Potsda…schende-Wendung

    Naja, mal wieder ändert man über Nacht seine Meinung. Ob es nun noch zur Rekonstruktion bzw. Teilrekonstruktion des Langen Stalls kommen kann oder wird, wird aus den wenigen Zeilen in der Vorabansicht der MAZ leider nicht ganz deutlich. Vielleicht hat jemand ja den ganzen Artikel. Aber es ist wieder einmal bezeichnend für die undurchsichtigen Verhältnisse in Potsdam. Ich hoffe, Dresden bleiben diese Überraschungen am heute so wichtigen Abend erspart!

    APH - am Puls der Zeit

  • Liebe Freunde,

    ich bin begeistert, auch wenn es noch in weiter Ferne zu scheinen ist, ein Thema das bewegen kann. Wie die Online Ausgabe der Märkischen Allgemeinen (MAZ) und Potsdams Neuste Nachrichten (pnn) schreibt, hat eine Gruppe von Architekten (!!!) vorgeschlagen, die Breite Straße umzubauen bzw. rückzubauen, die alten Häuserfluchten wieder herzustellen, mit Linden zu bepflanzen und das Neustädter Tor mit den beiden Obelisken wieder aufzubauen.

    http://www.pnn.de/potsdam/797477/

    Zukunftsmusik???

    Viele Grüße :lehrer:

  • Hallo,

    na - ob wir das noch erleben dürfen??? Ohne die Garnisonkirche sehe ich keinerlei Chance einer Änderung der Breiten Straße. Bei der sieht es ja nun alles andere als gut aus: fast 7000 die sich in einer Online-Petition gegen Steuergelder beim Bau der Kirche wenden, eine organisierte Gegnerschaft des Baues; fehlende Mittel! Selbst wenn die 12 Millionen vom Bund kommen, müssten pro Tag 20.000 € bis 2017 gespendet werden!!! Irgendwie habe ich den Eindruck, das die Stadt bzw. die Initiativen sich restlos verzetteln - eine Bürgerinitiative hier, eine da, eine dort - jeder arbeitet für sich, so mein Eindruck .... Meiner Meinung nach sollte man sich in Potsdam auf 5 Dinge konzentrieren: 1.) dem Umbau der Mitte wieder in der Bevölkerung ein wirklich positives Image geben und auch in den Sozialen Medien in die Vorderhand kommen; 2.) Wiederaufbau Turm Garnisonkirche, wobei die Bevölkerung mehr eingebunden werden muss 3.) Figuren auf das Stadtschloss! ( da fehlt es auch nach wie vor an Spenden in größerem Umfang!!!; 4.) einen zugebauten Lustgarten verhindern; 5.) Sicherstellen, das im Bereich Fachhochschule/Staudenhof die ursprünglichen Planungen zur Neugliederung umgesetzt werden.

    Damit hätte man genug zu tun! Den die Spendenmittel fliesen längst nicht mehr so üppig, wie in den 90igern. Hinzu kommt, das den Potsdamer Vorhaben auch eine überregionale Ausstrahlung fehlt, wie dies die Frauenkirche und damit auch der Neumarkt (trotz aller Fehler´chen) zweifelsohne hat. Über alles andere braucht man sich in Potsdam derzeit überhaupt keine Gedanken zu machen, völlig illusorisch! Da ist die Zeit nicht reif für. Und wenn, würde dies einen sehr lagen Atem benötigen. Bunte Bilder dazu von uns, wie eine Breite Straße mit den zwischen 1945 und 1980 abgerissenen Häusern aussehen könnte, inkl. Breite Brücke mit den genialen Figuren der Lampenträgern sind leider wegen fehlenden Finanzen weder kurz noch mittelfristig zu erwarten.

    Beste Grüße

    Andreas

  • Hallo, lieber Andreas,

    ich sehe das nicht so pessimistisch wie Du.
    Zu den 7.000 Zeichnenden habe ich im Diskussionsstrang der Garnisonkirche schon meine Bemerkungen eingestellt. Die 7.000 Zeichnenden bei change.org halte ich angesichts von 80 Millionen Bundesbürgern und fast 60 Millionen Wählern schlichtweg für eine zu vernachlässigende Größe. Da hat das entsprechende Spektrum allein in Potsdam fast schon mehr auf die Beine gestellt. Und angesichts fast 70.000 Bürgern in den Plattenbauten, für die die Stadt in überwiegender Mehrzahl aus günstigen Wohnungen, bequem erreichbaren Garagen und Abstellmöglichkeiten (Werbeprospekt örtlicher Gastronomie: Gut essen und gut parken) besteht, sind diese 7.000 Zeichnungen in Prinzip ein Klacks.

    Egal, was Menschen in die Hand nehmen: Selten ist es so, dass die Absehbarkeit der Finanzierung gleich zu Anfang steht, gerade bei Projekten, für deren Schönheit Menschen mittels Anschauung gewonnen werden müssen. Wenn der östliche Straßenabschnitt der Breiten Straße selbstverständlich seinem bloßen Fahrbahn- und Stadtautobahnwesen endgültig entrückt ist und im selbstverständlichen Sinne zur Straße geworden ist, wenn mit dem jetzt zur Verfügung stehenden Geld der Garnisonkirchenturm sichtbar zur Höhe kommt, wird sich das Verlangen nach mehr einstellen.

    Es ist und bleibt ein Faszinosum, Andreas, dass hinterher, wenn etwas selbstverständlich da steht, sich so richtig keiner mehr vorstellen kann, dass jemals jemand dagegen gewesen sein konnte. - Danke, dass Du der Zeit immer wieder vorausgreifst und hier Appetithäppchen einstellst. Bei Lichte betrachtet, wird das allerdings eher Menschen berühren, die das mit Phantasie in die Wirklichkeit übertragen können und zu inneren Bildern in der Lage sind.

    Was die Bürgerinitiativen und Vereine angeht: Selbstverständlich hast Du recht damit, allerdings glaube ich, dass gerade durch persönlichen Doppel- und Dreifachmitgliedschaften und personelle Überlappungen da keine Konkurrenzen bestehen. Eher ist es schon so, dass Kraft durch Vehemenz für die angeblich einzig richtige Lösung verschwendet wird, anstelle den ganzen Strauß an Möglichkeiten aufzumachen, die Phantasien freisetzt. Phantasien, über das monoton Gefallene hinauszukommen, in dass sich all zu viele eingewöhnt haben.