Potsdam - zwischen Plantage und Neuem Markt

  • Das klingt mir nach spätpubertärem Trotz, nur scheinbar aufgeblasen mit rationalen Argumenten.


    Mitnichten, die haben recht! Der LS war wirklich hässlich. Wegen dem Teil ist ja letzendlich die Garnisonkirche nicht mehr da, da es in Brand geriet und dadurch erst die Kirche. Das Teil sah nicht anders aus, als ein Kuhstall auf dem Land. Nicht ohne Grund findet man nur Bilder der Scheinfassade. Mit einer solchen Reko-Forderung führt man unsere Bestrebungen ad absurdum. Hier wäre eine zeitgemäße, allerdings in traditionellen Formen zu errichtende Lösung, wirklich mal zu begrüßen.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Hallo,

    in unserer Visualisierung von 1850 schaut es so aus Werd, sobald ich Zeit hab, hier mal ein Bild einstellen. Von städtebaulicher Wichtigkeit ist wohl vor allem das lange ruhige Dach. Wenn man da jetzt eine Vielzahl von Dachgaupen und Dachterrassen einschneidet - dann sollte man sich vermutlich gleich was "Neuartiges" einfallen lassen. Um eine Reko der Fachwerkwand geht es aus meiner Sicht wohl nicht - das wäre für mich unbedeutend. Was die "Andere" zur Plantage behauptet: nicht nutzbar weil mehr als 60 Dezibel Lärm und damit eine Reko der Grünflächengestaltung rausgeschmissenes Geld - tssss

    Beste Grüße Andreas

  • Mir gefällt aber auch das Dach nicht. Das Gebäude war ein Stall und genauso konzipiert, ohne gestalterischen Anspruch. Ein derart großes geschlossenes Dach wird einem Investor oder potenziellem Käufer einer Wohnung dort, kaum zu vermitteln sein. Ohne eine Öffnung des Daches will da keiner wohnen.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Hallo,

    in unserer Visualisierung von 1850 schaut es so aus: http://www.arstempano.de/potsdam/galeri…lagen/plantage/. Werd, sobald ich Zeit hab, hier mal ein Bild einstellen. Von städtebaulicher Wichtigkeit ist wohl vor allem das lange ruhige Dach. Wenn man da jetzt eine Vielzahl von Dachgaupen und Dachterrassen einschneidet - dann sollte man sich vermutlich gleich was "Neuartiges" einfallen lassen. Um eine Reko der Fachwerkwand geht es aus meiner Sicht wohl nicht - das wäre für mich unbedeutend. Was die "Andere" zur Plantage behauptet: nicht nutzbar weil mehr als 60 Dezibel Lärm und damit eine Reko der Grünflächengestaltung rausgeschmissenes Geld - tssss

    Beste Grüße Andreas


    Genau dieses Bild hatte ich im Sinn, als ich von spätpubertärem Trotz sprach, der genau DIESE Komposition nicht erkennen will. Wirken die Bäume heute wie dekoriert und hingestellt, so haben die Seinerzeitigen immerhin die Fähigkeit besessen, voraus zu denken und zu überlegen, wie die Bäume im Vergleich zum Bau in 50 oder 100 Jahren aussehen.

    Hier ist so Einiges an menschlichen Visualisierungsmöglichkeiten schilchtweg vorlorengegangen.

  • Trotzdem nochmal abschließend meine Meinung; Man kann doch nicht nur die Reko eines drittklassigen Gebäudes forden, nur weil man gerade nix besseres zur Hand hat. Wenn jetzt schon banale Perdeställe in simpelster Fachwerkbauweise auf die Reko-Liste rücken, wer soll Reko-Befürworter da noch ernst nehmen? Das gleiche hatten wir bei der Mietskaserne an der Frauenkirche, ich glaube 22 (?). Das dort heute stehende Haus wird zurecht kritisiert, aber wer hätte ernthaft die Reko des Vorkriegszustandes fordern können?

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Hallo Pfälzer Bub,

    nur weil der Lange Stall "Stall" im Namen trägt und als solche ursprünglich mal geplant und gebaut wurde, heißt das noch lange nicht, dass der 200 Jahre lang als Stall genutzt wurde. Bereits wenige Jahre nach der Nutzung als Reit- und Exerziergebäude wurde es umgewidmet und war fortan bis zur Errichtung der Französischen Kirche die Kirche der französischen Gemeinde Potsdams. Leider schweigen sich meine Quellen über die Nutzung danach aus.

    Auch die simpel erscheinende Architektur ist eben nicht simpel. Vielmehr eine große Besonderheit in Potsdam. Denn es gibt wenige (historische) Gebäude in dieser Stadt, welche diese Ausmaße annahmen. Vergleichbar ist eigentlich nur der Marsstall, welcher in seiner Form ebenso gestaltet war, und erst in späteren Jahrhunderten seine heutige, opulente Gestalt angenommen hat. Der Lange Stall ist zum Marsstall 90° gedreht und steht ebenso wie der Marstall (Stadtschloss) neben einer Potsdamer Dominante, der Garnisonkirche. Der angrenzende Platz, die Plantage, ist damit das Gegenstück zum Lustgarten. Während also der Lustgarten mit dem Marstall dem König und dem Volke zur Erbauung diente, war der Lange Stall und die Plantane genau das Gegenstück dazu, für des Königs Truppen. Soviel zum städtebaulichen Kontext.
    Die Architektur ist eine Zweckarchitektur aus der Zeit des Soldatenkönigs und über die folgenden Jahrhunderte im Wesentlichen unverändert geblieben. Obwohl Friedrich II das komplette Aussehen Potsdams nach seinem Gusto gestaltete und damit die Fassaden fast jeglicher Gebäude, die bereits auch unter dem Soldatenkönig standen, umgestaltete, bliebt doch dieses Gebäude von ihm fast unberührt. Er fügte nur an den beiden Portalenden (Am Kanal und Breite Straße) neue Fassaden hinzu, beließ jedoch den dominanten Mittelteil in seinem "einfachen" Aussehen. Damit bliebt dieses Gebäude eines der wenigen, welches seine Fachwerk-Bauweise an der Längsseite der Fassade zeigte. Das tief gezogene, lange und ungegliederte Dach ist das besondere, herausragende Merkmal des Langen Stalls. Das Gebäude zeigt also ansehnlich die "einfach" gestaltete Stadt Potsdam aus der Zeit des Soldatenkönigs.

    Dieses ehemalige Funktionsgebäude ist sicherlich nicht der barocke "Hingucker" in Potsdam. Jedoch mit seiner Gliederung, der strukturgebenden Wirkung auf die Plantage und damit auf den gesamten Stadtraum wesentlich. Als 90° gedrehtes, aber entsprechendes Gegenstück zum Marstall, mit dessen Bezugspunkt Stadtschloss, hat der Lange Stall seinen Bezugspunkt in der Hof- und Garnisonkirche. Damit ist dieses Gebäude als stadtgestaltendes Element nicht zu hoch genug einzuschätzen.

    Mittlerweile scheint dieses auch bei einigen Entscheidern angekommen zu sein. So titelt heute die PNN: "Hoffnung auf Teilrekonstruktion". Das wäre dann nur zu konsequent-potsdamerisch wenn der Lange Stall dann auch wieder eine 80% Reko würde, diesmal halt nur in der Länge (da ein Teil des Grundstücks bereits schon verkauft wurde)...

    Grüße aus der Hauptstadt der kleinen DDR
    Luftpost

    4 Mal editiert, zuletzt von Luftpost (21. Juni 2014 um 15:37)

  • Mal eine Frage an die Potsdamer. wie sollte der LS genutzt werden, sollte er tatsächlich rekondtruiert werden? Das riesige Dach müsste doch zumindest Fenster erhalten? Ansonsten ist eine Wohnnutzung wohl nicht möglich.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Hallo Pfälzer Bub,

    warum muss da unbedingt eine Wohnnutzung rein? Weil die Stadt das unbedingt will? 200 Meter weiter steht das Naturkundemuseum, welches seit Jahren nach einem (neumodischen) Anbau schreit. Das wäre doch eine mögliche Nutzung. Und Gewerbe wird sich sicherlich auch nicht gegen eine Fläche von rund 3500 m² (allein im Erdgeschoß, und nur für das jetzt noch vorhandene, städtische Grundstück) wehren. Von der städtischen Künstlerschaft wurde auch schon ein Kunstgebäude angeregt. Es gibt hierfür vielfältige Nutzungsmöglichkeiten.

    Muss man immer erst über die Nutzung des Gebäudes reden, über deren Wirtschaftlichkeit, bevor man sagt: dies ist ein wichtiger, historischer Bau, wir wollen ihn wieder entstehen lassen, lasst ihn uns aufbauen. Muss alles von vorn herein wirtschaftlich begründet sein? Dann darf man nichts mehr wagen? Dann gibt es auch keine Entwicklung mehr, denn diese fußt immer auf Unwägbarkeiten.

    Grüße aus der Hauptstadt der kleinen DDR
    Luftpost

    Einmal editiert, zuletzt von Luftpost (13. Juni 2013 um 14:01)

  • Ich war bisher immer der Meinung, dass eine Wohnnutzung angestrebt sei. Deine Forderung nach Wagnis in allen Ehren aber ist es nicht ein bisschen realitätsfremd zu glauben, dass jemand ein Grundstück in Innenstadtlage nur einfach so ohne Nutzungskonzept bebaut, nur weil es sich um einen historisch wichtigen Bau handelt? Ich glaube nicht, dazu haben die Banken Deutschland zu fest im Griff. Vielleicht würde sich ein Mäzen der Sache annehmen?

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Bereits wenige Jahre nach der Nutzung als Reit- und Exerziergebäude
    wurde es umgewidmet und war fortan bis zur Errichtung der Französischen
    Kirche die Kirche der französischen Gemeinde Potsdams. Leider schweigen
    sich meine Quellen über die Nutzung danach aus.

    Luftpost: Kannst Du das mal mit ein Jahreszahlen unterlegen?

  • Hallo Konstantingeer,

    meine Quellen sind in diesem Fall mein Gedächtnis. Ich meine, dies in irgendeinem Buch über Potsdam gelesen zu haben. Im Netz habe ich nach ein wenig Googeln dazu leider nicht viel gefunden, ausser dieser Seite, in welcher jedoch nicht von der französischen Gemeinde, sondern ab 1756 von einer Griechisch Orthodoxe Kirche gesprochen wird.

    So habe in meinen Büchern ein wenig geblättert. Im Mielke ist zum Lange Stall auf die Schnelle nichts zu finden. Das Buch"Potsdam Daten und Ansichten zur Geschichte der Stadt", Potsdam Museum 1993 sagt Zitat:

    1723 In der Kapelle des Potsdamer Sadtschlosses wird mit einem Gottesdienst die "Französisch-Reformierte Gemeinde" gegründet

    1734/37 Bau des "Langen Stalles", als Exerziergebäude für die Potsdamer Garnison, nach einem Entwurf von P. de Gayette (?-1749)
    1781 läßt Friedrich II. dem schmucklosen Fachwerkbau durch G.C. Unger (1743-1804/12) eine zweigeschossige massive Fassade mit Säulengliederung und Giebelportikus vorsetzen und mit plastischem Dekor durch den Bildhauser J.C. Wohler (1748-1799) und K.J. Sartori (1709-1770) zieren.
    Für die rund dreihundert russischen Soldaten in Potsdam wird eine orthodoxe Kirche im Anschluß an den Langen Stall gebaut

    1753 23. September Erster Festgottesdienst in der Französischen Kirche

    Auch hier schweigt das Buch, wo die Französische Gemeinde bis dahin beheimatet war... Wenn man sich jedoch die Jahreszahlen anschaut, dann wird es zumindest ab 1781 nicht die Fanzösische Gemeinde gewesen sein, da die zu dem Zeitpunkt bereits in deren eigener Kirche residierte. Hmm...

    Wikipedia schreibt wiederum auch von der Griechisch-Orthodoxen Kirche.

    Grüße aus der Hauptstadt der kleinen DDR
    Luftpost

    2 Mal editiert, zuletzt von Luftpost (13. Juni 2013 um 19:30)

  • Das ist schon interessant, weil die Nutzung des langen Stalles immer nur auf seine Verwendung als Exerzierhalle reduziert wurde. Dies jedoch war wohl bis ins 20. Jahrhundert so, im Kaiserreich fanden die Vereidigungen von Rekruten des 1. Garderegiments vor bzw. bei Regen im Langen Stall statt.

    Interessant ist die Nutzung als Theatersaal zum Ende des 18. Jahrhunderts. Eine Zurverfügungstellung für russisch-orthodoxe oder französische Christen ist skurril: dass der Lange Stall teilweise als Kirche oder zumindest Gemeindesaal gedient hat war mir nicht bekannt.

  • Das ist schon interessant, weil die Nutzung des langen Stalles immer nur auf seine Verwendung als Exerzierhalle reduziert wurde. Dies jedoch war wohl bis ins 20. Jahrhundert so, im Kaiserreich fanden die Vereidigungen von Rekruten des 1. Garderegiments vor bzw. bei Regen im Langen Stall statt.

    Interessant ist die Nutzung als Theatersaal zum Ende des 18. Jahrhunderts. Eine Zurverfügungstellung für russisch-orthodoxe oder französische Christen ist skurril: dass der Lange Stall teilweise als Kirche oder zumindest Gemeindesaal gedient hat war mir nicht bekannt.

    Es klingt ja immer nach gewollter oder ungewollter Demütigung oder nach Skurrilitäten, wenn Pferdeställe zu Theatersälen oder gar zu Kirchen umfunktioniert wurden. Mit Sicherheit liegt das Umfunktionieren von Pferdeställen unterhalb der Wertschätzung eines spezifischen Neubaus zu eben diesem Zweck. Allerdings wäre es des Verständnisses wegen auch wiederum wichtig, sich vom heutigen Bild allein des Gestanks und allein des Drecks zu lösen, was wir mit Pferdeställen verbinden. - Etwas provokativ formuliert waren derartige, mit Schaufassaden versehene oder im Innern kunstvoll ausgestaltete Pferdeställe weder Schwindel noch Kulissenschieberei, sondern weit mehr geprägt von der Ehrerbietung an tatsächliche Pferde-Stärken, als wir heute - reduziert auf das Auto - dies zu denken vermögen.

  • Schaut sehr hochwertig aus! Sagt einmal: Warum ist so eine Architektur fast nur im ehemaligen Osten möglich? Liegt es daran, dass die traditionellen Architekten eher in Berlin oder in der Nähe der Hauptstadt sitzen (und deshalb der Zeit vielleicht etwas voraus sind)?

    In Wien würden wir uns alle zehn Finger und alle zehn Zechen abschlecken, wenn amn einmal so etwas zu Stande bringe könnte!

    Neid...und trotzdem Glückwunsch!

  • Noch nicht im APH-Forum


    Na ja, ich hatte bereits im April zu dieser erfreulichen Angelegenheit in diesem Strang berichtet - hat aber offenkundig keinen Widerhall gefunden...

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Man sehe und staune! Annehmbare Potsdamer Füllbauten dürfen tatsächlich ROT gedeckte Dächer bekommen!

    "Willst du eine Stadt vernichten, baue Kisten, Kisten, Kisten!"


  • Na ja, ich hatte bereits im April zu dieser erfreulichen Angelegenheit in diesem Strang berichtet - hat aber offenkundig keinen Widerhall gefunden...

    Da hat "Palantir" recht, wenngleich sich mein Widerhall auf das reine Lesen beschränkt hat.

    Im DAF steht, dass das Brockessche Palais noch dieses Jahr neu erstrahlen soll. Auf den verlinkten Seiten habe ich aber keinen Zeitrahmen für das Vorhaben gefunden. Wie sieht denn der genaue Zeitrahmen des Bauvorhabens aus?

  • Die Sanierung des Brockeschen Palais wird Potsdam ein weiteres Juwel zurückgeben. Hoffentlich wird man dann auch die Skulpturen, die ehemals auf dem Dach standen, wieder an ihren angestammten Platz versetzen. Auf der Visualisierung tauchen sie jedenfalls nicht auf. Und hoffentlich wird man hier keinen Ruinenkult nach Berliner Vorbild betreiben und jedes Einschussloch konservieren...

    Die geplanten Nebenbauten machen einen ganz gefälligen Eindruck, obgleich die hintere Häuserfront für meinen Geschmack etwas zu sehr nach Ferienanlage aussieht, aber wir wollen uns mal nicht beschweren.

    Die Welt muss romantisiert werden! - Novalis

  • Zitat


    Baustart für das "Yorckpalais"

    Direkt angrenzend an das Brockessche Palais in der Yorckstraße errichtet die Prinz von Preußen Grundbesitz AG Potsdam derzeit einen viergeschossigen Neubau.
    Das teilte das Unternehmen gestern mit. Die äußere Erscheinung des Wohn- und Geschäftshauses an der Ecke Siefertstraße sei von "historischen Vorbildern" inspiriert worden, so Unternehmensvorstand Theodor J. Tantzen. Geplant seien in dem Haus zwei Gewerbeeinheiten und acht Zwei- bis Drei-Zimmer-Wohnungen mit Flächen von 60 bis 110 Quadratmetern. Die Erdgeschosswohnung werde einen Zugang zu einem Privatgarten im Innenhof erhalten. Das Gebäude am Stadtkanal, etwa 300 Meter vom Alten Markt und dem Stadtschloss entfernt, soll unter dem Namen "Yorckpalais" firmieren....


    http://www.maz-online.de/Lokales/Potsda…das-Yorckpalais

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