• Eine sehr schöne Ansicht der Bartholomäuskirche mit ihrem freistehendem Glockenturm:

    Bildquelle: Großdiathek der Universität Halle-Wittenberg

    Heute, aus der Gegenrichtung:

    Bildquelle: Wikipedia, Benutzer: Mazbln

    ---
    Ist hier zwar schon im Detail weiter oben verlinkt worden, darf aber m. E. nochmals Erwähnung finden.
    Eine exzellente Seite: :applaus:

    Zitat

    Von der einstigen Größe und Herrlichkeit, seine alten schönen Bauwerke, Straßen und Plätze sollen diese Seiten erzählen.
    Sie finden hier Informationen und Wissenswertes rund um das alte Zerbst, dem Schatzkästlein deutscher Kultur.


    http://www.alt-zerbst.de/index.php

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Nachdem ich kürzlich in der Gegend war, in Zerbst aber unbedingt vorbeifahren wollte und kaum eine halbe Stunde in der Stadt war, möchte ich hier ein paar Bilder der Stadt einstellen, eine eigene Galerie sollte zumindest nach meinem Bildmaterial nicht lohnen.

    Zerbst bietet einen der traurigsten Anblicke, die ich bislang gesehen habe. In einer Stadt wie Halberstadt, die im Krieg grob zu 50 % zerstört wurde, kann man den Vorkriegszustand der Stadt auch ohne Vergleichsbilder noch gut einschätzen. Ohne die Abrisse aus der DDR-Zeit wäre der Übergang der zerstörten Osthälfte zum erhaltenen Mittel- und Westteil noch deutlicher. In Zerbst ist durch eine wohl nahezu vollständige Zerstörung das alte Bild der Stadt kaum mehr zu erahnen, lediglich an der Stadtmauer.

    1 Wir beginnen mit einer Übersichtskarte mit dem Marktplatz in der Mitte und dem Schloss ganz links unten. Man beachte die Stadtmauer. Die Stadtmauer soll vier km lang sein, das wäre fast genau die Länge der Stadtmauer von York, über die ich vor einem Jahr gelaufen bin und die mir ewig lang vorkam. War die Stadtmauer von Nürnberg nicht genauso lang?

    2 Auf diesem Bild erkennen wir problemlos, das von der vergangenen Pracht nicht viel übrig geblieben ist. Im Bereich rechts unten im Bild war ich nicht. Der sieht eigentlich noch halbwegs gut aus.

    3 Jetzt sind wir am Marktplatz, der vordere Bereich ist halbwegs erhalten, der hintere nicht.

    4

    5

    6 Ohne Worte.

    7 Diese Postkarte ist die einzige Vorkriegsaufnahme, die ich einstellen werde. Mit Hilfe von Bildindex etc. ließen sich über Zerbst herzzerreißende vorher-nachher-Vergleiche anstellen. Sonst gibt es zu dieser Karte nicht viel zu sagen. Totalverlust.

    8 Das ist die heutige Fußgängerzone „Alte Brücke“.

    9 Hier sehen wir den „dicken Turm“ mit der Ruine von St. Bartholomäi dahinter.

    10 Die sanierten Kavaliershäuser zwischen St. Bartholomäi und Schloss hatten wir hier im Forum schon.

    11 Die Schlossruine wird durch die Stadtmauer vom Rest der Stadt abgetrennt. Richtung Norden schließt sich direkt Plattenbau an. Mit dem Schloss und den beiden Kirchen gibt es im Ort noch drei große Kriegsruinen.

    12 Dann hat sich aber Richtung zum westlichen Stadttor (Breitestraßentor) dieses Ensemble erhalten.

    13 Jetzt gehen wir zum Breitestraßentor.

    14 Vom Marktplatz kommen wir vorbei an St. Nicolai ...

    15 ... zum Heidetor in einem positiven Umfeld

    16

    17 Die Stadtmauer ist ohne Zweifel das Prunkstück der Stadt. Teile sollen noch begehbar sein. Das war’s schon.

  • Zitat

    Schloss und den beiden Kirchen gibt es im Ort noch drei große Kriegsruinen.

    Und ich kann absolut nicht nachvollziehen, dass bis heute nicht wenigstens eines dieser Gebäude mit Landes oder Bundesunterstützung wiederhergestellt wurde.

  • Zerbst ist ein trauriges Beispiel für eine entfremdete und identitätlose Stadt. Meiner Meinung nach kommt die Stadt aus dieser Misere nur heraus indem sie sich ihrer einstigen Pracht und Grösse besinnt. Warum nur verstehen das die regionalen Politiker nicht, dass mit diesem inferioren Stadtbild niemandem geholfen ist? Besuchern nicht, Unternehmen nicht und am wenigsten den Bürgern. Würde die Stadt zuerst die drei vorhandenen Ruinen rekonstruieren, dann wäre dies schon eine erhebliche Leistung. Mithilfe von Privatinvestoren, Spenden und Unterstützung durch Land und Bund könnte man doch einen umfassenden Masterplan erstellen, der zum Ziel hat, die einstige Bebauung zu rekonstruieren. Dann kann man sich sicher sein, dass viele Touristen kommen werden und so auch die angespannte Finanzlage entschärfen.

    In der Altstadt die Macht, im Kneiphof die Pracht, im Löbenicht der Acker, auf dem Sackheim der Racker.

    Hätt' ich Venedigs Macht und Augsburgs Pracht, Nürnberger Witz und Straßburger G'schütz und Ulmer Geld, so wär ich der Reichste in der Welt.

  • Was den Stadtbildverlust angeht, scheint Zerbst die kleine Schwester von Dresden zu sein, auch wenn Ursus das sicher anders sehen wird. Unglaublich, der Roland lässt den einstigen Glanz erahnen, aber der direkte Vergleich lässt einen dann doch aus den Latschen kippen. Danke Erpel, hab auch gar kein so großes Bedürfnis mir weitere alte Bilder anzusehen, so lange sich in puncto Reko in Zerbst so wenig rührt.

    "We live in the dreamtime-Nothing seems to last. Can you really plan a future, when you no longer have a past." Dead Can Dance - Amnesia

  • Nun, am Schloss sind sie ja wenigstens dran. Wenn es auch der rührende Förderverein [lexicon='Schloss Zerbst'][/lexicon] derzeit alles allein organisieren muss. Nicht unbedeutend für den Marktplatz wäre eine Rekonstruktion des Rathauses. Der Bauplatz ist ja frei. Notfalls könnte man sich ja für eine günstigere Rekonstruktion in Betonbauweise entscheiden, wie beim Frankfurter Palais Thurn & Taxis. So hätte der Platz mit dem Roland immerhin Fassung und seinen optischen Bezugspunkt wieder.
    Bislang aber kümmert sich scheinbar niemand von Land und Bund so richtig um diese Stadt.

  • eine eigene Galerie sollte zumindest nach meinem Bildmaterial nicht lohnen

    Doch, doch. Das kostet nur ein paar Byte Speicherplatz und sorgt dafür, dass Du Deine Bilder nicht umsonst eingestellt hast, weil sie in der Diskussion über kurz oder lang untergehen und nicht mehr gefunden würden.

  • Zerbsts Altstadt ist wirklich unvorstellbar trostlos.

    Da scheint es mir so, dass angesichts dieser städtebaulichen Wüste auch kaum jemand Ambitionen entwickeln kann, diese Stadt wieder richtig aufbauen zu wollen. Dennoch ist das das Gebot! Ansonsten muss man sich nicht wundern, wenn die Leute, die es sich leisten können, von dort weggehen. Das ist ja wirklich nicht zum Aushalten.

    Wenn auch die Wohnblöcke ganz gut gepflegt sein mögen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten einen freundlichen Eindruck machen, so ruft der isoliert dastehende Roland die Vorkriegssituation schmerzlich in Erinnerung.

  • Gibt es in Zerbst eigentlich irgendwelche Bestrebungen den Marktplatz architektonisch aufzuhübschen oder gar das Alte Rathaus wiederaufzubauen?? (ähnlich wie in Anklam?)
    Der mittelalterliche Roland vor diesen (neuerdings bunten) Ulan-Bator-Plattenbauten, das ist doch fürchterlich! :kotz:

  • Unlängst wurde bei den Sächsischen Grundstücksauktionen ein ganzer Gebäuderiegel versteigert. Natürlich kann bei solchen Gegebenheiten der Weg in zwei Richtungen gehen, was heißen soll Bestand oder Abriß, um den Raum frei zu haben für die bisherigen Parzellenzuschnitte. Ein Modell, welches sich an den alten Parzellen orientiert, halte ich für die einzig richtige Lösung. Die derzeitige Situation ist mehr als frustrierend - wünschenswert wäre, daß die Stadt, ausgehend vom Wiederaufbau des Schlosses, wieder ins öffentliche Bewußtsein zurückkehrt. Ob es von der Reihenfolge gesehen der richtige Weg wäre, zuerst das Schloß, dann die Kirchen, und dann die Altstadt wiederaufzubauen, steht zu diskutieren.

  • Nun, ich plädiere für das Schloss und das (rekonstruierte) Rathaus an erster Stelle. Für die Kirchen müsste man erst einmal ein Nutzungskonzept finden, was nicht ganz einfach ist. Vielleicht, wenn mal eine Konzerthalle oder ein Theater im großen Rahmen benötigt wird...

  • Ein sehr schwerwiegender Verlust unter vielen, der weiter oben schon mal von 'maximus' angesprochen wurde, war das sog. Neue Haus am Marktplatz von 1540, in dem einst Wallenstein genächtigt haben soll.
    Bericht über das Schicksal des Hauses, dessen Ruine nach dem Krieg abgeräumt wurde und dessen Portal wohl noch irgendwo aufbewahrt wird:
    Nur noch eine Legende: Das Neue Haus am Markt in Zerbst

    Im Folgenden ist es in der Gesamtschau des Marktplatzes zu sehen:

    Bildquelle jeweils: http://www.zeno.org

    Zur weiteren Veranschaulichung ein Luftbild des Marktplatzes:

    Bildquelle: LDA Sachsen-Anhalt

    Ein unnötiger Abriss widerfuhr wohl dem Giebelhaus 'Markt 21', welches in diesem Nachkriegsbild noch weitgehend intakt rechts im Bild zu sehen ist:

    Bildquelle: http://www.bildindex.de

    Wenn ich das richtig sehe, ist damit die gesamte Reihe der Giebelhäuser (Markt 21 ist das am weitesten links) vernichtet und immer noch eine Brachfläche?

    Bildquelle: http://www.ansichtskartenserver.de - gemeinfreie Postkarte

    ---
    Schließlich noch eine Schilderung der letzten Stunden des alten Zerbst:
    http://blumiaze.bl.funpic.de/publikationen/zerbst45.html

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Der Verlust des alten Zerbst ist wirklich ein besonders tragischer! Und das am 16. April, 3 Wochen vor Kriegsende. Hier ist die Bezeichnung "Terrorangriff" mal wirklich zutreffend. Welchen Zweck sollte das ganze haben ausser Leid und Zerstörung über die Bevölkerung zu bringen?
    Ich will hier aber keineswegs eine Diskussion über Sinn und Unsinn der allierten Kriegsführung starten, vorbei ist vorbei. Dennoch: Zerbst wäre heute eine der Perlen in der mitteldeutschen Stadtlandschaft, mit Sicherheit. :crying:

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Zitat

    Hier ist die Bezeichnung "Terrorangriff" mal wirklich zutreffend.


    Nein, so zutreffend dieser Begriff auch fast immer ist, hier ist er verfehlt.
    Die STadt wurde nicht im Zuge der britischen moral bombing "Strategie" vernichtet, sondern im Zuge der Eroberung (wie auch in Halberstadt der Fall). Einfach, weil sie sich nicht ergab. Jede Armee der Welt schont ihre Angehörigen und setzt dazu alle ihre Mittel ein. An vielen Verlusten war eben auch der Durchhaltewille der Nazi-Machthaber primär kausal.

    Zitat

    Die Innenstadt von Zerbst ist wirklich trostlos.

    Finde ich gar nicht. Ich finde die Stadt gar nicht so schlecht wiederaufgebaut. Ich mag halt die lockere DDR-Bauweise viel lieber als das in der BRD übliche Festhalten an den alten Strukturen, die durch die neue Bauweise nur pervertiert worden sind. Zerbst hat in meinen Augen auch heute noch etwas. Pforzheim oder Darmstadt sind einfach nur hässlich. Der hier inflationär verwendete Begriff "trostlos" sollte überdacht werden. Warum hat noch niemand gesagt, dass Darmstadt trostlos sei?
    Weil es eben ANDERS aufgebaut wurde. Die angebliche Trostlosigkeit von Zerbst lässt durchschimmern, dass hier einmal etwas anderes war, referiert also auf die einstige Größe. Das ist in Darmstadt oder Pforzheim oder Würzburg nicht mehr der Fall. Diese Städte sehen einfach nur bescheiden aus. In Zerbst blieb ein gewisses Pathos erhalten. Man merkt sofort: dies war ein besonderer Ort.

    @ DV

    Zitat

    Was den Stadtbildverlust angeht, scheint Zerbst die kleine Schwester von Dresden zu sein, auch wenn Ursus das sicher anders sehen wird.


    Auch nach meinen obigen Ausführungen verstehe ich den Sinn diese Aussage nicht. Waum sollte ich das anders sehen?

    Ansonsten sei noch angemerkt, dass ich in der Galerie ostdeutsche Städte einige seltenere Ansichten von Zerbst gezeigt habe, die man auch in die neue Galerie einbinden könnte. Hier zeigt sich, dass die Stadt von ihrer Substanz her mit vielen süddeutsch.-bayerisch-schwäbischen Schwestern eigentlich nicht mithalten konnte. Die wirklichen Höhepunkte standen auf eher engem Raum, bildeten allerdings ziemlich unikate Ensembles (und wurden leider vollständig zerstört). auch ich denke, dass das Neue Haus den größten Verlust darstellte. Leider ist der Nachfolge ziemlich geglückt, sodass mit einer Reko nicht zu rechnen sein wird.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

    Einmal editiert, zuletzt von ursus carpaticus (3. Juli 2013 um 13:33)

  • Hallo,

    naja - gewisses Pathos - ich weiß nicht. Als wir dort waren war ein Gang von der Schloßfreiheit über den "Markt" zur Nikolaikirche für mich schon deprimierend. Nicht weil es verfallen wäre oder man den Häusern des Wiederaufbaus per se architektonische Würde absprechen müßte - das ist nicht der Fall, da hat Ursus Carpaticus schon weitgehend recht. Aber - ABER!!! es fehlen quasi fast sämtliche Strukturen, die eine Innenstadt ausmachen! Das Zentrum von Zerbst ist ein Kaufland und eine ehemalige Konsumkaufhalle als "Zentrumkaufhaus"! Die drei großen Kirchen der Stadt - eine komplett Ruine, eine zur Hälfte Ruine und eine äußerlich erhalten... Am nettesten ist Zerbst noch an den Rändern - da wo einst das Augustinerkloster stand, am Gymnasium (da ist es wirklich schön!) und eben die nach wie vor bezaubernde Schloßfreiheit, wobei in der Folge des Straßenzuges dort auch noch so manch nette Ecke ist. Das ist einfach mal völlig verfehlter Städtebau, den man auch nach 1990 nicht korrigiert hat. Wo kaufen eigentlich die Zerbster ein? Mir kommt Zerbst wie eine Vorstadt der 50iger bis 70iger Jahre vor - dafür wäre der Wiederaufbau nicht schlecht geraten. Das Problem von Zerbst heute ist ja auch, wie man bei zurückgehenden Einwohnerzahlen und Finanzen eine Umkehrung dieser Entwicklung erreichen könnte. Insofern halte ich beispielsweise einen Wiederaufbau der großen Stadtkirche in den nächsten Jahrzehnten für völlig illusorisch - man wird froh sein müssen, wenn man die Ruine ohne Substanzverlust über die
    Zeit rettet. Wir werden alle froh sein, wenn der Wiederaufbau des Zerbster Schloßflügels weiter voranschreitet - und dies ist im Großen und Ganzen auch einer eher kleinen, aber dafür umso engagierteren Truppe um Herrn Herrmann zu danken.

    Beste Grüße Andreas

  • Nein, so zutreffend dieser Begriff auch fast immer ist, hier ist er verfehlt.
    Die STadt wurde nicht im Zuge der britischen moral bombing "Strategie" vernichtet, sondern im Zuge der Eroberung (wie auch in Halberstadt der Fall). Einfach, weil sie sich nicht ergab. Jede Armee der Welt schont ihre Angehörigen und setzt dazu alle ihre Mittel ein. An vielen Verlusten war eben auch der Durchhaltewille der Nazi-Machthaber primär kausal.


    Na, das ist oft wohl auch so eine Mär. War die Stadt denn befestigt und zur Verteidigung bereit? Oft wurden Städte dort wo die Eroberer auf breiter Linie durchkamen präventiv zusammengebombt um ja keinen Häuserkampf zu riskieren. Bei uns so geschehen in Zweibrücken, Bad Dürkheim und Wachenheim.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Vor dem Einmarsch in größere Städte gab es in der Regel Aufforderungen zur Kapitulation. Wurde dieser nicht nachgekommen, bereitete man das Feld mit Artillerie oder Luftangriffen. Daran kann man erstmal nichts verwerfliches feststellen da hat Ursus recht. Eine Stadt ist in dem Moment Kampfgebiet. Ihre Zerstörung wird von den Verteidigern willentlich in Kauf genommen. Auch in den meisten anderen Fällen wäre es mutigen Entscheidungsträgern möglich gewesen durch Kontaktaufnahme mit den Alliierten die Zerstörung zu verhindern. Oftmals lag das Schicksal einer Stadt in der Hand eines Mannes. Gotha hatte Glück, Zwickau ebenfalls, Zerbst leider nicht.

  • Zitat

    Da scheint es mir so, dass angesichts dieser städtebaulichen Wüste auch kaum jemand Ambitionen entwickeln kann, diese Stadt wieder richtig aufbauen zu wollen.


    Das ist zwar richtig, allein... warum wird dies gerade hier moniert und nicht etwa im ungleich bedeutsameren und noch dazu völlig miserablig wiederaufgebauten Würzburg? Gerade hier, wo ein doch erträgliches, gefällliges,ja ganz hübsches, modernes Stadtbild vorherrscht? wieviel wichtiger wäre es, in Augsburg gewisse Lücken zu schließen, gewisse Schandflecke auszumerzen, gewisse höchst bedeutsame Einzelbauten wiedererstehen zu lassen? Welche Stadt außer dem so vielzitierten Donauwörth (das städtebaulich übrigens wirklich gut mit dem alten Zerbst vergleichbar erscheint) wurde denn "richtig" aufgebaut? Wieviel ungleich Bedeutenderes ist viel hässlicher und abstoßender geraten? Warum gerade hier so scharfer Tobak? In unzähligen westlichen Städten wäre man froh über ein derartiges Platzbild.

    Andreas:

    Zitat

    ABER!!! es fehlen quasi fast sämtliche Strukturen, die eine Innenstadt ausmachen! Das Zentrum von Zerbst ist ein Kaufland und eine ehemalige Konsumkaufhalle als "Zentrumkaufhaus"! Die drei großen Kirchen der Stadt - eine komplett Ruine, eine zur Hälfte Ruine und eine äußerlich erhalten...

    Ja, schon meine tschechische Tante hat mir seinerzeit aus - ich glaube es war Jüterbog eine AK geschrieben und dabei des längeren Zerbst erwähnt, das sie als unheimlich odeer gespenstisch oder so irgendwie beschrieb. Es ist überhaupt nicht zu bezweifeln, dass ich mich deinem Standpunkt anschließen würde. Ich will eigentlich auch gar nichts gegen Zenos Wort "trostlos" sagen. Aber den Bildern nach liegt gerade darin eine gewisse expressionistische Qualität. Man merkt, dass hier einmal etwas WAR. Damit wurde die Besonderheit des Ortes immerhin ein wenig gewahrt, und das ist viel, viel mehr als man von den sattsam bekannten BRD-Fußgängerzonen sagen kann. Da ist es egal, ob man in Würzburg oder Nürnberg oder Pforzheim oder Dortmund oder sonst wo ist- sie sehen überall gleich mies aus und lassen keinen Rückschluss auf ein einstiges schönes Stadtbild zu. Eigetnlich stieß mir mehr das von einem anderen Teilnehmer gebrauchte "identitätslos" auf. Das ist eindeutig nicht der Fall.

    ich finde übrigens auch die Kirchenruine recht gut und stimmig. Man sollte die Kirche so belassen bzw nur gemeinsam mit der restlichen Bebauung rekonstruieren.

    Zur "Schuldfrage":
    Hier mal eine typisch bundesdeutsche Stimme, die man besser nicht zu Wort kommen lassen sollte, einen jener widerwärtigen bundesdeutschen Betroffenheits- und Selbstgeißelungspolitker, die man im nächsten Häusel herunterspülen möchte:

    Zitat

    In Zerbst ist an die Zerstörung der Stadt vor 68 Jahren erinnert worden. Im Mittelpunkt einer Gedenkfeier in der evangelischen St. Trinitatiskirche standen eine ökumenische Andacht und eine Ansprache des Zerbster Bürgermeisters Andreas Dittmann. Der SPD-Politiker rief dazu auf, die Erinnerung an den 16. April 1945 und seine Ursachen wachzuhalten. Hitler-Deutschland habe angefangen, den Bombenterror in europäische Städte zu tragen. Zudem sei es die Nazi-Doktrin der verbrannten Erde gewesen, die Zerbst zum Ziel eines Bombardements gemacht habe. Dennoch sei alljährlich zu erleben, wie Neonazis das Wechselspiel von Ursache und Wirkung auf den Kopf stellen. Dies sei unerträglich und eine Verhöhnung der Opfer, sagte Dittmann.

    Wer ist hier unerträglich und eine Verhöhnung?
    Der gute Mann ist überdies völlig ahnungslos. Er hätte nicht gleich den ganzen Bombenterror zu rechtfertigen brauchen, denn hier, in Zerbst, war es tatsächlich anders.
    Lesen wir diese Quelle weiter: http://www.mdr.de/sachsen-anhalt…s-ae30b3e4.html

    Zitat

    Das anhaltische Zerbst war am 16. April 1945 bei einem alliierten Luftangriff schwer zerstört worden. Dem Bombardement, anschließenden tagelangen Bränden und gleichzeitigem Artilleriebeschuss durch die US-Army fielen fast 600 Bewohner der einst prächtigen Residenzstadt zum Opfer. Über 80 Prozent der Gebäude wurden unwiederbringlich vernichtet. Neben einzigartigen Fachwerk- und Renaissancebauten versanken auch das Schloss sowie mehrere Kirchen in Schutt und Asche. Bis heute zeugen vor allem entlang der Hauptverkehrsachse der Stadt große Baulücken von den Verwüstungen des Zweiten Weltkrieges.

    So ist das halt, wenn man sich nicht rechtzeitig ergibt. Ohne zugegebenermaßen die näheren Umstände zu kennen, würde ich sagen, dass dies orthodoxe Eroberungshandlungen und keine Kriegsverbrechen waren.

    Zitat

    Oft wurden Städte dort wo die Eroberer auf breiter Linie durchkamen präventiv zusammengebombt um ja keinen Häuserkampf zu riskieren. Bei uns so geschehen in Zweibrücken, Bad Dürkheim und Wachenheim.


    Klar, das ist nicht nett, aber sozusagen dem Begriff Krieg immanent. Wenn nichts mehr zu halten ist, muss man sich eben ergeben. Die Zerstörung von Zerbst und Halberstadt (wurde mW 3x zur Übergabe aufgefordert!) ist eindeutig den damaligen Machthabern anzulasten.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Also, ich würde Pforzheim, Dortmund, Würzburg und Darmstadt nicht auf die gleiche Stufe stellen. In Würzburg und Darmstadt haben sich immerhin die bedeutenden Leitbauten und manch wichtiges historisches Gebäude erhalten. Darmstadt hat zudem viele Ecken, die ganz und gar nicht trostlos wirken. In Dortmund und erst recht in Pforzheim ist da schon stärker tabula rasa.

    Abgesehen davon kann man natürlich über städtebauliche Strukturen streiten, gleichwohl möchte ich mich nicht nur daran erinnern, dass da mal etwas war, sondern es eben auch sinnlich erleben. Und hierfür sollte ein restaurierter Schlossflügel und ein rekonstruiertes Rathaus, für das man sicherlich eine geeignete Nutzung finden könnte, sehr dienlich sein.